Interview Landrat Ostprignitz-Ruppin - "Wir können Touristen im Krisenfall nicht versorgen"

Do 26.03.20 | 15:59 Uhr
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Archivbild: Ralf Reinhardt (SPD), Landrat des Landkreises Ostprignitz-Ruppin am 11.03.2020. (Quelle: dpa/Fabian Sommer)
Audio: Interview Ralf Reinhardt | Fragen: Björn Haase-Wendt | Bild: dpa/Fabian Sommer

Auch im Landkreis Ostprignitz-Ruppin steigt die Zahl der Corona-Infektionen. Landrat Ralf Reinhardt zieht deshalb die Reißleine – und schließt für Urlauber die Kreisgrenze. Zum Schutz der Touristen und der eigenen Bürger, sagt Reinhardt im Interview.

Was Sie jetzt wissen müssen

rbb: Herr Reinhardt, wovor haben Sie Sorge? Weshalb sind Sie mit Ihren Regeln sozusagen landesweit vorgeprescht?

Landrat Ralf Reinhardt (SPD): Bei uns hat sich die Lage durch die Grenzschließung Mecklenburgs für die touristisch Reisenden verschärft. Dadurch stauen sich in unseren Urlaubsorten Touristen, die wir nicht versorgen können. Deswegen mussten wir Reisebeschränkungen auferlegen, die nicht für die einheimische Bevölkerung, unsere Nachbarn oder die hier Tätigen oder hier Verwandtschaft Habenden gilt.  

Viele Berliner werden sich denken: In einer Großstadt bin ich vielleicht in einer größeren Gefahr. Ich setze mich ins Auto und fahre nach Rheinsberg oder nach Neuruppin, und schnappe ein bisschen frische Luft. Sind die willkommen im Landkreis Ostprignitz-Ruppin?

Grundsätzlich sind Touristen hier sehr willkommen. In der jetzigen Zeit mit Corona können wir sie aber im Zweifel nicht versorgen. Und deswegen müssen wir jetzt alle Touristen, alle Urlauber, alle Wochenendausflügler bitten: Bleiben Sie zu Hause. Wir haben sehr knappe Ressourcen, und im Zweifel möchte ich nicht in die Lage kommen, entscheiden zu müssen, wer behandelt wird und für wen diese knappen Ressourcen eingesetzt werden.

Manch einer wirft Ihnen Kleinstaaterei vor oder überzogene Maßnahmen. Wovor haben Sie Sorge, wenn die Ausflügler jetzt kommen?

Der Bereich rundum Rheinsberg ist im Norden Brandenburgs der, der touristisch am intensivsten nachgefragt wird. In der Vergangenheit waren es meistens Rekord-Übernachtungszahlen, die hier zu verzeichnen waren. Das ist gut in ruhigen Zeiten. Aber in dieser Situation mit Covid-19 und einer schweren Pandemie haben wir auch in unserer Region nur beschränkte Ressourcen: nicht mehr vorhandener Mundschutz, keine Desinfektionsmittel, keine persönliche Schutzausstattungen. Wir müssen mit diesen knappen Ressourcen umgehen und abwägen, für wen wir sie einsetzen können. Und wir können im Moment nicht zusätzlich touristisch Reisende hier versorgen - und deswegen diese Beschränkung.

Ein paar Beispiele: Da hat jemand aus Berlin oder der Uckermark ein Ferienhaus hier – kann er das privat nutzen?

Auch für diese Menschen gilt meine dringende Bitte: Wenn Sie zu Urlaubszwecken und für die Erholung kommen wollen, bleiben Sie bitte daheim. Das ist keine notwendige Reise. Es ist in der jetzigen Zeit mit diesen knappen Ressourcen für uns im Landkreis die oberste Priorität, dass wir unsere einheimische Bevölkerung versorgen können.

Das gilt dann auch für Menschen, die kurz mal in ihrem Garten nach dem Rechten sehen wollen?

Touristisch, Urlaub und Erholung sind die Zielwörter. Diejenigen, die hier Familienangehörige haben, zu Pflegende haben oder den Umgang mit Kindern realisieren wollen, können ganz normal reisen. Mit der Polizei und den Ordnungsbehörden ist abgesprochen, dass in diesen Fällen eine kurze Erklärung oder ein Nachweis zu erbringen ist. Wenn eine plausible Erklärung erfolgt, wird die Weiterreise nicht verhindert.

