Brief an Kalayci - Berliner Amtsärzte: Ämter sollen sich auf Risikogruppen konzentrieren

Do 22.10.20 | 18:49 Uhr
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Symbolbild: Zwei Pflegeheim-BewohnerInnen unterhalten sich durch eine angekippte Fensterscheibe im Erdgeschoss. (Quelle: dpa/C. Gateau)
Video: Abendschau | 22.10.2020 | S. Wendling / Studiogespräch Kalayci | Bild: dpa/C. Gateau

Die Berliner Gesundheitsämter sind überfordert mit der Nachverfolgung von Kontakten. Daher schlagen die Amtsärzte einen Strategiewechsel vor: Die Kräfte sollen auf den Schutz von Risikogruppen konzentriert werden, heißt es in einem Brief an Senatorin Kalayci.

Berlins Amtsärzte haben Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) zu einem offenen Umsteuern bei der Pandemie-Bekämpfung aufgefordert.

In einem Brief, der dem rbb vorliegt, fordern sie, dass sich die Berliner Gesundheitsämter auf Risikogruppen konzentrieren. Menschen, die sich selbst schützen können, sollten dagegen mehr Eigenverantwortung übernehmen. Mit dieser Strategie könne ein Lockdown möglicherweise unnötig werden.

Fokus auf Alten- und Pflegeheime sowie Medizinpersonal

Die Gesundheitsämter würden ihre Testungen auf symptomatische Personen und betroffenes medizinisches Personal sowie auf gefährdete Gruppen fokussieren, heißt es in dem Schreiben aller Amtsärzte. Dadurch werde Personal für den Schutz von Menschen mit diversen gesundheitlichen Risiken, Bewohner in Alten- und Pflegeheimen und von medizinischem Personal frei. So könne es gelingen, bei ihnen zeitnah Fälle und Kontaktpersonen zu ermitteln und Infektionsketten durch gezielte Maßnahmen zu unterbrechen.

Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) kündigte am Donnerstag dazu im rbb an, dass die Bezirke sogenannte Allgemeinverordnungen erlassen werden oder dies bereits getan haben. Es sei jetzt nicht mehr die Zeit, auf die Anweisung eines Amtsarzt zu warten, so Kalayci. "Wenn Sie Kenntnis haben, dass Sie positiv sind, dann sind Sie verpflichtet als Bürgerin, als Bürger in Selbstisolation zu gehen. Und wenn Sie Kenntnis haben, dass Sie im Rahmen eines Clusters Kontaktperson sind, sind Sie auch verpflichtet, in Selbstquarantäne zu gehen.“

Keine Aufgabe der Nachverfolgung

Einer Aufgabe der Kontakt-Nachverfolgung erteilte Kalayci jedoch eine klare Absage. "Im Gegenteil - die Kontaktnachverfolgung wird weiterverfolgt", sagte sie am Donnerstag im ARD-Mittagsmagazin.

Einem internen Regierungspapier zufolge war Berlin bereits Anfang Oktober mit der Verfolgung von Kontakten von Corona-Infizierten überfordert.

Sendung: Inforadio, 22.20.2020, 18.00 Uhr

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29 Kommentare

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  1. 29.

    An die Risikogruppe ab 65 Jahre, mit Eintritt ins Rentenalter denkt keiner. Viele werden als Rentner nochmal aktiv, arbeiten in Minijobs, sind ehrenamtlich tätig, reisen gern, betreuen die Enkelkinder, halten sich in Sportgrupen fit. Vieles ist seit Monaten nicht mehr oder sehr eingeschränkt möglich.

  2. 28.

    Das dürfte eh längst Realität sein. Mein Partner war Montag beim Arzt und hat einen Test auf Corona gemacht. Das Ergebnis kam heute. Ich bin weiterhin zur Arbeit, da er ja noch nicht positiv getestet wurde (habe mich beim Gesundheitsamt informiert). Hätte er es gehabt und mich infiziert, hätte ich die ganze Abteilung anstecken können. Mein Arbeitgeber meinte, ohne Krankenschein oder Anweisung hätte ich nicht zu Hause bleiben können und ich brauche das Geld. Aber wenn die Auswertung 5 Tage dauert und dies der Zeitraum der Quarantäne ist, dann kann man es sich eigentlich auch gleich komplett schenken.

  3. 27.

    Wenn Personal fehlt, um die Kontaktverfolgung weiterhin zu gewährleisten, wieso sucht man kein befristetes Personal? Es gibt tausende von Studenten, die auf Grund der Pandemie ihre Nebenjobs verloren haben, die wären sicher dankbar, für 450 Euro Jobangebote das wäre ein großer Personalpool, aus dem man schöpfen kann. So kann man dann auch mal das Stammpersonal entlasten.

