Nach der jüngsten Demo in Berlin - Die "Querdenker" radikalisieren sich weiter

Mo 26.10.20 | 14:17 Uhr | Von Olaf Sundermeyer
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Teilnehmer an Demonstration gegen die Corona-Auflagen sitzen am 25.10.2020 am Alexanderplatz auf dem Boden. (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Bild: dpa/Paul Zinken

Am Anfang stand friedlicher Protest, dann paktierten die "Querdenker" mit Rechtsextremisten. Inzwischen hat sich ein Teil dieser Corona-Leugner selbst radikalisiert. Ihr Widerstand wird zunehmend extremistisch und gewaltbereit. Von Olaf Sundermeyer

Morddrohungen gegen den Virologen und Regierungsberater Christian Drosten und den SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. Die öffentliche Aufforderung, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) unter seiner Privatadresse Hausbesuche abzustatten. Brandsätze gegen das Robert Koch-Institut. Eine erhängte Schaufensterpuppe als Lynchopfer mit einem "Covid-Presse"-
Schild um den Hals über einer Autobahnbrücke in Minden [wdr.de]. Überrannte Polizeiketten und gebissene Beamte in Berlin.

20 Corona-Demonstranten, die ins Augsburger Landratsamt eindringen, um die Abschaffung der Maskenpflicht in Schulen zu fordern. Die Agenda der "Verfassunggebenden Versammlung" als erste Phase nach der Überwindung der herrschenden Verhältnisse, die von führenden "Querdenkern" betrieben wird. Das Bürgerkriegsszenario als Narrativ auf ihren Demonstrationen, auf denen die Namen von anwesenden Journalisten vor dem johlenden Mob über Lausprecher verkündet werden. Drohkulissen vor öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und Zeitungsredaktionen. Hunderte Menschen, die sich in den Tagen der rasant gestiegenen Infektionszahlen an Orten der Maskenpflicht ohne Mund-Nase-Schutz als feixender Flashmob versammeln und Youtube mit ihren Bildern des Widerstands fluten.

Die Polizei in der Defensive

Das alles unter den Augen einer Polizei, die der Radikalisierung des Protests bislang wenig entgegensetzt. Nicht weil sie es nicht könnte, sondern weil sie es nicht soll: Sie soll bei Kundgebungen und anderen Menschenansammlungen die in der Pandemie geltenden Auflagen des Infektionsschutzes möglichst nicht mit den Mitteln der Polizeigewalt durchsetzen. Um Bilder der Gewalt und Solidarisierungseffekte in der Bevölkerung zu vermeiden. Das steckt hinter der defensiven Polizeistrategie, die seit Frühjahr den Anti-Corona-Protest in Berlin begleitet. Es ist eine politische Linie. Die aber spätestens seit den zuletzt steigenden Infektionszahlen und den gleichzeitig stattfindenden Demonstrationen gescheitert ist, auf denen sich kaum jemand an die geltenden Hygieneregeln hält. Der Staat zeigt sich inkonsequent in der Durchsetzung seiner eigenen Regeln.

Nach wie vor eine kleine, aber laute Minderheit

Das war im August bereits so, bei den beiden großen "Querdenker"-Demonstrationen in Berlin. Seither hat sich dieser Protest erwartungsgemäß radikalisiert.

Auch weil seine Akteure frei agieren können: Die Zurückhaltung der Polizei erfüllt sie mit einem starken Gefühl der Selbstermächtigung, das mit jedem vergleichbaren Demonstrationsereignis und jedem Flashmob wächst. Die "Querdenker" sind noch immer eine kleine, aber laute Minderheit, die lediglich behauptet, "das Volk" zu sein und den Unwillen breiter Teile der Bevölkerung Ausdruck zu verleihen. Das ist die eigene Wahrnehmung, mehr nicht. Denn die Zustimmung einer Mehrheit für das Regierungshandeln in der Pandemie ist immer noch groß.

