Abgeordnetenhaus debattiert Corona-Verordnung - 10 Prozent aller Corona-Neuinfektionen in Berlin durch Mutationen

So 14.02.21 | 15:36 Uhr | Von Sabine Müller
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Im temporären Corona-Testzentrum im Berliner Kitkat-Club entnimmt ein Mitarbeiter in Schutzanzug einer Frau einen Abstrich für einen Coronatest. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Video: Abendschau | 14.02.2021 | Iris Marx | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Im Abgeordnetenhaus hat Gesundheitssenatorin Kalayci die Lockdown-Verlängerung angesichts immer häufiger auftretender Mutationen des Virus verteidigt. Die FDP und AfD hingegen forderten die Senatsverwaltung auf, die Corona-Regeln zu lockern. Von Sabine Müller

Eine Aussage war Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) offensichtlich besonders wichtig, denn sie betonte es mehrfach: Die Lockdown-Verlängerung sei keine leichte Entscheidung für den Senat gewesen, weil es um tiefe Einschnitte in das Leben der Menschen gehe. Aber sie verteidigte die Verlängerung und nannte als wesentlichen Grund dafür die zunehmend auftretenden Mutationen des Virus. 405 Fälle habe man in Berlin inzwischen gezählt, so Kalayci, die Mutationen machten aktuell mehr als zehn Prozent der positiven Tests aus. "Das können wir nicht ignorieren", warnte die Gesundheitssenatorin. Wenn die Virus-Varianten die Dominanz übernähmen, könne das Infektionsgeschehen eine andere Dynamik bekommen.

Die AfD zweifelte die Gefährlichkeit der neuen Virus-Varianten an. Fraktionschef Georg Pazderski sagte, mit dem Verweis darauf beraube der Senat die Menschen jeder Perspektive, jemals aus dem Lockdown herauszukommen. Er forderte: "Der Lockdown war von Anfang an falsch und deshalb kann er auch sofort beendet werden, ohne Teilschritte oder Stufenpläne."

FDP fordert stufenweise Lockerungen

Auch die FDP forderte Lockerungen, allerdings in Stufen, aktuell etwa für Museen oder Wochenmärkte. Bei der Notbetreuung in Schulen und Kitas dürfe die Systemrelevanz der Berufe der Eltern keine Rolle mehr spielen, sagte Fraktionschef Sebastian Czaja. Er warf Gesundheitssenatorin Kalayci vor, sie habe in ihrer Rede keine Öffnungsperspektiven und keinen Hoffnungsschimmer aufgezeigt und er zog dieses Fazit: "Der Senat erfüllt aus meiner Sicht nicht einmal mehr das Mindestmaß, was ein Krisenmanagement leisten müsste."

Der CDU macht besonders die ab dem 22. Februar geplante vorsichtige Schulöffnung Sorgen. Fraktionschef Burkard Dregger warf dem Senat vor, hier nicht genug für die Sicherheit zu tun und mit der Öffnung für die Klassen 1 bis 3 im Wechselunterricht ein Risiko einzugehen. "Schulen dürfen nicht zu Infektionsherden werden", warnte Dregger. Die CDU fordert, dass die Grundschulen erst aufmachen, wenn sie pandemiesicher sind. Wenn zum Beispiel in jedem genutzten Klassenzimmer ein Luftreiniger steht.

FDP will Kriterium "Systemrelevanz" abschaffen

Linke und Grüne verteidigten die Schulöffnungspläne. Der Fraktionschef der Linken, Carsten Schatz, argumentierte, man fange mit den Kindern an, für die Präsenzunterricht besonders wichtig und Homeschooling besonders schwierig sei. Schatz räumte ein, dass eine gewisse Skepsis bleibe, er sagte aber: "Wir müssen stets abwägen und es ist legitim und richtig, hier nicht nur das Infektionsrisiko, sondern auch die Folgen für Kindern und Eltern mit in die Waagschale zu werfen."

Marianne Burkert-Eulitz, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, lobte die Strategie des Senats, mit regelmäßigen Schnelltests für mehr Sicherheit zu sorgen. Sie forderte allerdings, auch Kita-Kinder müssten getestet werden. Das sieht die Strategie des rot-rot-grünen Senats nicht vor.

Es war die erste Corona-Debatte auf Basis des neuen Parlamentsbeteiligungsgesetzes, das dem Abgeordnetenhaus mehr Mitspracherechte in der Pandemie einräumt. Wenn wichtige Grundrechte eingeschränkt werden, muss sich der Senat jetzt die Zustimmung des Parlaments einholen. Heute gab es allerdings keine Abstimmung, was die CDU kritisierte, weil auch die Kontaktbeschränkungen verlängert wurden.