  4. 26.

    Die Idee ist ja nicht schlecht mit dem Testen aber hier sieht man wieder daß die Jahre LANGE SPARPOLITIK uns jetzt auf die FÜßE fällt. Frau Kalayci hat in meinen Augen als Gesundheitssenatorin völlig versagt dieses ist jetzt ganz deutlich zu sehen in der Bekämpfung des Corona Virus.

  5. 25.

    ich denke mal, dass Allgemeinverfügungen (Par. 35 VwVfG) nur wirksam werden, wenn sie an amtlicher Stelle veröffentlichet werden, also im Amtsblatt für Berlin. Im Oktober wurden bis gestern noch keine wirksamen Allgemeinverfügungen der Berliner Gesundheitsämter erlassen.

  6. 24.

    Die waren von Beginn an überfordert und verzweifelt. Gegen corona helfen keine Masken oder Distanz sondern gesunde Lebens und Wohnformen. Und eine Akzeptanz von Krankheit und Tod. Und einem guten Gesundheitssystem: ausbilden und gute Bezahlung, Armutbekämpfung und das recht auf Wohnungen.

  7. 23.

    Das versteht aber Frau Senatorin nicht!!

  8. 22.

    Nennen wir es doch beim Namen: ...denn sie wissen nicht (mehr), was sie tun.

    Das ist keine Gesundheitspolitik, sondern eine Bankrotterklärung eines Senates und einer mal wieder völlig überforderten Verwaltung, denn so sehen nur noch Verzweiflungstaten aus.

  9. 21.

    Im Gegensatz zu pflegebedürftigen haben die anderen schon die Möglichkeit sich selbst um sich zu kümmern.

  10. 20.

    "...Kontaktverfolgung scheint wohl in allen über 200 Staaten unserer Erde das Gebot der Stunde..."

    So ist es. Und es gibt sogar Länder, die kriegen das hin. Weil sie es von Anfang an effektiv angegangen sind.
    Deutschland gehört nicht dazu. Wenn man z.B. hört, dass es in Köln Ziel ist (war), dass 24h nach Vorliegen eines positiven Testergebnisses alle Kontakte dieser Person informiert worden sein sollen. Rechnet man noch die Wartezeit auf den Test, die Zeit für die Testauswertung und dann noch die Zeit, bis diese Person selbst überhaupt mal informiert wurde, dann kommen da schnell 4-5 Tage zusammen. Das nenne ich alles andere als effektiv.

  11. 19.

    ... Danke, danke und nochmals Danke für die ersten Kommentare. Meine Holdw lebt von Geburt an mit einem schweren Virus in den oberen und unteren Atemwegen. Seit Anfang März befindet sie sich quasi in Selbstisolation... Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, dass der Rest der Familie sich auch darauf einstellen muss. Und jetzt meine Frage: Was soll man als fünfköpfige Familie noch machen? Und wie bringt man das den Heranwachsenden bei, wenn ständig irgendwelche Vollpfosten für IHR Recht demonstrieren... Ich hoffe, die Gesellschaft wird endlich wach und ein Solidaritätsgefühl entsteht endlich. Es ist zur Zeit alles nur zum heulen...

  12. 18.

    Ja, ja . Um Sie herum nur Feinde.
    Bösartig verschworene infizierte, die mit dem Virus paktieren um Omi zu töten. Nur die Knisternde Maske vor dem Gesicht schützt vor der unsichtbaren Bedrohung dieser Weltumspannenden Verschwörung.

    Und dieselben Personen (sind es vielleicht illuminati?) sind dann Magischwerweise natürlich dafür verantwortlich, wenn die Politik im unbegrenzten Glauben an ihre eigenen Superkräfte uns den Vorschlaghammer über den Kopf zieht. Weil der Lockdown sogar in Frankreich nichts bringt, macht mans eben hier nach. Wie bei der Sperrstunde.

  13. 17.

    Was ist mit den Risikogruppe die nicht in Pflege- oder Altenheimen sind?
    Um uns kümmert sich seit Monaten niemand.
    Arbeiten gehen müssen wir aber.

  14. 16.

