Ampel als Corona-Warnsystem - Berlin setzt eigene Obergrenze bei Neuinfektionen
Mit einer Ampel als Warnsystem will Berlin Corona-Infektionen in Schach halten. Je nach R-Wert, Belegung der Intensivbetten und Zahl der Neuinfektionen pro Einwohner wird auf Gelb oder Rot geschaltet. Bei der Infektionszahl weicht Berlin dabei vom Bundeswert ab.
Mit einem Ampelsystem will der Berliner Senat dafür sorgen, dass trotz Lockerungen die Coronavirus-Infektionen in der Stadt nicht unerwartet stark ansteigen. Darauf habe sich am Dienstag die rot-rot-grüne Koalition verständigt, teilten der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (beide SPD) am Dienstagmittag mit. Die Richtwerte dieses Ampelsystems, das am Dienstag vorgestellt wurde, weicht dabei von den bisher zwischen Bund und Ländern beschlossenen Grenzwerten teils deutlich ab.
Bei R-Wert von 1,2 auf Rot
Grundsätzlich bedeute in dem Ampelsystem grün, dass nicht gehandelt werden müsse. Gelb löse Alarm bei den zuständigen Stellen aus. Rot heiße dann: Handeln.
Wie Senatorin Kalayci erklärte, sollen drei Werte in dem Ampelsystem berücksichtigt werden: Erstens die Reproduktionszahl; der R-Wert gibt Aufschluss darüber, wie viele Menschen ein Infizierter im Mittel ansteckt. Zweitens die Zahl der Neuinfektionen pro Einwohner. Drittens die Belegung der Intensivbetten.
"Sobald zwei Indikatoren auf gelb sind, wird die Lage im Senat detailliert erörtert", kündigte Senatorin Kalayci an. Stehen zwei von drei Indikatoren auf rot, werde man über die Rücknahme von Lockerungen nachdenken, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Je nach Lage könne dies aber auch schon früher geschehen.
Die Reproduktionszahl spiele eine große Rolle, sagte Kalyci. Sobald dieser R-Wert in Berlin an drei aufeinanderfolgenden Tagen bei 1,1 liege, schalte die Ampel auf gelb. Liege der Wert drei Tage hintereinander bei 1,2, schalte sie auf rot. Aktuell liegt der R-Wert in Berlin laut Kalayci bei 0,79.
Rot bei 30 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner
Beim Thema Obergrenzen für Neuinfektionen geht Berlin ebenfalls einen eigenen Weg. Bund und Länder hatten sich in der vergangenen Woche darauf verständigt, dass bei 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen gehandelt werden müsse. "Wir würden bei 20 schon die Ampel auf gelb stellen, bei 30 auf rot", sagte Kalayci nun. Mit Faktor 50 wäre Berlin in den vergangenen Wochen "viel zu spät dran" gewesen. "Unser Höhepunkt lag bislang bei 37", so die Gesundheitssenatorin.
Kalayci versuchte, diese Faktoren anhand von Zahlen für ganz Berlin deutlich zu machen: Zuletzt habe die Zahl der Neuinfektionen in sieben Tagen bei 286 gelegen. Bei der Obergrenze von 30 je 100.000 Einwohner wären es über diesen Zeitraum stadtweit 1.131.
Bei den Betten überall im grünen Bereich
Der dritte entscheidende Punkt sei die Auslastung der Intensivbetten in Berlin, erklärte die Senatorin. "Wir haben mit dem Reservekrankenhaus auf dem Messegelände unser Save-Konzept ergänzt, da sind wir sehr gut aufgestellt. Trotzdem schauen wir, wie die Auslastung ist", so Kalayci.
"Die Gelbphase würden wir bei 15 Prozent erreichen, rot bei dann bei 25 Prozent", so die SPD-Politikerin. Aktuell gibt es ihren Angaben zufolge 38 Prozent freie Bettenkapazitäten in Berlins Krankenhäusern, knapp neun Prozent der Betten seien derzeit mit Covid-19-Patienten besetzt. "Wir sind hier also überall im grünen Bereich", betonte Kalayci.
Über alle drei Indikatoren werde der Senat wöchentlich berichten, sagte Kalayci. Müller betonte: "Wir reagieren schon bei gelb." Er ergänzte: "Es wäre ja Wahnsinn, wenn eine Regierung oder ein Senat sagt, wir gucken mal, wie gelb sich entwickelt, wird schon gut gehen." Das Ampelsysteme sei erst einmal eine Grundlage für die nächste Zeit, könne sich aber auch ändern, wenn es erforderlich sei.
Müller will über Versammlungen und Kinos sprechen
Müller mahnte, die Corona-Regeln weiterhin ernst zu nehmen. "Viele gehen die Schritte mit Bedacht mit uns gemeinsam. Andere tun das eben nicht. An der Stelle wird die Polizei in Zukunft stärker eingreifen müssen. Das muss ja kein martialisches Auftreten sein, aber es muss klare Ansprachen geben", so Müller.
Alle aktuellen Maßnahmen seien zunächst bis zum 5. Juni terminiert, betonte Müller. "Das heißt nicht, dass ab 6. Juni alles wieder aufgemacht wird, was noch zu ist. Wir müssen über Fitnessstudios, Kinos und Veranstaltungen diskutieren und die Erfahrungen betrachten." Es gebe nicht "diesen einen richtigen Weg". "Daher müssen wir uns weiter herantasten an hoffentlich weitere Lockerungen", so der Regierende Bürgermeister. "Aber sie sind keine Selbstverständlichkeit."
Sendung: Inforadio, 12.05.2020, 13:40 Uhr