Beamtenrecht - Darf eine verbeamtete Lehrerin auf Hygiene-Demos protestieren?

Fr 12.06.20 | 10:25 Uhr
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Demonstration gegen Corona-Verordnungen am Berliner Alexanderplatz (Bild: imago images / Carsten Thesing)
Video: Brandenburg aktuell | 11.06.2020 | Ludger Smolka | Bild: (Symbolbild) imago images / Carsten Thesing

Polizistinnen, Beamte und Lehrer stehen im Staatsdienst und haben dadurch eine gewisse Vorbildwirkung. Was aber gilt, wenn eine Lehrerin auf einer sogenannten Hygiene-Demo gegen die Corona-Regeln pöbelt? Experten sagen: Der Ton macht die Musik.

Mitte April in Berlin: Auf einer sogenannten Hygiene-Demo bezichtigen Demonstranten die Bundesregierung der Lüge, protestieren gegen die Hygiene-Beschränkungen, es ist von "Corona-Diktatur" die Rede. Unter ihnen: Eine Lehrerin aus Falkensee. An ihrer Schule ist sie dafür bekannt, ihre Ansichten zu verbreiten. Auch auf der Demonstration habe sie sich laut geäußert und soll gegen Polizisten gepöbelt haben. 

So berichten es Schülerinnen und Schüler der Schule, an der die Lehrerin unterrichtet hat. Es ist ausgerechnet jene Schule, an der im März zwei Schulklassen und einige Lehrer wegen eines Corona-Ausbruchs unter Quarantäne gestellt werden mussten. 

Schulamt prüft disziplinarische Maßnahmen

Nachdem die Lehrerin auf der Hygiene-Demo und bei ihren Schülern mit ihren Aussagen auffiel, reagierten die Eltern besorgt. Nun wird der Fall offiziell untersucht: "Im Fall einer Lehrerin aus Falkensee prüft das Schulamt in Neuruppin die Einleitung disziplinarischer Maßnahmen", heißt es aus dem Brandenburger Bildungsministerium. 

Für den Landeselternrat Jan Alexy ist der Fall klar. "Gerade wenn ich eine Schule mit Corona-Fällen habe, wenn da schon Menschen in Quarantäne waren, ist es aus unserer Sicht äußerst bedenklich, noch diese Grundstimmung mit reinzubringen." Alexy verweist auf die Neutralitätspflicht, die die Lehrerin gehabt habe, wenn sie Schüler direkt anspreche. "Wenn ich das so einseitig verbreite, ist das falsch."

Meinungsäußerung: Eine Frage des Wie.

Die Frage gilt für alle demonstrierenden Staatsdiener gleichermaßen, ganz gleich, ob Lehrerin, Verwaltungsbeamter, Polizist oder Soldatin: Wie können Beamte zum Beispiel auf einer Klimademonstration gegen die Braunkohlepolitik der Landesregierung protestieren? Und dürften sie sich auf einer asylkritischen Demonstration gegen die Flüchtlingspolitik des Staates aussprechen?

Im Beamtenrecht ist dabei von Mäßigung und Rücksicht die Rede. Das heißt: Meinungsäußerungen sind erlaubt. Wichtig sei, wie das geschieht, erklärt der Berliner Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, Christian Pestalozza. "Die dürfen über ihren Dienstherren oder das Grundgesetz nicht pöbeln. Sie dürfen sich verhalten kritisch äußern."

Die Frage sei, so Pestalozza, wie weit man seine Meinung anderen mitteile und aufdränge. "Je öffentlicher Sie das tun, müssen Sie bedenken, was für Rückschlüsse derjenige zieht, der das beobachtet und hört. Stellt der meine Loyalität in Frage?" So empfiehlt der Verwaltungsrechtler denjenigen, die die Loyalität nicht aufbringen können, ihr Arbeitsverhältnis zu lösen. 

