Nach Verfassungsbeschwerde - Gericht setzt Berliner Corona-Bußgelder teilweise außer Kraft

Di 26.05.20 | 14:01 Uhr
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Menschen halten am 27.03.2020 sich im Volkspark Friedrichshain auf, während die Polizei die Einhaltung der Abstandsregeln kontrolliert (Bild: imago-images/Sabine Gudath)
Video: Abendschau | 26.05.2020 | Iris Marx | Bild: imago-images/Sabine Gudath

Bis zu 500 Euro bei Verstößen gegen die Abstandsregeln - und bis zu 100 Euro bei Verstößen gegen die Kontaktbeschränkungen: Beide Berliner Corona-Bußgelder hat das  Landesverfassungsgericht mit Verweis auf deren Formulierungen vorerst auf Eis gelegt.

Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat den Bußgeldkatalog für Verstöße gegen Corona-Bestimmungen teilweise außer Kraft gesetzt. Betroffen ist das Bußgeld für Verstöße gegen das Mindestabstandsgebot und das Gebot, physisch soziale Kontakte auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren.

Diese Formulierungen seien zu unbestimmt, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss des höchsten Berliner Gerichts (VerfGH 81 A/20 vom 20. Mai). Bürger könnten so nicht klar erkennen, welche Handlung oder Unterlassungbußgeld bewehrt sei. Dies könne gerade rechtstreue Bürger veranlassen, sich in ihren Grundrechten noch weiter zu beschränken, als es erforderlich wäre, um keine Ordnungswidrigkeit zu begehen.

Strafen von bis zu 500 Euro sind nun hinfällig

Mit der Eilentscheidung des Verfassungsgerichtshofs darf konkret kein Bußgeld mehr verhängt werden, wenn jemand gegen den Mindestabstand von anderthalb Metern verstößt. Dafür wurden bisher in Berlin Bußgelder von 25 bis 500 Euro fällig. Auch Verstöße gegen das Gebot, "physisch soziale Kontakte auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren", dürfen vorerst nicht mehr mit Bußgeldern geahndet werden. Hier drohten Strafen von 10 bis 100 Euro.

Die Bußgeldvorschrift der entsprechenden Verordnung ist mit der Gerichtsentscheidung in diesen beiden Punkten außer Kraft gesetzt, bis ein Urteil zur kompletten Verfassungsbeschwerde ergeht, höchstens jedoch für sechs Monate. Andere Bußgelder, beispielsweise bei Verstößen gegen Hygieneregeln oder Obergrenzen bei Versammlungen, gelten indes weiter.

Senat will sich am Donnerstag dazu äußern

Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) sagte nach einer Senatssitzung am Dienstagnachmittag, der Senat habe die Gerichtsentscheidung zur Kenntnis genommen. Bewerten wollte er das gerichtliche Nein zu zwei Bußgeldverordnungen nicht. Der Senat werde darüber bei seiner Sondersitzung am Donnerstag beraten und die Öffentlichkeit über das weitere Vorgehen informieren, kündigte Kollatz an.

Sendung: Abendschau, 26.05.2020, 19:30 Uhr

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28 Kommentare

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  1. 28.

    Aggressive und Hasserfühlte Blicke, offene Anfeindungen wegen Maskenpflicht!!!
    Ich bin Asthmatiker und kann keine Mund-Nasen-Schutz (Maske) tragen. Ich habe auch ein Attest von meinem Arzt. Wenn ich privat und beruflich mit der Bahn oder dem Bus unterwegs bin, bin ich „öfter“ den aggressiven und hasserfüllten Blicken einiger Fahrgäste ausgesetzt. Manchmal kommt man zu mir ganz nah und starrt mich sehr wütend und zornig an. Es sieht manchmal „sehr bedrohlich aus“. Man bekommt dann richtig Angst. Sowas konnte ich mir nie im Leben vorstellen, dass man in Deutschland Angst um „sein Leben“ haben muss, weil man keine Maske tragen kann oder will.Ich wurde auch einige Male trotz Attest vom Arzt in den Geschäften nicht reingelassen und die Polizei wollte sich da nicht einmischen. Man kann ja nicht 10-mal am Tag die Polizei anrufen.Wo sind hier das Bundesverfassungsgericht (Verletzung des Artikels 3 des Grundgesetzes) und die Antidiskriminierungsbeauftragte von Bund und Länder...???

