Haushaltsloch durch Corona-Krise - Kollatz stellt die Sanierung des ICC in Frage

Di 19.05.20 | 11:34 Uhr
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Matthias Kollatz (SPD), Finanzsenator von Berlin, spricht während der Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus. (Quelle: dpa/Wolfang Kumm)
Audio: Inforadio | Vis a Vis | 29.05.2020 | Matthias Kollatz | Bild: dpa/Wolfang Kumm

Berlin hat wegen der Corona-Krise enorme Steuerausfälle. Damit das Land nicht mehr Schulden aufnimmt als nötig, muss im Haushalt umgeplant werden, sagt Finanzsenator Kollatz. Nach seiner Ansicht werden deshalb viele Projekte erst einmal Wünsche bleiben.

Der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hat vor einem "Weiter so" in der Haushaltspolitik gewarnt. Sehr wahrscheinlich würden in den kommenden Jahren jeweils rund zwei Milliarden Euro gegenüber den Planungen aus der Vor-Corona-Zeit fehlen, sagte Kollatz am Dienstag im rbb.

Kein "Sparen bis es quietscht"

Viele Projekte, Vorhaben und Investitionen würden in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich Wünsche bleiben, so Kollatz. Konkret stellte der Finanzsenator die Sanierung des seit 2014 weitgehend leerstehenden ICC in Frage."Wer jetzt irgendeine blendende Idee hat, um was mit dem ICC anzufangen, was aber 400 oder 500 Millionen Euro kostet, das wird nicht gehen", sagte Kollatz. "Sparen bis es quietscht" sei das aber nicht, sagte er in Anspielung auf die Ankündigung, die der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) 2001 zu Beginn seiner Amtszeit gemacht hatte.

Widerspruch kam von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). "Die Corona-Pandemie wirkt sich selbstverständlich auf die Haushaltssituation aus, was dazu zwingt, Prioritäten zu überdenken", sagte Pop dem rbb. Es werde aber bald über weitere Konjunkturprogramme beraten. "Der Kongresstourismus ist ein starke Perspektive für Berlin und ich würde davor warnen, das ICC leichtfertig abzuschreiben." Auch Frank Jahnke, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, lehnte es ab, die Sanierung des ICC zur Disposition zu stellen. Das Projekt sei im Koalitionsvertrag fest vereinbart, sagte Jahnke auf Nachfrage von rbb|24.

Ausdrücklich bekannte sich Kollatz zur Sanierung der Schulen und zur Berlin-Zulage. Dieser Gehaltsbonus für den öffentlichen Dienst kostet rund eine Viertelmilliarde Euro jährlich. Auch der Rückkauf von Wohnungen soll weiter möglich sein - aber nur, wenn sich der Kaufpreis aus den Mieteinnahmen finanzieren lässt, betonte der Finanzsenator.

Fraktionschef Saleh auf Konfrontationskurs

Die Corona-Krise reißt ein riesiges Loch in den Berliner Haushalt. Der Arbeitskreis Steuerschätzung erklärte kürzlich, dass bis 2023 gegenüber den bisherigen Planungen voraussichtlich 8,35 Milliarden Euro weniger Steuergelder fließen. Angesichts der Einbrüche hält Kollatz neue Schulden für unvermeidbar.

Insgesamt zehn Milliarden Euro neue Schulden werde Berlin in diesem Jahr aufnehmen müssen, hatte der Finanzsenator in der vergangenen Woche angekündigt. Davon sei eine Hälfte corona-bedingt, eine weitere für die Refinanzierung von Altschulden gedacht. Der Finanzsenator sprach sich dafür aus, nicht beliebig viele Kredite aufzunehmen, sondern den Umfang zu begrenzen. Er will deshalb nicht nur im Haushalt umschichten, sondern auch Rücklagen verwenden, um die Schuldenlast so gering wie möglich zu halten.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh vertritt eine andere Position. Er hat sich dafür ausgesprochen, dass die Corona-Krise allein über Kredite finanziert wird. Das geht aus einem internen Strategiepapier hervor, dass dem rbb vorliegt. Darüber hinaus soll das Parlament in den Haushaltsvollzug eingreifen können - und damit in die Befugnisse von Finanzsenator Kollatz.