Gesundheitsgefährdendes Verhalten kann dienstrechtlich geahndet werden

Für Pestalozza ist das Anzweifeln der Corona-Maßnahmen eine klare Sache. "Wer mit Verschwörungstheorien ankommt und sie privat oder auch im öffentlichen Umfeld auf Demonstrationen äußert, gefährdet den Schutz der Gesundheit aller anderer." Deshalb könne dieses Verhalten auch dienstrechtlich geahndet werden. 

Die betroffene Lehrerin ist derzeit krank geschrieben. Eine Entscheidung in der Sache ist noch nicht gefallen. 

Sendung: Brandenburg Aktuell, 11.06.2020, 19:30 Uhr

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45 Kommentare

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  1. 45.

    Tut mir leid, da wird versucht irgendein Zusammenhang zu konstruieren. Was gegen dieses Argument spricht ist, dass andere europäische Länder, z. B. die Niederlande und die Schweiz, nie Masken eingeführt haben und die Kurve dort ähnlich wie bei uns verläuft. Mich würde auch interessieren, inwieweit dieses Argument mit Blick auf die Kurve des RKI und den Zeitpunkt der Einführung der Maskenpflicht noch haltbar ist? Darauf können Sie ja gerne mal eingehen.

    Ich vermute eher, das Menschen, die diese Maskenpflicht bei Infektionszahlen, die gegen Null tendieren - Wie lange wollen Sie übrigens denn noch Maske tragen, bis Angela Merkel Entwarnung gibt? - jetzt immer noch toll finden, am Stockholm-Syndrom leiden. Verzeihen Sie diese Überspitzung.

  2. 44.

    "Allerdings gibt es die Beobachtung, dass verfassungswidrige Äußerungen nicht zwingend dazu führen, dass ideologisch ungeeignete Personen ihre Posten verlieren."

    Hier kann ich Ihnen ausnahmsweise mal zustimmen. Das zeigte sich unlängst bei der Wahl einer extrem linken DDR-Nostalgikerin zur Verfassungsrichterin in Mecklenburg-Vorpommern.

  3. 43.

    Solange die Äußerungen keine Einstellungen oder Handlungen bedeuten, die Teile der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Frage stellen, ist eine Meinungsäußerung durchaus erlaubt. Ausdrücklich zu betonen dabei, ist aber, dass es selbstredend Kritik und Meinungsäußerung innerhalb der fdGO sein muss. Was die Lehrerin hier tat, verstößt gegen das Neutralitätsgebot. Letzteres wird auch nicht durch die AfD in Inhalt und Ausrichtung vorgegeben, wobei die Partei die Frau wohl für unbeschreiblich neutral halten dürfte.

    Allerdings gibt es die Beobachtung, dass verfassungswidrige Äußerungen nicht zwingend dazu führen, dass ideologisch ungeeignete Personen ihre Posten verlieren. Das sieht man an manchen Richter*innen genauso wie bei den extrem geringen Verfahren gegen z.B. Polizeibeamt*innen oder gegen Beamt*innen in Behörden, die Menschen ihre Rechtsansprüche absprechen, gerade im Zusammenhang mit Migrations- oder Asylrecht, aber auch etwa gegenüber Menschen mit Behinderung.

  4. 42.

    Natürlich sollen BeamteInnen genauso wie alle anderen auch demonstrieren dürfen. Es ist ja schließlich ein Grundrecht.
    In diesem speziellen Fall ist es jedoch sehr fragwürdig, als Lehrerin zu einer "Hygiene-Demo" zu gehen, um gegen die Corona-Maßnahmen usw. zu demonstrieren. Immerhin gab es an der Schule Corona-Fälle, Klassen wurden nach Hause in Quarantäne geschickt.
    Somit hat sie hautnah miterleben müssen/dürfen, was dieses Sars-CoV2 bedeutet und die Maßnahmen durchaus ihre Berechtigung haben.

  5. 41.

