Beherbergungsverbot aufgehoben - Woidke spricht nach OVG-Urteil von "falschem Signal"

Mo 19.10.20 | 09:03 Uhr
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Ein Hotelzimmer (Quelle: imago images/Manuel Geisser)
Video: Abendschau | 17.10.2020 | Friedrich Herkt | Bild: imago images/Manuel Geisse

Die Tourismusbranche in Brandenburg jubelt - und der Ministerpräsident wirkt zerknirscht: Am Montagmorgen verteidigte er erneut das gekippte Beherbergungsverbot. Gleichwohl wird am Dienstag der entsprechende Paragraf aus der Corona-Verordnung gestrichen.

Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat am Montag erneut das inzwischen gerichtlich aufgehobene Beherbergungsverbot verteidigt.

Sein Land habe diese Regelung bereits im Juni eingeführt. "Es ist bedauerlich, wenn jetzt so diskutiert wird, als hätten wir das erst vor drei Tagen eingeführt", sagte Woidke im ARD-Morgenmagazin. Brandenburg habe das Beherbergungsverbot nach einer Ministerpräsidentenkonferenz im Mai beschlossen, in einer Zeit der allgemeinen Lockerungen. Man habe dies vorsorglich getan, um Risiken von Ansteckungen ab einer Inzidenz von 50 Neuinfektionen unter 100.000 Menschen binnen sieben Tagen zu vermeiden.

Die am späten Freitagabend gefällte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts sende ein "falsches Signal", denn Deutschland stehe am Beginn eines exponentiellen Wachstums, so Woidke.

Nonnemacher kündigt Streichung des Verbots an

Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hatte bereits am Samstag angekündigt, das Beherbergungsverbot aus der Verordnung zum Umgang mit dem Coronavirus zu streichen. "Wir leben in einem funktionierenden Rechtsstaat, in dem staatliches Handeln stets durch die Gerichtsbarkeit überprüft werden kann", sagte Nonnemacher. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts werde selbstverständlich akzeptiert. Die Umgangsverordnung werde am Dienstag im Kabinett angepasst.

"Mit der unnötigen Niederlage verspielt die Brandenburger Landesregierung das Vertrauen der Bürger in die angeordneten Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie", sagte Brandenburgs FDP-Landesvorsitzende Linda Teuteberg.

Hoteliers schöpfen neue Hoffnung

Derweil weckt der vorläufige Stopp des Beherbergungsverbots in Brandenburg Hoffnungen in der Reisebranche. "Ich hoffe, dass wir einige Gäste gewinnen können und sich Touristen auf den Weg in den Kurzurlaub machen", sagte der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Brandenburg, Olaf Schöpe, am Samstag.

Wegen des Beherbergungsverbots in Brandenburg seien etwa die Hälfte aller Buchungen in den Herbstferien verloren gegangen, sagte Schöpe. Darum sei die Entscheidung nun eine Erleichterung und eine Verpflichtung, weitere Maßnahmen zu ergreifen, damit die Gäste nun kommen und sich auch sicher fühlen könnten.

Wirte sorgen sich um ihre wirtschaftliche Existenz

Auch der Landestourismusverband zeigte sich erleichtert über die Entscheidung: "Für die Gastgeberinnen und Gastgeber in Brandenburg ist das eine überaus wichtige Entscheidung. Das bestehende Beherbergungsverbot drohte der Branche in den nächsten Wochen die wirtschaftliche Existenz zu entziehen", sagte Markus Aspetzberger, Geschäftsführer des Landestourismusverbands Brandenburg.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte am Freitag zwei Eilanträgen eines Hotels und einer Vermieterin von Ferienwohnungen gegen das Beherbergungsverbot für Gäste aus Corona-Risikogebieten stattgegeben. Das Beherbergungsverbot sei voraussichtlich unverhältnismäßig, begründete das Gericht die Entscheidung. Die zu erwartende Eindämmung des Infektionsgeschehens stehe in keinem angemessenen Verhältnis zu den Einschränkungen, die das Hotel und die Vermieterin hinnehmen müssten.

Sendung: Inforadio, 19. 10. 2020, 9:00 Uhr

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107 Kommentare

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  1. 107.

    Warum fragt man dann nicht einfach mal die Bevölkerung? Gibt doch jede Woche irgendwelche Umfragen.

    A) Einschränkungen beim Datenschutz auf gesetzlicher Grundlage unter klar definierten Bedingungen und zeitlich limitiert?
    Oder B) lieber für die nächsten 12 Monate ständig neue Beschränkungen plus alle paar Wochen ein Lockdown?

    Wäre doch mal ne Maßnahme.

  2. 106.

    Ich steige für heute aus und bedanke mich für die angenehme Konservation.
    Vielleicht doch noch eine letzt Bemerkung (sorry) zu dem Punkt freiwillig vs. staatlicher Zwang. Ist die Nutzung dieser App. nicht auch freiwillig, genauso wie das Drücken des Buttons "positiv"?

  3. 105.

