Gegenwind für Spahn - Kalayci lehnt Immunitätsausweis strikt ab

Mo 04.05.20 | 13:25 Uhr
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Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, und Dilek Kalayci (SPD), Senatorin für Gesundheit (Quelle: dpa/Kay Nietfeld)
Bild: dpa/Kay Nietfeld

Ein Immunitätsausweis könnte in der Corona-Krise vieles erleichtern, argumentiert Bundesgesundheitsminister Spahn. Am Donnerstag berät der Bundestag seine Pläne. Die Berliner Gesundheitssenatorin Kalayci ist strikt dagegen - und nicht nur sie.

Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hat sich deutlich gegen die Einführung von Corona-Immunitätsausweisen in Deutschland ausgesprochen. Sie sehe diese Überlegungen sehr, sehr kritisch, sagte sie am Montag im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses. Der Vorschlag komme zur Unzeit.

Immunitätsausweis: viele offene Fragen

Die Einführung eines Immunitätsausweises ist Teil eines weiteren Corona-Gesetzes aus dem Bundesgesundheitsministerium. Es soll am kommenden Donnerstag erstmals vom Bundestag beraten werden. Falls wissenschaftlich bewiesen wird, dass nach einer Coronavirus-Infektion Immunität besteht und ein Genesener niemanden mehr anstecken kann, sollen sich die Betroffenen diese Immunität bescheinigen lassen können - analog zum Impfpass. Allerdings warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass noch nicht bewiesen sei, dass Antikörper immun gegen das Virus machen [tagesschau.de].

Auch in welchem Zusammenhang ein solches Dokument genutzt werden könnte, ist noch unklar. Zur Klärung unter anderem dieser Frage hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an den Deutschen Ethikrat gewandt.

Kalayci sieht Gefahr von Corona-Partys

Kalayci nannte den Ruf nach einem Immunitätsnachweis am Montag verfrüht. Sie hoffe, dass der Ausweis in Deutschland nicht komme. Die Senatorin argumentierte, mit solchen Nachweisen würden falsche Anreize gesetzt: Wenn Vorteile mit der durchgemachten Krankheit verbunden seien, befördere man vielleicht auch sogenannte Corona-Partys, also bewusste Ansteckungen. Zudem sehe sie Datenschutzprobleme und eine Diskriminierung von Menschen etwa mit Vorerkrankungen.

Auch Vertreter anderer Parteien lehnen den Spahn-Vorschlag ab. Grünen-Chefin Annalena Baerbock nannte ihn kontraproduktiv, wenn man Kontakte reduzieren wolle. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch erklärte: "Ich will keinen Überwachungsstaat." Die AfD sprach von einer Erpressung der Bürger.

Spahn wundert sich

Auf die Kritik reagierte Spahn am Montag mit den Worten, er wundere sich etwas über die Debatte. Schließlich könne man auch jederzeit zum Arzt gehen und sich Antikörper gegen Hepatitis und Masern in den Impfausweis eintragen lassen. "Wofür er genutzt wird, ist ja erstmal Entscheidung des Bürgers", sagte der Bundesgesundheitsminister.

Vorerst solle es keine Regelung dazu geben, dass solche Vermerke Ausnahmen von Alltagsbeschränkungen ermöglichen können. In der Koalition sei außerdem vereinbart worden, so lange keine gesetzliche Regelung zu einem Immunitätsnachweis vorzunehmen, bis eine Stellungnahme des Ethikrats vorliege.

Sendung: Radioeins, 05.05.2020, 05.00 Uhr

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18 Kommentare

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  1. 18.

    Sehr gut gesprochen. Da bin ich zu 100 Prozent bei Ihnen. Ich bin erstaunt aber auch sehr erfreut das man ihre Kommentare zulässt. Schlimmer als blind sein, ist nicht sehen wollen.

  2. 17.

    So ein Minister hat immer ein Stab voller Mitarbeiter. Staatssekretäre usw. Auch wenn Hr. Spahn unter erheblichen Druck steht (auch aufgrund seiner Fehlleistungen) war da keiner aus dem Stab, der Spahn auf seine Schnapsidee hingewiesen hat, bevor er sich zum Kasper macht?

    Oder winkt Roche schon mir einem gut dotierten Pöstchen?

  3. 16.

    Kann ich nur unterstreichen. Der Spahn merkt wirklich absolut nichts mehr.

  4. 15.

    Wenn ich den Prof. Drosten in seinem Podcast richtig verstanden habe, dann ist doch noch gar nicht geklärt, wie lange so eine Art "steriler Immunität" anhält, d.h. die Zeit, in der man niemanden anderes anstecken kann. Danach rennt man dann mit so einem Persilschein durch die Gegend und kann wahrscheinlich selbst nicht mehr schwer erkranken, aber man kann dann wieder zum Virus ausscheider werden und somit zur Gefahr für Andere. Wenn ich den Prof. Drosten weiter richtig verstanden habe, kann dieser Antikörpertest auch nach einer bestimmten harmlosen Erkältungsart positiv anschlagen und somit die entsprechenden Getesteten in falscher Sicherheit wiegen, obwohl sie dann Covid-19 selbst noch garnicht hatten gar nicht hatten.
    Ein Gesundheitsminister dem das Egal ist kümmert sich nicht um die Gesundheit der Menschen, sondern um die Gesundheit der Pharmafirma Roche, Siehe nele Montag, 04.05.2020 | 14:18 Uhr .