Auf den Demonstrationen in Berlin zeigen sich in der Spitze dieselben Akteure, die seit Monaten als Protestzirkus durch Deutschland touren. Viele sind in dieser Zeit zu Berufsaktivisten geworden, für die der Protest zum Lebensinhalt wurde. Medienöffentliche Aufmerksamkeit, das Internet als viel beachteter Mitteilungskanal und die daraus abgeleitete politische Relevanz lässt sie eine hohe Bedeutung wahrnehmen. Diese Wahrnehmung radikalisiert sie weiter. Mit offenem Ausgang.

Ein Polizist hindert am 25.10.2020 einen Teilnehmer der Demonstration gegen die Corona-Auflagen auf dem Alexanderplatz am Weitergehen. (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Demo auf den Alexanderplatz | Bild: dpa/Paul Zinken

Politisch und gesellschaftlich abgekoppelt

Wirksamen politischen Anschluss haben die "Querdenker" bislang nicht gefunden. Zwar sympathisieren viele AfD-Wähler und auch Funktionäre mit ihrem Ansinnen, den Staat als eine "Corona-Diktatur" darzustellen (analog zur "Merkel-Diktatur" aus der Flüchtlingskrise), auch am Sonntag nahmen wieder einzelne an den Demonstrationen teil.

Aber die AfD-Spitze hat längst erkannt, dass diese Krise politisch eher den Regierenden nutzt als der Opposition. Während sie darauf wartet, im kommenden Wahljahr von den möglichen drastischen, wirtschaftlichen Folgen der Krise zu profitieren, entwickeln sich die "Querdenker" politisch und gesellschaftlich abgekoppelt in ihrem Protest-Kosmos. Und genau darin liegt die Gefahr. Zumal viele ihrer Anhänger nicht mehr zurück in den allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs kehren wollen oder können.

Sendung: Abendschau, 26.10.2020, 19:30 Uhr

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Beitrag von Olaf Sundermeyer

40 Kommentare

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  1. 40.

    Einen Link als Beleg werden Sie wohl noch einstellen können. Gerade wenn ich mir die Youtubevideos und Telegrammposts von den ersten Querdenkerdemos anschaue hat sich doch vieles was da verbreitet wurde als Fake gerausgestellt. Ich sagen nur Teilnehmerzahlen.

  2. 38.

    Wird immer schlimmer mit denen. Kriminelle Energie, die gefährlich für alle ist.

  3. 37.

    "Es sind nicht die Protestierenden, die sich radikalisiert haben"

    doch, sind sie

    "Radikalisiert haben sich andere"



    "Selbst die umstrittene WHO mußte jetzt zugeben, daß die Letalität von Covid-19 lediglich 0,23% beträgt. Das ist Influenza-Niveau - was viele Wissenschaftler schon von Anfang an gesagt haben."

    das wird auch nach mehrmaligem Wiederholen so nicht wahrer.

    Zeigen sie doch mal Bilder von früheren Influenza Ausbrüchen, die auch nur annähernd Ähnlichkeit haben mit den Bildern und Zuständen, die wir jetzt jeden Tag in den Nachrichten sehen können. Glücklicherweise bisher noch nicht in Deutschland- und zwar weil die meisten ihre Meinung nicht teilen und das Virus nicht bagatellisieren.

  4. 36.

    Ich wäre noch anders rangegangen. Andere gefährden und noch rumdiskutieren .

  5. 35.

    Diese "Querdenker" etc. müssen sich natürlich fragen lassen, was sie für ein Verhältnis zu rechtem Gedankengut, Verschwörungstheorien und vor allem: zu Gewalt als Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen haben. Verwirrte vegane Köche, die den Thron Satans auf der Museumsinsel verorten, lassen sich vielleicht noch als Folklore abtun. In Demonstrationen mitgeführte Galgen schon weniger und sollte der Brandanschlag auf das Gebäude des RKI auf das Konto der "Querdenker" etc. gehen, wären diese m.E. endgültig und zu Recht diskreditiert.

