Eigene Anlaufstelle geplant - Erste Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine beantragen Asyl in Berlin

Wegen des Kriegs in der Ukraine sind viele Menschen auf der Flucht. Jetzt sind die ersten in Berlin angekommen, in einem Ankunftszentrum in Reinickendorf. Zuvor waren auch in Brandenburg Geflüchtete eingetroffen.
Die Berliner Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) hat die Bundesregierung und die Europäische Union aufgefordert, die ankommenden Geflüchteten aus der Ukraine unverzüglich als Kriegsflüchtlinge einzustufen. Das sagte sie bei einem Besuch im zentralen Ankunftszentrum in Reinickendorf, in dem bis zum Samstagnachmittag immer mehr Menschen aus verschiedenen Regionen der Ukraine angekommen waren.
Es brauche eine "unkomplizierte Einstufung, die die Aufnahme als Kriegsflüchtlinge ermöglicht, da stehen jetzt EU und Bundesregierung in der Pflicht", so Kipping weiter. Nur wenn den Geflüchteten dieser Status nach §24 Aufenthaltsgesetz zugesprochen werde, könnten sie sich frei bewegen und auch arbeiten. Beantragten sie hingegen Asyl, hätten sie diese Freiheiten nicht.
310 Geflüchtete angekommen
Seit Sonntag früh sind weitere 100 Ukrainerinnen und Ukrainer am Ankunftszentrum in Reinickendorf angekommen. Das bestätigte der Sprecher des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LEA), Sascha Langenbach, dem rbb. Damit haben sich seit Freitag insgesamt 310 Geflüchtete beim Landesamt gemeldet. Unklar ist, wieviele Ukrainerinnen und Ukrainer gar nicht nach Reinickendorf kommen, weil sie gleich bei Verwandten oder Freunden unterkommen.
Es seien sowohl Familien als auch Einzelpersonen gekommen, auch Menschen, die zu Besuch in Berlin waren und nun nicht mehr zurückkönnen, hieß es am Sonntagmittag. Unter den Geflüchteten sind nach Angaben des LEA auch Männer, die noch vor der Mobilmachung über die Grenze fliehen konnten. Die meisten seien mit Bussen oder Autos nach Berlin gelangt.
Das Landesamt rechnet mit weiteren Menschen, die vor allem über Polen in die deutsche Hauptstadt fliehen. "Viele warten jetzt erstmal ab, bis ihr Status geklärt worden ist von der Bundesregierung", sagte der Präsident des LEA, Alexander Straßmeir.
1.300 Berliner Unterkünfte frei
Einen Asylantrag gestellt hatte beispielwiese auch eine vierköpfige Familie aus einer Stadt in der Westukraine. Sie waren nur mit zwei vollgepackten Tüten in Reinickendorf angekommen. Der 30-jährige Kostja, seine Frau Natalja sowie die Kinder Ilya und Nastja hatten die Flucht nach zehn Stunden Stau an der ukrainisch-polnischen Grenze geschafft. "Wir dachten, wir seien im Westen der Ukraine noch sicher", sagte Kostja und zeigte dann Handyfotos eines brennenden Zwölfgeschossers nach einem Bombenangriff in seiner Stadt. "Als wir das gesehen haben, sind wir sofort los."
Das Ankunftszentrum in der Oranienburger Straße in Reinickendorf ist nur vorübergehend der zentrale Anlaufpunkt für die Geflüchteten. Anfang kommender Woche soll ein neuer Standort aktiviert werden, der ausschließlich für Menschen vorgesehen ist, die vorm Krieg in der Ukraine fliehen. Dort soll es neben der Registrierung und Gesundheitsversorgung auch Unterkunftsmöglichkeiten geben. Wo genau der neue Standort sein wird, ist noch unklar.
Derzeit hat das Landesamt in seinen rund 80 Unterkünften noch etwa 1.300 Plätze frei, weitere sollen in den nächsten Wochen geschaffen werden. "Wir schaffen jetzt das an Plätzen, was notwendig ist", sagte Sozialsenatorin Kipping. Anfang nächster Woche soll ein eigenes Ankunftszentrum nur für ukrainische Geflüchtete eröffnet werden. Der Standort sei noch in der Endabstimmung, so die Linken-Politikerin. "Natürlich stehen wir an der Seite der ukrainischen Bevölkerung. Wir heißen die Menschen, die vor dem schrecklichen Krieg fliehen müssen, mit offenen Herzen und Armen willkommen", betonte sie.
Bereits 100.000 Menschen nach Polen geflüchtet
Polen hat seit dem russischen Angriff auf die Ukraine rund 100.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland gezählt. Allein seit Samstagmorgen seien 9.000 Menschen aus der Ukraine über die Grenze gekommen, teilte der stellvertretende polnische Innenminister Pawel Szefernaker mit.
Auch in Brandenburg sind bereits Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine angekommen. Sie wurden am Freitag in Frankfurt (Oder) und Brandenburg an der Havel registriert. Nach Angaben des Potsdamer Innenministeriums hält das Land für das Wochenende 800 freie Plätze bereit. Sie befinden sich in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt und in der Außenstelle in Frankfurt (Oder).
Was die Unterbringung angeht, nannte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) im ZDF-"Mittagsmagazin" am Freitag eine konkrete Zahl. "Wir bereiten uns auf mindestens 10.000 Menschen vor, die wir aus der Ukraine in den nächsten Tagen unterbringen müssen", sagte er. Da Russlands Präsident Wladimir Putin inzwischen einen Krieg gegen die gesamte Ukraine führe, "müssen wir uns wohl leider auf eine längere Zeit einstellen und damit auch auf größere Flüchtlingsströme", so Woidke.
Sendung: Abendschau, 26.02.2022, 19.30 Uhr