Brandenburger Schulen - Schulleiter sehen Rückkehr zum Präsenzunterricht skeptisch

Sa 25.04.20 | 11:14 Uhr | Von Dominik Lenz
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Symbolbild: Karin Bitter, Lehrerin an einer brandenburger Schule, sitzt in ihrem leeren Klassenzimmer vor einem Laptop. (Quelle: dpa)
Audio: Antenne Brandenburg | 26.04.2020 | Dominik Lenz | Bild: dpa

Der Unterricht in Brandenburgs Schulen wird stufenweise wieder hochgefahren. Das Abitur läuft, ab Montag kommen die zehnten Klassen dazu, anschließend neunte, elfte und zwölfte Klassen. In den Schulen aber gibt es Zweifel, ob sich das umsetzen lässt. Von Dominik Lenz

"Nicht praktikabel", das ist der Grundtenor in Gesprächen mit Brandenburger Schulleitern zur Handreichung des Bildungsministeriums. Was mit der Onlinebeschulung in den letzten Wochen ganz gut funktionierte, werde nun "zerschossen". Zwei Systeme müssten nun gleichzeitig laufen: Eine Hälfte der Schüler wird weiter zu Hause beschult, die andere in der Schule. Schwierig findet das Matthias Vetter, Leiter des Schillergymnasiums in Potsdam.

Auch Thomas Meinecke, Schulleiter am Marie-Curie-Gymnasium in Hohen Neuendorf (Oberhavel) würde lieber das Homeschooling fortführen. Das funktioniere gut, bis hin zu Belohnungssystemen für die Klassen, die um 7:50 Uhr geschlossen online sind. Das alles habe bisher erstaunlich gut geklappt, nun aber müsse man wieder völlig neu denken.

Dass ab Montag die Zehntklässler in die Schulen geholt werden, hält Meinecke für falsch, zumindest am Gymnasium, wo die Schülerinnen und Schüler ohnehin weiter Richtung Abitur gingen. So würden Lehrkräfte in der Schule gebunden, die für den Online-Unterricht nicht mehr zur Verfügung stehen.

Lehrer gehen von Raum zu Raum

Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) betont: Es gibt keinen festen Lehrplan. Stunden können angepasst, Unterricht reduziert werden. Lerngruppen und Arbeitsplätze sollen nicht wechseln, eineinhalb Meter Mindestabstand müssen in den Schulräumen gewahrt werden. All das sei aber kaum umsetzbar, heißt es von Seiten der Schulleiter. So werden im Marie-Curie-Gymnasium Klassen in bis zu drei Lerngruppen geteilt, die von einem Lehrer beschult werden. Dieser Lehrer muss dafür von Raum zu Raum gehen und gleichzeitig Online-Unterricht abhalten, so Meinecke.

Klebestreifen auf dem Boden

Was die praktische Umsetzung der Hygieneregeln angeht, haben die Schulen nach eigener Aussage vorgesorgt. Die Zusammenarbeit mit dem Landkreis klappe hervorragend, heißt es am Marie-Curie-Gymnasium, die Putztrupps hätten ganze Arbeit geleistet. Auch in Potsdam gibt es Desinfektionsmittel für die Schülerinnen und Schüler und Plexiglasscheiben fürs Sekretariat.

In der Oberschule Glöwen in der Prignitz markieren Klebestreifen, Punkte und Kreuze am Boden die nötigen Abstände. Dennoch hofft Schulleiter Werner Krüger auf Einsicht und Mitarbeit der Schülerinnen und Schüler gerade in den Pausen, anders gehe das nicht. Die Stimmung sei aber relativ entspannt, denn der Landkreis hat bislang kaum Corona-Fälle.

Allerdings rechnet Krüger damit, dass sich viele Schwierigkeiten erst am Montag zeigen. Als Leiter einer Landschule mit einem weiten Einzugsgebiet fragt er sich zum Beispiel, wie der Schulbus eigentlich unter Hygiene-Auflagen und mit gestaffeltem Unterricht funktionieren soll.

Britta Ernst: "Belastungssituation für alle"

Ein Problem für alle Schulen: das Personal. Wer über 60 Jahre alt ist, wird zur Risikogruppe gezählt und soll von zu Hause die Kollegen unterstützen. Noch so ein Punkt, den die befragten Schulleiter als "nicht umsetzbar" bezeichnen. Im Marie-Curie-Gymnasium fällt damit nach Aussage des Schulleiters ein Drittel des Kollegiums aus. Die könnten aber nicht von zu Hause die Jüngeren unterstützen.

