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Audio: Inforadio | 31.07.2020 | Olaf Sundermeyer | Quelle: dpa/Marc Vorwerk

Corona-Demos in Berlin

Wanderzirkus der Corona-Leugner kommt in die Stadt

Während die Infektionszahlen steigen, wollen Corona-Leugner aus dem ganzen Land auf der Berliner Medienbühne das angebliche Ende der Pandemie verkünden. Rechtsextremisten und Hooligans treten mit auf. Von Olaf Sundermeyer

+++ Dieser Artikel wird nicht mehr aktualisiert. Die aktiuelle Berichterstattung finden Sie hier:

Vor einigen Wochen kündigte der IT-Unternehmer Michael Ballweg auf einer so genannten Hygiene-Demo in Stuttgart Großes an: "Für den 1. August haben wir gemeinsam mit 'Nicht ohne uns' eine Versammlung mit 500.000 Teilnehmern in Berlin, auf dem Tempelhofer Feld, unter dem Titel 'Das Ende der Pandemie - der Tag der Freiheit' angemeldet', sagte der Gründer der Initiative "Querdenken 711" unter dem Jubel seiner Anhänger.

Mit dieser Botschaft hat er diese Woche Politik und Medien in der Hauptstadt in Alarmbereitschaft versetzt. Die Aktion "Nicht ohne uns" hatte seit dem Frühjahr in Berlin "Hygiene-Demos" organisiert, zunächst vor der Volksbühne, später im Mauerpark.

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Angemeldet sind nur noch 10.000 Teilnehmer

Dass Michael Ballweg nunmehr nur noch bis zu 10.000 Menschen erwartet, die er für eine Demonstration auf der Straße des 17. Juni bei der Polizei angemeldet hat, fiel in der Berichterstattung eher runter. War doch "eine halbe Million" bereits in der Welt, zumal in den Echokammern des Internets: Einerseits bei den Corona-Leugnern, die im Verbund mit Rechtsextremisten, rechten Bloggern und der im Netz sehr präsenten neurechten Bewegung von Pegida bis AfD bundesweit für die Großdemo in Berlin mobilisieren; in zahlreichen Charter-Bussen wollen viele Teilnehmer anreisen, die sich über die Telegram-Gruppen der "Querdenker" organisieren, nicht nur die aus Stuttgart (711), auch aus anderen Städten, die sich ebenfalls nach der örtlichen Telefonvorwahl benennen.

Auf der anderen Seite formiert sich der antifaschistische Gegenprotest in bislang neun angemeldeten Demonstrationen aus allen Richtungen des politischen Spektrums. Auch dort ist die Resonanz auf die Ankündigung der "Querdenker" um Michael Ballweg groß. Im Frühjahr hatten sich bis zu 5.000 Menschen zu seinen Corona-Demos in Stuttgart versammelt, das zwischenzeitlich als Hauptstadt der Corona-Leugner galt. Bis auch dort, wie bundesweit, der Zuspruch zu den Veranstaltungen der neuen Bewegung abnahm. Nun will Ballweg bei den kommenden Oberbürgermeisterwahlen im November in Stuttgart antreten, und tingelt mit seiner Demo-Initiative durchs Land.

Es soll "Geschichte geschrieben werden"

In Berlin soll in Allianz mit weiteren Initiativen und Influencern aus der Szene der Verschwörungsideologen eine Großdemo gelingen, die den Namen verdient: Man wolle "Geschichte schreiben", verkünden die Akteure über ihre diversen Kanäle im Netz.

Dabei waren die "Hygiene-Demos" auch in Berlin bereits vor Wochen in sich zusammengefallen. Nachdem offensichtlich war, was die Initiatoren der Anti-Corona-Proteste bis heute leugnen, dass nämlich Rechtsextremisten eine treibende Kraft bei ihren Demonstrationen sind. Auch wirkte die allgemeine Zustimmung mit dem Regierungshandeln in der Corona-Krise dem Zulauf der Protestbewegung entgegen.

