Unterrichtsausfall wegen Corona - Berliner Schüler protestieren gegen Abiturprüfungen

Mi 08.04.20 | 15:39 Uhr
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Symbolbild: In einem Gymnasium bereiten sich die Abiturienten auf den Beginn der schriftlichen Englisch-Prüfung vor. (Quelle: dpa/Wüstneck)
Bild: dpa/Wüstneck

Kann man mitten in der Corona-Krise sein Abitur schreiben? Nein, sagt der Berliner Landesschülerausschuss - und fordert von der Bildungssenatorin, alle Prüfungen abzusagen. Doch die ist an einen bundesweiten Beschluss der Kultusministerkonferenz gebunden.

Was Sie jetzt wissen müssen

Der Berliner Landesschülerausschuss verlangt, dass die Abiturprüfungen dieses Jahr ausfallen. Das sagte Landesschülersprecher Miguel Góngora am Mittwoch. Die Forderung gelte nicht nur für das Abitur, sondern etwa auch für den Mittleren Schulabschluss. Der Landesschülerausschuss richtet sich damit gegen die Kultusministerkonferenz, die sich dafür ausgesprochen hat, die Schulabschlussprüfungen stattfinden zu lassen. Dieser Position hatte sich auch die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) angeschlossen.

Der Landesschülerausschuss hat Berliner Schülerinnen und Schüler jetzt dazu aufgerufen, gegen diese Entscheidung zu protestieren - allerdings nicht bei Demonstrationen im öffentlichen Raum. Die lehnt der Landeschülerausschuss wegen der Gesundheitsgefahren ab. Stattdessen forderte er dazu auf, "Senatorin Scheeres mit Mails zu bombardieren", wie es in einer Mitteilung vom Mittwoch heißt. "Wir hoffen, dass die Bildungssenatorin die Berliner Schülerschaft nicht im Stich lässt", so die Schülervertretung, "denn sie braucht uns für ihre Arbeit und sie macht sich derzeit so unbeliebt wie noch nie zuvor".

Prüfungen wie nie zuvor

Mehr als 500 Protestmails seien bereits an Scheeres geschickt worden, sagte Góngora. "Und es werden ständig mehr." Für den Fall, dass die geltenden Ausgangsbeschränkungen nach den Osterferien aufgehoben sein sollten, haben die Schülervertreter für den 20. April eine Versammlung von Schulsprechern vor der Senatsverwaltung für Bildung angekündigt.

Die Schülervertretung hat nach eigenen Angaben außerdem einen Brief an die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien - bis auf die AfD - verschickt. Darin bittet sie die Politiker um Hilfe. "Es melden sich täglich weinende, wütende und enttäuschte Schüler*Innen bei uns, die erhebliche Nachteile bei ihrem Abschluss befürchten", heißt es in dem Schreiben. "Wir empfangen Anrufe von Schüler*Innen in Risikogruppen, welche zum Beispiel Krebs, Asthma oder andere Vorerkrankungen hatten und nun Angst um ihr Leben haben." Die Schüler seien stark belastet durch den Druck der Ausgangsbeschränkungen. "Prüfungen werden dieses Jahr niemals die gleichen wie zuvor oder danach für uns sein."

Kein Berliner Alleingang möglich

Der Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW in Berlin, Tom Erdmann, sieht die Abiturprüfungen nach eigener Aussage ebenfalls kritisch. Die Bildungssenatorin ist nach seiner Einschätzung allerdings die falsche Adressatin für Protestschreiben - sie sollten besser an die Kultusministerkonferenz gehen. Denn wenn Berlin sich nicht an eine bundeseinheitliche Regelung halte und die Abiprüfungen einfach streiche, werde das Berliner Abitur in anderen Bundesländern möglicherweise nicht anerkannt, sagte er.

Das ist auch für die Bildungssenatsverwaltung ein wichtiges Argument: "Ein Alleingang Berlins würde die Zukunftschancen eines ganzen Abiturjahrgangs einschränken", sagte Beate Stoffers (SPD), Staatssekretärin in der Bildungsverwaltung, am Mittwoch. Priorität habe selbstverständlich die Gesundheit der Schüler und Lehrkräfte. Doch wenn es - wie nach der aktuell geltenden Verordnung - rechtlich möglich sei, die Abschlussprüfungen durchzuführen, dann werde es sie auch geben, sagte Stoffers. "Eine gemeinsame Abstimmung mit den anderen Bundesländern ist dabei ganz wichtig."