    Wo ist denn bei diesen Befragungen die Innovation? Gibts doch schon von Anfang an und war noch nie besonders effektiv.

    Die Akzeptanz in der Bevölkerung schwindet angesichts der nutzlosen und konfusen Beschränkungen. Kein Wunder, dass keiner mehr Bock auf diese Befragungen hat. Zudem wurde ja gestern in der Abendschau verkündet, dass sich das Thema Kontaktnachverfolgung auf breiter Front eh gegessen hat.

  4. 104.

    Vielleicht mal ein Gedanke: anlässlich gesicherter Erkenntnisse zu Reinfektionen, sollte man an mögliche Impfstoffe vorsichtige Erwartungen haben. Ich denke mal, dass es etwas ist, was uns länger begleiten wird. Insofern kommt es darauf an das Leben mit dem Coronavirus zu lernen.
    Als Hochrisikopatient vermeide ich Menschenansammlungen und schlecht gelüftet Räume. Ach so, Masken sind für mich kein Diskussionsthema. Ich würde mich freuen, wenn diese Nonnemacher den "echten" Risikogruppen Bezugsscheine für tatsächliche FFP2 und 3 und Sterillium geben würde sowie auch endlich ein Konzept zum Schutz derselben entwickeln würde, statt nur über Besuchsregelungen in Altenheimen zu schwafeln.

  5. 103.

    Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Aber: Es gibt einen Unterschied zwischen privater sowie von den Menschen weitgehend geduldeter Transparenz, die in Ihrem Verantwortungsbereich liegt und ebenso gut abgelehnt rsp. gemieden werden könnte, und einer staatlich zwangsweise durchgeführten systematischen Überwachung von Millionen von Bürgern zum Zwecke der Gefahrenabwehr, in diesem Fall: des Infektionsschutzes. Das eine ist freiwillig bzw. niemand wird dazu gezwungen, sehr private und intime Dinge preiszugeben; das andere hingegen basiert auf staatlichen Zwang – und da wird kein Gericht, insbesondere vor dem Hintergrund der dunklen Vergangenheit Deutschlands, ein Urteil zugunsten des Staates fällen.

  6. 102.

    Sie bedenken dabei nicht, dass Corona kaum erforscht ist und es noch keinen Impfstoff dagegen gibt, der die Folgen der Erkrankung abfedert. Influenza hingegen ist deutlich besser erforscht und es existiert ein – mal mehr, mal weniger – wirksamer Impfstoff. Die starke Medienpräsenz ist bei Corona somit vollkommen nachvollziehbar.

  7. 101.

    "Macht jedenfalls mehr Sinn als ein stumpfes Weiter so."

    Der Senat hat verschiedene Ansatzpunkte verfolgt, aber die Gerichte sind ihm in die Parade gefahren. Innovation ist bei unseren Richtern wohl nicht so gern gesehen. Es wird ja versucht, auf Kontaktverfolgung zu setzen – doch dreimal dürfen Sie raten, woran es scheitert. An den Bürgern natürlich, wie immer! Zu lesen hier:
    https://www.welt.de/politik/deutschland/article218064382/Berlin-Echtes-Problem-Immer-mehr-Infizierte-kooperieren-nicht.html
    und hier:
    https://www.n-tv.de/politik/Immer-mehr-Kontakte-und-grosse-Luecken-article22113145.html

  8. 100.

    Es geht darum,wie sehr es in den Medien präsent ist..
    Es gab damals auch vereinzelte Berichte über die Grippewelle,aber eben keine Dauerbombardierung und deswegen hat es (fast) niemanden interessiert.

    Diese Grippe war nicht harmlos und Corona ist kein Killervirus. Daher sollte man bei beiden Dingen nicht komplett unterschiedliche Maßstäbe ansetzen. Nur darum ging es mir..

  9. 99.

    Ihre Bemerkung "Messen mit zweierlei Maß und Selbstherrlichkeit" ist in diesem Zusammenhang unangebracht, da sie die Problematik einseitig und damit falsch sehen. Ausgehend von meiner beruflichen Erfahrung als IT-Sicherheitsbeauftragter habe ich ihnen nur mitgeteilt, dass der überwiegende Teil der Menschen überhaupt keinerlei Ambitionen hat, sich hinsichtlich einfachster Regeln des Datenschutzes regelkonform zu verhalten. Ohne Sinn und Verstand muss bei diesen Menschen der Datenschutz herhalten, wenn es darum geht gesellschaftliche Erfordernisse, wie z.B. die Corona Warn-App, die wirklich nicht gelungen ist, zu umgehen. Im Gegenzug "…postet man aber gleichzeitig die Nacktbilder vom letzten Urlaub, erzählt bei Facebook seine Lebensgeschichte und gestattet Google einen auf Schritt und Tritt zu verfolgen.,,". So ein Verhalten ist tatsächlich selbstherrlich, da gebe ich ihnen Recht.

  10. 98.

