Linksextreme Szene am 1. Mai - "Stay strong, stay rebel!"

Mo 27.04.20 | 07:41 Uhr
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Berlin: Teilnehmer der «Revolutionären 1. Mai-Demonstration» protestieren vermummt in der Hauptstadt. (Quelle: dpa/Kappeler)
Bild: dpa/Kappeler

Der höchste Feiertag der linksextremen Szene steht vor der Tür. Doch was tun am 1. Mai mitten in der Corona-Krise? Die Szene ist verunsichert und diskutiert seit Wochen. Fest steht aber: Ruhig bleiben soll es nicht. Von Jo Goll

Der in diesen Tagen immer üblicher werdende Mund-Nase-Schutz, ob als Maske oder Tuch, gehörte in der Vergangenheit zu den klassischen Accessoires der linksextremen Szene rund um den 1.Mai. Doch in diesem Jahr scheint alles anders.

"Vermummung" ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr und die Sorge um das Abstandsgebot treibt auch die Revolutionäre um. Und so klingen manche Pamphlete aus den Reihen des Bündnisses Revolutionärer 1. Mai Berlin auch ein wenig verzweifelt. Einerseits steht in den einschlägigen Internetforen zu lesen, dass die Aktivisten die Ansteckungsgefahr durch Corona durchaus ernst nehmen und die Aktionen sicher gestalten wollen, um sich selbst und andere zu schützen. Andererseits wird aber in allen Stellungnahmen auf Indymedia, dem Zentralorgan der Szene, betont: Man werde in der Walpurgisnacht und am 1. Mai nicht zu Hause bleiben und Däumchen drehen. Schon gar nicht werde man sich "vom Staat vorschreiben lassen, wie unser Protest aussehen wird".

Langes Wochenende als Mutmacher

Während der Deutsche Gewerkschaftsbund alle öffentlichen Kundgebungen abgesagt hat, hofft die linksextreme Szene in Berlin für den 1. Mai auf erhöhten Zuspruch der Arbeiterklasse. Denn ihr blieben "als Anlaufstellen der berechtigten Kritik und Wut nur noch etwaige unabhängige autonome Proteste und Demonstrationen" - so jedenfalls die Hoffnung der Linksextremen.

Die Organisatoren setzen auch darauf, dass der 1.Mai in diesem Jahr auf einen Freitag fällt. An einem verlängerten Wochenende hätten Werktätige mehr Zeit, um am Abend "länger an den Protesten teilzunehmen", heißt es. Die Szene macht sich Mut.

Geradezu dankbar zeigt sich das Bündnis für die Absage des MyFestes auf dem Kreuzberger Mariannenplatz. Dieses "Ballermann-Fest mit teils Tausenden Konsumidiot*innen" sei ohnehin nur von Senat und Polizei eingeführt worden, "um die Proteste am 1. Mai zu ertränken und isolieren".

Die Szene ist gespalten

Autoren aus dem Kreis der des besetzten Hauses in der Rigaer Straße 94 sind erleichtert, weil in der Corona-Krise der "ganze Party- und Tourirotz" aus der Hauptstadt verschwunden sei. Grünflächen würden jetzt endlich von Leuten genutzt, "die sich nicht um das Verbot sozialer Kontakte kümmern". Ihr Feindbild seien jetzt Polizisten und Mitarbeiter der Ordnungsämter, die inzwischen hochaktiv seien und ständig kontrollieren würden. "Die Schweine paradieren an Orten wo sich 'Unvernünftige' zusammenfinden könnten, Sicherheitsdienste erleben einen Boom, wer sich eine Spionage App aufs Smartphone lädt, soll mit etwas mehr Bewegungsfreiheit belohnt werden."

Ansteckungsgefahr ernst nehmen? Abstandsregeln einhalten? Für die Bewohner der Rigaer Strasse gilt dieser Vorsatz offensichtlich nicht. Stattdessen werden kämpferische Parolen ausgegeben. Man sieht sich als Avantgarde im Kampf um eine "solidarische Gesellschaft und ein selbstbestimmtes Leben". Und dieser Kampf sei mitunter gefährlich, heißt es. Deshalb sei es notwendig, "das eigene Risiko in Kauf zu nehmen, das eine Veränderung der sozialen Beziehungen uns abverlangt".

