DGB feiert Tag der Arbeit im Netz - "Wir kämpfen auch virtuell für die Wertschätzung der Arbeit"

Do 30.04.20 | 13:26 Uhr
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Symbolbild/Archiv - Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) demonstrieren am 1. Mai in Berlin (Bild: dpa/Monika Skolimowska)
Audio: radioeins | 30.04.2020 | Interview DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann | Bild: dpa/Monika Skolimowska

Zum ersten Mal in der 130-jährigen Geschichte findet der Tag der Arbeit ohne Demo statt. In Corona-Zeiten kündigt der Deutsche Gewerkschaftsbund an, "mit Anstand Abstand" zu halten. DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann sieht im virtuellen Protest auch Positives.

Zum ersten Mal seit seiner Gründung wird der Deutsche Gewerkschaftsbund am 1. Mai keine großen Straßenkundgebungen abhalten. Zwar solle es kleinere, symbolische Aktionen geben, heißt es, so auch am Brandenburger Tor in Berlin. Wichtigstes Event werde aber eine Live-Sendung sein unter dem Motto: "Solidarisch ist man nicht alleine". Angekündigt sind Interviews, Talks und Musikdarbietungen. Zu sehen ist der Stream u.a. auf der DGB-Website.

rbb: Das Gute an Demonstrationen auf der Straße ist, dass man Stärke demonstriert, und dass man diese Kundgebungen sieht, ob man will oder nicht. Virtuelle Demos kann man dagegen nur aktiv auf der Webseite anschauen. Wie sehr schmerzt sie der Verlust der Präsenz auf der Straße ausgerechnet an dem für Gewerkschaften wichtigsten Feiertag?

Reiner Hoffmann: Die Entscheidung haben wir schon vor Wochen getroffen, also sehr frühzeitig, als wir das Ausmaß der Pandemie noch gar nicht richtig einschätzen konnten. Das ist uns überhaupt nicht leicht gefallen - aber die Gesundheit stand dabei immer im Vordergrund. 

Es ist natürlich immer schmerzlich. Ich hätte dieses Jahr in Hamburg geredet. Kundgebungen mit mehreren Tausend Menschen kann man natürlich nicht im Livestream ersetzen. Auch die Gespräche entfallen, die man sonst mit den Kolleginnen und Kollegen nach den Kundgebungen mit einem Glas Bier am Bratwurststand führen kann. Deshalb haben wir uns Alternativen wie diesen Livestream überlegt. Ich glaube, das wird auch eine ganze bunte Veranstaltung werden und ist auch ein kleiner Digitalisierungsschub für den DGB.

Was wird inhaltlich bei Ihrer virtuellen 1.-Mai-Demo passieren?

Hoffmann: Es werden ganz viele Kolleginnen und Kollegen von vor Ort zu Wort kommen, die konkret über ihre jetzigen Erfahrungen berichten. Gestreamt werden natürlich nicht nur Kultur und musikalische Gäste, sondern wir streamen auch unsere politischen Forderungen. Gerade in der Krise sehen wir, wie die sogenannten Heldinnen und Helden des Alltags wertgeschätzt werden. Das ist ja klasse, aber diese Menschen müssen auch ordentlich bezahlt werden. Wertschätzung hat einen Preis. Das werden wir zum Ausdruck bringen.

Machen die Bundesregierung und die Landesregierungen in dieser Krise eigentlich gerade aus Ihrer Sicht einen guten Job, also mit Kurzarbeitergeld und anderen finanziellen Unterstützung?

Es ist im Großen und Ganzen beachtlich, was die Bundesregierung in den letzten Wochen auf die Beine gestellt hat, die Rettungsschirme für die Unternehmen zum Beispiel. Ich begrüße die Anhebung des Kurzarbeitergeldes, das war eine klare Forderung des DGB. Ich hätte es besser gefunden, wenn die Anhebung früher gekommen wäre.

Menschen, die jetzt schon zehn bis zwölf Wochen in Kurzarbeitergeld sind, müssen bis zu 40 Prozent Einkommensverlust in Kauf nehmen. Das werden viele nicht schaffen. Das wird sozial extrem anstrengend. Deshalb gibt es auch Punkte, da sind klare Fehler gemacht worden, beispielsweise bei der Lockerung der Arbeitszeitgesetzgebung. Das geht aus meiner Sicht gar nicht.

Wie bereitet sich der DGB eigentlich gerade auf die Zeit nach Covid-19 vor, wenn das Geld knapper wird und die Verteilungskämpfe anstehen?

Wir haben eine stabile Mitgliederschaft. Für uns wird es darauf ankommen, dass dieser Verteilungskonflikt, den Sie ansprechen, nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Wir hören ja jetzt schon wieder die Botschaft, dass der Gürtel enger geschnallt werden muss. Das halte ich für Unfug. Deutschland ist eine der reichsten Volkswirtschaften und wir haben gesehen, dass wir mit den Rettungsschirmen die Unternehmen schützen bzw. retten. Jetzt brauchen wir aber auch Geld, um Beschäftigung und Menschen zu unterstützen, damit es keine soziale Schieflagen gibt.

Das Interview führte radioeins-Moderator Marco Seiffert.

