Vom Präsidenten entlassen - Melnyk ist nicht mehr ukrainischer Botschafter in Berlin

Sa 09.07.22 | 22:07 Uhr
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Der ehemalige Ukrainische Botschafter Andrij Melnyk (Bild: imago images/Christian Spicker)
Bild: imago images/Christian Spicker

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, ist entlassen. Er hatte in der Vergangenheit mehrfach die deutsche Haltung im Ukraine-Krieg und auch das deutsche Kriegsgedenken kritisiert. Er selbst geriet auch immer wieder in die Kritik.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Botschafter seines Landes in Deutschland, Andrij Melnyk, entlassen. Das ging aus einem von der Präsidentenkanzlei in Kiew am Samstag veröffentlichten Dekret hervor.

Außer Melnyk wurden laut Präsidialamt auch die Botschafter der Ukraine in Norwegen, Tschechien und Ungarn sowie Indien entlassen. Selenskyj sprach von einem normalen Vorgang. "Diese Frage der Rotation ist ein üblicher Teil der diplomatischen Praxis", sagte er am Samstag in einer Videobotschaft, ohne einen der fünf Botschafter namentlich zu nennen.

Ob Melnyk nach seiner Entlassung als Botschafter für ein anderes hochrangiges Amt in Kiew oder anderswo vorgesehen ist, blieb zunächst offen.

Melnyk war seit Januar 2015 Botschafter in Deutschland - eine außergewöhnlich lange Zeit für einen Diplomaten auf einem Posten. Auch Kommentatoren in Kiew sagten am Samstag, dass dies etwa das Doppelte der üblichen Entsendungszeit gewesen sei.

Kritik wegen Äußerungen über ukrainischen Nationalistenführer

Melnyk wurde in Deutschland durch scharfe Kritik an der Ukraine-Politik der Bundesregierung bekannt. Zuletzt geriet er mit umstrittenen Äußerungen über den ukrainischen Nationalistenführer und Antisemiten Stepan Bandera unter Druck, dem Kollaboration mit den Nationalsozialisten vorgeworfen wird.

Melnyk bestritt in einem Interview mit dem Journalisten Tilo Jung [youtube.com], dass Bandera ein Massenmörder von Juden und Polen gewesen sei. Der Nationalist sei gezielt von der Sowjetunion dämonisiert worden. Die israelische Botschaft hatte Melnyk daraufhin "eine Verzerrung der historischen Tatsachen, eine Verharmlosung des Holocausts und eine Beleidigung derer, die von Bandera und seinen Leuten ermordet wurden" vorgeworfen.

Melnyk hatte anschließend tagelang nichts dazu gesagt, reagierte dann aber am Dienstag mit einem Tweet auf die Vorwürfe. Seine Worte adressierte er ausdrücklich auch an die "lieben jüdischen Mitbürger". Melnyk sprach von absurden Vorwürfen, die er entschieden zurückweise. "Jeder, der mich kennt, weiß: immer habe ich den Holocaust auf das Schärfste verurteilt." Die Nazi-Verbrechen des Holocaust seien eine gemeinsame Tragödie der Ukraine und Israels.

Melnyk forderte anderes Kriegsgedenken in Deutschland

Der Diplomat hatte in den vergangenen Monaten mit seiner scharfen Kritik auch an Kanzler Olaf Scholz (SPD) für Aufsehen gesorgt. Er warf Scholz und seinen Ministern unter anderem vor, zu zögerlich Waffen für den Kampf gegen die russischen Angreifer in die Ukraine zu liefern.

In Berlin hatte Melnyk ein zum Gedenken an das Kriegsende im Mai erlassenes Flaggenverbot an bestimmen Orten in der Stadt heftig kritisiert. Melnyk nannte das auf Twitter eine skandalöse Entscheidung und forderte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) auf, diese zu widerrufen. Das sei eine Ohrfeige für die Ukraine und ein Schlag ins Gesicht des ukrainischen Volkes.

Bei einer Rede im Brandenburger Landtag anlässlich des Gedenkens an das Kriegsende hatte Melnyk gefordert, ukrainische Kriegsopfer stärker in das Gedenken einzubeziehen. In Deutschland herrsche auch 77 Jahre nach Kriegsende ein "riesiger blinder Fleck" in der Erinnerung an die Barbarei der Nationalsozialisten, wenn es um die Ukraine gehe.

Sendung: Inforadio, 09.07.2022, 17:40 Uhr

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39 Kommentare

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  1. 39.

    Überfällig. Er wird als Weltkriegstreiber in Erinnerung bleiben.

  2. 38.

    Es wurde Zeit.

  3. 37.

    Nun ja, er selbst war ja keineswegs körperlich oder materiell bedroht, wohl ganz im Gegenteil. Es waren längst nicht nur seine Äußerungen zum Thema Bandera daneben, für seine wiederkehrenden Entgleisungen hätte ihm vermutlich so gut wie jedes andere Land auf dieser Welt schleunigst in die Schranken gewiesen. Anstand sollte ein sogenannter Diplomat schon wahren, erst recht, wenn er auch noch Forderungen stellen möchte.

  4. 36.

    Es wäre besser gewesen, wenn die deutsche Regierung diesen "Diplomaten" als persona non grata ausgewiesen hätte. Dafür hat diese Regierung aber nicht die Kraft.

  5. 35.

    Ihnen ist schon bewußt, daß Sie damit recht genau auf der russischen Argumentationslinie liegen für den Einmarsch in die Ukraine?

  6. 34.