Polizeibeamte einer Hundertschaft stehen während einer Demonstration in Berlin-Kreuzberg im Nebel einer Rauchbombe. (Quelle: dpa/Moll)

Aktivisten der Rigaer Straße als Wortführer

Heißt für sie im Klartext wohl: Maske ab und auf in den Kampf! Mundschutz, Abstandsgebot, Ansteckungsgefahr sind hier kein Thema. Die Positionen angesichts von Corona sind links außen derzeit kaum miteinander vereinbar.

Auch die Berliner Sicherheitsbehörden beobachten in diesem Jahr, dass sich die Linksextremisten bislang nicht darauf verständigen konnten, wie sie den 1. Mai gestalten wollen. "Es gibt eine große Uneinigkeit in der Szene, wie wir sie lange nicht mehr beobachten konnten", konstatiert ein Beamter aus Sicherheitskreisen. "Es gibt auf der einen Seite Leute, die das Virus und die Pandemie als reale Gefahr wahrnehmen. Auf der anderen Seite gibt es da aber auch eine Gruppe, die auch jetzt auf Krawall aus ist und der gerade ein wichtiges Event im Jahreskalender entgeht."

Diese eher aktionsorientierten Berufsrevolutionäre zeigen sich ob der in ihren Augen zu großen Vernunft in den eigenen Reihen ernsthaft enttäuscht. Die Macher des Pamphlets aus der Rigaer Straße schalten inzwischen auf Angriff und gehen diejenigen an, die aus Sorge vor Ansteckungen erwägen, auf größere Aktionen am 1. Mai zu verzichten. "Allerdings gehen auch viele mit den Einschränkungen konform und wünschen sich mehr Überwachung und Kontrolle", heißt es anklagend. Dabei gelte es gerade jetzt in der Krise, den politischen Gegner zu benennen und "den Widerstand auf die Straße zu tragen". Und weiter: "Wer Millionen erpresster Steuereinnahmen in Flughafenbaustellen und barocken Stadtschlössern versenkt, soll ein bisschen Chaos in Berlin erwarten dürfen."

Dezentrale Aktionen

Die Sicherheitsbehörden gehen derzeit angesichts der Zerstrittenheit der Szene beim Umgang mit der Corona-Pandemie eher von kleineren, dezentralen Aktionen aus. Die ganz großen Demos werde es wohl nicht geben, heißt es. Und tatsächlich: Nach Lektüre der Debatten im Netz ist mit kleineren Aktionen wie Besetzungen von Plätzen, Farbschmierereien, Pyrotechnik und anderen Provokationen zu rechnen.  Die Szene wird in den kommenden Tagen verschärft beobachtet, jede Publikation auf den einschlägigen Foren im Netz genau gescannt.

Mit Spannung wird der Montag erwartet. Das Bündnis hat angekündigt, an diesem Tag seine Pläne vorzustellen. Die Sicherheitsbehörden erhoffen sich davon Klarheit, welchen Weg die linksextreme Szene für die Walpurgisnacht und dem 1. Mai einschlagen will.

Sendung: Inforadio, 27.04.2020, 06:00 Uhr

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22 Kommentare

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  1. 22.

    Vielen Dank, das was sie betreiben nennt man Hetze, ganz deutlich an der Wortwahl zu erkennen.

    Ich versuche etwas Licht in eine etwas einseitige Diskussion zu bringen. Wer sich daran beteiligen will kann das gerne tun. Aber bitte mit Fakten und nicht Behauptungen und einem Wetteifer an "hasserfüllten Wortkreation"

  2. 21.

    Sie sollten die Vorsilbe ihren Pseudonyms ändern. Ver ... statt Auf.... Sympatisant von Polizistenhassern und Zerstörern ?

  3. 20.

    Diese Seite verfügt über eine Suchfunktion, die Sie gerne mit "Rigaer" und "Steine" füttern können. Die passenden Resultate reichen mehrere Jahre zurück.

