Plattform "its learning" - Senat bringt Alternative für "Lernraum Berlin" auf den Weg

Di 05.01.21 | 19:19 Uhr
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Eine Schülerin einer privaten beruflichen Schule in der Jahrgangstufe 1, bedient an einem Notebook die Lernplattform ItsLearning. (Quelle: dpa/Marijan Murat)
Audio: Inforadio | 05.01.2021 | Sebastian Schöbel | Bild: dpa/Marijan Murat

Nach den Problemen mit der digitalen Unterrichtsplattform "Lernraum Berlin" will der Senat den Schulen nun eine Alternative aus Norwegen bieten: Das kommerzielle Angebot "its learning". Verdrängt die private Konkurrenz den landeseigenen Standard? Von Sebastian Schöbel

Dass sogenannte Lern-Management-Systeme während eines Lockdowns von Nutzeranfragen überwältigt werden können, weiß man nicht nur beim "Lernraum Berlin", sondern auch beim privaten Anbieter "its learning".

Im März, während des ersten Corona-Lockdowns, sei man von den vielen Zugriffen von Schülern und Lehrkräften überrascht worden, sagt Unternehmensvertreter Peter Sidro. "Dann haben wir innerhalb von ein, zwei Wochen hochskaliert, Nutzer auf erhöhte Serverkapazität umgelegt".

Alternative oder neuer Standard?

500.000 Nutzer täglich seien auf "its learning" aktiv, sagt Sidro. Das sind fünfmal mehr als beim "Lernraum Berlin". Die in Norwegen entwickelte Software wird vor allem in den nördlichen Bundesländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen genutzt. Auch in Berlin haben sich einzelne Schulen "its learning" bereits eigenständig beschafft, darunter das John-Lennon-Gymnasium in Mitte und das Victor-Klemperer-Kolleg in Marzahn.

Die Senatsverwaltung für Bildung hat den Berliner Schulen nun zugesagt, ihnen unbürokratisch den Umstieg auf "its learning" zu ermöglichen. Nicht als Ersatz für den "Lernraum", betont ein Sprecher der Bildungsverwaltung, sondern als zusätzliche Alternative. Sidro spricht von einem Basispaket, das mit zusätzlichen Funktionen erweitert werden kann - bis hin zum vollumfänglichen Service für alle denkbaren Anwendungen, je nach Bedarf der jeweiligen Schule.

Verhandlungen stehen noch aus

Das Programm sei vor allem dafür gedacht, Schulprozesse zu verbessern, sagt Sidro. "Es soll Lehrer unterstützen, Unterricht zu planen, durchzuführen und auch zu bewerten." Neben klassischen Funktionen wie dem Austausch von Dokumenten gebe es deswegen auch pädagogische Features, zum Beispiel Aufgaben, die innerhalb bestimmter Fristen online erledigt werden müssen. Zudem habe man die Rahmenlehrpläne der Bundesländer hinterlegt, so Sidro.

Verhandlungen zwischen Senat und "its learning" über einen Vertrag für das Land sollen allerdings noch nicht begonnen haben. Stefanie Remlinger, Bildungsexpertin der Grünen, befürchtet dennoch, dass damit dem Projekt "Lernraum Berlin" das Aus drohen könnte. "Deshalb sagen wir: Jetzt ist der richtige, notwendige Zeitpunkt, um in den Lernraum zu investieren."

Denn das Programm habe Potential, so Remlinger, vor allem auch wegen seiner Open Source-Architektur. Zudem sei die Entscheidung für "its learning" auch vergaberechtlich zu hinterfragen, so Remlinger. "Ich kann mir vorstellen, dass einzelne Schulen, die sich 'its learning' aus eigenem Geld gekauft haben, dumm aus der Wäsche gucken."

SPD will Lernraum weiterentwickeln

Acht Euro im Jahr kostet eine Basis-Lizenz von "its learning" pro Nutzer, inklusive Wartung und Speicherplatz, sagt Unternehmensvertreter Sidro. "Eine Verfügbarkeit wird vertraglich garantiert, damit man Rückforderungen stellen kann, falls das System nicht funktioniert." Zusätzliche Funktionen, etwa Videokonferenzen, kosten allerdings extra.

