Gesundheitssenatorin berät mit Bezirken - Zwei der drei Berliner Corona-Ampeln auf Gelb

Mo 21.09.20 | 17:16 Uhr
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Symbolbild/Archiv - Junge Menschen treffen sich nachts auf der Admiralbrücke in Kreuzberg. (Bild: imago images/imago images/Travel-Stock-Images)
Video: Abendschau | 21.09.2020 | Sabrina Wendling | Gespräch mit Dilek Kalayci | Bild: imago images/Travel-Stock-Images

Berlinweit an der Spitze, bundesweit auf Platz vier: In Friedrichshain-Kreuzberg steigt derzeit die Zahl der Corona-Neuinfektionen besonders rasant. Die Gesundheitssenatorin führt das auf Partys zurück. Inzwischen leuchten zwei der drei Corona-Ampeln gelb.

Das jüngste Infektionsgeschehen in Berlin schlägt sich auch auf das Berliner Frühwarnsystem, die Corona-Ampel, nieder. Erstmals seit der Einführung des Ampelsystems steht der Sprung auf
Doppel-Gelb bevor: Grund ist, dass die sogenannte Reproduktionszahl, kurz R-Wert, auf 1,52 steigt, wie ein Sprecher der Gesundheitsverwaltung am Montag sagte. Der Wert sollte demnach am Montagabend im Lagebericht im Internet [berlin.de] veröffentlicht werden. Damit springe die entsprechende Ampel von Grün auf Gelb. Der R-Wert gibt an, wieviele Menschen im Schnitt ein Infizierter ansteckt.

Gemäß der Ampelsystematik besteht dann laut dem Sprecher Beratungsbedarf, denn eine weitere Ampel zeigt Gelb: die Ampel für die Fallzahlen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen, hier liegt der Wert ab Montagabend bei 21,0. Bis zu einem Wert von 20,0 zeigte die Ampel Grün. Beim dritten Indikator, den Intensivbetten, steht die Ampel laut Gesundheitsverwaltung weiter auf Grün.

Wie der Sprecher ankündigte, hat Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) angesichts der verschärften Lage die Berliner Bezirksbürgermeister für Dienstagnachmittag zu Beratungen eingeladen.

"Das Tempo der Neuinfektionen gewinnt an Fahrt"

Kalayci hatte sich zuvor am Montag im Gesundheitsausschuss im Abgeordnetenhaus bereits besorgt über das jüngste Infektionsgeschehen in Berlin geäußert. "Das Tempo der Neuinfektionen gewinnt an Fahrt", sagte sie.

Besonders die 7-Tage-Inzidenz, also der Wert der Neuinfektionen innerhalb einer Woche pro 100.000 Einwohner, bereite ihr Sorgen. Mit einem Wert von 21 sei Berlin bundesweit Spitzenreiter, sagte Kalayci und ergänzte: "Das ist ein Grund zur Sorge." Laut aktueller Liste des Robert Koch-Instituts [rki.de] liegt Berlin mit dem Wert 20,4 knapp vor Bayern mit einem Wert von 19,5. (Stand 20.09.2020)

Allerdings bezieht sich diese Liste auf die 7-Tage-Inzidenz der Bundesländer. Andere Städte hingegen haben einen teils deutlich höheren Wert als Berlin. So ist die 7-Tage-Inzidenz in München auf über 50 gestiegen, in Köln liegt der Wert laut RKI-Liste bei rund 34.

In Berlin treiben vor allem die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg (Inzidenzwert 48,6) und Mitte (34,7) derzeit die Infektionszahlen in die Höhe. Friedrichhain-Kreuzberg liegt damit berlinweit vorn - und im bundesweiten Ranking laut RKI-Dashboard auf Platz vier: nur hinter dem Landkreis Würzburg (Inzidenz 61), dem Landkreis Cloppenburg (59) und eben der Stadt München (52).