Das gesamte Gespräch mit Finanzsenator Matthias Kollatz können Sie hören, wenn Sie auf das Audiosymbol im Titelbild des Beitrags klicken. Das Interview führte Jan Menzel, Redaktion Landespolitik Berlin.

Sendung: Inforadio, 19.05.2020, 10:45 Uhr

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25 Kommentare

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  1. 25.

    Also ich persönlich finde das Humboldtforum nicht von höherer ästhetischer Qualität wie Erichs Lampenladen. Und wenn sie schon von Historie sprechen, der Vorgängerbau des Berliner Schlosses wurden gegen den ausdrücklichen Willen der Bürger von Berlin und Cölln errichtet, vergl. "Berliner Unwille".

    Ohne Zweifel sind mit dem Schloss bedeutende historische Ereignisse verknüpft, u.a. der 9. November 1918 aber auch die unrühmlichen Vorgänge die Volksmarinedivision betreffend ("Weihnachtskämpfe") während der Novemberrevolution in Berlin. Daran hat man aber bestimmt nicht gedacht als man die Fassade wiederherstellte. Es ist nämlich eine Art Disneyland, was man da erbaut, die wohl eher an die unrühmliche Herrschaft der Hohenzollern erinnern soll.

    Also wenn ich zwischen den beiden Kästen wählen soll, dann nehme ich lieber das ICC um elegant wieder zurück zum Thema zu kommen. ;-)

  2. 24.

    Schöne Ausführung. Ändert aber nichts an dem Inhalt des Art. 23 a.F. d.h. Geltung auch für Groß-Berlin.

  3. 22.

    Am A der Welt? Das ist wohl abhängig vom Wohnort. Jedenfalls ist die dortige Autobahn, die mit der höchsten Verkehrsdichte Deutschlands. Und das Messegelände ist nunmal dort. Sie sollten als Ihrer Innenstadtblase mal herauskommen. Egal was passiert, es muss zügig sein, denn so laufen die Kosen immer weiter

  4. 21.

    Ich will gewiss nicht bestreiten, dass der "Dorn im Auge" für einige sehr wohl gegolten hat, dennoch glaube ich persönlich nicht, dass das das beherrschende Motiv beim Abriss des Palastes war. Tragender war eher, dass der Palast der Republik keineswegs von so ästhetischer Qualität war, um dem Straßenzug Unter den Linden den Auftakt zu geben.

    Denn ohne "die Linden" kann auch der Palast nicht gedacht werden. Er wurde aber ohne "die Linden" gedacht. Deshalb ist er jetzt durch ein auf die "Linden" bezogeneres Gebäude ersetzt worden, nämlich das Humboldt-Forum in äußerer Gestalt der früheren Berliner Schlosses. Wo m. E. das einzige Manko liegt: die Ostseite, die historisch immer nur angestückelt daherkam, hätte als Palast der Republik gelassen werden können, auch jetzt im Nachhinein, wo sich dort eine moderne Fassade in Korrespondenz zum Fernsehturm begibt.

    Die Restaurierung des Straßenzuges Unter den Linden war unter allen Nachkriegsarchitekten übrigens unstrittig.

  5. 20.

    Völkerrechtlich war der Westteil Berlins ebensowenig Teil des westdeutschen Staates wie der Ostteil Berlins Teil des ostdeutschen Staates war. Vielmehr unterstand Gesamt-Berlin als Ganzes, sozusagen mauerübergreifend, den Vier Mächten.

    Jeder Beschluss des Bundestages musste einzeln vom West-Berliner Abgeordnetenhaus bestätigt werden, gleich so musste jeder Beschluss der Volkskammer einzeln von der Ost-Berliner Stadtverordnetenversammlung bestätigt werden. Daran haben sich alle formal gehalten.

    Freilich hat das die DDR nicht daran gehindert, quasi im Sinne eines PR den Ostteil Berlins als die Hauptstadt der DDR auszurufen, entgegen des völkerrechtl. Status´, dass das garnicht auf deren Territorium lag. Um des lieben Friedens und um der Deeskalation willen blieb es bei formalen Protesten der USA, des UK und Frankreich. So auch bei der einseitigen Verschiebung und Vergrößerung des Ostteils von Berlin in Richtung Hönow in den 1980er Jahren.