    Mit Suchmaschinen findet man noch mehr Meldungen. Die feigen Bratzen werfen nicht nur von Dächern sondern auch von Brücken gezielt Steine auf die Polizei. Anschließend sind sie mächtig stolz auf sich und posten wirres Zeug im einschlägigen Duktus.

  4. 18.

    "Damals wurden Gehwegplatten aus Stein von den Dächern auf Polizeikräfte geworfen, und ähnliches wäre der Szene in Berlin auch zuzutrauen."

    In der Rigaer Straße werfen hartmaoistische "Berufsrevolutionäre" (siehe Artikel) seit Jahren Pflastersteine von den Dächern auf Polizisten.

  5. 17.

    Die Geschichte mit den Gehwegplatten war nur ein Verdacht der Polizei. Sie musste später einräumen dafür keinen Beweis zu haben. Etwas ungeschickter Versuch linke und rechte Gewalt aufzuwiegen. Gewalt gibt es bei Linksradikalen sicher, aber wieviele gezielte Tötungen und Massaker wie bei Rechten?

  6. 15.

    Grundrechte wie Demonstrationsfreiheit sind nicht abgeschafft . Sondern aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich.
    Ich weiß nicht wie man diesen Trotteln klar machen soll , das es im Falle einer Pandemie Corona Virus Abstand halten geboten ist .
    Wer das nicht tut ist asozial und beschränkt das Grundrecht Recht auf Leben und Unversehrtheit anderer.
    Wem als Berufsdemonstrant , rechts wie links , langweilig ist der könnte doch mal versuchen zu helfen .
    Anstatt unter Alkohol- oder Drogeneinfluss irgendwelchen Unsinn zu verzapfen .
    Wenn diese Leute sich mehr auf den den nicht kriminellen Broterwerb bzw. nicht nur auf das Warten von Harz IV Geld konzentrieren würden , wäre der gesundheitlich erforderliche Abstand auf der Strasse auch kein Problem mehr
    Am meisten gehen mir diese Pegida bzw. ADF Leute auf die Nerven . Wie können Gruppierungen es wagen von Grundrechten etc . zusprechen.
    Wobei sie doch alle Antidemokraten , Anti Liberal , Trottel bzw. Rassisten sind.

  7. 14.

    Ja, der Mindestabstand von zwei Metern wird sicherlich durch die Reichweite eines Steinwurfs/einer Zwille/eines Molotowcocktails und die Reichweite eines Wasserwerfers/von Tränengas der Polizei sichergestellt.

  8. 13.

    Um die linksextremistischen Umzüge in Misskredit zu bringen, sollten sich Rechtsradikale, Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker unter sie mischen. Mit der staatlich Verordnung, sich vermummten zu dürfen, kann das kein Problem sein.
    Bei der Diskreditierung von Teilnehmern bei den Demonstrationen für den Erhalt unserer Grundrechte funktioniert es doch hervorragend mit dieser "Infiltrierung" durch Rechte. Jeder Anständige wird es sich jetzt genau überlegen, ob er an einer Demo teilnimmt, wo auch "Rechtsradikale, Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker" mitlaufen.

  9. 12.

    Interessant wie die Polizei von Linlsextremisten spricht, der Verfasser dieses Artikels aber nur von Aktivisten. Weiß man gleich Bescheid!

  10. 11.

    Wenn ich diese kruden Sprüche der, gem. R2G angeblich ja nicht vorhandenen, Linksextremen lese, müsste ich eigentlich lachen, wäre es nicht jedes Jahr mit erheblicher Gewalt gegen Menschen und Sachbeschädigung verbunden.