Bildungsministerin Britta Ernst bittet um Geduld, bis sich alles eingespielt hat, und betont: Es ist eine Belastungssituation für alle. In einer Woche wären wohl alle wieder etwas klüger, dann müsse sicher auch an der einen oder anderen Stelle nachgebessert werden.

Auch von den Schulleitern heißt es, man wisse, dass alle derzeit unter hohem Druck stünden. Dennoch: Die Weisungen der Politik in den letzten Wochen seien immer wieder zu spät gekommen. So könne man kaum mehr sinnvoll reagieren. Wie es derzeit laufe, sei es nicht mit seiner Verantwortung für Bildung und Gesundheit vereinbar, sagt ein Schulleiter, der nicht genannt werden möchte.

Was Sie jetzt wissen müssen

Sendung: Antenne Brandenburg, 26.04.2020, 16:12 Uhr

Beitrag von Dominik Lenz

49 Kommentare

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  1. 49.

    Es wäre so schön, wenn es eine Mär wäre. Korrekt ist aber, dass ich nicht differenziert habe. Das ist sicherlich verkehrt. Hier alle Lehrer als komplett fähig und komplett überarbeitet darzustellen kommt der Wahrheit aber auch nicht wirklich näher. Es gibt und gab halt schon immer solche und andere ;)

  2. 48.

    Viele Kinder und auch die Eltern haben irgendwelche einschlägigen Vorerkrankungen, die das Todesrisiko steigern. Asthma, Diabetes, Fettleibigkeit, Raucher, Krebs, irgendwas haben die meisten. Oder sie müssen irgendwelche Medikamente nehmen. Jetzt so zu tun als ob die meisten sich keine Sorgen zu machen brauchen ist unehrlich und gefährlich.

  3. 47.

    Schäuble hat gestern ein gutes Interview gegeben:
    Nicht alles den Virologen unterordnen.
    Nein, man stribt nicht sofort an Corona. Die allermeisten genesen. Das wollen viele nicht wahr haben, ist aber so.
    Kinder und ihre Eltern - so keine extrem schweren Vorerkrankungen vorliegen - haben meist keine oder nur geringe Symptome.
    Warum die Schulen weiter zu machen? Bildung ist ein extrem hohes Gut! Zählt das gar nicht mehr?

  4. 46.

    Frau Scheres und Frau Ernst erwarten ihre Bewerbung als Seiten - oder Quereinsteiger!!
    Aber differenzieren sollten Sie vorher noch lernen, vielleicht auch im Homeschooling!!
    Viel Erfolg!! :-)

  5. 45.

    Da sind wir wieder bei Vorkommentar.
    Es ist eben einfacher irgendwelche Arbeitshefte zu kopieren und an die Schüler zu schicken als guterklärtes Arbeitsmaterial zu erarbeiten.
    Arrangierte Lehrer machen dass und die bequemen eben nicht. Traurig.

  6. 44.

    Da sind wir wieder bei Vorkommentar.
    Es ist eben einfacher irgendwelche Arbeitshefte zu kopieren und an die Schüler zu schicken als guterklärtes Arbeitsmaterial zu erarbeiten.
    Arrangierte Lehrer machen dass und die bequemen eben nicht. Traurig.

  7. 42.

    Schlimm wenn man hier liest das Eltern ihre Kinder in die Schule jagen wollen nur weil Sie zu Hause damit nicht mehr klar kommen. Da nimmt man natürlich lieber eine Infektion in Kauf. Wir sind auch beide Berufstätige und sind froh das unser Kind (7. Klasse) die Schule noch nicht besuchen muss.

  8. 41.

    Wenn der Baustadtrat in der Abendschau sagt, er lasse lieber alle Beamten zu hause,um den Nahverkehr zu schonen, müßten es wütende Proteste bei Leuten geben, die auf ALG 2 und Kurzarbeitergeld verwiesen werden.

    Nach dem Arbeitsrecht kann keiner die Arbeit wegen Corona verweigern, die Öffentlichen können es offensichtlich !

  9. 40.

    Mir geht das homeschooling 9. Kl. langsam aufm S..enkel. Unterlagen kommen per Mail, endlose Berge für NEBENfächer. Zig Plakate, Vorträge, Gemälde. Hauptfächer: neue Themen zu selbständig erarbeiten - wofür brauchten wir zuvor eigentlich Lehrer?? Schon die Unterlagen der meisten: zig Mal kopierte schwarzgraue Zettel in Postkartengröße als PDF! Druck das mal lesbar, füll das mal lesbar aus! Kannste nur neu abschreiben. Reaktion auf Verbesserungsvorschläge: keine.
    Nur ganz wenige tolle Lehrer schreiben einleitende Texte, geben sich Mühe, sind erreichbar.

