Demo Corona-Leugner am Samstag - Westdeutsche "Querdenker" vereinigen sich mit Pegida

So 02.08.20 | 11:32 Uhr
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Ein Mann mit einer Gasmaske auf einer Demo von Corona-Leugnern (Quelle: dpa/ZB/Paul Zinken)
Video: rbb|24 | 02.08.2020 | Material: rbb24 | Bild: dpa/ZB/Paul Zinken

Bei der entfesselten Demonstration von Corona-Leugnern vereinen sich in Berlin erstmals Protestmilieus aus Ost und West über die gemeinsame Ablehnung von Staat und Medien. Eine Analyse von Olaf Sundermeyer

Viele von denen, die am Samstag zur Demo auf der Straße des 17. Juni mit dabei waren, kommen in den vergangenen Jahren immer wieder nach Berlin, um zu demonstrieren: dass Merkel wegmüsse, die Presse lüge, und dass sie das Volk seien. Zahlreiche Reichsbürger, Pegida-Anhänger, radikale AfD-Sympathisanten und andere Rechtsextremisten, die seit den Tagen der Flüchtlingskrise zu einer Bewegung zusammengefunden haben.

Männer aus dem Osten voller Hass

Jeweiliger Anlass oder Motto, unter dem eingeladen wird, ist austauschbar, ja egal. Dafür reisen sie dann aus dem Osten an: Vor allem Männer vom Land um Berlin herum, verbittert und voller Wut, die oft in Hass umschlägt.

Hauptstadt ihrer Bewegung ist eigentlich Dresden, wo sie auf dem Höhepunkt der Pegida-Proteste mit Menschen in ähnlicher Zahl zusammengekommen sind, wie an diesem Wochenende in Berlin.

Im Südwesten haben Verschwörungsideologen ihre Hochburg

Die tausenden demonstrierenden Corona-Leugner, die am sogenannten "Tag der Freiheit" das "Ende der Pandemie" proklamierten, speisten sich doch vor allem aus Gruppen, die aus dem Westen Deutschlands angereist waren: aus Freiburg, Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf oder Osnabrück. Darunter sehr viele Frauen, Familien mit Kindern, friedlich, fröhlich und entrückt.

Eingeladen und mobilisiert von einer Initiative, die sonst Proteste wie ein Open-Air-Konzert oder ein Sportevent organisiert, mit professioneller Veranstaltungstechnik und Merchandising-Vertrieb: Die "Querdenker", ein Netzwerk mit rund 130 bundesweiten lokalen Knotenpunkten, das in der Corona-Krise in Stuttgart zusammengefunden hatte. Im Südwesten haben deutsche Impfgegner, Esoteriker und Verschwörungsideologen ihre Hochburg.

Feindlich gegen jeden, der sie in Frage gestellt hat

Binnen weniger Monate hat das Organisationsteam der "Querdenker" um einen IT-Unternehmer eine Gemeinschaft geformt, die wie eine Sekte funktioniert: verbunden in dem Glauben, dass Corona eine Lüge ist. Gestärkt durch den inneren Zusammenhalt eine Erkenntnis zu teilen, die frei ist von der angeblichen Manipulation durch Politik und Medien, wie sie Deutschland ihrem Glauben nach erfasst hat.

Ihr Resonanzraum ist die wachsende alternative Gegenöffentlichkeit dutzender Youtube-Kanäle aus der eigenen Bewegung: etablierte Medien von Spiegel bis ARD werden abgelehnt und in sämtlichen Redebeiträgen geschmäht, so wie Pegida es seit Jahren vorgemacht hat.

Journalisten wurden auf der Demonstration der Corona-Leugner in gleicher Weise angefeindet wie auf den rechtsextremen Kundgebungen von Pegida, AfD und Co. So war die Berliner Großdemo friedlich nach innen, aber feindlich nach außen gegen jeden, der sie infrage gestellt hat.

