Eindämmung der Corona-Pandemie - Merkel will weitgehenden Shutdown des sozialen Lebens

Mi 28.10.20 | 14:59 Uhr
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28.10.2020, Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, zu Beginn der Ministerpräsidentenkonferenz im Kanzleramt. (Quelle: dpa/Guido Bergmann)
Audio: Radioeins | 28.10.2020 | Nina Barth | Bild: dpa/Guido Bergmann/Bundesregierung

Die Infektionszahlen in Deutschland steigen rasant. Bei den Bund-Länder-Beratungen geht es am Mittwoch um verschärfte Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Aus dem Kanzleramt gibt es drastische Vorschläge, allerdings kündigt sich bereits Widerstand an.

Der Bund will mit drastischen Kontaktbeschränkungen noch vor Weihnachten die massiv steigenden Corona-Infektionszahlen in den Griff bekommen. Bundesweit sollen Freizeit-Einrichtungen und Gastronomie geschlossen, Unterhaltungsveranstaltungen verboten und Kontakte in der Öffentlichkeit sowie Feiern auf Plätzen und in Wohnungen eingeschränkt werden.

Das geht aus einem dem rbb vorliegenden Entwurf der Beschlussvorlage des Bundes für die Video-Konferenz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten am Nachmittag (ab 13 Uhr) hervor. Zuerst hatte die Deutsche Presse-Agentur berichtet.

Die geplanten Maßnahmen im Einzelnen

Kontakte und Feiern: Nur noch Angehörige des eigenen und eines weiteren Hausstandes sollen sich gemeinsam in der Öffentlichkeit aufhalten dürfen. Gruppen feiernder Menschen auf öffentlichen Plätzen, in Wohnungen sowie privaten Einrichtungen seien angesichts der ernsten Lage inakzeptabel. Verstöße sollen sanktioniert werden.

Kultur und Freizeit: Theater, Opern oder Konzerthäuser sollen schließen. Das gilt auch für Messen, Kinos, Freizeitparks, Spielhallen, Spielbanken und Wettannahmeeinrichtungen.

Gastronomie und Hotels: Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen sollen geschlossen werden. Ausgenommen werden sollen die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause. Touristische Übernachtungsangebote im Inland sollen untersagt werden.

Sport: Freizeit- und Amateursportbetriebe sollen auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen geschlossen werden, ebenso Schwimm- und Spaßbäder sowie Fitnessstudios. Über Spiele im Profi-Sport, etwa der oberen Fußball-Ligen, wird in dem Papier nichts Konkretes gesagt.

Körperpflege: Kosmetikstudios, Massagepraxen oder Tattoostudios sollen schließen, ebenso Bordelle. Medizinisch notwendige Behandlungen wie Physiotherapien sollen möglich sein. Friseursalons bleiben - anders als im Frühjahr - aber unter den bestehenden Hygienevorgaben geöffnet.

Schulen und Kitas sowie Einzelhandel sollen offen bleiben

Schulen und Kindergärten: Diese Einrichtungen sollen offen bleiben. Die Länder sollten aber weitere Schutzmaßnahmen einführen.

Einzelhandel:
Läden und Geschäfte sollen unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen insgesamt geöffnet bleiben. Es müsse aber sichergestellt werden, dass sich in den Geschäften nicht mehr als ein Kunde pro 25 Quadratmeter aufhalte.

Wirtschaft: Industrie, Handwerk und Mittelstand solle sicheres Arbeiten umfassend ermöglicht werden, heißt es im Entwurf. Die Arbeitgeber müssten ihre Mitarbeiter vor Infektionen schützen. Wo immer umsetzbar, soll Heimarbeit ermöglicht werden.

Maßnahmen sollen ab 2. November gelten

Wie die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch aus den Beratungen von Kanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder erfuhr, sollen die Maßnahmen ab Montag, 2. November deutschlandweit in Kraft treten. In der Beschlussvorlage des Bundes war zunächst vom 4. November die Rede gewesen.

