"Erst am Beginn einer Entwicklung" - Berlin rechnet mit mehr Geflüchteten aus der Ukraine

Di 15.03.22 | 18:08 Uhr
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Franziska Giffey (l, SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, und Katja Kipping (Die Linke) (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Video: Abendschau | 15.03.2022 | S. Wendling/H. Daehler | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Ein Großteil der Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland fliehen, kommt in Berlin an. Die Regierende Bürgermeisterin will zwar nicht den Katastrophenfall ausrufen, fordert aber mehr Hilfe vom Bund. Darin wird sie von fast allen Fraktionen unterstützt.

Berlin rechnet mit einem weiteren Anstieg der Flüchtlingszahlen aus der Ukraine. "Wir sind erst am Beginn einer Entwicklung", sagte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag nach einer Senatssitzung. Täglich kämen derzeit im Schnitt 10.000 Menschen aus der Ukraine in Berlin an.

Es müsse aber damit gerechnet werden, dass noch mehr Menschen kämen: Bis zu einem Viertel der ukrainischen Bevölkerung könnte ins Ausland fliehen - also rund zehn Millionen Menschen. Bislang sind den Vereinten Nationen zufolge drei Millionen Menschen aus dem Land geflüchtet.

Giffey appellierte daher erneut an die "föderale Solidarität" der anderen Bundesländer und drängte auf eine bundesweite Koordinierung bei der Verteilung der Geflüchteten. Jede Nacht würden in Berlin rund 1.000 der Geflüchteten über die Landesstrukturen untergebracht, sagte sie - alle anderen Bundesländer zusammen nähmen nur etwa diesselbe Zahl an Menschen auf. Hintergrund ist dass der Königsteiner Schlüssel, der etwa bei Asylbewerbern zum Tragen kommt, bislang bei den Kriegsflüchtlingen nicht greift. Berlin sei im Vergleich zu anderen Bundesländern deutlich stärker belastet, so Giffey.

Fast alle Fraktionen fordern stärkere Unterstützung vom Bund

Auch die anderen im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien, mit Ausnahme der AfD, fordern von der Bundesregierung stärkere Unterstützung bei der Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine. In einer gemeinsamen Erklärung von SPD, Grünen, CDU, Linken und FDP heißt es, Berlin könne die Versorgung und Unterbringung der vor Krieg und Zerstörung Schutzsuchenden nicht allein bewältigen.

Die fünf Fraktionen würden sich dafür einsetzen, dass die Geflüchteten gerechter im gesamten Bundesgebiet verteilt werden. Von der Bundesregierung fordern die Regierungs- und Oppositionsparteien im Abgeordnetenhaus, dass sie sowohl finanziell als auch logistisch hilft.

Die Vorsitzenden der Regierungsfraktionen erinnerten daran, dass es sich um die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg handele. Berlin sei eine solidarische Stadt, benötige aber dringend Unterstützung. CDU-Fraktionschef Kai Wegner sagte, seine Fraktion sei sich ihrer Verantwortung auch in der Opposition bewusst. Die Bewältigung dieser "humanitären Katastrophe" sei ohne Frage eine Aufgabe von nationaler Tragweite. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja erklärte, die Bundesregierung müsse endlich den Rahmen für die Registrierung der Geflüchteten festlegen.

Ankunftszentrum am Flughafen Tegel

Ab dem Wochenende soll am ehemaligen Flughafen Tegel ein sogenanntes Ankunftszentrum seine Arbeit aufnehmen, in dem bis zu 7.500 Menschen übernachten können, aber auch beraten, registriert und von dort weiterverteilt werden sollen. Das Ankunftszentrum soll laut Senatskanzlei täglich bis zu 10.000 Geflüchtete registrieren und erstversorgen können.

Giffey sprach von einem großen logistischen Aufwand. Allein für die Fahrt vor allem vom Hauptbahnhof zum neuen Ankunfszentrum würden pro Tag um die 200 Busse benötigt. Zudem würden mindestens 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht, um in dem Zentrum an bis zu 100 Schaltern einen Betrieb praktisch rund um die Uhr sicherzustellen. Dazu sucht der Senat aktuell Personal.