    Eine aktuelle Studie der Gutenberg Universität zu Mainz legt an dem Beispiel der Stadt Jena nahe, dass das tragen der Masken die Ausbreitung des Virus verlangsamt. Und auch die WHO empfiehlt mittlerweile den MNS in überfüllten öffentlichen Einrichtungen zu tragen.

    https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/coronavirus-studie-zu-maskenpflicht-in-jena-legt-schutzwirkung-nahe-a-5e89e1b9-ec6e-4259-991f-5dc962431884

  6. 40.

    Entschuldigen Sie, bitte, aber was Sie erzählen, ist einfach falsch. Wenn ich mir die Kurve des RKI ansehe und weiß, dass die Maskenpflicht am 27. April eingeführt wurde, als die Kurve schon komplett abgeflacht war, dann gibt es keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Masken und der Anzahl von Neuinfektionen. Diese Maßnahme ist daher sinnlos.

  7. 39.

    "Genau am besten noch Berufsverbot und teeren und Federn, willkommen in der DDR 4.0.
    Ach die Stasi würde sich sowas von freuen, über die angepassten Kommentatoren hier."

    Na Sie sind mir ein Schlawiner - aus welcher Glaskugel haben sie gelesen? Beamte gab es ja schon sehr viel länger als "Diener des Staates" unter Freidrich II. Es leitet sich aus der ehemaligen Offizierslaufbahn und der besonderen Treue zwischen Bediensteten und Staat ab. Das deutsche Beamtentum wurde 1919 in der Weimarer Reichsverfassung institutionalisiert. Nach dem II. WK gab es das Beamtentum nur in der BRD aber nicht in der DDR - da war es abgeschafft.
    Wie Sie also einen Bogen zu "DDR 4.0" schlagen wollen, ist schon als These eine gedankliche Meisterleistung und für Nichteingeweihte wohl nicht zu entwirren.
    Manchmal ist etwas mehr Geschichtslektüre zu lesen, zu durchdenken und verstehen bei der Meinungsbildung durchaus hilfreich, bevor man sich öffentlich bloßstellt.
    Sollten Sie Ironie entdecken - geschenkt!

  8. 38.

    Inwieweit soll eine Lehrkraft - ob verbeamtet oder nicht -, die auf einer "Refugees welcome" Demo "herumturnt" gegen die Loyalitätspflicht verstossen, "Prenzlauer"? Sie wissen schon, dass es ein Asylgesetz gibt?

  9. 37.

    Warum hat man denn in Deutschland so erfolgreich wie in kaum einem anderen Land gegen die Verbreitung des Virus' ankämpfen können? Genau: wegen der eingeleiteten Maßnahmen, die u.a. die Maskenpflicht beinhalten.

    Dieser Lehrerin lag wohl weniger der "Schutz der Psyche ihrer Mitbürgerinnen, Mitbürger, Schüler und Schülerinnen" am Herzen. Lesen Sie doch mal den Beitrag #28, in dem eine Schülerin zitiert wird inwieweit diese Lehrkraft während des Unterrichts und darüber hinaus versucht hat, Schüler zu agitieren, Mathias.

  10. 36.

    Dieser mediale Staatsbürgerkunde- Unterricht ist scheinbar nicht zu stoppen.

  11. 35.

    Auf den Refugees Welcome Demos turnen sie doch auch ständig rum. Da könnte man auch mal prüfen, ob das mit Loyalität zum Staate vereinbar ist.

  12. 34.

    Lieber RBB,

    natürlich darf die Lehrerin gegen unsinnige Maßnahmen, wie einen Maskenpflicht bei Neuinfektionen, welche gegen Null tendieren, auf die Straße gehen. Das ist sogar sehr vernünftig. Damit tut sie sogar etwas für den Schutz der Psyche ihrer Mitbürgerinnen, Mitbürger, Schüler und Schülerinnen.

  13. 32.

    "….ich finde es noch schlimmer. Es ist wie im dritten Reich."