In beiden Berliner Bezirken werde es immer schwerer, die Kontaktketten nachzuverfolgen, sagte Kalayci im Gesundheitsausschuss. Sie führe Gespräche mit den Bezirken, sagte sie weiter. Dass in Friedrichshain-Kreuzberg die Inzidenz so hoch liege, führe sie auch auf das dortige Partygeschehen zurück.

Streuungen treffen letztlich auch ältere Menschen

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch der Bezirk selbst. "Die hohen Infektionszahlen in unserem Bezirk sind vielfach auf junge, feiernde Menschen zurückzuführen", hatte Gesundheitsstadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke) bereits am Freitag gesagt. Ansteckungsorte seien demnach "oftmals Clubs, private Feiern und inoffizielle Veranstaltungsorte in Friedrichshain-Kreuzberg", aber auch in anderen Bezirken.

Auch Außenbereiche von Clubs spielten bei der Ansteckung eine Rolle, hieß es. "Weitere Schwerpunkte sind private Feiern und illegale Raves in Außenbezirken." Der Bezirk kündigte verstärkte Kontrollen von Veranstaltungsorten an und will bei Polizei und anderen Bezirken diesbezüglich "für eine gemeinsame Schwerpunktsetzung" werben. Von Infektionen betroffen ist nach Bezirksangaben vor allem die Altersgruppe der 20- bis 35-Jährigen.

Auch Kalayci betonte im Gesundheitsausschuss, bislang seien es vor allem Menschen unter 30 Jahren, die sich infizierten, doch auch die Infektionen bei der älteren Bevölkerung würden wieder leicht steigen. Wie schon in der vergangenen Woche warnte Kalayci auch am Montag im Gesundheitssauschuss vor Streuungen, die letztlich auch Risikogruppen erreichen könnten: "Wenn die Älteren erreicht werden, wird die Zahl der Hospitierten und der Toten leider wieder steigen", sagte Kalayci am Montag. Das zeigten Erfahrungen aus dem Ausland, wie zum Beispiel aus Spanien.

"Pandemie-Zeit ist keine Reisezeit"

Neben Ansteckungen in Privathaushalten und beim Freizeitverhalten habe man in der Stadt viele Neuinfektionen, die nicht auf bestimmte Ausbrüche zurückzuführen seien, so die Senatorin. Sie betonte, jeder könne einen Beitrag leisten, dass die Zahlen nicht aus dem Ruder laufen: indem die Regeln zu Abständen, Hygiene und zum Tragen von Alltagsmasken eingehalten würden.

Mit Blick auf die Herbstferien wiederholte Kalayci ihren Aufruf an die Berliner, auf internationale und nicht notwendige Reisen zu verzichten. Pandemie-Zeit sei angesichts des Einschleppungsrisikos keine Reisezeit, betonte sie. Sehenden Auges in ein Risikoland zu fahren, sei verantwortungslos.

Kalayci schlägt Berliner Ampelsystem für Bund und Länder vor

Die Gesundheitssenatorin hat unterdessen das Berliner Ampelsystem als Modell für den Bund und andere Bundesländer vorgeschlagen. "Mit der Berliner Corona-Ampel liegt ein sensibles Instrument zur Beurteilung der pandemischen Lage vor. Ich fände es sehr hilfreich, wenn Bund und Länder die Berliner Corona-Ampel übernehmen würden", erklärte Kalayci am Montag.

Berlin hatte Mitte Mai eigene Regeln und ein Corona-Ampelsystem beschlossen und war damit von Bund-Länder-Vereinbarungen abgewichen. Hintergrund war laut Senat, dass die von Bund und Ländern festgelegte Obergrenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen für eine Großstadt keine praktikable Lösung sei. Der Wert wurde als zu hoch angesehen.

Sendung: Inforadio, 21.09.2020, 12 Uhr

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102 Kommentare

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  1. 102.

    Na dann erklären sie doch mal welch ein tieferer Sinn ..)..nicht wirtschaftlich...es geht ja allen immer um die Gesundheit und Infektionen..).... hinter der dieser Regel steckt ....
    Zu Hause müssen 6 Leute, nicht aus einem Haushalt, 1,5 Meter Abstand halten .... die gleichen Leute müssen dies.in der Kneipe nicht.