Giffey bittet in Rundbrief um Freiwillige aus Verwaltung

Benötigt würden für den 24-Stunden-Betrieb etwa 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Giffey baut dabei auf Freiwillige aus der Landesverwaltung, Unterstützung von Polizei und Feuerwehr, Personaldienstleister, Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie Angehörige von Bundespolizei und Bundeswehr.

Die Freiwilligen sollen ab 18. März jeweils rund drei Wochen in Tegel im Einsatz sein, heißt es in einem Schreiben der Regierenden Bürgermeisterin an Berliner Verwaltungsbeschäftigte. "Sie entlasten damit nicht nur Ihre Kolleginnen und Kollegen in den betroffenen Behörden, sondern leisten einen wichtigen Beitrag, Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine schnellstmöglich zu versorgen", so Giffey. Der Einsatz werde entlohnt, für Beschäftigte in höheren Tarifgruppen werde es Zuschläge geben. Auch für die Arbeit am Sonntag oder in der Nacht gebe es Zuschläge.

Auch das Landesamt für Einwanderung soll personell aufgestockt werden. Ziel sei es, allen Geflüchteten aus der Ukraine, die in Berlin aufgenommen werden, so schnell wie möglich einen Aufenthaltstitel zu erteilen, hieß es von der Senatskanzlei. Damit wird ihnen der Zugang zu Erwerbstätigkeit und Sozialleistungen ermöglicht.

Vorerst keine Ausrufung des "Katastrophenfalls"

Berlin befinde sich in einer "absoluten Ausnahmesituation", schrieb Giffey in dem Rundbrief. Zugleich lehnte sie es ab, angesichts der Herausforderungen den Katastrophenfall auszurufen. Das Berliner Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz biete bislang alle Möglichkeiten, sagte sie nach der Senatssitzung: von der Einrichtung von Krisenstäben, über Amtshilfe-Ersuchen bis hin zu Beschlagnahmungen, wenn nötig.

"Die jetzigen Möglichkeiten, die wir haben, sind noch nicht voll ausgeschöpft", sagte Giffey. Und auch in einer nächsten Phase, würde zunächst eine sogenannte Großschadenslage ausgerufen. Aber selbst dafür gebe es nach Einschätzung der aktuellen Situation keinen Anlass.

Giffey sagte, man müsse sich auch die Frage stellen, was durch die Ausrufung des Katastrophenfalls - wie von der CDU gefordert - besser werde. "Ich finde immer, wenn man schon am Anfang das stärkste Instrument nimmt, dann hat man nicht mehr so viele Möglichkeiten, um in einer Situation, die gegebenenfalls noch schwieriger ist, weitere Schritte zu gehen."

Sendung: Inforadio, 15.03.2022, 15:20 Uhr

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21 Kommentare

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  1. 21.

    Bezeichnend, was Sie als Diskussion deklarieren. Aber in einer Blase gilt dies vermutlich wirklich schon als Diskussion...

  2. 20.

    Es streitet keiner ab das sie ohne Visa einreisen dürfen, trotzdem Bedarf es der Kontrolle anhand Prüfung der Dokumente wer nach Deutschland einreist. Sie halten eine Registrierung nicht für notwendig und jeder der vorgibt Ukrainer zu sein darf in Deutschland und unserem Sozialsystem bleiben? Dann beschweren Sie sich nicht über zu wenig Wohnraum, zu wenig HartzIV, steigende Steuern und Abgaben, sinkende Renten und höheres Renteneintrittsalter, zu wenig mediz. Versorgung und Lehrer, kaputte Infrastruktur... mehr Menschen benötigen mehr Ressourcen und wenn ich da an die ganzen Demos in Berlin denke, haben wir schon seit Jahren von allem zu wenig.

  3. 19.