  5. 14.

    Vorerst solle es keine Regelung dazu geben, dass solche Vermerke Ausnahmen von Alltagsbeschränkungen ermöglichen können.
    Das habe ich eben erst gelesen. Das ist die Vorstufe zur Selektion, zur massiven Einschränkung meiner Persönlichkeitsrechte. Aber - es könnte nächstens sein, dass Herr Spahn eine neue Pandemie ausruft oder irgendeinen Vorwand hat, und dann werden mit Alltagsbeschränkungen auferlegt. Ist das unsere Regierung, die wir gewählt haben? Sie haben einen Eid geleistet, Schaden von Volk abzuwenden. Was aber tun sie? Sie bereiten eine massive Überwachung vor. Die Kanzlerin kommt aus den neuen Bundesländern. Sie weiß am besten, wie sich Diktatur und Überwachung anfühlen. Warum gibt sie Spahn so viel Macht, wie sie noch kein Gesundheitsminister in der deutschen Geschichte hatte? Der Mann hat mit seinen "jungen" Jahren kein Augenmaß. Er sollte sich in puncto Werten an Herrn Schäuble orientieren

  6. 13.

    Wer hat Herrn Spahn nur soviel Macht gegeben? Wir haben ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte hinter uns, in dem Menschen selektiert wurden. Ich möchte weder mit Corona App (ich habe kein Smartphone!) noch mit einem Immunitätsausweis darum "betteln" müssen, zu fliegen, zu reisen, ins Theater zu gehen. Es werden Lobbyisten mit unseren Daten gefüttert und sicher gibt es Geld dafür. Ich bin 1989 für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen, ich haben die Stasi hinter mir gelassen, ich war/bin dankbar für unser Grundgesetz. Herr Spahn meint jetzt, mit dem Infektionsschutzgesetz unser GG aushebeln zu können. Es reicht! Und nein, nicht alle Menschen, die dagegen demonstrieren, sind Rechte, Verschwörer etc. Wir sind einfach Menschen, die Angst vor einem Überwachungsstaat haben. WER hat Interesse an unserer Überwachung?

  7. 12.

    Man muss keine Unke sein, um Schlimmeres zu befürchten. Bislang ist es noch bei fast keiner einzigen technischen Entwicklung bei derj. Anwendung geblieben, zu der sie anfänglich entwickelt wurde. Sehr oft war eine Ausweitung des Anwendungsgebietes harmlos, sehr oft hat das sehr fatale Folgen gehabt und hinterher haben sich dann alle verwundert die Augen gerieben.

    Der Immunitätsausweis mag für einige verführerisch klingen, doch er bedeutet(e) schon jetzt Selektion. Auch ohne die Gefahr der Corona-Parties und gewollter Selbstansteckung. Darauf haben auch hier viele Beiträge hingewiesen und das wird dem angerufenen Ethikrat nicht verborgen bleiben. Von daher ist es aufschlussreich zu sehen, ob ein rein kurzfristigster und kurzsichtigster Nutzen die Oberhand gewinnt vor bleibenden fatalen Folgen mittel- und langfristig.

  8. 11.

    Sehr treffender Kommentar! Digitalisierung des Gesundheitswesens bedeutet nicht nur Einschnitte in Grundrechte und mangelhaftem bis verfassungswidrigen Umgang mit KV-Daten, sondern bedient genau diejenigen, von denen Spahn und Co. kein(!) Mandat haben. Es geht nicht darum, gegen Wirtschaft grundsätzlich zu argumentieren, sondern um Verhältnismäßigkeit. Den Fuß in der Tür zur Generierung von Big Data im Gesundheitswesen kann Spahn gerne wieder zurückziehen. Da spielt es auch keine Rolle, ob er ökonomischen Lobbys hinterherrennt und deren Wünsche vertritt oder sich für mögliche höhere, zukünftige Posten profilieren will. Er erfüllt sein Mandat nicht.

    Die Corona-Krise ist auch im Gesundheitssektor eine Chance, zur Bekämpfung der Fehlanreize: ob Ausspielen niedergelassener Ärzt*innen je nach Standort, OP-Pauschalen, "Kostenreduktion" bei Personal u. Ausstattung, KV in gegenseitiger Konkurrenz - es gäbe viel Dringendes. Hauptsache, das eigene Portfolio sieht gut aus.

  9. 10.

    Haha, sehr treffend formuliert! Nicht dass ich vom Spahn irgendetwas erwarte (seit der "die Frauen fressen die Pille doch wie Smarties!"-Diskussion hat sich der Typ als Politiker und Mensch komplett unmöglich gemacht)ALLERDINGS sollte jemand mit seinem Hintergrund doch gerade sensibilisiert seit für solchen Themen, vor nicht allzu langer Zeit wäre es ihm jedenfalls schlecht ergangen - verwunderlich also, dass ausgerechnet er in diese Richtung zu schielen scheint.

