Gegenwind für Spahn - Kalayci lehnt Immunitätsausweis strikt ab
Ein Immunitätsausweis könnte in der Corona-Krise vieles erleichtern, argumentiert Bundesgesundheitsminister Spahn. Am Donnerstag berät der Bundestag seine Pläne. Die Berliner Gesundheitssenatorin Kalayci ist strikt dagegen - und nicht nur sie.
Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hat sich deutlich gegen die Einführung von Corona-Immunitätsausweisen in Deutschland ausgesprochen. Sie sehe diese Überlegungen sehr, sehr kritisch, sagte sie am Montag im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses. Der Vorschlag komme zur Unzeit.
Immunitätsausweis: viele offene Fragen
Die Einführung eines Immunitätsausweises ist Teil eines weiteren Corona-Gesetzes aus dem Bundesgesundheitsministerium. Es soll am kommenden Donnerstag erstmals vom Bundestag beraten werden. Falls wissenschaftlich bewiesen wird, dass nach einer Coronavirus-Infektion Immunität besteht und ein Genesener niemanden mehr anstecken kann, sollen sich die Betroffenen diese Immunität bescheinigen lassen können - analog zum Impfpass. Allerdings warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass noch nicht bewiesen sei, dass Antikörper immun gegen das Virus machen [tagesschau.de].
Auch in welchem Zusammenhang ein solches Dokument genutzt werden könnte, ist noch unklar. Zur Klärung unter anderem dieser Frage hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an den Deutschen Ethikrat gewandt.
Kalayci sieht Gefahr von Corona-Partys
Kalayci nannte den Ruf nach einem Immunitätsnachweis am Montag verfrüht. Sie hoffe, dass der Ausweis in Deutschland nicht komme. Die Senatorin argumentierte, mit solchen Nachweisen würden falsche Anreize gesetzt: Wenn Vorteile mit der durchgemachten Krankheit verbunden seien, befördere man vielleicht auch sogenannte Corona-Partys, also bewusste Ansteckungen. Zudem sehe sie Datenschutzprobleme und eine Diskriminierung von Menschen etwa mit Vorerkrankungen.
Auch Vertreter anderer Parteien lehnen den Spahn-Vorschlag ab. Grünen-Chefin Annalena Baerbock nannte ihn kontraproduktiv, wenn man Kontakte reduzieren wolle. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch erklärte: "Ich will keinen Überwachungsstaat." Die AfD sprach von einer Erpressung der Bürger.
Spahn wundert sich
Auf die Kritik reagierte Spahn am Montag mit den Worten, er wundere sich etwas über die Debatte. Schließlich könne man auch jederzeit zum Arzt gehen und sich Antikörper gegen Hepatitis und Masern in den Impfausweis eintragen lassen. "Wofür er genutzt wird, ist ja erstmal Entscheidung des Bürgers", sagte der Bundesgesundheitsminister.
Vorerst solle es keine Regelung dazu geben, dass solche Vermerke Ausnahmen von Alltagsbeschränkungen ermöglichen können. In der Koalition sei außerdem vereinbart worden, so lange keine gesetzliche Regelung zu einem Immunitätsnachweis vorzunehmen, bis eine Stellungnahme des Ethikrats vorliege.
Sendung: Radioeins, 05.05.2020, 05.00 Uhr
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