    Ich schreibe Sie auch nur ungern direkt an. In der Vergangenheit ist in den rbb24-Kommentarspalten ein Forist namens "Toska (aus Birkenwerder)" regelmäßig durch fremdenfeindliche Äußerungen und unreflektierte Schimpftiraden auf die Politik aufgefallen. Waren aber bestimmt nicht Sie...

  4. 18.

    Frau Giffey sollte erklären, wie lange sie Frau Kipping noch im Amte halten will. Denn, einerlei, ob nun mit Absicht oder wegen Unfähigkeit, Frau Kipping ist als Senatorin fehl am Platze, Nachdem Frau Kipping wegen des Wahldebakels, ihre Partei blieb unter der 5 % Grenze, den Posten der Linken-Chefin verlor, fand sie noch eine gut bezahlte Anschlussverwendung als Sozialsenatorin und wurde sozusagen "nach Berlin eingeflogen", denn mit Berlin hatte Kipping zuvor nichts zu tun, wo sie augenscheinlich weiter Schaden anrichtet.
    Frau Kipping, letzlich auch als Weisungsbefugte des Landesamtes setzte die Registrierung von Flüchtlingen aus. Man sei mit dem Andrang überfordert, hieß es. Und es wiederholt sich die Merkel-Situation von 2015, niemand weiß, wer sich als Ausländer im Lande aufhält.

    https://www.welt.de/politik/deutschland/article237559369/Berlin-Kriminalbeamte-werfen-Verwaltung-ideologische-Amtsfuehrung-vor.html

  5. 17.

    Statt Behauptungen aufzustellen sollten Sie sich mit der Rechtslage vertraut machen: Die Menschen reisen visafrei ein und können sich im gesamten Schengenraum frei bewegen.

  6. 16.

    Machen wir uns doch nix vor - wer wird denn in einem von Russland okkupierten Land (Ukraine) noch dort bleiben? Momentan: ja, die alten Damen und Herren, und die Männer, weil sie müssen. Wenn das wegfällt werden nur die nicht mehr mobilen alten Menschen bleiben, die eine Flucht nicht aushalten würden. Und die Freunde Russlands, oder gar Menchen rusischer Ethnie. Aber sonst? Der Rest kommt "rüber", und es ist tatsächlich auch gut so. Haltet also Plätze frei...

  7. 15.

    Danke für diese Information. Es ist ja überhaupt nicht zu schaffen.
    Ich freue mich sehr über so eine sachliche Diskussion wie mit Ihnen.

  8. 14.

    Lieber @Lothar/Charlottenburg
    Warum schreiben Sie mich nicht selber wenn Sie irgendwelche Probleme mit meinen Kommentar haben?
    Was Sie da schreiben tropft vor Scheinheiligkeit.
    Wer trägt denn nach Ihrer Meinung die Schuld das Berlin und andere Städte keine Flüchtlinge mehr aufnehmen können?
    Jede Selbshilfe ist auch mal erschöpft. Sie prangern mich in übelster Weise an obwohl Sie garnicht wissen was ich schon geleistet habe. Sie benehmen derart unverschämt mir gegenüber und sind dann noch zu feige mich direkt anzusprechen.
    Lieber rbb24 bitte lassen Sie den Kommentar durch oder machen Sie auch an diesen User eine Ansage denn langsam ist das nicht mehr schön, danke Toska

  9. 13.

    In Berlin will man wohl nicht. Der Bund der Kriminalbeamten hat einen Brandbrief geschrieben, weil die Landesbehörden die Registrierung der Ankommenden am Sonntag ausgesetzt hat. Auch Mitarbeiter des BAMF wurden für die Registrierung abgelehnt. Keiner weiß wer da als angeblicher Flüchtling einreist, obwohl in Deutschland ansonsten für alles Formulare und Anträge benötigt werden.

  10. 12.