  2. 101.

    Hach wie schnell würde sich die Sichtweise der Dinge ändern wenn alle mal, wie die Kinos, Theater, Restaurants usw. mit 25% ihrer bisherigen Einnahmen auskommen müssten...

  3. 100.

    "Die wirtschaftlichen Folgen werden auch Sie zu spüren bekommen."

    Keine Sorge, nicht bei meinem Gehalt. :D

  4. 99.

    4000 falsch positive PCRs/1 Mio Tests? Das wäre viel. Wissen Sie wieviele PCRs bei Vaterschaftstestungen oder forensichen Fragestellungen falsch-positiv werden? Davon ist irgenwie nie die Rede.

  5. 98.

    4000 falsch positive PCRs/1 Mio Tests? Das wäre viel. Wissen Sie wieviele PCRs bei Vaterschaftstestungen oder forensichen Fragestellungen falsch-positiv werden? Davon ist irgenwie nie die Rede.

  6. 97.

    Typisch Berlin, oder? Regeln sind für andere und wer nicht egoistisch die eigene Freiheit um jeden Preis durchsetzt, ist halt doof.....

  7. 96.

    Selbstverständlich hat das sehr wohl etwas mit mangelnder Solidarität zu tun, wenn Solidarität nicht nur ein Placebo sein soll. Es scheint einfach nur das Unvermögen zu sein, etwas weiter auseinander zu sitzen als sonst und sich mit einem geringeren Geräuschpegel zu unterhalten als sonst. Da ist in den letzten Jahrzehnten einer deutliche Steigerung aufgetreten, die nichts mit Leben an sich, vielmehr alles mit Effekthascherei, billiger Konsumentenmentalität und Konkurrenzgehabe zu tun hat.

    Es gibt ein Leben unter 90dB.

  8. 95.

    Das kann ich Ihnen gern sagen. Schweden ist Vorbild, weil dort die Verantwortlichen vom realen Pandemie-Geschehen leiten lassen und Maßnahmen befürworten, die lange durchzuhalten sind, weniger Nebenwirkungen haben und von der Bevölkerung stärker akzeptiert werden, weil sie vernünftig und angemessen sind. Das Hochrechnen von Toten und Infizierten ist nur bedingt aussagekräftig. Wie überhaupt die Statistik der Infizierten kaum zu etwas taugt, außer weiterhin Hysterie zu schüren. Wöchentlich werden in Deutschland zurzeit über 1 Mio. Menschen getestet. Das ist das Dreifache von April und Mai. Darunter sind allein ca. 4000 falsch-Positive und der allergrößte Teil ist nicht erkrankt oder hat lediglich leichte Symptome, Aktuell rund 235 benötigen eine intensivmedizinische Versorgung. Der Aufwand und vor allem die Aufmerksamkeit die Corona beigemessen wird, ist nach realistischen und vernunftbegabten Maßstäben in keiner Weise zu rechtfertigen.

  9. 94.

    Danke.

    Da wurde ja meine Vermutung bestätigt.

    Ich habs so verstanden: Maske an sich schütz. Zumindest andere und zumindest ein bisschen.

    ABER nur, wenn sie richtig benutzt wird. Wenn nicht, dann verkehrt sich der Nutzen ins Gegenteil und sie schadet dem Träger.

    Und wie nutzen 99% der Leute die Maske? 20x pro Stunde auf- und absetzen, ständig den Sitz korrigieren, dazwischen als Kinn- oder Ellenbogendekoration. Neulich sah ich einen, der trug sie auf der Glatze als Sonnenschutz. Zuhause liegt sie aufm Küchentisch, im Auto aufm Boden und im Büro aufm Schreibtisch. Zudem ist sie Wochen alt und wird bei 40° gewaschen...

    Nein, so schadet das Teil mehr als es nutzt, es schützt wirklich nur vor Bußgeldern und der Beschimpfung Maskenverweigerer, Covidiot etc...

