Corona-Krise - Mehr Anfeindungen gegen asiatische Community registriert

So 05.04.20 | 13:13 Uhr | Von Sigrid Hoff
  10
Asiatsich Menschen in Berlin (Quelle: imago.images/Frank Sorge)
Bild: imago.images/Frank Sorge

Der Verein Korientation berichtet von einer starken Zunahme rassistischer Anfeindungen gegen die asiatische Community in der Corona-Krise. Selbst die südkoreanische Botschaft ist besorgt und versucht, Betroffene gegen stärkeren Rassismus zu wappnen. Von Sigrid Hoff

Was Sie jetzt wissen müssen

Gemma Choi ist vor knapp fünf Jahren nach Deutschland gekommen. Eigentlich wollte die Chemikerin noch einmal studieren, doch dann fand sie Arbeit in einem internationalen Unternehmen. Sie hat sich schnell eingelebt, liebt die deutsche Kultur und bewundert die deutsche Gesellschaft, die sie bis vor kurzer Zeit als offen erlebt hat.

Doch mit den Nachrichten über das Coronavirus aus China habe sich die Situation verändert, sagt sie. Die Koreanerin, ihre Freunde und Kollegen seien zur Zielscheibe rassistischer Anfeindungen geworden, erzählt Choi. "Nach der Arbeit war ich mit meinem Auto auf dem Nachhauseweg. An einer Ampel kam ein Mann vorbei und spuckte mir auf die Scheibe", berichtet die 41-Jährige. "Das hat mich sehr beleidigt."

Einem Freund, der an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main studiert, hätten Jugendliche "Corona, Corona" hinterhergerufen, als er spätabends auf dem Heimweg von der Bibliothek war, sagt Choi. Den schlimmsten Übergriff habe eine Kollegin Mitte März erlebt, als Deutschland bereits selbst mit der Krise kämpfte und die ersten Ausgangsbeschränkungen einführte. Ein Mann sei auf die Asiatin zugelaufen und habe ihr seinen Finger in den Mund gesteckt. Er sei schon mit dem Virus infiziert, habe er lachend ausgerufen, aber er liebe asiatische Frauen. Aus Angst vor weiteren Anfeindungen würde sich die Kollegin nicht mehr auf die Straße trauen, erzählt Choi.

Organisation berichtet von vermehrten rassistischen Anfeindungen

Seitdem die Corona-Krise in Deutschland angekommen sei, hätten rassistische Übergriffe auf Asiaten zugenommen, sagt Jeen-Un Kim, Geschäftsführerin der Organisation Korientation. Das Netzwerk versteht sich als Plattform für Asiaten und Asiatinnen in Deutschland sowie für Deutsche asiatischer Herkunft.

Diskriminierung, sagt Jeen-Un Kim, habe sie seit ihrer Kindheit häufig selbst erlebt. In den vergangenen Wochen hätten die Berichte von Betroffenen in den sozialen Medien exponentiell zugenommen. Dass Menschen in Supermärkten oder auf der Straße auf Distanz zu denjenigen gingen, die sie als asiatisch identifizierten und die möglicherweise noch einen Mundschutz trügen, sei dabei noch das Geringste.

"Da wirken ganz viele Ebenen zusammen", sagt die Tochter koreanischer Einwanderer, "befördert durch die Medien und die gesellschaftlichen Diskussionen werden bestehende Denkmuster und Bilder aktiviert." Sie habe seit ihrer Kindheit wegen ihres asiatischen Aussehens unter Diskriminierung gelitten. Dass sie in Deutschland geboren worden sei und akzentfrei Deutsch spreche, habe keine Rolle gespielt. Auch wenn sich jetzt das Zentrum der Corona-Krise von Asien nach Europa und in die USA verlagert habe, blieben alte Vorurteile gegenüber Asiatinnen und Asiaten bestehen.