  6. 34.

    Warum sich auch breit, quasi QUER durch die Studienlagen begeben.

    Es gibt gleichzeitg andere Studien die das anders ermittelten. https://www.rnd.de/gesundheit/corona-vs-grippe-studie-belegt-coronavirus-ist-deutlich-gefahrlicher-als-influenza-besonders-fur-altere-UMVXMALZBFDWZJ6OV5Q5HISISY.html

    Aber warum sich als Querdenker mit weitflächigen Fakten beschäftigen^^

  7. 33.

    Das wird auch nichts helfen. Die vernebelten Hirne sind nicht in der Lage oder willens den Tatsachen ins Auge zu sehen.
    Der Staat sollte das Gewaltpotenzial einiger Gruppen dieser Bewegung auf keinen Fall unterschätzen. Die sind wirklich gefährlich.

  8. 31.

    Natürlich schauen wir auf Andere, denn wir haben ja Glück, das es woanders ja schlimmer ist als bei uns!
    Leider war ich dort nicht vor Ort, kann also mit meinen Sinnesorganen die dortige Gefahr nicht einschätzen!
    Hier in meinem Deutschland ( Glienicke, beruflich Brandenburg)sehe ich keine Schwerstinfizierten in Krankenhäusern bzw. Tote auf SARS Cov2 Basis! Was ich höre und in der Presse vernehme, sind massive Steigerungen der PCR Teste mit positiven Ergebniss! Scheinbar scheinen diese sich nicht in den Toten und Krankenhausschwerstfälle wieder zu spiegeln! Was sagt mir das? Kein Fazit von mir, sonst wird dieser Kommentar wieder nicht veröffentlicht!

  9. 30.

    Viele in meinem Bekanntenkreis wissen auch nicht was mit den ganzen Maßnahmen bezweckt werden soll. Das eine darf man, in einer anderen Situation darf man das gleiche nicht. Entweder oder, aber nicht wie man es gerade braucht.
    Jeder sollte seine Situation selbst einschätzen. Jetzt werden schon wieder Vorschriften gemacht - hatten wir schon mal. Es ist egal, wer sie aufstellt - für mich ist es Bevormundung, wurscht aus welcher Ecke.

  10. 29.

    Es ist eine absolute Frechheit, dass sich vermeintlich "intellektuelle" Bürger dieses Landes immer wieder erdreisten, zehntausende Menschen in eine Ecke zu stellen. Die Gründe der Demonstranten sind vielzählig und bis auf wenige geht auch der Großteil der Demonstraten nicht davon aus, dass es den Virus nicht gäbe.
    Erklären Sie doch bitte mal, welche Maßnahmen Sie 2015 und 2018 ergriffen haben, um die zahlreichen Grippetoten zu vermeiden? Haben Sie Herrn Spahn und Herrn Söder damals wegen Unfähigkeit auch auf die ITS eingeladen?
    Warum wird nicht erwähnt, dass die Teilnehmer daran gehindert wurden, den Veranstaltungsort zu verlassen, nachdem sie vom Veranstalter abgesagt wurde, als der Umzug erneut nicht starten durfte? Viele hatten Masken und andere waren befreit. Defensive Polizeistrategie? Radikalisiert mit Herzchen-Ballons, Tanzen und Gottesdienst? :-)
    Legen Sie doch mal langsam eine andere Platte auf, als Diffamierung, Denunzierung, Vorverurteilung und dämliche Unterstellungen.

  11. 28.

    Komme sofort hin, zu den von ihnen genannten Schwerstinfizierten und anschliessend schauen wir mal bei den Krebskranken, Herzpatienten und nicht behandelten Anderserkrankten vorbei! Hoffentlich wird ihnen nicht schlecht!

  12. 27.

    Vielleicht liegt es ja daran, dass sich die Teilnehmer der Demo nicht an die Auflagen halten. Denkt mal drüber nach (sofern ihr dazu noch in der Lage seid).