Wer hier seinen Hauptwohnsitz oder Familienbeziehungen hat, da soll auch weiterhin alles gewährleistet sein. Auch aus unseren Nachbarregionen sind die Einpendler natürlich willkommen, die ihre Geschäftsbeziehungen hier haben. Menschen, die zum Arzt hier müssen, oder zur Bank oder hier in der Nachbarschaft einkaufen. Das soll alles weiterhin möglich sein.

Brauchen die Menschen, die in Ihrem Landkreis arbeiten, einen Arbeitsauftrag oder Ähnliches in der Tasche?

Wenn es in irgendeiner Form einen Nachweis wie einen Dienstausweis oder die Bescheinigung einer Organisation gibt, ist es bei Nachfragen natürlich einfacher. Ansonsten müsste zurücktelefoniert werden. Polizei und Ordnungsämter werden hier in den kommenden Tagen ab Sonntag verstärkte Ansprachen vornehmen, auch Informationen weitergeben und dann nachkontrollieren. Und ich hoffe, dass das auf Einsicht stößt und die Menschen vernünftig sind.

Wäre Ihnen eine brandenburg-weite Regelung lieber?

Eine landesweite Regelung wäre weitaus einfacher und wäre aus meiner Sicht sehr wünschenswert. Die Konzentration der Urlaubsreisenden im Rheinsberger Bereich ist ja aber so sprunghaft angestiegen, dass wir hier keine Zeit haben, bis zu einer landesweiten Abstimmung - die ich mir immer noch erhoffe - zu warten. Wir mussten hier sehr schnell handeln, da Ostern vor der Tür steht.

Müsste man nicht auch sagen: Die Ostprignitz-Ruppiner sollen den Landkreis nicht mehr verlassen?

Natürlich, das ist unsere allgemeine Bitte: Vermeiden Sie im Moment jede unnötige Reise, jede unnötige Bewegung und auch gerade Reisen in die Zentren in den großen Städten, wo die Gefahr oder die Wahrscheinlichkeit, dass man sich infiziert und ansteckt, im Moment so groß ist.

Dieser Text ist eine redigierte und gekürzte Form des Interviews, das Björn Haase-Wendt mit Landrat Ralf Reinhardt geführt hat. Das vollständige Gespräch können Sie oben im Beitrag im Audio hören.

50 Kommentare

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  1. 50.

    Mein Mann und ich besitzen seit 3 Jahren ein Haus in OPR in einem kleinen Ort. Es ist unser Zweitwohnsitz. Wir sind Brandenburger schon immer und arbeiten schon immer in Berlin. Warum gehen sie davon aus, das wir unverantwortlich handeln? Ich empfinde es gegenüber den Menschen, die viele leerstehende Häuser sanieren und vor dem Zusammenfall bewart haben und darüber hinaus auch Grundsteuer bezahlen unsolidarisch und kleingeistig. Wir können dieses Problem nur gemeinsam lösen. Sollen die Berliner jetzt alle Brandenburger wegjagen? Unglaublich ist das.

  2. 49.

    Na, Wolfgang, wollen wir die Mauer wiederhaben in Fürstenwalde? Wir vermissen die Brandenburger in Berlin auch nicht wirklich. Und wenn die 200.000 Arbeitnehmer aus Brandenburg morgen wegbleiben, können wir sie sicher durch Westberliner oder Westdeutsche ersetzen. *ironieoff*

    Manche Sprüche hier sind sowas von ewiggestrig - man sieht, dass sich 30 Jahre nach Mauerfall NICHTS, absolut gar nichts in den Köpfen der "Zonis" geändert hat. Die paar Berliner, die sich "trauen", eine Datsche im sog. Osten zu haben, werden jetzt so angemeiert, dass sie vermutlich bald gerne darauf verzichten, ihre Kaufkraft in Brandenburg auszuleben. Ich sehe schon die Immobilienanzeigen "Zweitwohnsitz in Fürstenwalde zu verkaufen, bestens renoviert".