Südkoreanische Botschaft verteilt Merkblätter

Wie ernst die Lage für Menschen asiatischer Herkunft ist, beweist die Reaktion der diplomatischen Vertretungen. Sie bieten den in der Diaspora von Diskriminierung und Rassismus Betroffenen Unterstützung an. Die südkoreanische Botschaft hat Merkblätter ausgelegt mit Notfall-Telefonnummern und Ratschlägen, wie man sich davor schützen kann.

Das positive Bild, das Asiaten von Deutschland haben, habe Risse bekommen, sagt die Koreanerin Gemma Choi. Im Jahr 2016 sei sie ganz bewusst nach Deutschland gekommen, weil sie das Land bewundert habe: "Zur Zeit bin ich enttäuscht von den Deutschen, die ihre gute Kultur verlieren. Wir tragen daran keine Schuld. Ich wünsche dem Land von Herzen, dass es die Corona-Krise überwindet."

Auch asiatische Einwanderer, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, sind durch die Erfahrungen in der Corona-Krise verunsichert. Jeen-Un Kim, die Geschäftsführerin von Korientation, beobachtet das in der eigenen Familie. Ihre Eltern seien immer voller Dankbarkeit gegenüber den Deutschen gewesen, sie hätten sich in der Bundesrepublik gut aufgehoben gefühlt. Jetzt seien sie skeptischer, aufgrund der negativen Erfahrungen, und würden sich beispielsweise fragen, ob sie den Supermarkt mit Mundschutz betreten könnten, ohne Anfeindungen ausgesetzt zu sein. "Das sind Entwicklungen, die neu sind für mich, dass meine Eltern auch ganz ausdrücklich auf den Rassismus eingehen und vorsichtiger werden", bekennt die Tochter.

Das Netzwerk Korientation will zur Aufklärung beitragen und die Betroffenen ermutigen, rassistische Vorfälle öffentlich zu machen und anzuzeigen.

Beitrag von Sigrid Hoff

10 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 10.

    Zur Lage in den USA: [Stand Mitte April]
    Es gab nur am Anfang der Corona-Krise (im Februar) einige Fälle von Anfeindungen gegenüber Asiaten. Mittlerweile gibt es aber kaum noch Zwischenfälle von Rassismus gegenüber Asiaten. Der Weltspiegel hat ausführlich darüber berichtet:
    https://www.youtube.com/watch?v=rnL4Fb9owSA&t=665s
    (Ab Minute 11:05)
    Ich finde es gut, dass die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland so vorurteilsfrei und objektiv berichten.

  2. 9.

    Komme aus Darmstadt. Bin hier geboren und meine Wurzeln sind aus Südkorea. Wurde vor paar Tagen mittags auf der Straße vor meinen Kindern von einer älteren Dame so ca. 60 Jahre angeschrien „Geh dahin wo du herkommst! Hau ab! Wir brauchen eure Krankheit nicht!“ meine Kinder und ich waren geschockt. Ab sofort werde ich so etwas anzeigen. Das geht gar nicht! Wir sind sonst immer sehr zurückhaltend und die Blicke und das Verhalten sonst ist auch unter aller Sau!!! Da dachte ich mir immer egal die Leute haben Angst, verstehe es, aber es ist nicht mehr so. Grenzen werden überschritten. Werde so etwas zukünftig Anzeigen und mich wehren! Mit Angst hat das nichts zu tun! Leute sollten mal darüber nachdenken! Es tut mir wirklich sehr Leid für die chinesischen Menschen, dass es gerade so läuft! Ein normal denkender Mensch sollte sich fragen, was alles Made in China ist zu Hause! Von Auto, Medikamenten, Schutzmasken usw.! Bleibt gesund und sucht die Schuld bei euch selbst! Unfassbar was los ist!

  3. 8.

    Diskriminierung ist anders Tagesordnung. Da werden Autoscheiben eingeworfen und Schriftstücke an den Fahrstuhl angebracht "wie wollen euch nicht, wir wollen kein Corona" und das nicht nur einmal. Ob in Neukölln oder Friedrichshain , es überall das selbe. Dümmer geht immer.