Bei dem Text handelt es sich um eine redigierte und gekürzte Fassung. Das vollständige Interview können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: Radioeins, 30.04.2020, 07:40 Uhr

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7 Kommentare

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  1. 7.

    Wenn der Versuch unternommen wird, die Quintessenz herauszuarbeiten, dann ist es diejenige, dass die NS-Machthaber die Arbeitspflicht ausriefen und jene, die dazu körperlich nicht in der Lage waren, quasi außerhalb einer Gemeinschaft stellten. Das betraf auch andere, die nach NS-Vorstellungen nicht zur nationalen Gemeinschaft gehörten und per "Gesetz zur Wiederherstellung des deutschen Berufsbeamtentums" aus dem Staatsdienst entfernt wurden.

    Der 1. Mai der Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung hat dagegen immer das Recht auf Arbeit betont. Das Recht auf selbstbestimmte, nicht aber per Dekret verordnete Arbeit. Um Einschluss geht es, nicht um Ausschluss. Ich bin da vollkommen mit Ihnen einig.

  2. 6.

    Gewerkschaften haben einen wichtigen Beitrag für die Arbeitnehmer geleistet, das steht nicht in Frage. Glaubwürdig sind sie aber erst wieder, wenn sie ihre eigenen Beschäftigten nach den selben Regeln behandeln, die sie von anderen Arbeitgebern fördern.
    http://www.g-d-g.org/aktuelles/

  3. 5.

    Und noch eins:

    Anmaßend ist wohl eher der, der von "Seit den achtziger Jahren ist dieser Feiertag der Arbeit in Berlin zu einer Farce für Arbeitsscheue verkommen". faselt.

  4. 4.

    Im Prinzip finde ich Gewerkschaften etwas tolles, da es nicht angehen kann, dass das Proletariat mundtod wenn die paar Zeitungsläden in Hand von Großindustrie, Regierung Butler des Adels, und die Bourgeoisie irgendwo zugedröhnt rumliegt. Mir scheint jedoch, dass so manche Gewerkschaft im Interessenkonflikt wenn nicht wirklich mehr leistet als nur Aufrufe für mehr Lohn (für deren Mitglieder, von welchen die Gewerkschaft prozentuell von dem selbem Lohn bekommt, und dann flott aufgeschmißen wenn z.B. wie Air Berlin Insolvenz). Und dabei möchte ich hier jetzt so nicht meine persönlichen Vorstellungen auferlegen (wie z.B. dass argumentativ mehr gesellschaftlich wenn jede/r auch in Arbeitslosigkeit ein Bett hat, statt nur auf den schnellen Umsatz der paar hoffen). Aber ich finde es halt schade, dass die Gewerkschaften kaum ein Ort wo mal über Dinge geredet wird wie z.B. "Ey, könnte 50 Euro mehr Abgabe bei Gehalt ab 2500 eigentlich finanzieren, dass Rente für alle schon mit 60?".

  5. 3.

    Ist das Absicht oder Unwissenheit?

    "Anfang 1886 rief die nordamerikanische Arbeiterbewegung zur Durchsetzung des Achtstundentags zum Generalstreik am 1. Mai auf – in Anlehnung an die Massendemonstration am 1. Mai 1856 in Australien, welche ebenfalls den Achtstundentag forderte. Der 1. Mai war traditionell auch der moving day, an dem öfter Wechsel im Beruf oder Wohnort durchgeführt wurden. Es kam darauf zu Massenstreiks und Demonstrationen in den Industrieregionen. [...] Der Versuch der Weimarer Nationalversammlung, am 15. April 1919 den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag zu bestimmen, hatte nur begrenzt auf das Jahr 1919 Erfolg. [...] In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der 1. Mai ab 1933 durch die Nationalsozialisten zum gesetzlichen Feiertag. Das Reichsgesetz vom 10. April 1933[6] benannte ihn als „Tag der nationalen Arbeit“. Am 2. Mai 1933 wurden die Gewerkschaften in Deutschland gleichgeschaltet, die Gewerkschaftshäuser gestürmt und die Vermögen beschlagnahmt".

  6. 2.

    Ziemliche Anmaßung vom DBG den Tag der Arbeit eine 130 jährige Geschichte anzudichten.
    Nach meinem Wissen wurde der 1. Mai erstmalig 1933 zum gesetzlichen Feiertag. In der Weimarer Republik scheiterte der Versuch an den Konservativen.
    Seit den achtziger Jahren ist dieser Feiertag der Arbeit in Berlin zu einer Farce für Arbeitsscheue verkommen.
    Warum also will der DGB feiern? Arbeitsbeschaffung für die Polizei? Dann trommelt mal schön.

  7. 1.

    Es ist immer was anderes, ob ich den Menschen ins Gesicht lügen darf, mit einem schauspielerischen Geschick, dass jeder vor Freude den Tränen nahe ist, oder online, wo ich mit viel Wort wenig sage! Gleiche Arbeit gleiches Geld, 10 Jahre Michael Sommer, mit unendlich viele Ausnahmen für Leiharbeiter, an statt den Käse abzubestellen, damit wieder in Betrieben fest Angestellt wird. Verdoppelt hat sich die Zahl der Leihsklaven in den 10 Jahren!

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