Beginnen die Prüfungen am 20. April?

Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, sind seit 17. März alle Schulen in Berlin geschlossen. Seitdem müssen die Schüler zu Hause lernen. Die ersten Abiturklausuren sollen nach bisherigem Stand am Montag, den 20. April, stattfinden - unter strengen Auflagen: Abiturienten und Lehrer müssen unter anderem sicherstellen, dass die Abstandsregeln von mindestens 1,5 bis zwei Metern in jedem Moment eingehalten werden. Es dürfen nicht mehr als zehn Schüler gleichzeitig in einem Raum sein.

Die Prüfungen mitschreiben darf nur, wer versichert, weder unter Quarantäne zu stehen noch einen Fall von Covid-19 im Kontaktbereich zu haben. Alle anderen müssen auf Nachschreibetermine ausweichen, für die in diesem Jahr weniger Spielraum besteht als sonst. Denn durch die Corona-Krise wurden schon Abiturprüfungen verschoben, die eigentlich vor den Osterferien hätten stattfinden sollen.

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66 Kommentare

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  1. 66.

    Und erst mit der Schulschliessung kam die Zulassung. Dann hat ihr Kind ja seit Februar Zeit ohne Ende. Aus welchem Bezirk sind Sie, dass im Januar alles feststeht und im Februar die letzten Klausuren geschrieben wurden. Ich bin entsetzt über die Unfairnis alleine in Berlin

  2. 65.

    Bundesweit gibt es so viele Menschen, die studieren ohne Abitur. Also versteh ich nicht, was so schlimm daran ist, dass die Kinder ihr Abitur ohne die letzten 5 Prüfungen bekommen sollen. Zumal statistisch gesehen viele die Punktzahl schreiben werden, die sie schon in den Klausuren hatten. Wozu dieser Wirbel um diese Abschlussprüfungen. Die Schüler, die zugelassen sind, werden eh ihr Abitur machen. Leider aber unter unfairen Bedingungen, so leid es mir tut, es ist unfair.

  3. 64.

    Ach so ist das, im Januar stand fest, wer zugelassen ist. Komisch. Mein Sohn hat bis zur Schulschliessung Klausuren, ich wiederhole 3 Leistungskursen, Präsentationen und die üblichen Grunfkursklausuren geschrieben. Dazwischen musste er für die 5. Prüfngskomponente lernen, die dann 1 Tag vorher abgesagt wurde.

    Das zur Fairniss

  4. 63.

    Das schlimmste steht uns sicher noch bevor, es ist einfach unverantwortlich Schulen für Prüfungen oder den normalen Unterricht zu öffnen!

  5. 62.

    Es gibt keine Quarantäne nur Ausgangsbeschränkungen! Es gibt auch keine Nachteile was das Lernen anbelangt zwischen arm und reich , alle Abiturienten mussten schon mit Beginn der Abiphase die Schule verlassen , die ersten Prüfungen wären ab dem 25.03. gewesen , die Schüler hätten allein lernen müssen , irgendwie haben sie es ja auch 12 Jahre vorher geschafft, in vielleicht zu kleinen Wohnungen mit Geschwistern . Für hilfsbedürftige Schüler gibt es das Bildungspaket und Posten im Bedarfssatz von den Jobcentern, sie finden auch immer eine Möglichkeit mit ihren Freunden sich auszutauschen, wenn mal wieder einer die HA nicht gemacht hat usw.! Am 07.01. gab es das letzte Halbjahreszeugnis für unsere Tochter und da stand schon fest wer zur Abiprüfung gehen sollte und wer nicht , im Februar wurden die letzten Klausuren geschrieben und danach die Noten vergeben, also wer es bis dann nicht gebacken gekriegt hat brauchte keinen Corona um lieber nicht hinzugehen!

  6. 61.

    Maske tragen hilft den Virus nicht zu verbreiten, wenn man infiziert wäre

  7. 60.

    Wenn der Stoff, der im Unterricht nicht behandelt wurde, auch nicht geprüft wird, weil Wahrscheinlichkeitsrechnung fehlt meistens und wird trotzdem geprüft.
    Und da sie darauf pochen, dass Prüfungen wieder innerhalb von 8-10 Tagen geschrieben werden sollen, haben sie von effektiven Lernmethoden wahrscheinlich auch nicht viel Ahnung.
    Übrigens durch die Ausgangssperre hat nicht jeder Schüler die Möglichkeit normal lernen zu können.
    Warum eigentlich Privatlehrer, gibt es dort mehr Geld zu holen?