    > Auch ich frage mich, wie es weitergehen soll.
    Ihren Betrag verstehe ich jetzt nicht so ganz. Gerade eine konsequente Kontaktverfolgung verhindert die Ausbreitung der Seuche. Diese Berliner Medizinmänner (auch Frauen?) sagen nun, oh je, oh je. Soviele Kontakte und so wenig Personal. Also suchen wir nur noch so viele wie wir schaffen (mehr Personal geht anscheinend nicht?). Es laufen dann halt allemöglichen Leute herum, die wir kennen und bei denen wir wissen, dass sie ich eventuell infiziert, macht ja nix.
    Mich persönlich bedroht diese seltsame Strategie erst mal nicht. Nur alle diejenigen, die von strengeren Maßnahmen entsprechend betroffen sind, sollten sich schon überlegen, wo und bei wem sie Beifall klatschen. Woher weiß man, ob unter diesen Amtsärzten nicht ein Paar patriotische "Widerstandskämpfer" sind?

  15. 15.

    Von sowas halte ich gar nichts. Ich wundere mich auch etwas, denn meines Wissens hat sich nicht die Gesundheitssenatorin diese lästige Kontaktverfolgung ausgedacht, sondern z.B. das Robert Koch Institut. Auch etliche Experten, darunter auch Amtsärzte sehen darin ein wichtiges Instrument die Seuche einzudämmen. Kontaktverfolgung scheint wohl in allen über 200 Staaten unserer Erde das Gebot der Stunde. Wieso wenden sich diese Berliner Amtsärzte (wirklich ALLE?) an den Senat und nicht ans RKI. Soll Berlin aus der allgemeinen Strategie ausscheren? Das Ergebnis wäre spaßig. Jede Stadt, jede Gemeinde brutzelt dann tatsächlich ihr eigenes Süppchen.
    Im Übrigen wird es auch medienmäßig Zeit an den Anfang zu erinnern: Eine einzelne infizierte, wohlmöglich nicht mal kranke Person in sehr weiter Ferne hinter einer großen langen Mauer reichte aus, um die ganze Pandemie auszulösen. Tja, wenn man diese Person damals bloß rechtzeitig erkannt hätte!

  16. 14.

    Aber wie solls dann weitergehen???

    6 Wochen tägliche neue Beschränkungen und dann der nächste Lockdown???

    Mit dieser "Strategie" kommen wir nicht weiter.

  17. 13.

    Mit dieser vernünftigen Vorgehensweise werden die Gesundheitsämter leider nicht durchkommen. Wo kriegen wir denn dann die vielen positiven Testergebnisse her, die wir für die Aufrechterhaltung der Panik und Angst brauchen, wenn wir nur noch Leute mit Symptomen testen. So geht das nicht...

  18. 12.

    Auch ich frage mich, wie es weitergehen soll.
    Wir Selbstständigen können nichts planen, es wird alles hinter geschlossenen Türen besprochen und von heute auf morgen wird wahrscheinlich wieder alles geschlossen.
    Das wäre für uns fatal, wir haben Angst um unsere Existenz, unsere Zukunft.
    Wir müssen auch ein Plan haben zugunsten der Kinder.

    Wenn alle Kosten 4 Wochen eingefroren werden, so das niemand Verluste macht....sollen sie 4 Wochen alles schliessen und Essen nach Hause liefern.
    Das dürfte immer noch günstiger sein, als das was sie im Frühjahr fabriziert haben.

  19. 11.

    Nach § 56 Abs. 1 IfSG kann man bei angeordneter Quarantäne seinen Verdienstausfall vom Land erstatten lassen, bzw. der Arbeitgeber.
    Wie soll das aber gehen, wenn man nicht einmal eine Zwei-Zeiler-E-Mail als nachweis einreichen kann, dass eine Qarantäne angeordnet wurde, weil man sich selbst die Quarantäne verordnet hat. Denn ohne Nachweise gibts kein geld.
    Ich selbst wurde z.B. nach Überprüfung vom Gesundheitsamt als "Kontakt zweiten Grades" eingestuft und sollte deshalb weiter arbeiten gehen (so die Ansage vom Gesundheitsamt).
    Wenn sowas erst nach verzögerter Reaktion des Gesundheitsamtes festgestellt wird, man aber profilaktisch schon in Quarantäne war, kann das bei Geringverdienern existenzgefährdend werden.

  20. 10.

    Ein angekündigter Lockdown mit Datum wäre völlig in Ordnung.
    Wenn man gleichzeitig mitteilen würde, wer ihn bezahlt.
    Rentner
    Börse
    Superreiche
    Nicht arbeitende
    Besserverdiener
    Politiker / Abgeordnete
    Onlinehändler
    Dann haben wir 3 Wochen Ruhe, danach kaum Infektionen.
    Aber ich fürchte, dazu hat die Politik nicht den Mut.
    Sie sehen ja, womit wir beglückt werden:
    Mehr Maske - weniger Alkohol.

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