Die Maßnahmen sollen dann bis Ende des Monats gelten. Nach Ablauf von zwei Wochen sollen Kanzlerin und Länderchefs die erreichten Ziele beurteilen und notwendige Anpassungen vornehmen. "Familien und Freunde sollen sich auch unter Corona-Bedingungen in der Weihnachtszeit treffen können. Dazu bedarf es jetzt erneut, wie schon im Frühjahr, einer gemeinsamen Anstrengung", heißt es in dem Papier.

Ramelow hat Widerstand angekündigt

Offen war, ob und wie weitgehend die Länder die Maßnahmen mittragen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat eine Zustimmung seiner Regierung zu einem derartigen Beschluss bereits ausgeschlossen. Andere Länder hatten dagegen schon vor dem virtuellen Treffen Verschärfungen angekündigt. Vor den Beratungen von Merkel mit den Länderchefs wollten sich die Ministerpräsidenten bereits um 10.30 Uhr zu Vorgesprächen zusammenschalten.

Im Anschluss an die Beratungen der Ministerpräsidenten ist eine Pressekonferenz geplant. Nach dem Treffen mit der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten wird auch der Berliner Senat in einer außerordentlichen Sitzung am Mittwochabend oder Donnerstagfrüh über mögliche weitere Maßnahmen entscheiden.

Berlin prescht nach vorn bei Maßnahmen

Der Berliner Senat hat wegen der steigenden Infektionszahlen bereits am Dienstag beschlossen, die zulässigen Teilnehmerzahlen bei Veranstaltungen zu reduzieren. Dort sollen künftig drinnen nur noch maximal 300 Menschen zu Tagungen, Messen oder Sportveranstaltungen zusammenkommen dürfen statt bisher 1.000, draußen nur noch 500 statt bisher 5.000 Menschen. Zudem wurde eine Verlängerung der Sperrstundenregelung beschlossen.

Fast 15.000 Neuinfektionen

In Deutschland sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Mittwoch binnen 24 Stunden 14.964 neue Corona-Fälle verzeichnet worden. Das ist ein Höchstwert seit Beginn der Pandemie. Am Dienstag waren von den Gesundheitsämtern 11.409 neue Corona-Infektionen gemeldet worden.

Sendung: Inforadio, 28.10.2020, 07:55 Uhr

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105 Kommentare

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  1. 105.

    ...es scheint fast als würde Frau Merkel wollen, dass mehr Menschen sich den Coronaprotesten anschließen. Anders kann ich mir das nicht erklären, hoffentlich gibt es genügend Widerstand aus den anderen Fraktionen. Es erscheint auch so sinnlos, da pünktlich zur Adventszeit eh alles wieder hochgefahren wird, weil Weihnachten kann kein Politiker der noch bei Verstand ist ernsthaft versuchen wollen den Menschen zu nehmen - also werden pünktlich zum späten Dezember die Infektionszahlen wieder durch die Decke gehen.
    Wofür das Alles dann? Wieso akzeptieren wir nicht, dass das VIrus sich nicht mehr wirklich eindämmen lässt, und üben uns in EIgenverantwortung und Selbstschutz?

  2. 104.

    "Der richtige Gebrauch. Denn genau das macht fast keiner, einfach die Leute beobachten. Dazu noch der Irrglaube, dass man mit Maske sicher sei und daher keine Abstand bräuchte..."

    Eben. Im Grunde sind wir einer Meinung.
    Aber mir juckt es immer in den Fingern, wenn Sie wiederholt - verkürzt - sagen, Masken bringen nix...
    Aber gut, Punkt geklärt. Schön, dass wir mal darüber gesprochen haben...:-)))

  3. 103.

