Astrazeneca für Jüngere - Berlin beendet für Unter-65-Jährige Wahlfreiheit bei Impfstoffen

Moderna oder Biontech: Berlinerinnen und Berliner hatten beim Corona-Impfstoff bisher die Wahl. Mit Ankunft des dritten Impfstoffs ist das nun vorbei: Wer zwischen 18 und 65 Jahren alt ist, bekommt nur noch den von Astrazeneca.
Menschen, die jünger sind als 65 Jahre, können sich in Berlin ausschließlich mit dem Impfstoff von Astrazeneca impfen lassen. Das erklärte Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Mittwoch. "Bei Astrazeneca gibt es keine Wahlfreiheit", sagte die SPD-Politikerin.
Bislang wird der Astrazeneca-Impfstoff nur im Impfzentrum im ehemaligen Flughafen Tegel eingesetzt.
Bis Anfang der Woche noch Wahlfreiheit bei Online-Terminvergabe
Zwar würden nach wie vor in den unterschiedlichen Impfzentren unterschiedliche Impfstoffe ausgegeben, hieß es von der Senatorin. Personen, die jünger als 65 Jahre sind, hätten dabei aber keine freie Wahl, so Kalayci. Sie stützt sich auf die Empfehlung der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut: Laut aktueller Impfverordnung [bundesgesundheitsministerium.de] sollen Impfstoffe, die nur für Menschen zwischen 18 und 65 Jahren empfohlen werden, auch "vorrangig" nur für diese Personengruppen eingesetzt werden.
Für Berlin hatte Kalayci zunächst die Wahlfreiheit bei Impfstoffen als besonderen Service hervorgehoben. Das aber schränkt die Senatorin nun ein - was sie auf mehrfache Nachfrage des rbb am Dienstagabend noch vermieden hatte.
Bis Anfang der Woche konnten nach rbb-Informationen über das digitale Termin-Management auch noch Impftermine in allen Berliner Impfzentren gebucht werden. Lediglich bei Terminbuchungen über die Telefonhotline wurde bereits darauf hingewiesen, dass Menschen unter 65 Jahren nur mit Astrazeneca in Tegel geimpft würden. Inzwischen wurde auch die Termin-Software umgestellt.
Kalayci räumte ein, dass die Nachfrage nach dem Astrazeneca-Impfstoff bislang etwas hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei. Laut Gesundheitsverwaltung lagen bis Mittwoch rund 5.000 Terminbuchungen in Tegel vor.
Kalayci: Keine Bedenken bei Astrazeneca-Impfstoff
Kalayci betonte gleichzeitig, Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit des Präparats seien unbegründet. Mittlerweile seien rund 6.300 Menschen in Berlin mit dem Impfstoff von Astrazeneca geimpft worden. Die Zahlen waren von Dienstag auf Mittwoch sprunghaft angestiegen - Grund sind nach rbb-Informationen Nachmeldungen von Impfungen des Krankenhauspersonals.
Auch der Charité-Virologe Christian Drosten hält eigenen Angaben zufolge grundsätzliche Bedenken gegen den Astrazeneca-Impfstoff für unbegründet und spricht sich für einen breiten Einsatz des Präparats aus. "Ein sicherer und wirksamer zugelassener Impfstoff schützt", sagte auch der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch. Das gelte für alle drei bisher in der Europäischen Union zugelassenen Präparate von Astrazeneca, Moderna und Biontech/Pfizer. Sich impfen zu lassen, sei in dieser Pandemie ein Gebot der Vernunft. "Wer damit wartet, riskiert schwer zu erkranken, und er riskiert auch, das Virus weiter zu verbreiten."
Die Gesundheitssenatorin Kalayci würde den Astrazeneca-Impfstoff ab März gern auch an Hausarztpraxen liefern lassen, sagt sie, denn es ist bislang das einzige in Deutschland zugelassene Vakzin, mit dem das technisch möglich wäre. Dazu fehle aber bisher die Erlaubnis vom Bund. Es gebe dringenden Bedarf, diese Verordnung zu überarbeiten, sagte Kalayci. Sonst könne Berlin nur mit einem Trick arbeiten - und die Praxen zum Beispiel zu mobilen Impfteams erklären.
Streit in der Ärzteschaft um Impfbereitschaft
Derweil ist unter Deutschlands Ärzteschaft ein Impf-Streit entbrannt. Frank Ulrich Montgomery, der Vorsitzende des Weltärztebundes, hatte sich dagegen ausgesprochen, medizinisches Personal und Pflegekräfte mit dem Corona-Impfstoff des Herstellers Astrazeneca zu impfen. Der Impfstoff sei zwar genauso sicher wie die anderen. "Doch die geringere Wirksamkeit lässt sich nicht wegdiskutieren", sagte Montgomery der "Rheinischen Post". "Daher halte ich es für geboten, Menschen mit hohem Infektionsrisiko, zu denen medizinisches Personal oder Pflegekräfte gehören, mit besser wirksamen Vakzinen zu impfen." Er habe Verständnis für medizinisches Personal, dass sich nicht mit dem Astrazeneca-Impfstoff impfen lassen wolle.
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, widersprach: Ärzte und Pflegekräfte, die jünger als 65 Jahre sind, nun stattdessen weiter mit den Mitteln von Moderna und Biontech/Pfizer zu impfen, würde bedeuten, diese Impfstoffe den Älteren wegzunehmen. Genauso falsch sei es, sich dann gar nicht impfen zu lassen, so Reinhardt im Interview mit der Zeitung "Die Welt". "Das finde ich zum jetzigen Zeitpunkt, wo wir nach wie vor Impfstoffknappheit haben und gar nicht die Wahl haben, uns zu entscheiden völlig unangemessen." Mit Hinblick auf das Vermeiden von schweren oder tödlichen Verläufen und das Vermeiden von Krankenhausaufenthalten sei der Impfstoff von Astrazeneca seinen Erkenntnissen zufolge "ähnlich hoch wirksam wie die von Biontech oder Moderna".
Experten warnen vor Rückstand bei Impfzeitplan
Astrazeneca hat eine geringere Wirksamkeit als die Mittel von Biontech/Pfizer und Moderna - bezogen darauf, wie viele Geimpfte in Studien im Vergleich zu Nicht-Geimpften erkranken.
Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) rechnet damit, dass es den Impfzeitplan der Bundesregierung um mehrere Wochen zurückwerfen könnte, wenn weiterhin nur ein Bruchteil des Astrazeneca-Mittels verimpft würde. "Ohne den Impfstoff von Astrazeneca könnte es bis zu zwei Monate länger dauern, bis dieses Ziel erreicht ist", sagt ZI-Chef Dominik von Stillfried dem "Handelsblatt". Das Institut hatte in einem Bericht für das Bundesgesundheitsministerium errechnet, dass bis Mitte September allen Bürgern ein Impfangebot gemacht werden könnte – unter der Voraussetzung, dass auch die bislang nicht zugelassenen Impfstoffe von Johnson Johnson und Curevac zum Einsatz kommen.
Die Kommentarfunktion wurde am 17.02.2021, 19:50 Uhr geschlossen
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