    Drollig, wenn die Linken gegen den Staat und die erpressten Steuereinnahmen wettern und in genau der Woche ihre SGB II Leistungen bekommen haben, die aus ebendiesen erspressten Steuern gezahlt werden. Davon ab, das diese Personen selbst keine Steuern bezahlen.
    Und ebenso absurd, wie sich die Bewohner der Rigaer Str. über "Konsumidiot*innen, Party- und Tourirotz" echauffieren. Sind es doch genau diese Personengruppen, die das Geld nach Berlin bringen.
    Was für eine Gesellschaftsordnung schwebt diesen infantilen "Freiheitskämpfern" eigentlich vor? Und viel wichtiger, wer soll diese linksideologischen Spielereien denn bezahlen? Der Konsumidiot, der zum steuerzahlen erpresst wird?

  11. 10.

    Ja, ich finde es auch sehr schön, wie vorbildlich sich die Herrschaften auf dem Foto am Infektionsschutz beteiligen. So zeigen sie Verantwortungsbewusstsein und Respekt vor anderen!

    Einige haben auch bereits begriffen, dass auch die Augen geschützt werden müssen, da das Virus über diese ebenfalls in den Körper eindringen kann.

    Nun muss nur noch der Mindestabstand von zwei Metern eingehalten werden (den hoffentlich auch die Polizei beachten wird), dann ist alles perfekt!

  12. 9.

    „energisch reagieren“ ... es wundert hier niemanden mehr, dass so was von Ihnen kommt

  13. 8.

    Besser hätten man es nicht formulieren können. Sehr treffender Kommentar. Danke und bleiben Sie Gesund.

  14. 7.

    Da muss ich Dir auf ganzer Linie recht geben. Im 21. Jahrhundert immer noch zu solchen primitiven Mitteln zu greifen, um gegen irgend was zu protestieren, in dem ich Gewalt anwenden muss um mir Gehör zu verschaffen? Das kann auch digital stattfinden, dann fehlt den Beteiligten wohl die körperlich Auseinandersetzung, die Verwüstung von Straßen und Gebäuden. Von daher wird es in erster Linie wohl auch darum gehen!?

  15. 6.

    Diese Aktivisten haben noch nicht verstanden, das sie am 1. Mai nicht gegen den Staat oder irgendein System kämpfen, sonder in erster Linie die steuerzahlenden Bürger und den Einzelhandel schaden.

  16. 5.

    "Wer Millionen erpresster Steuereinnahmen in Flughafenbaustellen und barocken Stadtschlössern versenkt, soll ein bisschen Chaos in Berlin erwarten dürfen.": Da stimme ich ihnen sogar zu. Wann allerdings haben denn "Aktionen" dieser "Aktivisten" wirklich mal Politiker eingeschränkt? Meist wird doch abseits von Bundestag und Rotem Rathaus randaliert und es werden Polizisten verletzt.
    Es ist so skurril, dass in Berlin ausgerechnet Linke und Grüne gegen die Maskenpflicht auftreten.

  17. 4.

    Was bilden diese Chaoten sich eigentlich ein.
    Die Arbeiterklasse bewunderte deren Aktionen noch nie und wird es auch in diesem Jahr nicht tun.
    Diese Gewalt hat mit dem Sinn des 1. Mai aber auch nicht das Geringste zu tun.
    Hier geht es nur um Randale und Provokation.
    Jedes Jahr das Gleiche und der Senat schaut zu.

  18. 3.

    Es heißt ja immer wieder, “rechte” Gewalt richte sich immer gegen Menschen, während sich “linke” Gewalt ganz grundsätzlich ausschließlich gegen Sachen wende. Aber seit Hamburg 2017 bin ich mir da nicht mehr sicher. Damals wurden Gehwegplatten aus Stein von den Dächern auf Polizeikräfte geworfen, und ähnliches wäre der Szene in Berlin auch zuzutrauen. Der blanke Hass auf den Staat und die Polizei sind inzwischen so kompromisslos und so ausgeprägt, und die entsprechende Hetze so fanatisch und lustvoll ... ich glaube man nimmt tote Polizisten billigend in Kauf. Wer die linksextreme Szene anders (harmloser) einschätzt, kann ja hier argumentieren, wie er oder sie zu dieser Einschätzung kommt.

  19. 2.

    Mit angeordneter Vermummung den ersten Mai feiern, da geht doch was!

  20. 1.

    Da sollte die Polizei aber wirklich energisch reagieren.

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