  2. 27.

    Das ist bei diesem Senat leider nicht auszuschließen.
    In keiner anderen Stadt in Deutschland, wenn nicht sogar in Europa gibt es soviel Widerstand und Uneinsichtigkeit bei Gesetzen und Regeln wie in Berlin.
    Das hat aber nichts mit Lebensgefühl zu tun sondern mit Unvernunft, Rücksichtslosigkeit und auch ein wenig Größenwahn.

  3. 26.

    Welches Grundrecht? Ein Menschenrecht sogar. Die Kontaktbeschränkungen verhindern den Umgang mit Menschen. Ich darf keine zwei Freunde treffen, weil wir dann ja drei Haushalte wären. Aber zwei Familien dürfen sich treffen. In unbegrenzter Anzahl. Das schränkt mich zu sehr ein, weil ich zB keine Familie in Berlin habe. Singlehaushalte werden derzeit diskriminiert. Erst recht die ohne Lebenspartner oder diejenigen die eine Fernbeziehung führen. Nimmt man alles für eine gewisse Zeit hin, aber mehrere Monate? Nein.

  4. 25.

    Leider auch falsch - der Bußgeldkatalog stimmt in vielen Fällen nicht, weil die dort genannten Paragrafen und Verstöße sich auf eine Maßnahmen-VO beziehen, die schon lange nicht mehr gilt... Einfach nur mal die Überschriften in beiden Regelwerken lesen, dann weiß man, was noch alles nicht gelten kann, weil's nicht zusammenpasst..... Es fehlt die Synopse! Oder müssen sich Juristen erst die Mühe machen, zu interpretieren, welches Vergehen nun zu welchem Gebot in der VO passt? Da kriegen die Gerichte wohl noch mehr zu tun...

  5. 24.

    Fragt sich, was "richtig formuliert" heißen wird: Das Einzige, was an der Abstandsregel seit Ende April in Berlin "unbestimmt formuliert" sein kann, ist die Texterweiterung nach "ist einzuhalten" um "soweit die Umstände dies zulassen". Das war sicher wegen der Verkehrsmittel so aufgenommen worden, hatte man aber auch schön unter dem Motto "Gilt also nicht, wenn Behinderte das gar nicht können, weil der Umstand, anderen nicht ausweichen zu können, das nicht zulässt" verbuchen können. Vorher war es eben immer eine Ordnungswidrigkeit, weil es absolut und ohne Ausnahme galt und man es wusste, dass man es nicht kann, was man muss - also vorsätzlich gegen die Verordnung handelte. Nun wird es also erneut sehr spannend, was der Senat neu in die Verordnung schreiben wird und ob dadurch wieder Personen gezwungen werden, ordnungswidrig zu handeln, obwohl sie es selbst gar nicht verhindern können.

  6. 23.

    "Einfach mal auf die Vernunft ihrer Mitbürger vertrauen." Ich glaube sowas sagt man immer nur, wenn man sich vor jeder Entscheidung fürchtet. Welches Grundrecht wird eigentlich verletzt, wenn sie nicht jedem auf der Straße zu nahe kommen? Also ich will ihren Atem nicht jederzeit spüren wollen, scheint aber manchen wichtig zu sein.

  7. 22.

    Das Gericht hat gerügt, dass die Formulierungen zu unbestimmt sind. Die Empfehlungen sind weiterhin sinnvoll um eine Seuchenverbreitung einzuschränken.

  8. 21.