    Achtet mal drauf, Brandenburger - es gibt ein Leben nach Corona. Wem genau könnt ihr dann noch guten Gewissens ins Gesicht schauen? Nur noch den "Ureinwohnern" ab 50 aufwärts....

  3. 48.

    Ich finde die ganze Diskussion der Berliner langsam bescheuert. In Anbetracht der Lage können die Damen und Herren doch mal zwei oder drei Wochen zu Hause in Berlin bleiben. Dieses zänkische Theater ist einfach rücksichtslos.

  4. 47.

    Wurde die Grenzschließung vielleicht von der AfD eingeflüstert? Die sind ja für sowas.

  5. 46.

    Es soll Leute geben, die auch im Winter ihren Zweitwohnsitz nutzen und noch nie auf Mallorca waren

  6. 45.

    Dann bleiben Sie eben. So ist mehr Platz für die Brandenburger.
    Hier wird Sie niemand vermissen.
    In Berlin gibt es auch schöne Ecken. Da ist es allerdings teurer als bei uns in Brandenburg.

  7. 44.

    Bissel leichtsinnig und ohne Rückendeckung was Sie da schreiben. Nur eine Frage bitte: Da liegt doch im schönen Brandenburg fast überall Müll an besonderen Stellen. Der muss natürlig weg und es ist gut, dass viele Bürger im "Maerker" von der Meldung Gebrauch machen. Solidarisierung muss da eben sein. Deshalb braucht man auch ihre Tonnengrundgebür. Capito ?

  8. 43.

    Da fällt mir noch etwas ein. Da ich 70 Jahre alt bin kann ich mich noch an Zeiten erinnern, da gab es an den Grenzen von Berlin Schlagbäume Richtung Brandenburg. Eine Zuzugsgenehmigung nach Berlin gab es damals nur, wenn man dort Arbeit hatte. Einen Arbeitsplatz fand man aber nur, wenn man in Berlin eine Wohnsitz hatte. Wenn man in den Kategorien des Landrats denkt, müsste diese Regelung wieder eingeführt und die Schlagbäume wieder aufgebaut werden. Wieviel Brandenburger arbeiten in Berlin?

  9. 42.

    Wer hier immer noch vom "letzten Wochenende" und Berlinern in Restaurant redet, hat nicht mitbekommen, dass seit Montag eine andere Regelung in Kraft gesetzt wurde. Letztes Wochenende war letztes Wochenende. So vergangen wie letztes Weihnachten...

  10. 41.

    Als ich die Bestellung einer Mülltonne auf meinem Zweitwohnsitz ablehnte, da ich meinen Müll immer mit nach Berlin mitnehme, wurde mir gesagt, dass der Müll dort entsorgt werden muss wo er entsteht. Als ich die Zweitwohnsteuer ablehnte, wurde mir gesagt, dass ich ja die Versorgung und Infrastruktur der Stadt nutze. Den Kurbeitrag darf ich trotz Zweitwohnsteuer bezahlen. Komisch, dass zählt auf einmal alles nicht mehr. Also doch nur abkassieren und im Fazit keine Leistung erbringen.

  11. 39.

    betr: Landrat Ralf Reinhardt

    Ihm reicht scheinbar die Grundstückssteuer nicht, weshalb er von Zweitwohnungsinhabern aus Berlin scheinbar verlangt, daß sie dort den Erstwohnsitz anmelden, damit u.a. auch die Lohnsteuer dort gezahlt werden muß.

    Es kann natürlich auch sein, wie mir ein Einwohner sagte, ich zitire, daß er damit versuchen will, daß die Zweitwohnungen billig verkauft werden, um sich die dann unter den Nagel zu reißen.

    Ich bin gespannt, was die SPD in Potsdam dazu sagt, denn sowas ist Wasser auf die Mühlen der Radijaken.

  12. 38.