  8. 58.

    Verantwortungslos, wenn einer Krank ist, ist der Raum innerhalb von wenigen Minuten kontaminiert. Ein Infizierterr überträgt das Virus bereits durch normales Atmen. Die Abstandsregel gilt für draußen, innerhalb geschlossener Räume ist sie sinnlos. Eigentlich müsste man die Kultusminister auf körperverletzung verklagen. Weil ein Schüler, der dort dann angesteckt wird, wird seine Eltern auch automatisch anstecken. Und die könnten ja dann vielleicht sterben. Zu dem fehlt der Unterricht für die Prüfungen oder ist das ein Eingeständnis, dass der Unterricht so schlecht ist, dass man eigentlich alles von zu Hause lernen kann.

  9. 57.

    Du hast es auf den Punkt gebracht.

    Wenn die Prüfungen im Frühjahr noch nicht stattfinden können, dann kann man sie ja trotzdem noch bis August nachholen. Ich finde auch nicht, dass den Schülern ein Nachteil entsteht. Den Sommerurlaub können wir ja alle wahrscheinlich eh streichen.

    Jeder muss jetzt Kompromisse eingehen.

  10. 56.

    Es ist schwer zu verstehen, dass man unter diesen Bedingungen Abiturprüfungen durchführen möchte. Die kleine Buchhandlung bei mir um die Ecke ist geschlossen, obwohl dort selten mehr als ein Kunde ist. Ob dieser Laden das alles überleben wird?
    Aber Prüfungen, in denen sich 10 Schüler und mindestens 2 Lehrer über Stunden in einem Raum aufhalten, sollen stattfinden? Das ist nicht nachvollziehbar! Ist wirklich einer der Schüler erkrankt, dann steckt er in diesen vielen Stunden sicher andere an. Gerade jetzt sitzen z. B. in den Supermärkten unzählige Schüler als Aushilfen an den Kassen, die Ansteckungschancen vorher sind groß.
    Es gibt Risikogruppen unter den Schülern, den Lehrern und in den Familien, zu denen die Schüler anschließend zurückmüssen. An dieser Stelle: Gesundheit geht vor Abi! Wo ist das Problem, dann haben die Schüler ein Durchschnitts-Abi. Die meisten haben sich bis hierhin doch durch sämtliche Klausuren wacker geschlagen. Bringen diese Prüfungen einen Mehrwert?

  11. 55.

    Dankeschön, für Ihr Verständnis :). Scheinen nicht viele momentan zu haben... Allerdings sollte man alle Abschlussprüfungen in Betracht ziehen, nicht nur das Abitur.

  12. 54.

    Und genauso sehe ich das auch! Wer meint Jetzt erst anfangen zu lernen, ist definitiv auf dem Holzweg. Ich denke auch, die die es ernst meinen und können schreiben hier nicht... Stelle mir eh die Frage was das gemache soll. Soll denn jeder ein Abitur bekommen? Was wollt ihr, die jetzt schreien DENN? Und bitte was ist geschlossen? Die Bibliotheken? Na uhiii... Mal weniger auf Facebook, TicToc oder sonst was rumeiern, sondern mal gezielt nach fachlichen Informationen suchen... Des Rätsels Lösung: Internet!!! Mein Gott, ALLE Infos stehen oder gibt es dort... Man muß eben nur suchen... Solltet ihr Abiturienten eigentlich wisse, wie selbstständiges lernen geht... wenn nicht, tja... Es wird nach der Krise genug Jobs geben....

  13. 53.

    Lieber Fresh D,
    Danke dir. Ich bin eine sehr besorgte Mutter eines Abiturienten. Du hast es gut auf den Punkt gebracht.
    Genau das ist auch meine Meinung.


  14. 52.

    Die Abstandsregeln sollen ja eingehalten werden. Darüber hinaus haben auch frühere Abiturienten jüngere Geschwister zuhause und in der Universität wird das Lernen nicht leichter, wenn man in einer WG wohnt oder in der Bibliothek lernen muss. Darüber hinaus sollte jeder Abiturienten in der Lage sein eine qualitative Internetrecherche hinzubekommen. Wenn man dies bis zum Abitur nicht gelernt hat, braucht man sich an der Universität gar nicht erst bewerben. Darüber hinaus sollte man die Bücher zum Lernen nicht erst ein paar Wochen vor der Prüfungen besorgen, sondern ein paar Monate vorher. Das wird man spätestens an der Hochschule merken, wenn man so vorgeht, fällt man dann spätestens durch die Prüfungen. Ich spreche hier aus eigener Erfahrung. Abiturienten mit Zentralabitur, Universitätsdiplom und jüngeren Geschwistern zuhause. Abitur mit 1,6 und Diplom mit 2,0. Es funktioniert.

