Nach Anti-Corona-Protest in Berlin - Politiker fordern schnellere Demo-Auflösung und Obergrenzen

Mo 03.08.20 | 15:18 Uhr
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Teilnehmer einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen halten sich dicht gedrängt auf der Straße des 17. Juni auf. Die Polizei hat die Veranstaltung aufgelöst. Zu der Demonstration gegen Corona-Maßnahmen hat die Initiative «Querdenken 711» aufgerufen. Das Motto der Demonstration lautet «Das Ende der Pandemie - Tag der Freiheit». (Quelle: dpa/C. Soeder)
Audio: Radioeins | 03.08.2020 | Johannes Fechner (SPD) im Interview | Bild: dpa/C. Soeder

Hätte die Polizei die Demo von Corona-Leugnern am Samstag früher auflösen müssen? Und sollte man solche Demonstrationen überhaupt zulassen? Über diese Fragen wird jetzt kontrovers diskutiert. Die Innenverwaltung sieht keinen Fehler im Verhalten der Polizei.

Die aufgelöste Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen am Wochenende in Berlin hat heftige Diskussionen ausgelöst. Der innen- und rechtspolitische Sprecher der Berliner Grünen, Benedikt Lux, forderte am Montag im rbb ein hartes Vorgehen gegen Anmelder und Teilnehmer.

Sollten sich dieselben Leute noch einmal versammeln und wieder vorsätzlich nicht an die Hygiene-Auflagen halten, müsse schnell gehandelt werden, sagte Lux am Montagmorgen dem rbb-Radiosender 88.8. Dann habe man eine sehr gute Grundlage, um Platzverweise zu erteilen, Teilnehmer auszuschließen und nach sehr kurzer Zeit die Versammlung aufzulösen.

Generell sei es aber sehr schwer, Demonstrationen vorab zu verbieten, so Lux weiter, und bei "sehr, sehr hohen Gesundheitsgefahren gibt es noch keine gefestigte Rechtsprechung". Der Staat müsse erst einmal versammlungsfreundlich handeln, also im Sinne der Meinungsfreiheit und Demokratie. Es habe auch ein Hygienekonzept des Veranstalters vorgelegen.

Innenverwaltung: Polizei hat angemessen gehandelt

Die Senatsinnenverwaltung wies am Montag Kritik am defensiven Verhalten der Polizei während der Demo zurück. Die Polizei habe professionell und angemessen agiert. "Sie hat nicht zu spät eingegriffen", sagte Sprecher Martin Pallgen. "Wenn man 20.000 Menschen, die sich teilweise verbal aggressiv und ablehnend verhielten, ohne polizeiliche Gewalt auflösen will - was der richtige Weg der Deeskalation gewesen ist - dann dauert das etwas länger", fügte Pallgen hinzu.

"Per se im Vorfeld Demonstrationen zu verbieten", sei nicht möglich, wenn es keine Hinweise auf strafbare Aktionen gebe, die von der Versammlung ausgehen könnten, betonte Pallgen.


Pau kritisiert Zurückhaltung der Berliner Polizei

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) hatte bereits am Sonntagabend in der rbb-Abendschau die Polizei kritisiert. Die Einsatzkräfte hätten gleich zu Beginn der Protestaktion die Auflagen durchsetzen müssen, sagte sie. Das Demonstrationsrecht sei zwar ein hohes Gut, das müsse auch in Zeiten der Pandemie gelten. Dazu gehöre aber auch, dass man Hygiene-Regeln einhalte, so Pau. Außerdem seien verfassungsfeindliche Symbole gezeigt worden und zum Hass gegen Juden und gegen Menschen mit anderer Hautfarbe aufgerufen worden.

Auch die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken hatte am Sonntagabend in der Tagesschau kritisiert, die Demonstration hätte früher aufgelöst werden müssen. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, nahm dagegen die Berliner Polizei und auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) in Schutz. Auch er verwies darauf, dass die Demonstration genehmigt worden sei, weil ein Hygienekonzept des Veranstalters vorgelegen habe. Daran hätten sich aber die Teilnehmer nicht gehalten.