Querdenker wollen "Ende der Pandemie" verkünden

Inzwischen steigen die Infektionszahlen in Berlin wieder an, das Partyvolk trifft sich zum entfesselten Feiern in der Hasenheide und anderswo, und das Robert-Koch-Institut warnt vor der zweiten Welle der Pandemie.

Die "Querdenker" aber wollen in Berlin das "Ende der Pandemie" verkünden. Michael Ballweg lehnt ein Interview mit rbb|24 zu seiner geplanten Großdemo ab. Seine Initiative fordert Medienvertreter zu einer schriftlichen "Erklärung zu journalistischer Arbeit" auf, in der diese sich namentlich "verpflichten" sollen, "wahrheitsgemäß, unparteiisch und vollständig zu berichten". Die unterzeichnete Erklärung solle mit zu den Demos gebracht werden. Für seine "Vorurteile" gegenüber Medienvertretern wurde er bereits vom Deutschen Presserat zurecht gewiesen.

Zusammenschluss mit anderer Demo geplant

Ab 15:30 Uhr sollen seine Redner am Samstag auf einer Bühne vor der Siegessäule die eigenen Wahrheiten über Corona, den Staat und die Medien verkünden. Darunter unter anderem der Verschwörungsideologe Heiko Schrang aus Brandenburg, der sich zuletzt vor rund 200 Anhängern als "GEZ-Rebell" bei einem Prozess am Verwaltungsgericht in Potsdam gegen den rbb inszeniert hat, bevor seine Klage mit Urteil vom 10. Juli abgewiesen wurde.

Über die Straße des 17. Juni soll es zuvor zum Zusammenschluss mit einem Umzug der Aktion "Nicht ohne uns" kommen, einer Gruppe um den freien Theaterdramaturgen Anselm Lenz. Die Demonstranten sollen vom Brandenburger Tor aus durch das Regierungsviertel laufen, vorbei auch am ARD-Hauptstadtstudio. Damit folgt Lenz dem Beispiel der AfD, die in der Vergangenheit auf eigenen Demonstrationen ihre Medienfeindlichkeit an selber Stelle lautstark zum Ausdruck gebracht hat.

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Recherche von ARD-Kontraste

Wie sich die "Hygiene-Demos" radikalisierten

Anfang Juni hatte sich die bundesweite Allianz der Corona-Leugner bereits unter der Siegessäule zusammengefunden - an diesem Tag fand zeitgleich die antirassistische "BlackLivesMatter"- Demo auf dem Alexanderplatz mit 15.000 Teilnehmern statt.

Hildmann-Demo verboten

Im medialen Schatten dieser tatsächlichen Großdemo kamen rechte Corona-Rebellen mit ausgemachten Holocaustleugnern, Rechtsextremisten und Hooligans und mit den Berliner Aktivisten von "Nicht ohne uns" unter der Goldelse zusammen.

Nun zieht die erklärte Allianz aus verschiedenen Initiativen als Wanderzirkus durchs Land, mit Auftritten in München, Karlsruhe, Ravensburg und anderen Schauplätzen. An diesem Wochenende soll Berlin die Manege sein. Zum Auftakt will sich "Nicht ohne uns" bereits am Freitag mit 500 Leuten auf der Reichstagswiese versammeln, um einen Corona-Untersuchungsausschuss für den Deutschen Bundestag zu fordern. Das ganze Wochenende soll im Zeichen des Corona-Protests stehen.

Unterdessen wurde eine Kundgebung des rechtsextremen Verschwörungsideologen und Kochbuchautors Attila Hildmann für Samstag im Lustgarten verboten - wie schon am vergangenen Wochenende: Wegen seiner öffentlichen Bedrohungen, Beleidigungen, Volksverhetzung und Aufforderung zu Straftaten wird gegen ihn ermittelt. Weil die Polizei befürchtet, dass es bei seinen Versammlungen erneut zu solchen Straftaten kommt, wurden sie verboten. Ursprünglich hatte Hildmann bei der Polizei 10.000 Teilnehmer für seine Kundgebung am Samstag angekündigt.

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