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Video: rbb|24 | 16.10.2020 | Material: rbb|24, Abendschau | Quelle: dpa/Ramon van Flymen

Senat legt Einspruch ein

Verwaltungsgericht kippt Berliner Sperrstunde für elf Gastwirte

Elf Berliner Gastronomen dürfen ihre Lokale wieder so lange öffnen, wie sie wollen: Das Verwaltungsgericht hat ihrem Eilantrag gegen die Sperrstunde stattgegeben. Der Senat wird Einspruch einlegen. Das Alkoholverbot nach 23 Uhr gilt vorerst weiter.

Update | Berliner Senat scheitert mit Zwischenverfügung vor OVG. 11 Wirte dürfen öffnen.

Nach nur einer Woche ist die Sperrstunde in Berlin womöglich wieder Geschichte. Das Verwaltungsgericht der Hauptstadt erklärte am Freitag, die Sperrstunde halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Elf Gastronomen hatten sich dagegen gewandt und bekamen Recht. Sie dürfen nach dem Beschluss nun auch nach 23 Uhr öffnen, jedoch weiterhin ab diesem Zeitpunkt keinen Alkohol mehr ausschenken, wie ein Gerichtssprecher am Freitag sagte. Ob dies eingehalten wird, müssen nun die Behörden kontrollieren.

Dieses Urteil gelte zunächst nur für die elf Gaststätten. Diese dürfen von nun an schließen, wann sie wollen, sagte deren Anwalt Niko Härting am Freitag bei Radioeins. Nach rbb-Informationen rechnet der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga damit, dass die Sperrstunde de facto für alle Gastronomiebetriebe vom Tisch sei. Es gebe auch Zweifel daran, dass das bestehende Alkoholverbot in Berlin weiter durchgesetzt werden könne, sollte die Sperrstunde endgültig fallen.

Der Senat kündigte am Nachmittag an, die nächste Instanz anzurufen. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) kündigte im rbb an: "Der Berliner Senat wird juristisch gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vorgehen. Wir wissen alle, dass die Lage ernst ist. Die Infektionszahlen gehen dynamisch nach oben, bundesweit, auch in Berlin. Wir müssen handeln. Nicht umsonst hat die Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und -chefs beschlossen, Maßnahmen einzuleiten. Und unter diesem Maßnahmenbündel war das Thema Sperrstunde auch eine der wichtigsten Maßnahmen."

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Gerichtsbeschluss: Keine Gefahr alkoholbedingter "Enthemmung" nach 23 Uhr

In seiner Urteilsbegründung war das Verwaltungsgericht der Argumentation der Gastronomen gefolgt. Es sei nicht ersichtlich, dass die Sperrstunde für eine nennenswerte Bekämpfung des Infektionsgeschehens erforderlich sei, begründete das Berliner Gericht seinen Beschluss. Es bezog sich auf das Robert-Koch-Institut. Beobachtet worden seien demnach Fallhäufungen bei Feiern im Familien- und Freundeskreis, in Einrichtungen wie etwa Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und in Verbindung mit religiösen Veranstaltungen sowie Reisen.

"Auch die Gefahr einer alkoholbedingten "Enthemmung" nach 23 Uhr bestehe nicht", zitiert eine Gerichtsmitteilung den Beschluss. Gastwirten könne nicht pauschal unterstellt werden, dass sie die Vorgaben nicht einhielten. "Allein die bessere Kontrollmöglichkeit einer Sperrstunde könne daher hier nicht zur Rechtfertigung der Maßnahme herangezogen werden."

Weil das Infektionsumfeld Gaststätte eine untergeordnete Bedeutung habe, sei die Sperrstunde zudem ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit. Gegen den Beschluss ist eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg möglich.

Kalayci: "Alkoholverbot bleibt bestehen"

Gesundheitssenatorin Kalayci sagte direkt nach der Urteilsverkündung: "Mit dem Urteil bleibt das Alkoholverbot bestehen, das ist eine wichtige Botschaft."

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) appellierte am Freitag an die Verantwortung der Gastwirte in der Corona-Krise. Sie forderte die Wirte auf, "weiterhin verantwortungsvoll zu sein und die vorgelegten Hygienekonzepte sehr genau zu beachten".

Die Berliner FDP-Fraktion hatte den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) aufgefordert, eine Regierungserklärung über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie abzugeben. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja sagte, die Corona-Pandemie sei eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Menschen in Berlin. "Um ihre Ausbreitung einzudämmen, brauchen wir entschiedene Maßnahmen und deren Durchsetzung", so Czaja.

CDU-Fraktionschef Burkard Dregger forderte, der Senat solle generell mehr Kraft in die Kontrolle bestehender Schutzmaßnahmen investieren als immer neue Vorschriften zu erlassen, die sich schwer überwachen ließen. "Wir dürfen nicht diejenigen zu Leidtragenden machen, die sich an die Regeln halten."

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Bar- und Clubbesitzer kritisierten Sperrstunde als unverhältnismäßig

Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinhard Naumann (SPD), kritisiert, dass die Sperrstunde in Berlin gekippt wurde. In allen Innenstadtbezirken seien die Bars zuletzt bis weit in die Nacht voll gewesen, sagte Naumann am Freitag dem rbb. Daher finde er den Beschluss des Verwaltungsgerichts lebensfremd. Naumann betonte im Inforadio des rbb, die Entscheidung sei noch nicht rechtskräftig. Er gehe davon aus, dass der Senat am Oberverwaltungsgericht in Berufung gehen werde.

Nach Angaben von Rechtsanwalt Härting hatten die Bar- und Clubbesitzer in ihren Anträgen die Sperrstunde als unverhältnismäßig kritisiert. Aus ihrer Sicht gab es keine überzeugende Begründung dafür. Die Sperrstunde führe dazu, dass sich junge Menschen dann an anderen Orten träfen, für die keine Hygienekonzepte gelten.

Sperrstunde auch von Bund und Ländern vereinbart

Gegen die Sperrstunde geklagt hatten unter anderen "Das Klo" aus Charlottenburg, die "BettyF"-und die "Aseven"-Bar aus Mitte sowie die "Bar am Ufer" aus Neukölln. Der Senat hatte vor etwa einer Woche vor dem Hintergrund der gestiegenen Corona-Infektionszahlen beschlossen, dass Restaurants, Bars, Kneipen und die meisten Geschäfte zur Eindämmung der Corona-Pandemie zwischen 23 und 6 Uhr geschlossen sein müssen.

Bevor das Verwaltungsgericht die Sperrstunde nun gekippt hat, hatten sich Bund und Länder Berlin vor wenigen Tagen noch zum Vorbild genommen: Sie vereinbarten am Mittwoch, dass es in Corona-Hotspots künftig generell eine Sperrstunde um 23 Uhr in der Gastronomie geben solle. Dies soll ab 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche gelten. In Berlin gilt diese Regelung seit dem 10. Oktober.

Die Kommentarfunktion wurde am 16.10.2020 um 17:39 Uhr geschlossen

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