    „Komisch, ich wurde hier für meinen gesunden Menschenverstand kritisiert, nachdem ich die Kassierung der Verordnungen monierte. Sie und Mike hingegen sind sich jetzt einig, dass Datenschutz irrelevant ist und das Gesetz so kommen wird.“

    Habe ich irgendwo gesagt, dass wir Südkorea kopieren sollen? Ich sagte von ihnen lernen. Aber scheinbar heißt ja heutzutage für manche lernen gleich kopieren. Ein Blick nach Taiwan würde auch helfen. Und ich habe auch nicht gesagt, dass das Gesetz so kommt. Ich habe zum Nachdenken angeregt. Macht jedenfalls mehr Sinn als ein stumpfes Weiter so.

    Aber selbstverständlich wird das BVerfG natürlich auch die Meinung vertreten, dass andauernde massive Eingriffe in fundamentale Grundrechte, beginnend von der Menschenwürde über die Freizügigkeit bis hin zur Berufsfreiheit, wesentlich unkritischer sind als Einschränkungen beim Datenschutz.

  11. 97.

    Na, und die haben es woher? Von den Fachleuten! Nicht von irgendwelchen Kommentarschreibern, die an jeder Ecke eine Verschwörung wittern, sondern von Experten!

  12. 96.

    Es geht aber nicht darum, wie Sie oder Mike das sieht, sondern wie unsere Richter das sehen, allen voran die vom Bundesverfassungsgericht, welche bereits die Vorratsdatenspeicherung kippten. Und da denken Sie, dass die Richter mit einer GPS-Ortung, der Analyse der Kartennutzung und der minutiösen Erstellung eines Bewegungsprofils von Millionen von Menschen einverstanden wären? Wie naiv sind sie eigentlich?!

    Komisch, ich wurde hier für meinen gesunden Menschenverstand kritisiert, nachdem ich die Kassierung der Verordnungen monierte. Sie und Mike hingegen sind sich jetzt einig, dass Datenschutz irrelevant ist und das Gesetz so kommen wird. Bei mir war es falsch, bei Ihnen ist es richtig? Messen mit zweierlei Maß und Selbstherrlichkeit liebe ich ja.

  13. 95.

    Keine Äpfel und Birnen! Jedes Gesetz kann notfalls in einem Eilverfahren gestoppt werden. Bilden Sie sich endlich weiter!

  14. 94.

    Da irren Sie. Die Polizei ist bei wiederholter Ruhestörung durchaus berechtigt, die Party aufzulösen, alle nicht zur Wohnung Gehörenden nach Hause zu schicken und im Extremfall sogar die Anlage zu beschlagnahmen. Als ich die Polizei mal oft hintereinander rufen musste binnen weniger Stunden, weil die lauten Nachbarn es einfach nicht verstehen wollten, haben die das eiskalt durchgezogen – dann war endlich Ruhe. ;-)

  15. 93.

    Und die nächste Äußerung,die auf ein erschreckendes Verständnis vom Rechtsstaat schließen lässt..
    Auch bei Ruhestörung darf die Polizei die Wohnung nicht betreten.

  16. 91.

    Bist du dir sicher?
    Ich gehe davon aus,dass die WG die Polizei freiwillig in die Wohnung gelassen hat.
    Sollte dem nicht so sein,wäre es ein Skandal,dass dieses elementare Grundrecht unbemerkt ausgehebelt wurde.

  17. 90.

    Sehe ich genauso. Man läuft wegen angeblichem "Datenschutz" in Sachen Coronaverfolgung per Handy Sturm, postet aber gleichzeitig die Nacktbilder vom letzten Urlaub, erzählt bei Facebook seine Lebensgeschichte und gestattet Google einen auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Wenn jemand wissen möchte wo er vor genau einem Jahr um 17:30 war, sollte er bei Google anfragen. Die können ihm das auf 10m genau sagen.

  18. 89.

    Art. 1,2,4,9,11,12,13 GG waren oder sind aktuell noch wegen Corona per VO teils massiv eingeschränkt. Und das (im Vergleich zu Südkorea) zum großen Teil nur, weil man hier dem Datenschutz den Vorrang gegeben hat.

    Ein Lehrstück in Sachen Verhältnismäßigkeit.

  19. 88.

    Das ist Recht einfach zu erklären. Wir haben derzeit die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder wir schützen maximal viele und fahren dafür dauerhaft alles herunter. Oder wir versuchen ein Mindestmaß an normalem Leben, was zwangsläufig mehr Opfer fordert. Wir haben aber meines Erachtens keine Wahl. Wir müssen zu einem gewissen Teil leider zu mehr Normalität zurück finden, weil wir uns einen dauerhaften Ausnahmezustand für die Allgemeinheit nicht leisten können, auch wenn jedem klar sein muss, dass dies unweigerlich Opfer fordert. Das habe ich bewusst überspitzt als "opfern" umschrieben. Wir müssen vermehrt Risikogruppen schützen, um die Anzahl der Opfer zu minimieren. Aber auch in Nichtrisikogruppen wird es Todesopfer geben, wenn auch weitaus weniger.

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