R-Wert über kritischer Marke - Erste von drei Corona-Ampeln springt laut Kalayci auf Rot

Mo 25.05.20 | 15:17 Uhr
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Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), Archivbild (Quelle: DPA/Michael Kappeler)
Audio: Inforadio | 25.05.2020 | Sebastian Schöbel | Bild: DPA/Michael Kappeler

Die aktuelle Lage in der Corona-Pandemie muss in Berlin wieder genauer beobachtet werden. Die erste der drei selbst auferlegten Corona-Ampeln steht nun auf Rot. Unklar bleibt allerdings weiterhin, wie der Senat den dahinterstehenden Wert berechnet.

Eine von drei sogenannten Corona-Ampeln zur Bewertung der Lage in Berlin ist auf Rot gesprungen. Die Reproduktionszahl (R) sei auf einen "recht hohen Wert" von 1,37 gestiegen und liege damit zum dritten Mal in Folge über dem kritischen Wert von 1,20, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Montag im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses. "Das kann tatsächlich ein Indiz dafür sein, ob es einen Trendwechsel gibt." Zunächst hatte darüber der "Tagesspiegel" berichtet. 

Die Stadt hat sich selbst einen Grenzwert von 1,20 auferlegt - wenn dieser überboten wird, springt die Ampel zunächst auf Gelb, ab dem dritten Tag in Folge auf Rot. Die beiden weiteren Ampeln - für Neuinfektionen und Intensivbettenkapazität - seien aber derzeit deutlich vom Sprung auf Gelb oder Rot entfernt, betonte Kalayci zugleich.

Unklare Berechnung, abweichende Werte

Der vom Robert-Koch-Institut (RKI) geschätzte R-Wert müsse in den nächsten Tagen beobachtet werden, um zu klären, ob er sich in dieser Höhe verfestige oder ob es sich um eine statistische Schwankung handele, erläuterte die Senatorin.

Der R-Wert zeigt an, wie viele Menschen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt. Er bezieht sich auf Infektionen vor 8 bis 13 Tagen. Bleibt der Wert länger stabil über 1, besteht die Gefahr eines wieder exponentiellen Anstiegs der Fallzahlen.

Wie genau der Senat seinen R-Wert berechnet, ist derweil nach wie vor unklar. Anfragen von rbb|24 - aber auch der "Berliner Morgenpost" - blieben bislang unbeantwortet. Kalayci sagte lediglich, dass das Robert-Koch-Institut diesen Wert für Berlin berechnet habe. rbb|24 kommt dagegen auf aktuelle Reproduktionszahlen unterhalb von 1.

Auch in den letzten Tagen lag der Wert demnach nie über 1,2. Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung kommt gemäß seiner Berechnung ebenfalls auf deutlich niedrigere Werte für die Zeit bis zum 21. Mai. Kalayci sagte dazu am Montag, dass der R-Wert nur eine Schätzung sei, die zudem auf älteren Infektionszahlen beruhe.

Zwei Corona-Ampeln stehen auf Grün

Dem neuen Ampelsystem zufolge besteht bei zwei roten Ampeln Handlungsbedarf, es könnten dann zum Beispiel wieder mehr Maßnahmen zur Eindämmung des neuen Virus verhängt werden. Bei zwei gelben Ampeln sieht die Politik Beratungsbedarf.

Für jeden Indikator wurden Werte festgelegt, ab wann die Ampel auf Gelb beziehungsweise Rot springt. Mit einem aktuellen Wert von etwa 5 Corona-Fällen pro 100.000 Einwohner liegt die Neuinfektions-Ampel momentan deutlich unter der Schwelle für Gelb (20 oder mehr) oder Rot (30 oder mehr). Ebenso bei der Auslastung der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten: Dieser Wert liegt laut Kalayci bei 4,6 Prozent - für Gelb müssten es mindestens 15 Prozent sein, für Rot mindestens 25 Prozent.

Bislang keine Hotspots in Berlin

Berlin dürfe sich auf den derzeit niedrigen Infektionszahlen allerdings nicht ausruhen, mahnte Kalayci. Experten rechneten mit einer zweiten Welle. Es sei davon auszugehen, dass mit einer Zunahme der Kontakte - auch durch die Lockerungen - die Infektionszahlen wieder steigen könnten.

Besondere Infektions-Hotspots wie in manch anderen Bundesländern seien in Berlin derzeit nicht bekannt, sagte die Senatorin. Bei einer zweiten Welle werde eher die Gefahr gesehen, dass es in der Breite losgehe. Mit Ausnahme eines Flüchtlingsheims in Buch, wo vergangene Woche ein Ausbruch bekannt wurde, sei die Lage in diesen Unterkünften in Berlin ruhig. Sie würden engmaschig überwacht, ebenso Kliniken und Pflegeheime.