  6. 19.

    Und machst du mir mein Sandkuchen kaputt, so...

    Was soll denn der Blödsinn? Nur so nebenbei, ich fand den Abriß von Erichs Lampenladen genauso bescheuert wie den Abriß des ICC. Beides sind Kulturdenkmäler aber der Ballast der Republik war halt einigen Leuten ein Dorn im Auge.

    Und nein, das war kein Schreibfehler ;-)

  7. 18.

    Im ICC wurde kein Asbest verbaut, sondern das nicht cancerogene Cavco. Das ist mindestens seit 2014 bekannt.

    Aber die Mär "gutem" Asbest im Westbau vs. "bösem" Asbest im Ostbau ist anscheinend viel zu schön, als dass man von ihr lassen wollte.

  8. 17.

    Du meine Güte, wer will denn da wohnen? Verkehrsgünstige Lage würde ein Makler sagen ?!

  9. 16.

    Palast, Kulturzentrum im Herzen Berlins, weg wegen Asbest = ICC, am Arsch der Welt, weg wegen Asbest. So einfach.

  10. 15.

    Schauen Sie sich doch einfach die infrastrukturellen Gegebenheiten in der Region an. Jede Menge Pendler aus dem Berliner Umland fluten tagtäglich die Straßen mit ihrem Blech. ÖNV bringt das in den nächsten Jahrzehnten nicht ins Lot, ergo: das muss neu, Verkehrswende hin oder her.

  11. 14.

    Ich wette,am Ende kostet ein Abriß auch 500 Mio. Wir sind schließlich in Berlin.

  12. 13.

    Die Frage nach dem Geltungsbereich des GG stellt sich so überhaupt nicht, denn im Art. 23 a.F. (d.h. vor 1990) ist Berlin darin grundsätzlich ein Land der Bundesrepublik (Art. 23 a.F. – dort ‚Groß-Berlin‘ genannt). Fakten checken, bzw. "Blick ins Gesetz erspart oft viel Geschwätz."

  13. 12.

    Die Frage ist, was wirtschaftlich ist. Der Unterhalt eines leerstehenden ICC ist auch nicht gerade preiswert. Das kostet unnötig Geld auf unabsehbare Zeit.

  14. 11.

    "gähn".. war irgendwie klar, dass einer die OstWestKeule schwingt. Einfach mal nach Vorne blicken. Diese eingeschnappte Haltung ist kontraproduktiv.

  15. 9.

    Weil auch E-Autos irgendwo fahren müssen.... Die werden gefördert. Sie glauben nicht ernsthaft, dass der Individualverkehr abnehmen wird, oder? Im Übrigen ist die Autobahn Bundessache.

  16. 8.

    Macht noch ein paar Abschiedsfotos - und dann weg mit dem Baudenkmal. Schade, aber Asbest ist Asbest, schaut euch den Steglitzer Kreisel an - bis auf die paar Stahlträger nix dran geblieben und nun wird teuer wieder aufgebaut - Abriss und Neubau wäre günstiger und flexibler gewesen... Wir brauchen Wohnungen, keine Messen (oder Corona-Feldlazarette...).

    Wäre nicht der Autobahn-Umbau viel einfacher ohne das ICC???

  17. 7.

    Eine Sanierung vom Palast der Republik wäre immer möglich gewesen. Asbest musste man so oder so entsorgen. Von daher....Obwohl, der Palast war eine Meisterleistung von Architekten und Ingenieuren, gab es Welt weit nicht. War wohl politisch so gewollt? Umgangssprachlich "Erich`s Lampenladen" so weit ich das aus Lektüren entnehmen konnte.

  18. 6.

    Der Unterschied liegt nicht daran, ob etwas (hier Gebäude) saniert werden kann sondern ob es sich auf einem Territorium befindet, wo das Grundgesetz schon vor dem 03.10.1990 galt.
    ICC im "Westen" erhaltenswert - Palast im "Osten" nicht erhaltenswert.

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