  15. 51.

    Ich bin seit 25 Jahren Privatlehrer im Fach Mathematik.

    Mit einem haben die Abiturienten recht: Das diesjährige Abitur wird mit dem anderer Jahrgänge nicht vergleichbar ein. Sie sind jetzt bereits stark priviligiert - und sie wollen noch stärker priviligiert werden.
    Soviel mehr Zeit für die Prüfungsvorbereitungen hat es noch nie gegeben. Bereits der Umstand, dass die Prüfungen sich über mehr als einen Monat erstrecken, priviligiert gegenüber einem Abitur von vor 2000, als noch alle 3 Prüfungefächer innerhalb von 8-10 Tagen geschrieben wurden.
    Die Prüfungen entfallen zu lassen würde das Abitur 2020 weitestgehend entwerten.

    Schlag als Jurastudent dem GJPA mal vor, sie sollen die Examensprüfungen durch den Schnitt der Uniklausuren ersetzen. Man würde dort (zurecht) ausgelacht. Und hier vertreten sogar Lehrer diesen indiskutablen Standpunkt des Prüfungsentfalls, da kann man nur mit dem Kopf schütteln.

  16. 50.

    Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Es geht doch in den Abiturprüfungen nicht darum den Stoff der letzten 4 Wochen abzuprüfen. Das lernen beginnt auch nicht erst wenige Wochen vor dem Prüfungstermin. Wer das Lernen vor Corona ernst genommen hat, kann doch jetzt entspannt der Prüfung entgegensehen. Für die wenigen Fälle, das Schüler besonderen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind kann man doch sicher eine Lösung finden.

  17. 49.

    Lieber Olaf,
    Danke für deine Meinungsäußerung zu diesem Thema. Ich selbst bin Abiturientin und lerne im Moment jeden Tag für meine Prüfungen. Ich habe das Privileg dies ohne große Veränderungen durch die Pandemie zu tun. Ich selbst werde mich bei den Prüfungen in keiner vorstellbaren Situation sicher fühlen.. Egal wie weit unsere Tische voneinander entfernt sind, wie viele Masken und Handschuhe wir tragen - es kann nicht zu einer 100%-igen Sicherung vor Covid-19 kommen. Wenn auch nur ein paar wenige Schüler bereits das Virus haben, könnten die Abiturprüfungen zur Ansteckung von tausenden führen. Fast alle Schüler wohnen noch mit ihrer Familie zusammen und diese wird dann offensichtlich auch angesteckt. Da sogar unsere grundlegenden Freiheitsrechte zur Eindämmung von Covid-19 eingeschränkt wurden, verstehe ich nicht wie die Abiturprüfung über diesen stehen. Es ist als würde ich sagen: Sie bleiben doch nur zuhause und halten die Regeln ein, damit sie nicht arbeiten müssen...

  18. 48.

    Hat eigentlich jemand den Artikel genau gelesen und nicht nur die Überschrift? Es geht um Schüler, die zB zur Risikogruppe gehören oder einfach durch die letzten Wochen psychisch grade nicht in der Lage sind, ein Abitur zu schreiben oder zumindest nicht ihre volle Leistung erbringen können. Das ist total nachvollziehbar!
    Oder wie schon jemand schrieb , zur Zeit zu Hause nicht die Bedingungen und Möglichkeiten dazu hat, sich adäquat darauf vorzubereiten, angespannte Situation zu Hause, kein eigenes Zimmer, lärmende Geschwister etc etc...

    Ebenso viele Abiturienten wird es aber auch geben, die ihr Abitur unbedingt schnell hinter sich bringen wollen.
    Man muss beide Situationen verstehen und eine Lösung anbieten.

    Wer schreiben will, soll schreiben, für alle anderen muss es eine annehmbare Alternative geben. Vllt dann erst im Herbst oder erst im nächsten Jahr.
    So schwer kann das ja auch nicht sein.

  19. 47.

    Dadurch verschieben sich auch Studien- und Ausbildungsbeginne, was massive Nachteile mit sich bringt

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