    Kontrolle. Das ist bei allem, was beschlossen wurde und wird tatsächlich die Nagelprobe. Was nicht in deiner Durchführung kontrolliert wird, kann auch nicht in Bezug auf seine Wirksamkeit bewertet werden. Da hat sich die Politik in der Tat angreifbar gemacht indem sie Verhaltensrichtlinien vorgegeben hat und es dann doch wieder weitgehend den Einzelnen überlassen hat, ob die sich dran halten. Die Zahlen zeigen: es hat so nicht gereicht. Es ist keine Panikmache. Es ist schlichte Statistik. Wer es laufen lassen will, der riskiert die Überlastung des Gesundheitswesens mit allen bekannten Konsequenzen. Wer sich für die stärkere Eindämmung entscheidet, riskiert schwere wirtschaftliche Belastungen bis hin zur individuellen Pleite. Ein klassisches Dilemma, bei dessen Beurteilung eigentlich keiner "Recht haben" kann. Wenn man also Maßnahmen zum solidarischen Gesundheitsschutz einfordert, müsste man also auch mit gleichem Recht solidarische wirtschaftliche Unterstützung denen gewähren wollen, denen durch diese Maßnahmen die wirtschaftliche Existenz gefährdet wird und bereit sein, die jetzt dafür erforderlichen Aufwendungen in Zukunft dann auch zu bezahlen. Es gibt nichts umsonst. Keinen Gesundheitsschutz und keine garantierte Wirtschaftsexistenz.

  4. 102.

    Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen in Berlin seinerzeit lief, hier habe ich in den krassen Zeiten erlebt, dass am Eingang ein Beschäftigter stand und nur immer eine gewisse Anzahl einließ. Das selbe erlebte ich im Baumarkt in Thüringen (Thüringen wurden Baumärkte nicht geschlossen), ein Mitarbeiter ließ 10 Leute rein, sobald 10 wieder draußen waren. Drinnen liefen Lautsprecherdurchsagen, den Besuch so kurz wie möglich zu halten. Wer durch lange Anwesenheit auffiel, wie auch ich, wurde direkt angesprochen..Es hat funktioniert

  5. 101.

    Ich vermisse da was: Gottesdienste. Dort gab es nachweislich viele Infektionen. Wenn man also Gaststätten oder Theater schließt, dann müssen GD erst recht ausgesetzt werden. Wer beten will, kann das genauso zu Hause machen.

  6. 100.

    Da unterliegen Sie scheinbar einem Irrtum: Meine Familie besteht aus 3 Personen. Alle 3 arbeiten, alle 3 fahren ÖPNV.
    Wie kommen Sie darauf, dass die Infektionskette aufhört, wenn ich zuhause angekommen bin?
    Kann mein Mann nicht den Kollegen anstecken, der dann sein Familie ansteckt, die dann ihre Kollegen anstecken, die dann ihre Familien anstecken??

  7. 99.

    Einzelhandel: Läden und Geschäfte sollen unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen insgesamt geöffnet bleiben. Es müsse aber sichergestellt werden, dass sich in den Geschäften nicht mehr als ein Kunde pro 25 Quadratmeter aufhalte.

    Wie bitte soll das in Supermärkten in Großstädten funktionieren? Haben die jetzt 24/7 offen?

    Und auf der Arbeit sitzen 3 Leute 8 Stunden in einem 25m2 Büro ... wie passt das zusammen?

    Ich hoffe, nicht nur Hr. Ramelow gibt hier insgesamt Widerstand!!!!
    Komplettes Versagen der Regierung im Gesundheitssystem müssen nun wieder alle Bürgen ausbaden.
    Ich denke, am Wochenende sind nicht nur die Geschäfte, sondern auch wieder die Straßen voll!!!

  8. 98.

    Was heißt denn bitte "wieder priorisieren müssen"? Wann war das denn bei uns der Fall?
    So schlecht kann es ja nicht sein hier, wenn wir schon wieder Patienten aus anderen Ländern aufnehmen!
    Man hatte monatelang Zeit, neue Pflegekräfte einzustellen - aber nein, brauchen wir ja nicht!
    An der kaputtgesparten Pflege ist die Regierung ja wohl selbst Schuld!

    Tote gehen nicht in Bars, Clubs, Theater etc, das stimmt.
    Aber Menschen, die kein Geld mehr haben wegen Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit etc. auch nicht

  9. 97.

    Ganz ganz ganz traurig, dass es soweit kommen muss ... meiner Meinung nach der falsche Weg!
    Aus zwei werden vielleicht drei oder vier Wochen. Ganz viele Firmen, Geschäfte usw. werden in Schieflage
    fallen und ggf. nie wieder öffnen.
    Als Berufstätige mit pflegebedürftigem Angehörigen wollte ich mich im ... ruhigen November ... erholen.
    Nach März verbringe ich jetzt den zweiten Urlaub im Shutdown. Ganz bitter ist das! Aber wenn interessierts?
    Ich hoffe, Frau Mutti hat den Geldsack aufgeschnürt und alle Anderen, die sich nicht in Rücksicht geübt haben, sollten sich ganz ruhig verhalten und nicht meckern!
    Weiterhin finde ich es falsch, Sportstätten wieder zu schließen!
    Mir fehlen wirklich die Worte!