Die wissenschaftspolitische Sprecherin der SPD, Ina Czyborra, hat nichts dagegen, Berliner Schulen eine alternative Lern-Plattform zu bieten. Überhaupt seien ja bereits viele unterschiedliche Systeme an Schulen im Einsatz. "Aber ich will, dass wir den Lernraum weiterentwickeln und zum attraktivsten System ausbauen", sagt auch Czyborra.

Dafür müsse das Programm software-seitig aber neu aufgesetzt werden. Genau diesen Schritt hat die Bildungsverwaltung nach eigenen Aussagen bereits getan: "Derzeit wird parallel zum Routinebetrieb an einer schlankeren Neustrukturierung des Lernraum Berlin gearbeitet", teilt ein Sprecher der Verwaltung mit.

Debatte um Datenschutz

Doch das wird dauern, sagen IT-Experten. Bis dahin herrscht weiter digitaler Wildwuchs in der Berliner Bildungslandschaft. Den müsse der Senat eindämmen, durch Verträge mit privaten Anbietern, sagt Ralf Treptow, der Sprecher der Vereinigung der Berliner Oberstudiendirektoren. "Damit die Schulen die Auswahl haben, ob sie beim Lernraum bleiben, oder ob sie zu Microsoft Teams, Google oder dem Hasso-Plattner-Institut gehen."

Genau diese Auswahl hätten die Schulen nämlich bislang nicht, so Treptow. "Die Senatsverwaltung duldet, dass wir professionelle Systeme nutzen, aber die Datenschutzbeauftragte geht gegen einzelne Schulleiter vor, wenn das geschieht."

Maja Smolczyk, die Datenschutzbeauftragte des Landes, wiederum zeigt mit dem Finger auf die Bildungsverwaltung. Die müsse endlich die versprochene Liste mit zulässigen Programmen erstellen. Entsprechende Vorschläge habe man bereits unterbreitet.

Die Liste sei "in Arbeit", heißt es dazu aus der Senatsbildungsverwaltung. Ob sie fertig wird, bevor sich eine Vielzahl von Schulen vom "Lernraum Berlin" abwenden und ihr digitales Glück mit einem privaten Anbieter versuchen, wird sich zeigen.

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20 Kommentare

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  1. 20.

    Korrekt, allerdings erlauben sie mir die Anmerkung, wozu die DSGVO in dieser Situation nutzt.
    Er gab einen Zeit vor DSGVO und es es geb eine Zeit vor Corona Lockdown.
    Es gibt problemorientiertes Denken und es gibt lösungsorientertes Denken..
    Die Schule von meinem Sohn hat it's learning und wir sind zufrieden.

  2. 18.

    Sorry, aber so einfach ist es leider auch nicht.
    Gerade heutzutage soll individuell auf jeden Schüler und jede Schülerin und Lerngruppe eingegangen werden.
    Die Klassen sind heterogen wie noch nie. -> Inklusion, Integration, Differenzierung nach oben und unten...
    Da ist nix mit "ein Lehrwerk/ein Kanal für alle".
    Es kommt darauf an, wo liegt die Schule, in welchem sozialen Umfeld, in welchem Bezirk, wie sind die Lebensverhältnisse der Kinder zuhause, wie sind die räumlichen und technischen Voraussetzungen der Schule usw.
    um eben die Kinder gezielt unterstützen zu können.


  3. 16.

    Ist doch ganz einfach. Bundesweit werden 6 Fernsehkanäle freigehalten für 6 Klassenstufen vormittags, 6 nachmittags, im Digitalzeitalter kein Problem. Je ein oder mehrere kleine Länder sind für den Inhalt eines Faches zuständig, und dann wird Bildungsfernsehen gemacht. Dannach oder noch dabei Telko über Festnetz oder Handy, flat hat heute jeder. Ach so, da gibt es ja die Bundesländer mit Ihren Königreichgehabe. Und es gibt ja noch die einzelnen Schulen, die einen wollen rosa, die anderen grün. Ach so, und dann schwören einige auf Schulbücher von Müller, die anderen von Meyer und die dritten von Lehmann. Wann wachen wir endlich auf und merken, das dieses feudal- zersplitterte Bildungssystem nicht mehr in eine Welt passt, in der Wohnorte immer weniger zählen?