    Solche Nasen mag ich ja, ich habe ja nichts zu verbergen, mir passiert ja nichts, sie werden sich noch wundern.
    Und apropos da sie ja nichts zu verbergen haben, können sie entweder nackt auf der Straße laufen oder hier einfach ihre PIN rein posten, vielen Dank im voraus.

  9. 20.

    Auf jeden Fall wirkt das dann auf sie ein, wenn sie mit dem Auto unterwegs sind, das nachweislich Umwelt und Lebens zerstörend ist.

  10. 19.

    Ja und natürlich muss der Bußgeldkatalog auch hinsichtlich der jeweiligen Lockerungen aktualisiert werden.
    Wozu haben wir eigentlich einen Justizsenator.
    M.E. ist es doch Aufgabe der Juristen die Verordnungen des Senats rechtssicher zu formulieren und zu aktualisieren.

  11. 18.

    Mit der Vernunft ist es sichtbar nicht weit her bei einigen. Übrigens geht es ja auch nur um die Unvernünftigen. Die, die vernünftig sind wurden ja nicht sanktioniert.

    Und so sieht man wieder einmal, dass solche Beiträge nur dazu da sein, Freiheiten einzufordern um sie zu missbrauchen. Oder wozu soll die Freiheit, sich unvernünftig verhalten zu dürfen, sonst dienen?
    Das ist dann OK, wenn man sich mit der Unvernunft nur sich selbst schadet- aber nicht, wenn man andere damit gefährdet.

  12. 16.

    Es wird höchste Zeit, dass die Politik nachvollziehbar begründet, warum bestimmte Beschränkungen weiter erforderlich sind. So wäre zu erläutern, warum eine Demo unter freiem Himmel mit 200 Leuten auf Abstand zu gefährlich ist aber 1000 Leute in einer Mall kein Problem darstellt. Stattdessen wird die Bevölkerung mit "großzügigen Lockerungen" eingelullt, was die Tatsachen auf den Kopf stellt. Denn nicht die Beschränkungen sind die Normalität und die Lockerung die Ausnahme. Die Normalität ist die Freiheit und die Beschränkung die Ausnahme.

    Wenn man das dann verständlich begründet braucht man auch keinen schwammigen Bußgeldkatalog, der einem vom Gericht um die Ohren gehaun wird. Laut Bericht sollen ja sogar nur noch 9 der über 50 aufgeführten Tatbestände aktuell tatsächlich noch existent sein.

  13. 15.

    Falsch, nur in zwei Punkten, lesen Sie überhaupt, was Sie kommentieren? Im Übrigen gilt alles.

  14. 14.

    Dafür kennen Sie offenbar nicht den Unterschied zwischen einem Gesetz und einer Verordnung. Ich vermute mal, Sie wissen nicht mal, wer was erlässt. Fragen Sie Tante G. :-p

  15. 13.

    Durch die falschen Formulierungen wird die Verordnung inhaltlich und rechtlich falsch und daher unwirksam!

  16. 12.

    Ohrfeige für den Senat. Rotrotgrün kann nicht mal ordentliche Gesetze und Verordnungen erlassen. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen.

  17. 11.

    Einfach mal auf die Vernunft ihrer Mitbürger vertrauen. Wie lange wollen Sie die Grundrechte der Bürger noch Einschränkung. Für 2 Jahre oder was ?. Vor Corona habt ihr der Politik doch auch nicht vertraut. Ihr seid mündige Bürger . Kapiert das endlich.

  18. 10.

    Gehen wir bei der Berliner Politik mal davon aus, dass "bewußt" unbestimmt formuliert wurde, damit entsprechendes Verhalten nicht wirklich sanktioniert wird ... Sich an Regeln zu halten würde da auch dem "Lebensgefühl der Stadt" zuwider laufen ...

  19. 9.

    Leute lesen hilft! Die Entscheidung wurde auf Grund falscher Formulierungen getroffen! Nicht aus inhaltlichen oder rechtlich falschen Gründen.
    Richtig formuliert und schon geht es durch. Zu früh gefreut.

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