  13. 26.

    Wieso unternimmt der Saat nichts gegen diese Leute der Staat hat doch die Macht solche Leute in die Schranken zu weisen. Es ist wirklich traurig wenn die PolizeiBeamten die Demos nur begleiten dürfen und auf Hygiene Regeln achten sollen. Die Querdenker sollten mal Ihr Hirn einschalten denn mit diesem Verhalten schaden sie der Gesellschaft im Kampf gegen Corona.

  14. 25.

    Sehr gute Idee! Diese Covid 19 Situation ist für niemanden wirklich begreifbar, es sei denn man interessiert sich für die Menschen, die daran erkrankt sind ,bzw. auch die Spatfolgen, die zum Tod führen können ... und es könnte dann zu einem wirklich solidarischen, menschlichen Akt der Rücksicht werden ... Maske auf, Abstand halten, Hygiene .

  15. 24.

    Zitat:"Die "Querdenker" sind noch immer eine kleine, aber laute Minderheit, die lediglich behauptet, "das Volk" zu sein..."

    Gott sei Dank aber auch leider ist die Mehrheit der Bevölkerung vernünftig genug, zurzeit nicht unbedingt auf das Grundrecht zu demonstrieren zu bestehen.
    Würden nämlich die vernünftigen auf die Straße gehen und für die Einhaltung der Corona-Regeln zu demonstrieren, sähe es sehr voll auf den Straßen aus. Der Abstand wäre dann sicher nicht einzuhalten. Somit gilt es jetzt, zumindest diesen unvernünftigen ihre Grenzen aufzuzeigen ohne Ihnen "Futter" für Ihre video-Kanäle zu geben.

  16. 23.

    Was wäre denn so schwer daran, alle Teilnehmer dieser Demo und auch ihre Unterstützer in eine Liste aufzunehmen und dann per Krankenkasse bei einer COVID-19 Infektion von der Übernahme der Kosten auszuschließen. Nur noch Selbstzahler.
    Sollen die doch auf’n Nürburgring oder irgend einem freien Feld demonstrieren. Da sind sie dann unter sich und fertig.
    Möchte nicht sojemanden bei mir im Krankenhaus behandeln müssen.

  17. 22.

    Hallo Berta,

    Sie sollten erstmal respektvoll gegenüber jedem sein! Der Autor hat auch einen richtigen Namen und nicht Ihren lächerlich ausgedachten Namen. Hat wahrscheinlich auch ein Weilchen gedauert.
    Also Bernd und andere... Sie können ja Telegram und Youtube als Quelle heranziehen. Ich vertraue den wirklichen "Qualitätsmedien", deren Ruf sie sich über Jahre und Jahrzehnte erarbeitet haben und nicht irgendwelchen Leuten, die innerhalb weniger Youtubevideos die "richtige" Wahrheit entdeckt haben wollen. Ich habe mir Telegram zugelegt und mal geschaut, wie es dort abgeht... kaum Kommentare ohne Beleidigungen gegen die "anderen". Und was bringt es mir, wenn ich hier lese, dass die Polizei einen Zusammenstoß "blutig" beendet hat? Wer hat denn angefangen? Wie blutig war es denn? War es auch wirklich gewalttätig von der Polizei? Ich schau mal Youtube, dann sehe ich es wahrscheinlich mit den richtigen Augen.

  18. 21.

    Sehr geehrter Herr Sundermeyer, haben Sie auch feste Beweise für die Radikalisierung der Demonstranten? Ich bin auch nicht für diese Demonstrationen, aber Ihre Thesen gehen mir wirklich zu weit. Und wie Erkennen Sie Demonstranten und deren Parteizugehörigkeit? Hören Sie endlich auf alle Demonstranten in die rechte Ecke stellen zu wollen. Objektivität sollte auch bei einem Extremismus Experten im Vordergrund stehen.

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