    Das ist jetzt nicht Ihr Ernst ?!
    Aber "Corona-Ignorant" soll uns ja vielleicht irgendwas sagen.
    Stehen Sie zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung?

  14. 31.

    Ich sehe das auch so. Beamte sind Staatsbürger, und Sie müssen selbstverständlich nicht ihre freie Meinungsäußerung abgeben. Wir sind kein Untertanenstaat, und ich möchte, dass das auch so bleibt.
    Davon abgesehen verkaufen Beamte beim Diensteintritt rein gar nichts. Die Vorzüge, die sie genießen, gehen wie ich finde in der Praxis weit über das hinaus, was sie an zusätzlicher Loyalität geben müssen. Im Vergleich zu Arbeitnehmern in privaten Firmen, erst recht zu Angestellten im Öffentlichen Dienst. Über das vermeintliche Streikverbot für Beamte, dass es gar nicht gibt, gehen die Argumente selten hinaus - was schade ist, aber vielleicht auch einfach ehrlich.

  15. 30.

    Das kommt ja wohl sehr auf den Inhalt der jeweiligen Äußerungen bzw. Theorien an. So pauschal ist das nicht bewertbar.
    Und "der Willkür des Dienstherrn" unterworfen ist kein Beamter. Auch Beamte können Rechtsschutz beanspruchen.

  16. 29.

    Zitat: "….ich finde es noch schlimmer. Es ist wie im dritten Reich. Oder wie in der alten BRD."

    Schon mit Ihrem Nickname geben Sie sich der Lächerlichkeit preis, "Corona-Ignorant". Sie können auch gerne eine um Sie brennende Wohnung ignorieren, das wird das Feuer aber kaum interessieren. Und dass Sie meinen, das heutige Deutschland sei schlimmer als die DDR und gleiche dem "III. Reich" oder der "alten BRD"(?!), ist einfach nur lachhaft.

  17. 28.

    Die Lehrerin unterrichtet Sport. Eine Schülerin berichtet RTL gegenüber: "Es ist aufgefallen, dass sie zwischendurch Sachen erzählt hat, die verschwörungstheoretisch waren. Dass wir von den Amerikanern beobachtet und kontrolliert werden. Dass wir in einem Polizeistaat wohnen. Dass wir nicht unsere Meinung äußern dürfen, obwohl wir in einem Staat wohnen, wo wir alles sagen dürfen. (…) Dass das mit Corona nur ein Spuk ist, um von wichtigen Themen abzulenken."

    Und es blieb scheinbar nicht nur beim Erzählen: "Eine Freundin von mir war Kurssprecherin bei uns in Sport und die kriegte öfter mal Links zugeschickt von Artikeln von Verschwörungstheorien und so und ist auch ein bisschen erschrocken."

  18. 27.

    Ich stimme Ihnen zu! Auch wenn ich von Verschwörungstheorien absolut nichts halte, bin ich doch erschrocken, wie leichtfertig hier teilweise die Existenzvernichtung dieser Lehrerin gefordert wird. Ich hätte nicht geglaubt, dass es in Deutschland jemals wieder so weit kommt. Diverse Vorkommnisse in den letzten Jahren und extreme Äußerungen lassen mich immer mehr daran zweifeln. Straftaten und extremistisches Handeln gegen die Demokratie müssen zweifelsohne geahndet werden, allem Anderen muss man sich argumentativ gegenüberstellen. Gibt es bei der Lehrerin disziplinarische relevante Vorkommnisse, muss der Dienstherr angemessen handeln. Gibt es die nicht, darf und muss auch eine Beamtin eine eigene Meinung haben (dürfen)! Loyalitätspflicht heißt nicht Kritikfreiheit. Zur Freiheit gehört auch, doof sein zu dürfen.

  19. 26.

    Brigitte. Wenn Lehrer auf die Straße gehen zu Themen die ihnen gefallen dann ist das aber schon ok oder?
    Ohje komisches Verständnis von Meinungsfreiheit und Demokratie. Man ist nur noch sprachlos

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