  4. 7.

    Also wenn das in den Großstädten schon so eskaliert, will ich mir nicht vorstellen wollen, wie die Situation in ländlichen Gebieten aussieht...

  5. 6.

    Und weil in China die Leute Europäer diskriminieren, ist es ok wenn das jetzt asiatisch Aussehenden in Deutschland passiert, oder wie soll ich Ihre Argumentation verstehen?
    Tatsache ist, Diskriminierung ist überhaupt nicht OK, egal gegen was oder wenn und weshalb.

  6. 5.

    Also ich wohne im Wedding...hier gibt es nun mehr als genug Menschen, die als Ausländer erscheinen. Egal ob nun Araber oder Asiaten. Aber ich habe noch nie. Wirklich noch nie bemerkt, dass ein Asiat komisch angeschaut oder gar beleidigt wurde. Mein bester Freund ist Thailänder, wohnt aber in einen anderen Bezirk. Auch dieser hat noch nichts in der Richtung zu berichten. Natürlich wird es diese Fälle dnnoch auch geben, wir sollten uns jedoch davor hüten, aus einzelnen (bedauerlichen) Fällen, ein allgemeines Rassimusproblem zu machen. In diesem Zusammenhang sollte doch mal bitte auch nach China (dem Ursprungsland des Virus) geschaut werden. Dort wird inzwiwschen ganz offen und rassistisch gegen Ausländer vorgegangen (asu Angst vor erneuter Einschleppung). Übrigens hätte im Januar nur dei ganze Welt Reisende aus China aus Europa und Co fernhalten müssen und unsere Probleme wären jetzt kleiner. Aber damals galten solche Worte ja als rassistisch und wirtschaftlich nicht machbar...

  7. 4.

    Rassismus gegen Ausländer - also ich hab den noch nie am eigenen Leib zu spüren bekommen, und ich muss es wissen, ich bin nämlich Biodeutscher. Sagte schon Christian Morgenstern:

    "Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann und nicht sein darf."

  8. 3.

    Leider sind die Leute wirklich aggressiver und öffentlich rassistische geworden den Asiaten gegenüber auch in Berlin. Schräge Blicke sind OK aber ein "verpi** dich Fiji" etc. Kam leider in den letzten Wochen auch schon vor. Armselig zu sehen, dass komplett sinnloser Rassismus so schnell wächst nur weil mein asiatisch aussieht, in den Augen des standard Deutschen ist aber eh jeder Asiate ein "Chinese" auch vor Corona.

  9. 2.

    Meine Frau ist Japanerin und hat mir auch sehr aufgewühlt von etlichen rassistischen Anfeindungen im Zusammenhang mit "Corona" gegen sie und unsere süße Tochter berichtet. Sie geht seit der corona Krise hier jetzt nicht mehr or der Tür. All Diese Vorkommnisse sind im Kreuzberger Bergmann-Kiez passiert. Einem Kiez der sich einbildet Weltoffen und tolerant zu sein.Wenn man zur Mehrheitsgesellschaft gehört dann kriegt man sowas natürlich nicht mit... Aber der scheiss ist real- Leider sind doch die Dummen in der Überzahl.

  10. 1.

    "Zur Zeit bin ich enttäuscht von den Deutschen, die ihre gute Kultur verlieren. Wir tragen daran keine Schuld. Ich wünsche dem Land von Herzen, dass es die Corona-Krise überwindet."
    Sollte sie den Satz genau so gesagt haben,wäre er auf dem gleichen Niveau wie rassistische Äußerungen.

    Mich würde interessieren,ob Berlin auch davon stark betroffen ist,da der Text sich offensichtlich auf ganz Deutschland bezieht.
    Zum Glück hab ich in unserem Kiez noch nicht ansatzweise etwas davon mitbekommen und hoffe das bleibt auch so. Dass so etwas generell vermehrt vorkommt,wundert mich aber nicht. Die dummen Menschen sind schließlich nicht einfach verschwunden.

Das könnte Sie auch interessieren