  10. 93.

    Ich versuch's noch mal. Die vorherige Antwort wurde (noch) nicht veröffentlicht. Ich musste erstmal etwas suchen, da ich noch die altmodische Papierversion gelesen hatte.
    https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/html/10.1055/a-1174-6591

  11. 92.

    Frau Kalayci sollte sich überlegen. wie die Risikogruppe (ab 70 Jahre und/oder schwere Vorerkrankungen) geschützt wird, Dann kann das Leben füe alle Anderen normal weitergehen.

    Partys zu verbieten und unter Strafe zu stellen, bringt nichts Gerade junge Leute wollen sich das Leben nicht verbieten lassen. Das hat nichts mit mangelnder Solidarität zu tun.

  12. 91.

    "Was denn für eine Argumentation? Es ist keine erfoderlich"

    Das war zu Zeiten von Ludwig XIV. so. Nennt man Absolutismus. Wusste nicht, dass das mittlerweile wieder eingeführt wurde...

  13. 90.

    "Der Staat hat seine Bürger zu schützen."

    Genau richtig. Zu schützen, aber nicht zu verdummen.


    Wenn morgen jemand kommt und sagt: "Ab sofort werden zwecks Infektionsschutz alle zwischen 15 und 35 vorbeugend in Haft genommen, weil das die potentiellen Partygänger sind." dann wird das bei einigen hier sicherlich tosenden Beifall ernten. Endlich wird mal durchgegriffen...

  14. 89.

    Ich bin beeindruckt, dass hier viele aus den absoluten Zahlen irgendwelche Schlüsse ziehen können. Meines Erachtens ist eine Einordnung gar nicht möglich.
    Ich bin enttäuscht, dass es seit März keine Fortschritte in der Diagnose gibt, obwohl alles Erforderliche dazu bekannt ist. PCR-Test geben Hinweise, nichts weiter. Um verlässliche Infos zu bekommen (schon aus wissenschaftlichen Gründen) und damit vielleicht auch die Menschen wieder abzuholen, die man mangels Logik in Zahlen und Maßnahmen verloren hat, wären "schwach" positive Tests zwingend zu wiederholen, um falsch positive Tests auszuschließen, und die wirklich positiven Test auf vermehrungsfähige Viren zu untersuchen. Dann hat man wenigstens korrekte absolute Zahlen. Dabei habe ich nicht den Eindruck, dass es an den Kosten scheitert, Geld scheint sonst ja auch keine Rolle zu spielen.

  15. 88.

    Albernes Totschlagargument?
    Andere als die Mehrheitsmeinungen sind nicht autormatisch Verschwörungstheorien und die Äußerer noch lange keine Aluhutträger. Im Gegenteil - ohne von der Mehrheitsmeinung (noch früher Herrschaftsmeinung) abweichende Auffassungen hätte es fast allen Fortschritt der Menschheitsgeschichte nicht gegeben.

  16. 86.

    Und Sie könnten sich die Mühe machen und beim statistischen Landesamt reinschauen, in den monatlichen Bericht. Wenn Sie in den Kurven mit dem Vergleich der Sterbefälle für Berlin und Brandenburg zum Vorjahr auch nur ein klitzekleines Indiz einer Übersterblichkeit sehen, dann würde ich mich über einer Info freuen. Die sind dort jetzt bei Juni, das Argument, dass die Toten noch nachkommen, zählt also nicht mehr.

  17. 85.

    Kann ich mal die Kurzfassung haben von dem was in dem Beitrag steht? Oder am besten den Link?

    Ich befürchte, dass da steht, dass es recht wenig bringt außer Gewissensberuhigung und ein trügerisches Gefühl von Sicherheit.

  18. 84.

    Was denn für eine Argumentation? Es ist keine erfoderlich. Der Staat hat seine Bürger zu schützen.

  19. 83.

    Bla, bla, bla,
    Und jetzt noch zornig mit dem Fuß aufstampfen und dabe krakelen "Ich will wieder nach Malle zu meinem Ballermann".

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