    Mutti muss nebenbei noch alleinerziehend systemrelevant Überstunden machen.
    Lösung: umgehend Onlineunterricht beginnen, Vorbereitungszeit war lang genug!! Seuchenschule will keiner!

  10. 39.

    Das ist leider so. Ich war 40 Jahre im Schuldienst und habe meinen Beruf immer als Berufung angesehen. An erster Stelle waren immer meine Schüler und deren Befindlichkeiten.
    Leider musste ich mit ansehen wie immer weniger Lehrer das so empfanden.
    Immer nur, das geht nicht, das überlastet uns und keinerlei eigene Gedanken, wie es denn anders gehen könnte. Vier Wochen nach den Sommerferien wird dann schon gestöhnt und gejammert und das bei bester Entlohnung und Verbeamtung. Ich war übrigens Angestellter.
    Die Mehrheit der Lehrer denkt zum Glück noch nicht so. Denen fehlen ihre Schüler, denn Lehrer ist ein toller Beruf und keine Belastung, wenn man mit dem Herzen dabei ist.

  11. 38.

    Lehrer haben Vormittags recht und Nachmittags frei, inzwischen haben sie nur noch frei...

  12. 36.

    Liebes MBJS,
    ich kann nur hoffen, dass sich alle Verantwortlichen der Tragweite ihrer Entscheidungen bewusst sind. Oder besser: werden. Diese Entscheidungen im Nebel lassen nahezu alle Beteiligte alleine belegen großen Abstand von der Realität an der Basis. Aber genau für klare, nachvollziehbare, an Tatsachen orientierte Entscheidungen sind diese Ministerin und das Gefolge in dieser Arbeit. Nicht auszudenken, wenn der Busfahrer oder eben Lehrer SO halbherzig, spät und praxisfern entschieden....

  13. 35.

    Auch hier gab es nur unendlich viele Zettel, noch dazu in schlechter Qualität...netterweise hatten wie noch ein you Tube Kanal hinter den Matheaufgaben zu stehen.

    Wir Eltern mussten auch von heute auf morgen den Ausfall der Schule und Kita abfangen. Da kann man das gleiche doch wohl auch andersrum erwarten oder? Obwohl, die Schule hatte 6 Wochen Zeit sich darauf einzustellen.
    Die Schule/Lehrer haben wohl gemerkt....wie schön es ist voll bezahlt zu werden und kaum etwas dafür zu tun.

    Elternsprecher haben gerade die ganze Arbeit mit den Eltern, den Briefen, die Aufgaben und das zu ihrer eigenen Kinderbetreuung und zum eigenen Job und auch der Köchin und Putzfrau.

    Ich bin von unserer Schule massiv enttäuscht.

  14. 34.

    Dank der vielen Angstprediger, glaubt doch jeder mittlerweile sich innerhalb von wenigen Millisekunden überall anstecken und sterben zu können.
    Klar dass dann die Lehrer hier auch in den Panikmodus verfallen.
    Aber ganz ehrlich wir müssen alle arbeiten, warum sollte es hier eine Ausnahme geben und ja ich bin auch vielen Gefahren ausgesetzt, lebt damit!

  15. 33.

    Ich habe auch kein Patentrezept für die derzeitige Situation, wünsche mir aber doch schnellstmöglich den Präsenzunterricht zurück. Ich "unterrichte" nun seit mehreren Wochen drei Kinder unterschiedlicher Klassenstufen zuhause, die alle auf absehbare Zeit nicht in die Schule gehen sollen. Dafür habe ich Überstunden aufgebraucht und Urlaub genommen. Abgesehen davon, dass das an den Kräften nagt, weiß ich nicht, wie demnächst Job und Homeschooling zusammengehen soll. Ich bin zwar nicht alleinerziehend, meine Arbeit muss aber trotzdem gemacht werden. Ich bin kraft- und ratlos ...
    Trotzdem glaube ich, dass die meisten Lehrkräfte mit hohem Engagement dabei sind, vielleicht manchmal über das Ziel hinausschießen weil die SuS möglichst wenig verpassen sollen. Das fordert aber gerade Familien mit mehreren Kindern extrem viel ab. Vielleicht sollte man sich auf die Kernfächer beschränken und etwas Druck in der Beschulung rausnehmen. Dann könnten sich die Lehrkräfte ggf mit den Möglichkeiten der Online-Beschulung auseinandersetzen.

  16. 32.

    Wenn das Ziel die Entlastung von Berufstätigen wäre, müsste man zuerst die Kleinen mit hohem Heimbetreuungsbedarf in die Schule schicken.

  17. 31.

    Dito, denn offensichtlich haben Sie kein Plan davon was in den Schulen so abgeht.

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