  10. 9.

    Also noch ein zusätzliches Dokument, Nein Danke.

    Ich bin auch eher dafür, wenn denn später die Impfung oder entsprechender Nachweis in den Impfpass und gut ist, da gehört es wenn denn hin.

    Meines Wissens, gib es z.Z. noch keine sichere Klarheit in Sachen, Hinsichtlich Immunität bzw. wie länge sie wenn anhält, usw. also ist das doch eh nur "Kaffeesatzleserei".

  11. 8.

    Vielen Dank für diesen Kommentar, der beantwortet einige meiner Fragen.
    Ich habe immer so etwas geahnt.

  12. 7.

    wie die ard meldet, hat Spahn schon mehrere Millionen Tests bestellt. Die ersten 3 Millionen will Roche noch diesen Monat liefern. Wer bezahlt das? Spahn persönlich? Hat er die Krankenkassen auch schon auf Linie gebracht? Wie wird hier eigentlich mit unseren Beiträgen umgegangen? Könnte den Beitragszahler*innen erstmal genauere Information zur Genauigkeit des Tests gegeben werden, und zwar keine hohlen Phrasen, sondern extakte und v.a. nachprüfbare Zahlen?

  13. 6.

    Ach Herr Spahn - wären sie doch beim Lipp-Lymphödem geblieben... Konkret werden sich die Gewerkschaften freuen, wenn bei den Einstellungen nach der Immunität gefragt wird und nur immune Jünglinge unter Mindestlohn verdingt werden. Super Signal.
    Und die älteren, die wegen einer Vorerkrankung nicht auf Corona-Parties dürfen, dürfen nie wieder vor die Tür? Einige Menschen dürfen sich nicht mal impfen lassen, sofern es mal einen Impfstoff gibt - was ist mit denen? Und - gilt gleiches dann auch für HIV?

    Denk mal dran - sagte schon Katjes beim dreibeinigen Hund.

    Als ich so alt war wie der Spahn hatte ich auch noch nix. Nicht mal ne Brille!

  14. 5.

    Ich kann mich den bisherigen Beiträgen nur anschließen.

    Immunitätsausweis ... NEIN DANKE.

    Hr. Spahn soll sich um die wichtigen Themen kümmern, sh. Kommentar von Nele und endlich auch um den Gesundheitsschutz Sport!!!

  15. 4.

    In Deutschland ist u.a. die Firma Roche dabei einen Antikörpertest zu vermarkten. In Aktionärskreisen wird Roche deswegen als "Dividendenperle" gefeiert, obwohl der Test noch viel zu uneindeutig ist, um den Antikörper sicher nachzuweisen.
    Als vor drei Jahren das Roche-Werk im bayrischen Penzberg eingeweiht wurde, war auch Jens Spahn, damals noch Staatssekretär im Finanzministerium, einer der Festredner. Die Botschaft seiner Rede ist auf der Website der Fa. Roche nachzulesen: "MdB Jens Spahn sieht große Chancen in der Digitalisierung des Gesundheitswesens und plädierte für einen reformierten Datenschutz.“
    Spahn kümmert sich also offenbar mit großem Eifer um die Gewinne der Pharmaunternehmen, wohingegen ihm die Bereiche, wo Infektionen verhindert und Krankheitsverläufe gemildert werden können, wie Prävention, Pflege und Ernährung in Krankenhäusern und Pflegeheimen, Betten- und Raumkapazitäten, Krankenhaushygiene, Schutzausrüstung offenbar ziemlich gleichgültig sind.

  16. 3.

    Ich stimme Frau Kalayci nicht zu. Und zwar deshalb, weil ich einen Immunitätsnachweis nicht nur für " verfrüht" halte, sondern strikt dagegen bin!!!
    Auch wenn ich weder Freund der Linken noch der AfD bin, kann ich mich deren Aussagen nur anschließen und hoffe inständig, dass Herr Spahn vom Ethikrat eine klare Abfuhr erhält!

  17. 2.

    Vielleicht hätte Herr Spahn den Geschichtsunterricht nicht schwänzen sollen, dann müsste er sich jetzt auch nicht über die Debatte wundern.

  18. 1.

    Da stimme ich Frau Kalyci zu.
    Ich hoffe sehr, dass auch der Ethikrat Spahns Anfrage entspechend beantworten wird.
    Und dass das geplante Gesetz *nicht* vom Bundesrat abgenickt wird!

    Wenn irgendwann mal eine Impfung möglich sein wird und wir eine machen möchten, dann können wir uns die doch in den Impfpass eintragen lassen und gut is.
    Werden eh sehr viele Menschen freiwillig machen, genauso wie die Grippe- und Pneumokokken-Impfungen. Das sollte reichen für die Herdenimmunisierung und zur Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems.

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