Größenwahnsinn ist hier Programm

Während Medienvertreter und Polizei rund 20.000 Teilnehmer zählten, verkündeten sie selbst eine Zahl von 1,3 Millionen auf der Bühne, die sich über die eigenen Kanäle im Netz verbreitet. Der Größenwahn ist hier Programm, wie schon bei der Ankündigung der Veranstalter, mit 500.000 Menschen in Berlin zu demonstrieren, oder eine "Mitmachpartei" mit dem Namen "Widerstand 2020" gegründet zu haben, die bereits 100.000 Mitglieder habe, die es aber als Partei faktisch nicht gibt. Dahinter steckt die Behauptung, eine Massenbewegung zu sein: Ganz im Sinne einer Prophezeiung, die sich durch eine mediale Verstärkung selbst erfüllen möge.

Bislang tut sie das nicht, denn eine Massenbewegung sind diese Corona-Leugner mitnichten. Sie haben 20.000 Menschen in Berlin auf die Straße gebracht. Das ist alles. Eine Demonstration in einer Größenordnung, die in der Hauptstadt nichts Ungewöhnliches ist. Als Nächstes kommen wieder die Biker oder die Bauern zu Tausenden nach Berlin, um auf der Hauptstadtbühne ihr Anliegen vorzutragen.

Widerstand gegen das System eint

Aber mit ihrem vereinigten rücksichtslosen Ost-West-Protest in Zeiten der Pandemie haben die Corona-Leugner die Polizei am Samstag herausgefordert: ohne Abstand und ohne Maske haben sie den Staat vorgeführt, der kein Mittel fand gegen die friedliche Demonstration mitten im Regierungsviertel.

Die Auflösung durch die Versammlungsbehörde fand kaum Gehör. Die selbstverständliche Verweigerung der Hygieneregeln war der eigentliche Ausdruck ihres Protests: Wie schon bei anderen Szenarien erweist sich der Staat im Kampf gegen die Pandemie als machtlos in der Durchsetzung der eigenen Regeln, wenn Menschen sich bewusst nicht daran halten wollen: Wie etwa bei der riesigen Silent-Demo von "Black Lives Matter" Anfang Juni auf dem Alexanderplatz oder den Massenpartys, die in vielen Städten immer wieder stattfinden.

So kam es auch zu dieser entfesselten Großdemo auf der Straße des 17. Juni in Berlin: Demonstranten aus dem Westen, die Widerstand als fröhliches Happening sahen, dem keine Repression entgegenzusetzen ist, die auf ihre Mitstreiter aus dem Osten mit ihren bekannten Botschaften trafen: dass Merkel wegmüsse, die Presse lüge, und dass sie das Volk seien. Was beide Gruppen eint, ist sich im Widerstand gegen das System zu sehen.

Sendung: Tagesthemen, 01.08.2020, 23.15 Uhr

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134 Kommentare

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  1. 134.

    Für mich gibt es zwei Möglichkeiten,unsere Politiker haben verschlafen,die Grenzen zu schließenund den Flugverkehr nach China einzustellen.Damit würde ich ihnen Untätigkeit nachsagen,dann bleibt nur noch die Möglichkeit,daß das Virus absichtlich reingelassen wurde um viele Bußgelder zu kassieren,die Toten sind dann Kolleteralschaden.

  2. 133.

    Verehrter Hr. Wagner,

    da ich als Publizistik- und Kommunikationswissenschaftler weiss, wie Redaktionen arbeiten, was Medienwirkung ist, unterstelle ich Ihnen mal, dass Sie wirklich wenig Ahnung haben. Zudem: Denken Sie denn wirklich im www finden Sie die Wahrheit? Nö, Sie kreieren IHRE eigene Wahrheit, damit Sie die komplexe Welt für sich verstehen. Was Ihre Anmerkung zu PR angeht, gebe ich Ihnen nur damit recht, dass diese mittlerweile äußerst professionell arbeitet, z.T. der Journalismus leidet. Doch es gibt bei uns immer noch sehr guten, investigativen Journalismus. Im www finden Sie nur Glaubenssätze und Behauptungen...

  3. 132.

