Berliner Verwaltung im Home-Office - Mit dem behördlichen Aktenstapel am Küchentisch

Do 09.04.20 | 06:17 Uhr | Von Jenny Barke
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Symbolbild: Steuerakten in einem Finanzamt (Quelle: dpa/Tack)
Bild: dpa/Tack

Schon vor der Corona-Krise haperte es bei der Berliner Verwaltung mit der IT-Infrastruktur. Das rächt sich jetzt. Nur ein Bruchteil der Beschäftigten kann im Home-Office auf Bürodaten zugreifen. Einige Anträge verzögern sich. Von Jenny Barke

Wenn Angestellte wegen des Coronavirus nicht mehr ins Büro gehen, muss das Büro eben zu den Angestellten ins Home-Office. Die Berliner Verwaltung stellt das allerdings vor große Herausforderungen: Die Beschäftigten arbeiten teils mit sensiblen Daten - aber die liegen oft gut abgeheftet in der Behörde.

Doch nur etwa 20 Prozent der Mitarbeitenden dürfen nach Pandemieplan offiziell die Gebäude betreten. Der Rest soll im Home-Office bleiben, aus Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus.

Die Zusammenarbeit werde dadurch aktuell stark ausgebremst, sagt Bernd Schlömer. Der FDP-Politiker ist Sprecher seiner Partei für die Digitalisierung und mit den derzeitigen Arbeitsbedingungen in der Verwaltung vertraut. "Folgendes Szenario zeigt sich: Da bekommt der Referatsleiter in der Krise einen Dienst-Laptop mit nach Hause. Seine Mitarbeiter müssen sich dann die Präsenzzeit aufteilen, also zum Beispiel arbeitet ein Team von Montag bis Mittwoch, das andere Donnerstag und Freitag", sagt Schlömer.

Sichere Verbindung in Behörde nur für ein Zehntel der Mitarbeiter möglich

Doch ganz reibungslos funktioniere das nicht, sagt der FDP-Politiker. Im Home-Office könnten die Beschäftigten nur sehr eingeschränkt arbeiten. Denn es fehle beispielsweise an Arbeits-Laptops, die nun in der Krise auch nicht einfach nachbestellt werden können. "Der Markt ist komplett leergefegt", sagt Schlömer.

Auch das leidige Thema der E-Akte holt die Verwaltung in der Krise wieder ein. Nur ein Bruchteil der Daten ist digitalisiert. Doch vor allem fehlen sogenannte Virtual Private Network, kurz VPN-Tunnel. Diese Netzwerke ermöglichen eine Verbindung mit dem Dienstrechner im Büro.

Aus einer schriftlichen Anfrage des Digitalisierungsexperten Schlömer geht hervor, dass aktuell nur etwa zehn Prozent der in der Verwaltung tätigen Arbeitnehmer im Homeoffice auf diese VPN-Tunnel zugreifen können. Es handelt sich um 2.500 VPN-Tunnel - für zehn Mal so viele Mitarbeiter. Die Folge: Viele Anträge der Bürger bleiben liegen.

Zuerst hatte der "Tagesspiegel" darüber berichtet [tagesspiegel.de]

Bauanträge werden nur schleppend bearbeitet

Darunter leidet auch die Baustadträtin Sabine Weißler (Bündnis 90/Die Grünen) vom Bezirksamt Mitte. In der ihr unterstehenden Straßenverkehrsbehörde könnte ihrer Schätzung nach nur ein Drittel der normalerweise ausgestellten Ausnahmegenehmigungen bei Bauanträgen digital bearbeitet werden, also derzeit nur etwa 200 bis 400 Anträge statt wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres rund 1.300 bis 1.500 Anträgen.

"Wir können diesen Vorgang nur teilweise digital erledigen, oft muss die Akte aber in die Hand genommen werden", sagt Weißler. Dabei habe das Bezirksamt Mitte schon berlinweit die meisten VPN-Verbindungen, doch es reiche hinten und vorne nicht. Das mache sich jetzt beim Antragsteller bemerkbar, also unter anderem bei Bauunternehmen - die jetzt bei leeren Straßen besonders gut bauen könnten, aber nicht mehr so schnell wie im Normalfall damit beginnen können. 

"Im bundesweiten Vergleich sind wir überhaupt nicht hinten dran."