Sendung: Abendschau, 25.05.2020, 19:30 Uhr

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107 Kommentare

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  1. 107.

    Warum gibt es für solch eine fatale Falschinformation eigentlich keine Richtigstellung? Hier wird mit einem Maßnahmenpaket und der Besorgnis einer ganzen Stadt gespielt. Das RKI hat sich verrechnet und falsche Zahlen herausgegeben. Und das verklingt aber ganz nebenbei.

  2. 106.

    Grün, Rot, Gelb, Grün, Gelb, Rot .... die Discothek der Unfähigen.

  3. 105.

    Der wird anhand der Methode errechnet, die auf der RKI-Seite vorgeschlagen wird. Und das müssen Sie und ich nicht machen, sondern die Spezis in den jeweiligen Gesundheitsämtern.

  4. 104.

    So Ampel wieder auf grün...
    warum wird da eigentlich so ein Drama draus gemacht, geht doch immer hin und her, ist eigentlich nix Neues, oder

  5. 103.

    Unter polemischer Nachfrage und "angegangen" verstehe ich was anderes - und unter Transparenz auch, sorry.
    Der Verweis auf die RKI Seiten führt einen zwar zu den Erklärungen der Methodik - jedoch gibt es keine Liste mit den sich daraus für Berlin ergebenden Zahlen bzw. den täglichen R-Wert. Ich versuche immer wieder, diesen zu finden, doch weder von den Senats-Seiten aus findet man dorthin, noch sehe ich auf den RKI-Seiten R-Zahlen für die Bundesländer. Oder hab ich bloß Tomaten auf den Augen??? Ich will ja keine wissenschaftliche Abhandlung und dann selber drauf angewiesen sein, mir die Zahlen in der Rechnung irgendwie zusammenzubasteln....
    Ich würde aber durchaus gern wissen, welcher R-Wert für Berlin denn *heute* nun gilt - aber wo finde ich ihn?

  6. 102.

    Danke, wieso wird das nicht glasklar im Artikel kommuniziert? Und der letzte Wert von Ihnen ist doch über 1, im Artikel steht was anderes. Ehrlich, ich bin nur noch verwirrt ...

  7. 101.

    Wir rechnen es ja vor, zwei Klicks entfernt. Hier aber nochmal der LInk zum Code, dann ist es nur ein Klick. https://github.com/rbb-data/berliner-corona-ampel

  8. 100.

    "Unklar bleibt allerdings weiterhin, wie der Senat den dahinterstehenden Wert berechnet."
    Nach Gutdünken. Einzig dem Grund geschuldet, dass sich der Senat feiern darf.

  9. 99.

    Rot, Rot, Grün - wer sieht da nicht einen Zusammenhang.
    Zumal auch heute nicht schlüssig erklärt wurde, wie und welche Werte zugrunde gelegt werden.
    Nun ja, das ist man von diesem Senat gewöhnt.

  10. 98.

    Aus meiner Sicht ist das ganze Theater um den R-Wert ganz großer Mist. Kein Bürger kann mit diesem Wert etwas anfangen. Dies zeigen die vorangegangenen Kommentare. Die Zahl der Neuinfektionen und Auslastung der Krankenhäuser mit Covid 19 Patienten ist für jeden verständlich. Und wenn man an diesen Zahlen Lockerung oder Verschärfung fest macht verstehen das auch die Menschen. R-Wert hoch oder tief, Ampel rot, gelb oder grün. Nehmt diesen Quatsch aus der Bewertung raus. Es verunsichert nur zusätzlich den Bürger.

  11. 97.

    Wer sich wirklich für das Thema R-Wert interessiert und weniger fürs Senatsbashing:
    https://www.tagesspiegel.de/wissen/reproduktionszahl-und-neuinfektionen-das-raetsel-um-den-r-wert/25816234.html

  12. 96.

    Wir können uns jetzt zu Tode rechnen anstelle an Corona zu sterben - hilft aber nix. Ich fürchte, die Tage zwischen Himmelfahrt und Pfingsten werden in den Ämter als Ferienbrücke genutzt und man hat dieses mal nicht eine Wochenend-Meldelücke, sondern eine Ferien-Meldelücke. Wie von Zauberhand werden nach Pfingsten die Fallzahlen hochgehen (Nachmeldungen...) und der R-Wert sinken (Vergleichsbasis genauer). Dann kommen bald die Sommerferien, die Ämter sind dann wieder völlig ausgestorben. Vermeintlich gibt es Corona nicht mehr... bis die "2. Welle" kommt, wenn die Mitarbeiter wieder im Dienst sind im September. Jo, läuft...