Fechner forderte am Montagmorgen im Interview mit der rbb-Radiowelle Radioeins Obergrenzen bei Teilnehmerzahlen für Demonstrationen, sobald sich abzeichne, dass sich der Teilnehmerkreis nicht an die vom Anmelder zugesagten Hygienemaßnahmen halten werde. "Man wird das in Zukunft bestimmt beschränken", so Fechner. Auch höhere Bußgelder sollten gegen alljene verhängt werden, die bei der Demonstration die Corona-Maßnahmen ignoriert hätten. "Mit einem zweistelligen Bußgeldbetrag ist es hier nicht getan", so Fechner.

Auch Deutscher Städtetag fordert Bußgelder

Ähnlich sieht die Reaktion der CDU aus: Großdemonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen sollten nach Ansicht des CDU-Innenexperten Armin Schuster nur noch unter sehr strengen Auflagen oder gar nicht mehr genehmigt werden. Solche Protestaktionen seien eine Gefahr für die Allgemeinheit, sagte Schuster der "Rheinischen Post".

Auch der Deutsche Städtetag sprach sich dafür aus, hart gegen Demonstranten vorzugehen, die die Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht einhalten. Zwar sei das Demonstrationsrecht ein hohes Gut, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy (SPD) den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Montag). "Aber aus Demonstrationen heraus dürfen sich nicht neue Corona-Hotspots entwickeln." Dedy nannte es unverantwortlich, auf engem Raum die Regeln und Auflagen nicht einzuhalten. Deshalb müssten Bußgelder verhängt werden.

Polizei löste Versammlung am frühen Abend auf

Am Samstag hatten nach Polizeiangaben rund 20.000 Menschen gegen die Corona-Regeln demonstriert. Die meisten trugen keine Masken und hielten nicht genügend Abstand.

Da bereits während der Demonstration die Hygiene-Regeln ignoriert wurden, stellte die Polizei Strafanzeige gegen den Leiter der Versammlung. Der erklärte den Demonstrationszug am Samstagnachmittag selbst für beendet. Da auch auf der anschließenden Kundgebung viele Demonstranten weder die Abstandsregeln einhielten noch einen Mund-Nase-Schutz trugen, löste die Polizei diese Versammlung am frühen Abend auf.

Sendung: rbb 88.8, 03.08.2020, 07:50 Uhr

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46 Kommentare

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  1. 46.

    Wer angesichts des grassierenden LKW-Verkehrs sich nicht mehr auf die Straße traut, ist von Angst besessen.
    Wer vor einem LKW, der geradewegs auf einen zurast, nicht vor Angst die Beine in die Hand nimmt, hat den positiven Aspekt in den Wind geschlagen.

    Corona lässt die Wenigsten Angst haben; aber die Befürchtung ist es, die uns im ganz konkreten Fall glücklicherweise Angst haben lässt.

  2. 45.

    Ja in Haftung nehmen .... wie bei Fußballspielen.
    Man könnte ja auch Eintritt nehmen bei den Demos. :D

  3. 43.

    Es ist unverschämt wenn diverse Medien diese Demonstranten als Neonazis, Virusleugner, Esoteriker usw. verunglimpfen, denn die Mehrheit war das dort sicher nicht, auch wenn ich selbst nicht vor Ort war, aber es ist offensichtlich.

  4. 42.

    Nein. Da gibt es eine Demo, wo Leute trotz weltweiter Pandemie keinen Abstand halten und eine Großveranstaltung organisieren, obwohl genau das gerade verboten ist. Remember: Karneval und seine Folgen im Frühjahr?

    Geht doch demonstrieren wie alle anderen auch. Mit Abstand und MNS und in kleineren Gruppen. Dann regt sich auch keiner auf.

  5. 41.

    Sie haben meinen Text offensichtlich weder richtig gelesen, noch verstanden. Die Wasserwerfer waren nicht das, weil genügend Nazis flaggenschwenkend mitgelaufen sind. Die werden auch gern mal mit Bussen wieder nach Hause eskortiert, auch wenn sie gewalttätig waren und Hitler gegrüßt haben. Sie haben ihr Fachwissen aus der Bildzeitung, oder?

  6. 40.

    Jap, genau der selben Ansicht war auch schon ein anderer Verrückter Namens Trump. Von daher gesehen passt die Aussage... Ach komm, sagen wir es waren 500.000 dann kann man wenigstens ebenfalls behaupten, Volkes Meinung...

  7. 39.