Und auch die 2.500 Beschäftigten mit VPN-Tunnel können im Homeoffice nur mühsam arbeiten: Wenn sich alle gleichzeitig einwählen, ist das System überlastet. Dass derzeit die Effizienz leidet, weiß auch Daniela Ortmann, Vorsitzende des Hauptpersonalrats für den öffentlichen Dienst. "Wir können es derzeit nicht mehr ändern. Die 15 Sparjahre haben auch bei der Digitalisierung nicht Halt gemacht. Wir haben so lange gespart bis es quietscht und kracht", kritisiert sie.

Doch sie findet auch Lob für die Digitalisierungsschritte in der Berliner Verwaltung: "Im bundesweiten Vergleich sind wir überhaupt nicht hinten dran." Und seit 2016 werde auch die Digitalisierung vorangebracht - das ließe sich aber nicht von heute auf morgen umsetzen und die Krise sei der Verwaltung in die Quere gekommen. Sie empfiehlt den Beschäftigten, die VPN-Verbindungen in Randzeiten zu nutzen. Andere Möglichkeiten seien in der Krise so schnell nicht zu schaffen. Ein Vorschlag, den Schlömer von der FDP nach eigener Aussage nicht für sinnvoll hält: "Wir können die Mitarbeiter schlecht dazu zwingen, von 22 Uhr abends bis vier Uhr morgens zu arbeiten, weil die Bandbreite fehlt."

Bezirksämter werden analog erfinderisch

Weil mehr digitales Arbeiten in diese Krise nicht vorangebracht werden kann, werden die Bezirksämter erfinderisch: Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hat auf Notbetrieb umgestellt, das heißt, die Beschäftigten nehmen sich die Akten mit ins Home-Office.

Tempelhof-Schöneberg, bisher kaum mit VPN-Zugängen ausgestattet, hat einen Schichtdienst eingeführt, nur die Hälfte des Personals arbeitet damit immer gleichzeitig im Büro. Doch alle angefragten Bezirke betonen: Eine Langzeitlösung könne das nicht sein. Sie wünschten sich dringend, dass die Digitalisierung nach der Corona-Krise vorangetrieben werde.

Sendung: Inforadio, 08.04.2020,  

Beitrag von Jenny Barke

12 Kommentare

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  1. 12.

    Ähem, Deutschland ist nach China und den USA das Land mit dem größten Exportvolumen - und dabei handelt es sich nicht um "Sesselpusereien", sondern um hochwertige Produkte, die hier hergestellt werden.

    In Grünheide mag es vllt. keinen Schuster oder Müller mehr geben, aber in Gesamtdeutschland wird fleißig produziert, Inanna.

  2. 11.

    Schon mal in Baden-Württemberg über die Dörfer gefahren, so südlich von Stuttgart und dann egal, ob in Richtung Osten, Süden oder Westen? Ich war dort beruflich öfter unterwegs. Alle naselang ein produzierender Betrieb, alles richtig zersiedelt: Maschinenbau, Werkzeugtechnik, Medizintechnik, Chemie, was sie wollen. Namen, von denen Sie noch nie gehört haben, deren Produkte sie aber womöglich verwenden, die ihrem speziellen Bereich führend sind und in alle Welt liefern. Bitte nehmen Sie die diesbezügliche Ödnis in Brandenburg nicht als Maßstab.

    Gruß
    Hajakon

  3. 10.

    Die JobCenter hängen technisch im Netz der Bundesagentur für Arbeit, soweit ich weiß. Meine Frau arbeitet in einem JobCenter. Sie ist zwar Angestellte des Landes Berlin, aber die technischen Infrastruktur wird durch Nürnberg bereitgestellt und gesteuert. Meines Wissens nach fällt auch dort die Entscheidung, wer die - extrem raren - Zugänge für das Arbeiten im home office erhält. Meine Frau jedenfalls darf jeden Tag reinfahren. Aber korrigieren Sie mich, was die Entscheidungsfindung betrifft, wenn ich irre. Es ist ja durchaus möglich, dass Nürnberg fragt, wieviel Zugänge braucht ihr in Berlin und von dort keine vernünftige Rückmeldung kommt.

    Gruß
    Hajakon

  4. 9.