    Stört hier einige eigentlich auch, dass russische Botschafter/Botschaften ihren Gadtgebenden Ländern wahlweise mit Vernichtung oder atomarem Holocaust oder schlicht das Existenzrecht absprichen?

    DAS ist unverschämt stört die Russenfreunde hier aber komischerweise nicht. Auch wenn Putins Chefpropagandistin die Eroberung oder Vernichtung Berlins fordert, scheint das Russlandfreunde nicht zu stören.

    Melnyk war ein Quälgeist für deutsche Putinverteidiger nicht mehr und nicht weniger. Mit vielem hatte er schlicht Recht, vermissen werde ich ihn aber auch garantiert nicht.

  7. 33.

    Danke für die Aufklärung, Herbert!
    Wenn man sich dann noch vergegenwärtig, dass 2014 im Kampf um den Maidan eben diese Truppen mit Panzern, die mit Hakenkreuzen beschmiert waren, frenetisch gefeiert wurden, ....
    Erinnert sei dann noch an die Assow-Horden, die schon vor dem Einmarsch der Wehrmacht mit den Judensäuberungen begannen, denen mindestens 1 Millionen zum Opfer fielen, heute noch gefeiert und herorisiert werden im Kampf gegen den Aggressor Russland.
    Beschämend, wie auch hier die Fakten relativiert werden.

  8. 32.

    Es war überfällig, dass dieser ungehobelte Flegel in die Wüste geschickt wird. Durch sein undiplomatisches Verhalten hat er der Sache der Ukraine extrem geschadet - Putin hätte sich keinen besseren nützlichen Idioten wünschen können.
    Die Stellungnahme für den Antisemiten Bandera hat zudem Putins Entnazifizierungsthese Vorschub geleistet.

  9. 30.

    Mal so nebenbei:

    Finde es immer wieder erstaunlich mit welchem Hochmut einige Deutsche über Andere richten.

    Schauen wir mal unsere Helden des Widerstandes gegen Hitler an. Die meisten jahrelange glühende Nationalsozialisten, die erst bei der drohenden Katastrophe "ihren" Führer versuchten aus dem Weg zu räumen. Glaubt hier einer Stauffenberg etc. hätten versucht Hilter zu töten, wenn der Krieg gewonnen gewesen wäre?

    Natürlich ist Bandera keine astreine Lichtgestalt. Aber eben eine Figur, die für einen ukrainischen Staat gekämpft hat. Zwischen Hitler und Stalin ist Bandera mit Sicherheit ein Waiesenknabe. Im übrigen ist mir nicht bekannt, dass Bandera persönlich an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen wäre. Die OUN war eher keine einheitliche Miliz in den Wirren von fast "jeder gegen jeden".

  10. 29.

    " vergessen in welcher Situation sein Land steckt. "

    das kann gar nicht vergessen sein bei den täglichen Meldungen. Ein Botschafter sollte aber die diplomat. Regeln beachten, Melnyk ist ja nicht bei der kämpfenden Truppe an der Front. Er sollte der Ukraine eine diplomat. Stimme geben und nicht das unterstützende Land beleidigen. Der frühere US Botschafter in Berlin, Grenell , war auch diplomat ein Elefant im Porzellanladen.

  11. 28.

    @g.nervt, das ist aber kein Grund, beleidigend zu werden. Er hat sich verbal zu oft zu weit aus dem Fenster gelehnt.
    Noch dazu auf diplomatischer Ebene.
    Selbst wenn Deutschland gar nicht helfen würde, wäre das unverschämt.
    So ist es noch unverschämter.
    So etwas geht gar nicht.
    Und ich glaube, die Info, dass er einen Posten im Außenministerium bekommen soll, ist nur diplomatisches Geplänkel, weil man ja nicht sagen, er ist als Botschafter untauglich.

  12. 27.

    Wir werden Ihn schrecklich vermissen!

  13. 26.

    Wer in diesem Land die Wahrheit sagt, wird politisch abgesägt!

  14. 25.

    Überfällig !
    Wir haben Tausende Ukrainer Tag und Nacht aufgenommen , Sonderzüge ,Flüchtlingsunterkünfte, und haben nur Kloppe von ihm bekommen !
    Die bösen ,unzuverlässigen Deutschen ….

  15. 24.

    Und kommt mal runter, nicht IHR habt der Ukraine geholfen...
    Richtig, das müssen wir auch nicht!

  16. 23.

    Ab an die Front,da kann er sich beweisen.

  17. 22.

    Dem kann ich nur zustimmen.
    Manche scheinen nicht zu wissen, dass er bereits seit 2015 Botschafter für die Ukraine in Deutschland ist. Dass er aufgrund der Krieges und der damit verbundenen Sorgen um die Menschen in seiner Heimat sehr deutliche und nicht immer diplomatische Worte genutzt hat, sollte nachgesehen werden. Es spricht für eine gewisse Hilflosigkeit und Verzweiflung, selber nicht viel tun zu können, als immer wieder um militärische Hilfe und Waffen zu bitten.

  18. 21.

    "... Und kommt mal runter, nicht IHR habt der Ukraine geholfen. ..."
    Und wer hat am Hauptbahnhof geholfen?
    Und woher kommt das Geld für Geflüchtete, Waffen usw.?
    Und wer stellt Unterkünfte zur Verfügung?
    usw.

  19. 20.

    Ich habe das gesamte Interview auf Youtube gesehen. Mit seinen Äußerungen hat er Putin in die Hände gespielt. Diplomatie geht anders. Gut, dass er endlich abberufen wurde.

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