  13. 95.

    Die Methodik wird auf der RKI-Seite genau erklärt, ich finde es schon etwas perfide, den Senatsangehörigen solch ein gerüttelt Maß an Blödheid zu unterstellen. Vielleicht ist es den Angegangenen einfach zu doof, auf solch polemische Anfragen zu reagieren? Wenn die Redaktion zu einem anderen R-Wert kommt, soll sie den im Artikel bitte vorrechnen. Ansonsten bleibt die geraunte Kritik im luftleeren Raum hängen, wer danach hungrig schnappt, ist selbst schuld oder braucht es einfach.

  14. 94.

    Mittlerweile vermute ich, die bleiben Ihnen die Antwort schuldig, weil Sie schlicht die Zahlen vom RKI übernehmen und die Methodik selber nicht richtig erklären können... wäre ja bisschen peinlich, das zuzugeben, da schweigt man besser ;)

  15. 93.

    Das ist erfreulich, ich habe die Maßnahmen auch nur aus den Medien so gehört und finde es schön, wenn nicht solche "Gerüchte" wahr werden ;)

  16. 92.

    Nein, das sind wir nicht. Zum Glück. Mir ging es darum zu zeigen, dass man die Zahlen, auf denen die Maßnahmen beruhen, deutlich und transparent zeigen kann. Bei uns sagt jeder etwas zu allem, aber es fehlt mir die stringente Linie. Es muss für den Bürger nachvollziehbar sein, wie sich die Lage entwickelt. Dann gibt es auch mehr Verständnis für Maßnahmen, die uns alle stark einschränken. Auch mir ist nicht klar, wie bei stetig sinkenden Neuinfektionen R auf einen kritischen Wert steigen kann.
    Ich hoffe nur, dass wir bei der nächsten Pandemie besser vorbereitet sind, auch im Informationssinne.

  17. 91.

    Man sollte auch in der Überschrift nicht "Erste von drei Corona-Ampeln..." schreiben, sondern "Eine von drei Corona-Ampeln...". "Erste" suggeriert, dass ein Umschalten auch der beiden anderen Ampeln zu erwarten ist. Das ist aber nicht der Fall.
    Wenn der Senat die Berliner R-Zahl vom RKI berechnen lässt, dann ist das allemal besser als wenn man sich selbst daran versucht. Angesichts der derzeitig geringen absoluten Zahlen an Neuinfektionen, ist die statistische Masse für Berlin vermutlich sehr schwankungsanfällig, was die R-Wert Berechnung mit vorgelagertem Nowcasting und Imputation fehlender Erkrankungsdaten angeht.

  18. 90.

    Hallo Verwundert,

    wir wissen jetzt die Quelle für den R-Wert von Berlin (RKI) und können die (wahrscheinliche) Berechnungsmethode von R (wahrscheinlich über Nowcasting und 7-Tage-R) uns dazu denken. Nachvollziehbar bleibt aber die Rechnung weiterhin nicht, weil eben keine Unsicherheiten angegeben werden, weil nicht die Nowcast-Daten offengelegt werden usw. Für Deutschland macht das das RKI sehr vorbildlich, der Senat leider kein bisschen.

    Insofern stimmt die Aussage aus dem Teaser leider nach wie vor. Wir wollen auch hier kein Öl ins Feuer gießen. Aber uns bleibt es halt ein Rätsel, wieso man nicht offen kommuniziert und auf unsere Anfragen antwortet.

  19. 89.

    Der R Wert, ein geschätzter Wert unserer RKI Experten. In Bundesdurchschnitt 0,83. In Berlin, obwohl nur etwa 374 aktiv infizierte bei über 1,2 .... Das ist sicherlich der Verlässlichste Wert überhaupt, deshalb ja auch geschätzt.... Wie sagte schon der RKI Chef: umso weniger Infizierte, desto unzuverlässig wird der R Wert!

  20. 88.

    Hallo liebe Berlinerin,

    das machen wir. Diese Tabelle wird aber nicht mit reinen Fallzahlen gefüttert sondern mit Nowcast-Fallzahlen. Das ist ein recht cleveres Verfahren, das versucht zu errechnen, wie viele Fälle eigentlich schon gemeldet sein müssten, wenn es keinen Meldeverzug gäbe. Aber wie jedes Verfahren hat das auch seine Grenzen und wird mit niedrigen Fallzahlen anfällig für Schwankungen.

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