    Da muss ich sie leider korrigieren.
    Die Corona-Demo hat zwar einige unappetitliche Symbole zum Vorschein gebracht, war aber friedlich.
    Ebenso hatten die Demonstranten gar kein Bedürfnis, die Polizei anzugreifen.
    Somit war der Einsatz von Wasserwerfern völlig unangebracht.
    Die Polizei hat die Friedfertigkeit erkannt und einen vorbildlichen Einsatz abgeliefert.
    Bei Demos von Linksradikalen sieht das oft anders aus. Da fliegen schnell Steine, Schaufenster und Autos werden zertrümmert, und sobald noch Feuer gelegt witd und Steine auf Menschen geworfen werden, greift die Polizei durch, was auch völlig richtig ist.

  8. 38.

    Da gibt es eine Demo, die
    nicht gegen den Staat und
    nicht gegen die Polizei sondern
    gegen die Regierung ist, und schon kommen die wildesten Ideen zur Beschränkung.
    Das ist doch sehr merkwürdig.

  9. 37.

    Das machen die bestimmt, aber nicht öffentlich. Das alle Demonstranten asozial sind erinnert an die DDR. Gleiches Muster.
    Vielleicht kommt bald das Ende von Altmaier und Co. Verzockt.

  10. 36.

    In diesem schönen Land ist es zum Glück erlaubt, dass jedeR öffentlich seine Meinung - und auch Dummheit artikulieren und unter Beweis stellen kann, unter Einhaltung des Grundgesetzes. Wer aber so gegen die staatlichen Corona-Auflagen demonstriert wie viele am Samstag in Berlin, verhält sich unsozial der Gesellschaft (insbesondere den Risikogruppen und dem Pflegepersonal und ÄrtzInnen) gegenüber und selbstsüchtig. Das hat mit Wahrnehmung demokratischer Grundrechte nichts mehr zu tun!

  11. 35.

    Demonstrieren ist ein Grundrecht. Dafür haben Menschen vor 170 Jahren gekämpft. Die Verwaltung kann aber Auflagen erteilen. Zum Beispiel keinen Hitlergruß zeigen.

  12. 34.

    Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt.
    Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?

  13. 33.

    Das mit dem angeblichen "Super-Spreader-Ereignis" hat man uns auch schon nach den "Hygiene-Demos" erzählt und nach der Schlauchboot-Demo ebenfalls. Und was passierte tatsächlich? Gar nix. So wie auch diesmal nichts passieren wird - es sei denn, das RKI treibt die Testzahlen so massiv nach oben, bis das gewünschte Ergebnis erzielt wird.

    Im übrigen gibt es weltweit meines Wissens kein einziges "Super-Spreader-Ereignis", das unter freiem Himmel stattgefunden hat.

  14. 32.

    Zitat: "Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden." Zitat Ende. Ist von R. Luxemburg. KWT

  15. 30.

    Ich finde, man sollte die Veranstaltungsleiter in die persönliche Haftung nehmen und sie an den Kosten „ihrer Veranstaltung“ beteiligen.

  16. 29.

    Hallo, naja, auch wenn das das so im Text steht, nicht jeder der Teilnehmer hat verfassungswidrige Dinge gezeigt und gegen bestimmte Religionsgruppen gehetzt.
    Auch waren bestimmt nicht alle Corona Leugner, sondern vielleicht besorgt darüber, was ein Land unter den Infektionsschutzgesetz alles verbietet hatte oder hat.
    Ich war nicht dort, kenne nur Bilder und zum Teil fand ich auch manche Teilnehmer fragwürdig. Aber die Verhältnismäßigkeit wie gegen solche Demos vorgegangen wird, find ich überzogen. Als jemand der in Berlin groß geworden ist, kenne ich da Demos zum 1.Mai und den 80ziger mit viel Gewalt. da verstehe ich ein hartes Eingreifen seitens des Staat. Bei Ordnungswidrigkeiten eher zweifelhaft. Was soll es, geschehen ist geschehen, mal schauen was die Fallzahlen in den nächsten 14 Tagen sagen.

  17. 28.

    Sie sollten mal überlegen, warum sie da mit laufen.

    Zitat vom Text hier "verfassungsfeindliche Symbole gezeigt worden und zum Hass gegen Juden und gegen Menschen mit anderer Hautfarbe aufgerufen worden"

    600000? Pisa lässt grüßen.

  18. 27.

    Kann mich nur anschließen.

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