    Die Agenturen, Fam-Kassen und JC in D sind seit 2018 komplett digitalisiert. Eine Verbindung zur übrigen Verwaltung oder den Gerichten ist aufgrund der Inkompetenz und den Versäumnissen der letzen Jahre nicht möglich. So müssen wir z.B. digitalisierte Kundenakten ausdrucken, abheften und den Gerichten übersenden.
    Aber auch bei uns hakt es einigermaßen. HomeOffice ist derzeit nur für 160 der über 900 Mitarbeiter in einem großen Berliner JC möglich. Alle anderen müssen Urlaub nehmen, sich AU melden oder ins Büro kommen. Eine kurzfristige Bereitstellung von VPN-Zugängen unter Nutzung der eigenen Hardware ist auch Kosten- und logistischen Gründen nicht möglich.

    Vor einigen Tagen durfte man lesen, das Berlin beim Ausschreibungsrecht wieder geschlafen hat und der ursprüngliche Einführungstermin der eAkte von 2023! auf unbekannt verschoben wurde, da die Ausschreibung wiederholt werden muss. Überall Profis.

  5. 8.

    Interessant, wie viele reine Verwaltungsjobs es gibt. Produziert eigentlich noch wer was oder sind wir nur noch ein Land von Sesselpupsern geworden? Zu meiner Zeit gab es noch Qualität im Handwerk u.ä. Aber das wurde nieder gemacht und wenns geht ausgelagert in Länder, wo man mit weniger Lohn zufrieden ist. Nun fällt es uns endlich so auf die Füße, dass mal jemand umdenken dürfte.

  6. 7.

    Ich arbeite selbst im Öffentlichen Dienst, und kann das in Teilen bestätigen. Leider.

    Ehe jetzt wieder alle aus ihren Ecken gekrochen kommen um über den Öffentlichen Dienst und dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu lästern, sollte man sich viel eher mal die Frage stellen, was Deutschland generell in Sachen Digitalisierung absolut verpasst hat. Mit einer Kanzlerin, für die das ganze "Neuland" ist auch kein Wunder.

    Hier muss nachgebessert werden, wie es z.B. in skandinavischen Ländern der Fall ist. Denn mein Eindruck ist, die hiesigen Angestellten sind sehr wohl willig zu arbeiten, es hapert oft eben an der Technik.

  7. 6.

    Was sagt denn da der Datenschutz dazu? Ist es überhaupt zulässig Dienstakten, in denen Personendaten erfasst sind, aus dem Büro mitzunehmen und zu Hause aufzubewahren, wo ja zumindest Familienmitglieder Einsicht nehmen könnten?

  8. 5.

    Aber genügend Bleistifte, Anspitzer, kariertes und rautiertes Schreibpapier ist wohl genügend vorhanden. Was ist denn IT-Ifrastruktur. Da denken viele Berliner Bürokraten wohl mehr en ET den Außerirdischen. Spricht man ja gleich aus.
    So sieht`s aus.

  9. 4.

    Berlin ist wirklich sehr speziell. Es lebe der Datenschutz.

  10. 3.

    Der Hauptpersonalrat ist doch selbst ein Megabremser der Verwaltungsdigitalisierung. Er fordert regelmäßig bergeweise Unterlagen, die er gar nicht lesen und verarbeiten kann, statt sich auf das Wesentliche, Schulungen, Usability und die mögliche Kontrolle der Mitarbeiter zu konzentrieren. Weniger wäre mehr, dann dauerte allein dieser Schritt nicht regelmäßig Jahre!!!

  11. 2.

    Wenn nun Akten aus Behörden in die privaten Wohnzimmer verlagert werden: Wie sieht es mit dem Datenschutz aus? ... Sind hier besondere Vorkehrungen getroffen? Klar, dass auch Sachbearbeiter nun gerade nicht große Besuche empfangen ... dennoch müssten hierfür m.E. unbedingt notwendige Maßnahmen getroffen werden, um der Bürger Rechte nicht zu gefährden.

  12. 1.

    Wenn nun Akten aus den Behörden in die Wohnzimmer der Sachbearbeiter verlegt werden, wie sieht es da mit den Möglichkeiten des Datenschutzes aus? Klar, dass auch die Sachbearbeiter derzeit keine großen Besuche empfangen ... doch ist es nicht trotzdem "unsicherer"?

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