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Video: Abendschau | 30.08.2020 | Studiogast: Michael Müller | Quelle: dpa/NurPhoto/Achille Abboud

Demonstranten stürmen Reichstagstreppe

Entsetzen über Reichstags-Eskalation

Demonstranten mit schwarz-weiß-roten Reichsflaggen stürmen auf die Treppe des Reichstags. Viele Politiker zeigten sich über die Szenen bestürzt. Berlin werde als Bühne genutzt, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller.

Politiker aller Parteien haben das Vordringen von Demonstranten auf die Treppe des Reichstagsgebäudes in Berlin scharf verurteilt.

"Berlin wird als Bühne genutzt für bundesweite Mobilisierungen für Demonstrationen gegen unsere Demokratie", sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Sonntagabend in der rbb-Abendschau. Im Internet sei aufgerufen worden zum "Sturm auf Berlin" und zum "Sturm auf den Reichstag". Er befürchte, dass es Vernetzungen gebe zwischen Coraona-Leugnern, Rechtsextremisten und Rechtspopulisten. Müller kündigte an, dass das Geschehen am Montag im Innenausschuss ausgewertet werde.

Am Rande der Demonstrationen gegen die Corona-Politik von Bund und Ländern hatten am Samstagabend etwa 300 bis 400 Demonstranten Absperrgitter am Reichstagsgebäude in Berlin überwunden, wie die Polizei in ihrer Bilanz mitteilte. Sie stürmten die Treppe hoch und bauten sich einige Minuten lang lautstark vor dem verglasten Besuchereingang auf, bevor Polizeibeamte sie wieder zurückdrängten. Dabei wurden auch schwarz-weiß-rote Reichsflaggen geschwenkt.

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"Das symbolische Zentrum unserer freiheitlichen Demokratie"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teilte am Sonntag mit: "Reichsflaggen und rechtsextreme Pöbeleien vor dem Deutschen Bundestag sind ein unerträglicher Angriff auf das Herz unserer Demokratie. Das werden wir niemals hinnehmen."

"Das Reichstagsgebäude ist die Wirkungsstätte unseres Parlaments und damit das symbolische Zentrum unserer freiheitlichen Demokratie. Dass Chaoten und Extremisten es für ihre Zwecke missbrauchen, ist unerträglich", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der "Bild am Sonntag".

Außenminister Heiko Maas (SPD) twitterte: "Alle haben Recht, über Umgang mit Corona zu streiten natürlich für Ihre Meinung zu demonstrieren. Niemand sollte dafür Rechtsextremen hinterherlaufen, PolizistInnen gefährden viele einem Infektionsrisiko aussetzen. Reichsflaggen vorm Parlament sind beschämend."

Klingbeil: Verwunderung über Verfassungsschutz

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) schrieb: "Unser Grundgesetz garantiert Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht. Es ist die Antwort auf das Scheitern der Weimarer Republik und den Schrecken der NS-Zeit. Nazisymbole, "Reichsbürger"-Kaiserreichflaggen haben vor dem Deutschen Bundestag rein gar nichts verloren."

Auf die Frage, ob es vielleicht besser gewesen wäre, die Demonstration zu verbieten, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, er wundere sich, dass der Verfassungsschutz nach eigenen Angaben im Vorfeld keine Hinweise darauf entdeckt habe, "dass hier Rechtsextreme versuchen, diese Demonstration zu unterwandern". Die Bilder des Tages zeigten etwas anderes. "Das wird man sich nochmal genauer angucken müssen, warum diese Hinweise im Vorfeld anscheinend nicht vorlagen oder nicht vernünftig ausgewertet wurden", sagte der SPD-Politiker bei "Bild live". Nun werde im Ältestenrat des Bundestages zu klären sein, "wie Sicherheitskonzepte ausgesehen haben."

Mit Wut hat CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer auf Bilder von aggressiven Demonstranten mit Reichsflaggen auf der Treppe des Reichstagsgebäudes in Berlin reagiert. "Ich muss sagen, ich bin richtig wütend über das und über die Bilder die man dort gesehen hat. Dass am Deutschen Bundestag die Reichsflagge wieder weht, das ist etwas, was nicht zu ertragen ist", erklärte die CDU-Chefin in einem Statement, das die Partei am Sonntag verbreitete.

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Geisel bezeichnet Ereignisse als vorhersehbar

Videos, die im Internet kursieren, zeigen, wie die Menschen direkt vor der Tür des Reichstags stehen. Nur drei Polizisten standen ihnen noch im Weg. Nach einem Bericht des "Tagesspiegel" (Sonntag) nahmen bei der Erstürmung des gesperrten Eingangsbereichs ein führendes Mitglied der "Jungen Alternative" aus Brandenburg, sowie der sich selbst als "Volkslehrer" ernannte Nikolai N. teil. Die Berliner Verwaltung hatte ihn vor mehreren Monaten als Lehrer beurlaubt und später fristlos gekündigt, weil er über seinen Youtube-Kanal rechtsextreme Positionen vertrat.

Nach ersten Schätzungen der Behörden nahmen an den Protesten in der Stadt am Samstag insgesamt rund 38.000 Menschen teil. Wie Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Abend berichtete, wurden über den Tag verteilt rund 300 Menschen festgenommen, allein vor der russischen Botschaft etwa 200. Dort flogen unter anderem aus einer Menge von rund 3.000 sogenannten "Reichsbürgern" und Rechtsextremisten Steine und Flaschen auf die Polizei, wie er sagte. Laut Polizei gab es dort auch Gefangenenbefreiungen. Geisel bezeichnete die Ereignisse als vorhersehbar. "Es war erwartbar, was heute passiert ist", sagte er am Samstagabend in den ARD-"Tagesthemen".

Kommentarfunktion am 30.08.2020, 16:22 Uhr geschlossen

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