    Das Problem der Berliner Linksregierung weitet sich nach Ansicht der Berliner Polizei zu einem gravierenden Sicherheitsrisiko aus. Im Grunde macht die Berliner Sozialsenatorin Kipping das, was sie früher als Chefin der Linkspartei gefordert hat, nämlich die weitestgehend ungehinderte Einreise von Allen, die dies wünschen. Kippings Behörde ist es ein Dorn im Auge, dass das sogenannte Fast-ID-Verfahrer, welches die Einschleusung von unerwünschten Personen DV-technisch erschwert, angewendet wird.

    https://www.welt.de/politik/deutschland/article237559369/Berlin-Kriminalbeamte-werfen-Verwaltung-ideologische-Amtsfuehrung-vor.html




  11. 11.

    Wo sind eigentlich die vielen tausend Menschen, die an der polnisch/belarussischen Grenze waren hin ?? Komischerweise Weise hört man da garnichts mehr .

  12. 10.

    Logisch muss man helfen, deshalb müssen aber nicht alle Flüchtlinge in Berlin untergebracht werden. Die Welt ist schon ein bisschen größer.

  13. 9.

    Das Problem ist bekannt. Die Grünen und Linke in Berlin wollen auch Bürger aus Drittländern, die aus der Ukraine kommen, als Kriegsflüchtlinge behandeln z. B. Studenten, Verkäufer usw.. Das Problem ist angeblich nicht beherrschbar. Ich habe die Befürchtung, die Ukraine wird damit das Einfallstor für Deutschland bzw. Europa.

  14. 8.

    Wie recht Sie doch haben.
    Bedauerlicherweise habe ich von dieser Userin aber auch nichts anderes erwartet als ständig nur auf die Politik zu schimpfen, anstatt Hilfe zur Selbsthilfe an die Betroffenen Ukrainer weiterzugeben. Es kann gar nicht genug betont werden welch herausragende Leistungen all die Freiwilligen, Ehrenamtliche momentan erbringen. So manche nehmen sich extra Urlaub um mitzuhelfen u.u. Ihnen gebührt mein allergrößter Respekt.

  15. 7.

    Ob Länderregierungen oder Bundesregierung zeigen mal wieder wie kaotisch sie was organisieren können mänlich garnicht. Die leittrangenden sind die Flüchtlinge.

  16. 6.

    Wie kann man angesichts der Bilder, die uns jeden Tag aus der Ukraine erreichen, so egoistisch sein? Wir haben eine absolute Ausnahmesituation, wo wir den Menschen so gut es geht helfen müssen. Der Krieg hat halt in jeder Hinsicht Auswirkungen auf unser Leben hier.

  17. 5.

    Die SZ ist eine sehr gute Zeitung.
    Die Zahl von der die Rede ist wird schon den Tatsachen entsprechen. Ich frage mich immer wieder ob unsere Politiker das nicht sehen oder nicht wahr haben wollen das , das alles zu einen gefährlichen Flächenbrand werden kann.
    Gerade in Cottbus, Erfurt, Rostock.
    So kann und darf es nicht weitergehen.
    Ich hoffe das bald Frieden kommt und die Menschen wieder in ihre Heimat können, wenn sie denn tatsächlich vor den Krieg geflüchtet sind, ich möchte nicht wissen was da alles so mitläuft.

  18. 4.

    In der SZ wird bereits über Zahlen gesprochen. Es werden für die Ukraine Flüchtlinge ca. 500.000 Wohnungen benötigt, überwiegend in den Großstädten.

  19. 3.

    Frau Giffey merkt aber auch alles.
    Berlin und Brandenburg schaffen es schon lange nicht mehr.
    Aber was soll irgendwie und irgendwo ist ja wohl immer noch ein Plätzchen frei.
    Wenn das der Anfang ist dann wage ich nicht an das Ende zu denken denn irgendwann hat die Bevölkerung auch mal die Schnauze voll.

  20. 2.

    CDU-Chef Friedrich Merz fordert die Registrierung aller Ankommenden an deutschen Grenzen: „Unter diesen Flüchtlingen ist nach unseren Einsichten mittlerweile eine größere Zahl an Flüchtlingen, die gar nicht aus der Ukraine kommen“.

    Wann gibts hier Klarheit, und was passiert mit den Migranten, die als Trittbrettfahrer und nicht Asylberechtigte in Deutschland auftauchen?

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