  4. 15.

    Herr Klein, da denken Sie zu kurz. Nur als Denkhilfe : Der größte Datenkrake in Deutschland ist die Schufa und da spielt es schon eine Rolle, welche Daten die bekommen und vor allem, was daraus gemacht wird. Die Folgen reichen tief in das Leben des einzelnen. Und keiner von uns hat eine wirkliche Vorstellung davon, was die KI-Algorithmen schon jetzt aus scheinbar harmlosen Aktionen ermitteln können. Und wer weiß, welche ID-Nummern die Kinder schon jetzt bei diversen Kraken haben, auch Kraken, die gar keine Gegenleistung für die bezahlten Daten erbringen. Bei Google bekomme ich immerhin noch einen gewissen Gegenwert für meine Daten....

  5. 14.

    Ich biete digitalen Unterricht an, aber für die 6. Klassen.
    Das klappt schon ganz gut.
    Die Eltern dürfen leider nicht vergessen, dass das mit jüngeren SuS schon schwieriger aussieht.
    Dieses brauchen auf der anderen Seite vom Bildschirm trotzdem Unterstützung und Anleitung,
    grade in technischen Belangen. Und... nicht wenige SuS leben in bescheidenen, beengten Verhältnissen in Flüchtlingsheimen. Da geht höchstens noch was übers Handy.
    Das mit dem Datenschutz...ich weiß nicht. Ja, Datenschutz ist grundsätzlich wichtig, aber ich finde das Theater
    etwas überzogen!
    Ich habe hier eine Rentnerin im Haus, die ALLES über die Leute hier UND über die komplette Straße weiß.
    Dazu braucht es offenbar keinen Computer.

  6. 13.

    Da es bisher doch gar keine Vertragsverhandlung betreffend itslearning gibt, braucht sich keiner die nächsten 6 Jahre irgendeinen Gedanken dazu machen.
    Die "Datenschutzspezialisten", die Sorge wegen des Lateintest des 7.Klässlers oder der Geometrie Aufgabe des 3. Klässlers auf den Servern von NSA haben, haben ihr Wissen sicher hochsicherheitskonform ausschließlich aus Bücern erworben, die sie nicht über Amazon gekauft haben.
    Ernsthaft: in einer schwierigen Bildungssituation können pragmatische Wege z.B. ms team tatsächlich eine Hilfe sein.
    und @ 9: wer sich über Angaben "nur in Englisch" beklagt, benutzt dann geographische Begriffe wie Städtenamen auch besser im Original oder auf Deutsch aber doch nicht auf Englisch......

  7. 12.

    Sie wissen schon, dass Microsoft sich ausdrücklich vorbehält, die dort hinterlassenen Daten für eigene Zwecke zu verwenden? Aber der Schutz unserer Kinder, eben auch Datenschutz, scheint ja vielen egal zu sein. Die Quittung bekommen die Kinder dann noch Jahre später.

  8. 11.

    Lächerlicher Kommentar. Genau wegen solcher Äußerungen funktioniert nichts. Unsere Schule nutzt MS Teams, mein AG im öffentlichen Dienst nutzt Microsoft etc. etc. Wir sind zufrieden, dass es diese Möglichkeiten gibt, ansonsten würden wir in Berlin noch mit der Schiefertafel und Kreide arbeiten.

  9. 10.

    Das Problem mit den großen amerikanischen Anbietern ist neben dem Datenschutz der Fakt das der Anbieter und nicht der Nutzer über die Funktionen entscheidet. Es gibt reichlich flexible passende Software aus Europa die an die eigenen Bedürfnisse optimal angepasst werden kann. Den Anbietern wenn kommerziell steht man bei Problemen auf Augenhöhe gegenüber. Bei MS oder Google kommt selbst ein Minister nur bis zur Tür eines Chefs der deutschen Niederlassungen, aber nicht an die der Chefs der Produktentwicklung in USA.
    Das Problem ist die Aufgabenstellung und Umsetzung.