  10. 96.

    Das Virus braucht Kontakte um sich zu verbreiten. Diese Kontakte müssen JETZT drastisch reduziert werden. Wenn jetzt nicht entsprechend gehandelt wird, ob mit oder ohne Vorgaben der Regierungen, haben wir eine "never ending story", die keinem hilft, auch Gastronomie, Handel, Kultur etc. nicht - und es würden weiter Gesundheit und Leben vieler Menschen bedroht.

  11. 95.

    Ich gebe Ihnen da völlig Recht. Ich habe auch die Meinung dass die Zahlen überhaupt nicht stimmen können, aber Hauptsache man verbreitet Panik und gibt der Regierung den Weg frei um unsinnige Massnahmen zu erlassen.

  12. 94.

    Lesen Sie bitte auch den Kommentar, auf den ich mich bezog. Da wurde geklagt, dass man zwar in den öffentlichen Verkehrsmitteln täglich mehreren Personen begegnet, dann aber nicht zu wenigen im Restaurant essen gehen soll. Ich habe mich nur auf diese Verhältnismäßigkeit bezogen. Es ist mir klar dass ab Restaurants existenzen hängen. Trotzdem geht es jetzt nunmal darum, vermeidbare Risiko Situationen zu unterlassen.

  13. 93.

    ...sehr gute Antworten, hatte auch schon überlegt, aber Ihre Antworten waren schneller.Danke

  14. 92.

    "...dass sie (bei richtigen Gebrauch und dem Einhalten aller anderen Sicherheitsmaßnahmen) die Ansteckungsgefahr mindert/mindern kann..."

    Genau das ist der Knackpunkt. Der richtige Gebrauch. Denn genau das macht fast keiner, einfach die Leute beobachten. Dazu noch der Irrglaube, dass man mit Maske sicher sei und daher keine Abstand bräuchte...

    Unter Laborbedingungen mag die Maske was bringen, in der Realität geht die Aktion nach hinten los.
    Warum gehen denn in Ländern wie Spanien oder Italien die Zahlen ausgerechnet ab Einführung einer generellen Maskenpflicht durch die Decke???

  15. 91.

    Frisörbesuch muss auch nicht sein, Haare waschen reicht.
    Es geht doch nicht um das "Essen gehen".
    Wer bezahlt vernichtete Existenzen ganzer Branchen und hunderttausende neue Arbeitslose?

  16. 90.

    Die Bevölkerung hat keine Chance nachzuvollziehen was das RKI überhaupt abbildet.
    Es fällt ihr nur auf,dass in Sachen Aufspüren des Ursprungs und Ausschalten von Corona gar nichts abgebildet wird.

  17. 89.

    Egal, wie viele Tests falsch positiv sind: Die Anzahl der an C19 erkrankten und die Krankenhäusern zu behandelnden Menschen wird das nicht beeinflussen.

  18. 88.

    Eben hatten wir als Indikator auch noch nur wenige Neuinfektionen und nun haben wir über 1000, Tendenz exponential steigend.

  19. 87.

    Trennungskinder gehören ja auch zu zwei Haushalten, die dürfen dann außer ihren Eltern abwechselnd niemanden sehen... schon gar nicht die Großeltern. Und im Schulunterricht und im Berufsleben treffen ziemlich oft auch mehr als zwei "Parteien" zusammen. Das beißt sich doch.

  20. 86.

    Das ist m.E. nach engstirnig gedacht - denn für die Gastronomen, die das Restaurant betreiben, ist das deren Arbeit und Überleben! Warum soll die Gastronomie wieder die Leidtragende der Pandemie sein - hier werden doch am meisten die Hygienevorschriften umgesetzt. Schlimmer sind die privaten Parties und Zusammenkünfte, die es dann erst recht wieder geben wird...

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