Offen bleibt, ob die CDU-Fraktion deshalb juristisch gegen die aktualisierte Infektionsschutz-Verordnung vorgeht. Fraktionschef Burkard Dregger hatte das in seiner Rede nicht ausgeschlossen.

Sendung: Inforadio, 14.02.2021, 13 Uhr

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Beitrag von Sabine Müller

24 Kommentare

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  1. 24.

    Schnelltestst schützen nicht diejenigen, die sich schon angesteckt haben, sie helfen nur, Infizierte schneller zu isolieren. Wen es schon erwischt hat, der hat dann halt Pech gehabt. Für den ist ein Schnelltest überhaupt keine Rettung oder Schutz, allentfalls für sein Umfeld. Um Infektionen wirklich zu vermeiden, hilft nur von vornherein Kontaktminimierung und -vermeidung.

  2. 23.

    "Viren mutieren immer, das ist ihre Natur. " Dumm nur dass Covidioten "vergessen" zu erwähnen dass die Mutationen ansteckender und tödlicher sind. Ihre Scheinargumente erinnern an Klimawandelleugner und andere Verschwörungstheoretiker.

    Man lässt die entscheidenden Informationen weg und strickt Verschwörungstheorien. KenFM und Hildmann lassen grüßen.

  3. 22.

    "Viren mutieren immer, das ist ihre Natur."

    Das hat auch niemand abgestritten. Aber wenn man schon weiß, dass die Mutationen zu einer deutlich höheren Ansteckungsgefahr führen und das Gesundheitssystem bereits infolge der ursprünglichen Variante an seine Grenzen stößt, muss man entsprechend reagieren. Alles andere wäre absolut dumm.

  4. 20.

    "Kalayci warnte, wenn die Mutationen zur dominierenden Form würden, drohe eine ganz andere Infektionsdynamik. "
    Wenn eine gelernte Bankkauffrau, unter Verwendung des politischen Konjunktivs es sagt, es dann muss es wohl auch stimmen.
    Mir wäre es allerdings lieber, wenn sich politische Entscheidungen auf harte Daten, die man wissenschaftlichen Studien entnommen hat, stützen würden. Mutationen stellen keine Katastrophe an sich dar, alle Viren, die Erkrankungen oberer Atemwege verursachen mutieren ununterbrochen und zwar seit Anbeginn der Evolution. Um eine Brücke zur epidemischer Gefahreneinschätzung zu schlagen bedarf jedoch einer Untermauerung mit Daten und Fakten. Sosehr es mir leid tut: eine allgemein gehaltene "es könnte sein" Vermutung reicht nicht um konkrete Maßnahmen zu rechtfertigen. .

  5. 19.

    Wenn man die aktuellen Berichte hinsichtlich neuer Infektionsmöglichkeiten und tatsächlicher Impfungen sowie die geplanten Maßnahmen zur Kenntnis nimmt ist mit weiteren Einschränkungen von Grundrechten und längeren Schließungen in der Reisebranche, dem Hotelgewerbe und der Gastronomie zu rechnen. Betroffen sind deren Mitarbeiterinnen und Zulieferer. Unser Staatswesen funktioniert mit und von Umsätzen jeglicher Art. Köche, Kellner, Verkäufer und viele andere Menschen haben nicht nur weniger Einkommen, sie konsumieren auch viel weniger. Diese Menschen sind ggf. auf staatliche Hilfen angewiesen. Viel mehr Staatsausgaben bei viel weniger Einnahmen. Es muss endlich von der Bundeskanzlerin, dem Finanzminister und dem Wirtschaftsminister vor der Bundestagswahl
    publiziert werden wie dieses extreme finanzielle Ungleichgewicht gestemmt werden soll.

  6. 18.

    Ich habe mir irgendwann in meinem langen Berufsleben angewöhnt,keine Zusagen mehr zu machen,wenn es nicht allein in meiner Entscheidung und meiner Hand liegt,eine Aufgabe oder ein Projekt zu erledigen/fertigzustellen. In dem Moment ,wo andere Personen/ Instutionen mitmischen,hat man keinen kompletten Einfluss und macht ggf. Zusagen,die man nicht einhalten kann. Das würde ich allen Verantwortlichen im Kleinen und Großen raten und Politikern erst Recht. Sonst weckt man Erwartungen,die man alleine ggf. nicht erfüllen kann und auch schon so gibt es bei allen Themen Besserwisser. Die haben den Vorteil,dass sie nicht beweisen müssen,ob sie es besser können.