    Schweden hat 57 Corona-Tote auf 100.000 Einwohner, Bayern dagegen 20, Mecklenburg-Vorpommern 1. Das sind einfach mal Fakten. Richtig ist allerdings, dass Schweden viel schneller reagiert hat (war aber auch später betroffen und konnte daher besser einschätzen, was auf sie zukommen wird). Deutschland hätte mit früheren und gezielteren Massnahmen einen kompletten Lockdown vermeiden können. Auch in Schweden waren Grossveranstaltungen über 500 Personen verboten usw. Also ich würde ja, was Corona anbelangt lieber in Mecklenburg-Vorpommern leben (mit 1 Sterbefall auf 100.000 Einwohner), als in Bayern (wo ich halt nun mal die Södersche Politik aushalten muss) und schon gar nicht in Schweden mit seinen über 50-fachen Todesraten (gegenüber Mecklenburg-VP).

  4. 131.

    Die ersten 8 Zeilen ihrer, sagen wir - Arbeit, haben mir schon die Lust genommen.
    Vorurteile und Personen die in eine dunkle Ecke gedrängt werden.
    Sicher alles Reichsbürger, natürlich AFD.
    Wie wäre es mit Bürgern der Bundesrepublik oder mündige Wähler.
    Es könnte auch ein Akt der Demokratie sein gegen Einschränkungen der Freiheit auf die Strasse zu gehen.
    In den Augen dieser Presse aber höchstens eine Verschwöungstheorie.

    Qualitätsmedien geben einen Überblick über den Sachverhalt.
    Nachweisbare Fakten, verständlich Serviert.
    Sie betreiben Meinungsmache also PR.
    Das ist einfach nur billig.

    MfG

  5. 130.

    Schweden hat für seine zweifelhafte Strategie ca. 6.000 Tote zu beklagen. Gemessen an seiner Einwohnerzahl sind das 25 % mehr Todesfälle, als die USA zu verzeichnen hat! Ist das jetzt ernsthaft besser? Herdenimmunität um jeden Preis?

  6. 129.

    So ein Unsinn, Schweden hat ebenfalls keine Maßnahmen durchgedrückt und ist ebenfalls kein Risikogebiet!
    Der Unterschied zur USA und Brasilien ist stattdessen, dass dort Millionen keine Krankenversicherung haben und so viele Krankheiten unbehandelt bleiben.

  7. 128.

    Mit Corona-Krisengebiete sind eher Länder wie USA und Brasilien gemeint, die keinerlei Maßnahmen ergriffen haben. Deutschland befindet sich dank seiner Maßnahmen in der glücklichen Situation, wesentlich weniger Fallzahlen zu verbuchen - aber halt auch nur, weil man hierzulande von politischer Seite das Virus ernst nimmt.

  8. 127.

    Komisch, alle waren friedlich und begegneten mir mit Achtung & Respekt. Von Menschen wie Ihnen wurde ich bereits beschimpft, bedroht und gedemütigt - und das obwohl ich dies ruhig erklärte. Dabei darf ich tatsächlich keinen Mundschutz tragen, bin auch schwerbehindert. Menschen wie Sie sollten sich also eher schämen, einerseits sollen Risikogruppen geschützt werden und andererseits begegnet man gerade diesen mit Verachtung. Was für eine Doppelmoral!

    Und übrigens wurden die Risikogruppen gar nicht gefragt, ob sie solche Maßnahmen überhaupt wollen. Ich kann durchaus auf mich selbst aufpassen und bin mündig.

  9. 126.

    Wo kann ich mich melden? :)

    In Berlin war die Nachfrage bei der leerstehenden "Krankenstation" dann doch aussichtslos (kostet ja nur etliche Milliönchen für Leerstand), aktuell haben wir auch nur 43 in stationärer Behandlung und 18 auf der Intensivstation - berlinweit versteht sich (Fallstatistik Coronavirus Berlin, 03.08.2020). Insgesamt sind im Juli lediglich 9 mit Corona verstorben. So eine immens tödliche Gefahr scheint es dann wohl doch nicht zu sein. Aber sollte die Fallzahl durch sehr viele Tests nun doch ansteigen, dann könnten die Krankenhäuser wenigstens endlich das medizinische Personal aus der Kurzarbeit holen... ;)

  10. 125.