    Beschweren Sie sich bitte bei den Menschen, die es eben nicht so durchführen wie Sie.
    Ich berichte hier in fast jedem Beitrag über das Problem der Bürger, welche hier aufs Land fahren und sich eben NICHT nur auf Ihrem Grundstück/Haus aufhalten! Letztes Wochenende waren die Restaurants voll, die Einkaufsmöglichkeiten waren gut besucht und es wurde in Gruppen durch die Gegend flaniert. Aber keine Einheimischen...
    Es gibt leider eine große Anzahl an Mitmenschen die den Appell der Politik zur Verlangsamung/Verringerung der Verbreitung des Virus NICHT verstanden haben!
    Entsprechend sind wir Bürger der Uckermark ebenfalls dabei in die OPR-Richtung zu gehen.
    Wer jetzt bereits eine Reise nach der „Corona-Zeit“ in die LK ausschließt, hat leider ebenfalls den Sinn und das Handeln der Politik vor Ort NICHT verstanden.

  13. 37.

    Könnte mir bitte einer der Kritiker hier schlüssig erklären, warum er denn UNBEDINGT JETZT Zeit in seinem Zweitwohnsitz verbringen MUSS? Erholung? Was machen dann die anderen 99,5% der Berliner ohne Zweitwohnsitz in Brandenburg? Haben die alle Burn-Out?

    In der Gegend rumtingeln ist derzeit nunmal leider NICHT DRIN, kapiert das endlich!

  14. 36.

    Vier Discounter und Edeka alleine in Rheinsberg - und den Landrat treibt die "Sorge" um, dass die vielen Touristen
    ( ich sehe keine oder verstecken sich die in den Wäldern in Zelten und Hütten)
    nicht ausreichend versorgt werden ? Im Sommer werden das Vielfache an Touristen versorgt !
    Was ist das für eine verquere Argumentation. Spielt da auch eine Rheinsberger Rathauspolitik mit um möglichst viele
    Wählerstimmen, so werden selbst seit fünf Jahrzehnten ansässige "Zweitsitzler" dumm angesprochen werden.

  15. 35.

    Beschweren Sie sich bitte bei den Menschen, die es eben nicht so durchführen wie Sie.
    Ich berichte hier in fast jedem Beitrag über das Problem der Bürger, welche hier aufs Land fahren und sich eben NICHT nur auf Ihrem Grundstück/Haus aufhalten! Letztes Wochenende waren die Restaurants voll, die Einkaufsmöglichkeiten waren gut besucht und es wurde in Gruppen durch die Gegend flaniert. Aber keine Einheimischen...
    Es gibt leider eine große Anzahl an Mitmenschen die den Appell der Politik zur Verlangsamung/Verringerung der Verbreitung des Virus NICHT verstanden haben!
    Entsprechend sind wir Bürger der Uckermark ebenfalls dabei in die OPR-Richtung zu gehen.
    Wer jetzt bereits eine Reise nach der „Corona-Zeit“ in die LK ausschließt, hat leider ebenfalls den Sinn und das Handeln der Politik vor Ort NICHT verstanden.

  16. 34.

    Der Landrat will keinen mehr sehen der seinen Erstwohnsitz dort mehr hat.
    Dann will ich aber auch lieber erkrankte Italiäner oder Franzosen in Berliner Kliniken betreuen.
    Aber erkrankte aus OPR' ler nicht!!!!!!!!
    Was ist das denn für eine Solidarität.
    Alles andere ist schon gesagt worden.

  17. 33.

    Diese Einzelentscheidung ist reiner Aktionismus. Ich wandere durch Brandenburg, sehe unterwegs kaum Menschen. Cafes und Restaurants sind geschlossen, welches Risiko ist den gegeben? Und, sollen wir jetzt die Brandenburger aus Berlin verbannen?

  18. 32.

    Wenn die paar Leute aus Berlin in dem Landkreis jetzt schon eine Krise im Gesundheitswesen hervorrufen können, wie will denn der Herr Landrat die medizinische Betreuung der Urlauber aus ganz Deutschland sicherstellen, wenn sie denn dann wieder kommen dürfen? Also für mich heißt das, der Kreis ist generell nicht in der Lage Urlauber zu empfangen und im Notfall zu versorgen. Dann sucht man sich halt einen anderen Urlaubsort und gibt sein Geld dort aus. OPR ist somit nur noch zur Durchreise geeignet. Danke für den Hinweis Herr Landrat.

  19. 31.

    Unser Geld wollt ihr haben.
    Z.B. in Form der Zweitwohnsteuer.
    Aber ansonsten wäre es schön wenn wir nur zahlen und zu Hause bleiben.
    Kenne ich aus tiefsten DDR Zeiten.

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