  7. 17.

    Hanebüchener Vergleich. Sie sollten sich vielleicht zumindest mal ansatzweise informieren...

  8. 16.

    Die Maßnahmen basieren auf wissenschaftlichen Annahmen und Erkenntnissen. Und wer wird denn bitte eingesperrt?!?

  9. 14.

    Heißt das jetzt, dass wir ohne restriktiven Dauerlockdown auch trotz Impfung in permanenter Angst zu leben haben?

  10. 13.

    Stimmt nicht. Es ist erwiesen, dass die britische Variante deutlich ansteckender ist und die Infektionsdynamik erheblich beschleunigt, was zu einem massiven Kontrollverlust über die Pandemie führt. Insofern ist es sehr vorausschauend, die Maßnahmen anzupassen bzw. den Lockdown zu verlängern. Einfach mal lesen: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-britische-variante-verbreitung-usa-100.html

  11. 12.

    Die Wahrscheinlichkeit der Entstehung weiterer Mutationen steigt durch Neu-Infektionen. Denn das Virus hat nur während seiner Reproduktion im infizierten Menschen die Chance, stark zu mutieren. Ich muss mir das auch immer wieder in Erinnerung rufen wenn es gilt, die Einschränkungen für die Vermeidung von Neu-Infektionen (auch) unter Hinweis auf die Verdhinderung der Entstehung weiterer Mutationen zu erklären. Und erstmal so hinzunehmen.

  12. 11.

    Das ist absoluter Quatsch! Welchen Sinn sollte RRG denn darin sehen, die Menschen grundlos "einzusperren"? Ich denke mal, Vorsicht ist besser als Nachsicht.

  13. 10.

    Nein,man weckte zu hohe Erwartungen,denn eigentlich ging alles schneller als sonst. Solche Produktionen lassen sich aber nicht von jetzt auf gleich hochfahren.

  14. 9.

    Das gilt dann aber nicht nur für Berlin sondern weit über unsere Grenzen hinweg. Wahrscheinlich hat unser Senat die Regierungschefs der anderen Bundesländer und Europaweit bestrochen,damit sie mit denselben Argumenten das Gleiche tun. Teilweise schon vorher.
    Ironie Ende :-)

  15. 8.

    Mit Angst vor Mutationen kann man den Lockdown for ever begründen. Viren mutieren immer, das ist ihre Natur.
    Die Menschheit lebt schon immer mit Viren und Bakterien und hat bisher immer überlebt. Und da die Politik in Dtschl./EU es nicht geschafft hat den Impfstoff in großer Menge zu ordern wird das Land weiterhin im Lockdown festhängen bis.......

  16. 7.

    Nein, offensichtlich wird nur dass die FDP inzwischen den Schulterschluß zu Covidioten und Rechtsextremen sucht. Tegel ist ja nicht mehr, wo man den Leuten Sand in die Augen streuen kann.

  17. 6.

    Wo bleiben Impfstoff und Medikamente?
    Irgendwann wurde doch auch Penizilin entdeckt.
    Setzt man hier evtl. völlig falsche Prioritäten?

  18. 5.

    Es ist offensichtlich das die Mutation als Ausrede für den Berliner Senat dient, die Berliner weiterhin einzuschränken und einzusperren, denn wissenschaftlich Beweise gibt es nicht für die Behauptungen der Gesundheitssenatorin, es wird aufgrund von Annahmen und unbewiesenen Befürchtungen agiert.

  19. 4.

    Wenn ich diesen Artikel lese hat daß nichts mehr mit einer Diskussion zur Bekämpfung des Corona Virus zu tun. Für mich ist daß der blanke Wahlkampf wo sich jeder in die beste Position bringen will wobei man von den Unfähigen keinen wählen kann.

  20. 3.

    "Es ist keine Abstimmung geplant" - was soll dann die Debatte im Abgeordnetenhaus?
    Den Weg und die Zeit könnte man sich eigentlich sparen, nur eine Alibiveranstaltung - man hazt ja die Abgeordneten in die Beratung mit einbezogen.

  21. 2.

    Bin erstaunt das die Senatorin für Gesundheit sich überhaupt noch zu Wort meldet, grenzt schon an eine bodenlose Frechheit!

  22. 1.

    „ Die FDP und AfD hingegen forderten die Senatsverwaltung auf, die Corona-Regeln zu lockern.“
    Na da sehen wir doch gleich mal, wer die Zusammenhänge nicht erkennen kann und wen wir zur nächsten Wahl nicht wählen.

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