    Professor John Ioannidis war zu dem Zeitpunkt wohl nicht bewusst, dass Corona zu massiven (Langzeit-)Schäden der betroffenen Organe führt, wie eine jüngst publizierte Studie der Forscher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein besagt. Demnach könnte selbst bei einem milden Verlauf z. B. ein 30-Jähriger nach zehn Jahren die Organe eines 60-Jährigen haben. Corona lässt somit die inneren Organe rapide altern, was eine dementsprechend kürzere Lebensdauer nach sich zieht. Wenn also deswegen Millionen von Menschen deutlich früher als normalerweise sterben, hätte das für die Weltwirtschaft ebenso dramatische Konsequenzen - vom menschlichen Leid mal ganz zu schweigen.

  11. 123.

    Und wo sind die massenhaft Erkrankten nach diesen Massenprotesten?

  12. 122.

    gegen Dummheit ist weder ein Kraut gewachsen noch gibt es irgendein chem. Medikament. An die hier sich kundtuenden Mitläufer: "der weltweit anerkannteste Wissenschaftler Professor John Ioannidis,Epidemiologe und Statistiker, gilt als Koryphäe seines Faches. In einem Interview schildert er die Ergebnisse von drei epidemiologischen Studien zum Thema Covid-19, von denen die letzte erst kürzlich abgeschlossen wurde. Seine Aussagen bestätigen die zahlreichen Wissenschaftler, die auch in Deutschland immer häufiger und lauter Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Corona-Politik äußern. "
    Infizierte zählen hat keinerlei Relevanz!!!

  13. 121.

    Die Gedanken habe ich auch manchmal. Aber ganz ehrlich, von solchen Gestörten möchte man weder sich noch seine Angehörigen im Krankheitsfall betreuen lassen. Ich hätte Angst vor denen..

  14. 120.

    Na klar die Linken sind viel schlimmer. Die über 200 Toten durch Rechte seit 1990 ignorieren Sie?

  15. 119.

    Was beflügelt Sie, mich aufgrund meines Beitrages - "wertschätzend"(!?) - als egoistischen Vollidioten zu bezeichenen, Michaela? Die menschenverachtenden Posts des Presseprechers von "Querdenken 711" sind dokumentiert. Solche Typen möchte ich, anders als Sie, nicht für "meine Zukunft" streiten lassen.

  16. 118.

    Noch so ein Gedanke : Wenn in Brandenburg die Kitas und Horte noch geschlossen wären, hätte vielleicht sogar Frau Baerbock mit demonstriert, weil die Maßnahmen auch sie an ihre Grenzen mit der Kinderbetreuung gestossen ist (s. Anne Will).

  17. 117.

    Langsam ist ihre Platte mit Rechts und Links ausgeleiert. Jede Meinung, die ihnen nicht passt, wird in die rechte Ecke abgeschoben. Dass die so ausgegrenzten Leute irgendwann mal sagen "dann bin ich eben rechts" macht den rechten Rand nur stärker. Einen Sumpf legt man auch nicht trocken, indem man sagt "Geh da bloß nicht hin". Man muss das Wasser abgraben - macht aber mehr Arbeit, als ein Warnschild aufzustellen...
    Um auf die Dorfbeleuchtung zurück zu kommen : auf dem Dorf sind die Leute eher gezwungen, zusammen zu arbeiten, da schaffen das Linksanhänger mit Rechten, wenn es um ein gemeinsames Ziel geht...

  18. 116.

    Jedem Coronaleugner empfehle ich eine Patientenverfügung gegen alle intensivmedizinische Maßnahmen nach Coronainfektion, denn sie würden ja den Krankenhausplatz den Menschen, die vorsichtig mit der Pandemie umgehen, wegnehmen...
    Weiterhin empfehle ich allen Coronaleugner in Coronakrisengebiete als Pflege oder Hilfskraft zu gehen, denn sie
    können ja nicht erkranken, aber anderen helfen.
    Also Ärmel hochkrempeln und machen!

  19. 115.

    Genau das bleibt abzuwarten. Das RKI sagt z.B. ganz klar, dass die Hauptansteckungsgefahr beim dicht gedrängten Aufenthalt in geschlossenen Räumen besteht. Im Freien bei intensiver Sonneneinstrahlung und Luftzirkulation ist dieses Risiko erheblich reduziert. Deswegen gibt es logischerweise auch keine Maskenpflicht im Freien.

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