  10. 9.

    Nach kurzer erster Ansicht halte ich "its lerning" nicht für DSGVO Konform. Server in Singapore? Datenschutzangaben nur in Englisch? Partner Google und MicroSoft?
    Lieber rbb vielleicht kann man das mal recherchieren?

  11. 8.

    So wie wir alle Einschränkungen hinzunehmen haben, um eine kleine Gruppe vor gesundheitlichem Schaden oder Tod zu bewahren, so hat auch die Mehrheit der "ich habe nichts zu verbergen" Fraktion, die Datenschutzbedenken einer Minderheit (warum eigentlich denkt nur eine Minderheit nach?) zu akzeptieren.
    Leistungs- und Verhaltensbeurteilung, Chats der LuLs und SuS haben nunmal nichts auf NSA-Servern zu suchen.

    Das gilt für alle Verwaltungen in D auch, aber das ist ein weiteres Feld der Datenschutzkatastrophe.

  12. 7.

    Es geht m.E. neben der Intransparenz im Umgang mit den Daten .. und das fängt schon damit an, dass man den Quellcode nicht kennt .. auch darum, sich nicht in eine Abhängigkeit zu begeben, aus der man nicht mehr herauskommt.

    Am Ende steht dann noch weniger IT Know-How im Berliner Bildungswesen und ein Wechsel aus den Abhängigkeiten wird unmöglich.

  13. 6.

    Eine eigene Moodleinstanz je Schule würde die Lasten doch ganz gut verteilen. Technisch sollte das doch kein Problem sein.

  14. 5.

    Fortsetzung : Wann bekommt jeder Schüler ein Tablet, auf dem die benötigten Schulbücher schon als E-Book vorliegen, inklusive eines Teils der Arbeitshefte. Ist am Ende vermutlich günstiger, als die Bücher jedes Jahr zu kaufen (E-Books können übrigens auch verliehen werden). Hübscher Neben-Effekt : Schlanke und leichtere Ranzen.
    Das Problem des Digital-Unterrichts - also wo der Lehrer vor der Kamera steht - ist nur zu lösen, wenn eine entsprechend starke Videokonferenz-/Streaming-Infrastruktur zur Verfügung steht.

  15. 4.

    Es werden keine Daten geschützt, wenn irgendjemand nicht Google oder Microsoft nutzt. Die Angst, dass die Daten auf "diesen Servern in Ametika" unsicher herumliegen ist völlig irrational und lässt sich nur dadurch begründen, dass sich Datenschützer nun endlich auch einmal wichtig fühlen wollen - auf Kosten der Allgemeinheit - Ja auf massive Kosten! Wo bleibt da die Gefahren/ Nutzen Rechnung? Nichts von dem, was das Land Berlin auf die Kette kriegen wird, wird je so gut sein wie Google oder Microsoft Produkte. Man gewinnt dadurch nur die zweeifelhafte Sicherheit vor einem Datendieb in Amerika, der sich die Mathehausaufgsben eines 8. Klässlers aus Deutschland aneignen will. Die eigentlichen Datenschutzbedenken sollten doch nicht in Amerika, sondern im direkten Umfeld liegen. Wer verhindert, dass die Plattformen zum Cyberbullying mißbraucht werden, wenn z.B Videokonferenzen mitgeschnitten werden? Eltern haben nicht vor dem Hacker in Amerika, sondern vor den Menschen im Umfeld Angst.

  16. 3.

    Pfiffig! US Unternehmen und deutscher Datenschutz. Können die Kinder gleich lernen wie US Unternehmen auf deutsche Gesetze schei... pfeifen...

  17. 2.

    Dieses Debakel um "Lernraum Berlin" ist symptomatisch für die ganze Berliner Bildungslandschaft!

  18. 1.

    Nehmt einfach M$ TEAMS, die Lehrer die Gerade in den Pandemieferien sind unterrichten und die Schüler schauen zu, ist doch ganz einfach.

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