Interview | Winterschule in Berlin - "Wir brauchen für benachteiligte Schüler eine Rückkehr zum Präsenzunterricht"

Mo 01.02.21 | 17:23 Uhr
  7
Ein Junge im Homeschooling (Quelle: dpa/Stephan Schulz)
Audio: Inforadio | 01.02.2021 | Interview mit Maja Lasic (SPD) | Bild: dpa/Stephan Schulz

In dieser Ferienwoche bietet Berlin die Winterschule für benachteiligte Kinder und Jugendliche an, um Unterrichtsstoff nachzuholen. Doch die könne nur einen Teil der Betroffenen erreichen, sagt Maja Lasic, bildungspolitische Sprecherin der SPD, im Interview.

rbb: Frau Lasic, wie schwer ist die Zeit gerade für Kinder und Jugendliche, die für Home-Schooling nicht die besten Voraussetzungen haben?

Maja Lasic: Ich vermute, dass wir erst lange nach Corona feststellen werden, wie hart diese Zeit wirklich ist. Denn einen Teil der Probleme, wie beispielsweise Kinderwohlgefährdung, merkt man akut. Aber die Schäden, die die Bildungschancen betreffen, werden sich erst nach einem längeren Zeitraum bemerkbar machen. Deswegen mache ich mir um diese Gruppe der sozial benachteiligten Kinder und Jugendlichen in besonderer Art und Weise Sorgen in dieser Krise.

Jetzt sollte es für diese Kinder und Jugendlichen in dieser Woche eine Winterschule geben. Wie stellen Sie sicher, dass dieses Angebot alle Familien, die es auch wirklich brauchen, auch erreicht?

Es ist eine Utopie zu glauben, dass dieses Angebot alle Kinder erreicht. Was Winterschule bieten kann, ist, dass die Kinder mit besonderen Problemlagen - ungefähr 4.500 Kinder - erreicht werden. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass das die einzigen Kinder sind, die Präsenzunterricht und Kompensation brauchen. Gerade Kinder in besonderen Lagen - das sind in Berlin etwa 150.0000 - brauchen die Rückkehr zum Präsenzunterricht. Deswegen zählen wir die Tage, bis wir zumindest zum Hybrid-Unterricht zurückkehren können. Denn das ist das einzige, was diesen Kindern wirklich hilft.

Eine Flüchtlingsfamilie hat berichtet, dass sie noch gar nicht vom Angebot der Winterschule gehört hat.

Das kann tatsächlich vorkommen. In der Praxis funktioniert es so, dass die einzelne Schule Empfehlungen ausspricht, wer teilnehmen soll. Im Fall dieser Familie hat sich womöglich die Schule für andere Kinder entschieden. Und das kann es mittelfristig einfach nicht sein. Wir brauchen für benachteiligte Schülerinnen und Schüler eine Rückkehr in die Schule und zum Präsenzunterricht.

Im Moment ist völlig unklar, wann die Schulen wieder regulär öffnen. Für welche Strategie würden Sie plädieren? Wann könnte man die Schulen wieder öffnen?

Ich bin eine Verfechterin des Hybrid-Unterrichts und eine stückweisen Öffnung zu etablieren. Sollte man auf Grund der Inzidenzzahlen weiterhin bei einem kompletten Lockdown bleiben, muss die Öffnung des Notbetriebs auch auf Schüler mit besonderem Förderbedarf ausgeweitet werden.

Es besteht die Sorge, dass Kinder in der Pandemie abgehängt werden, dass ihnen Bildungschancen wegbrechen. Unklar ist, inwieweit Schulen Pandemie-Treiber sind. Und wenn man auf Nummer sicher gehen will, lässt man die Schulen einfach zu.

In dieser Notlage ist es immer eine Abwägung zwischen Gesundheitsschutz und Wahrung von Bildungschancen. Wir müssen aber die Kinder im Blick behalten, die erst seit einem Jahr in Deutschland oder in der ersten Schulklasse sind. Trotz Tablet, trotz aller Unterstützung von Lehrern brauchen diese Kinder eine pädagogische Begleitung vor Ort.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Maja Lasic führt Leon Stebe, Inforadio.

Der Text ist eine redigierte und gekürzte Fassung. Das komplette Interview können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: Inforadio, 01.02.2021, 10:05 Uhr

Was Sie jetzt wissen müssen

7 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 7.

    Mit dieser Einstellung kommen wir prima voran. Da haben wir doch gerne 300€ Kinderbonus/Kind gegeben.

  2. 6.

    Nach einem Jahr sind wir nicht in der Lage Schulen zu öffnen. Während viele Länder das schaffen, schaffen wir uns ab. Für unser wichtigstes Gut die Kinder gibt es keinen Plan. Eine Schande dieses Land. Ich weiß auf jeden Fall wen ich nicht wählen werde, nämlich alle die weiter für geschlossene Schulen eintreten. Kinder sind nicht ausschlaggebend für das Pandemigeschehen, aber sie sind unsere Zukunft. Wir brauchen keine Gesundheitsregierung sondern Experten. Die Regierung sollte das machen wofür sie gewählt wurde und das ist sicher nicht die Abschaffung der Grundrechte.

  3. 5.

    Das Beste und Ehrlichste, was ich hier auf den Seiten zum Thema gelesen habe.

  4. 4.

    Welches Schulkind ist denn nicht benachteiligt? Der Versuch, Kinder bestimmter Gruppen zu größeren Opfern zu stilisieren, ist einfach nur dumm und bezeugt die eigene Unfähigkeit.

  5. 3.

    Es mangelt an guter Leitungsqualität und an dem Engagement einiger einzelnen Lehrkräfte. Dazu die mangelhaften oder ganz fehlenden technischen Resourcen und das Bild ist komplett. Kaputt gespart auf Kosten der neuen Generation.Leider war und ist es den Verantwortlichen wichtiger, was andere Länder über sie denken, als das, was die eigene Bevölkerung über sie denkt.

  6. 2.

    Oh ja so besorgt!? Das ist doch nur Augenwischerei ! meine Kinder 8 bzw 10 sitzen seit März 2020 zu Hause ( Risikogruppe) aber Hilfe etc Fehlanzeige ! Sommerferien wurde meinen Kindern 1 iPad angeboten, da hatte ich schon die Kinder 3 Monate selbstständig unterrichtet! Kindeswohl interessiert die Politik doch gar nicht oder wieso blockiert der Senat für Kinder von Risikogruppen ein Digitales Endgerät ? Müssen wegen Masken etc mehr Geld ausgeben und als Dank muss ich die Tablets auch noch selbst löhnen als Hartz4 Empfänger ! Klage Sozialgericht seit 7 Monaten und muss warten.
    Kindeswohl wird hier nur vorgeschoben um ja zur Wahl gut dazustehen.

  7. 1.

    Jupp, der erste Tag der Winterschule liegt hinter mir. Die Klassenlehrerin der 9.Klässler meinte, ihre Kinder seien die einzigen der gesamten Schule, die dafür vorgeschlagen wurden. Alle anderen Lehrerinnen und Lehrer pennen mehr oder weniger.
    In meiner eigenen Schule wurden die Klassenlehrer erst gar nicht gefragt, obwohl die Hälfte meiner 7. Klässler den Unterricht der Winterschule bräuchte. Dieses Schulsystem ist so unglaublich träge, ein Teil der Lehrer und Leiter hat sich eingerichtet und wird einfach nicht wach.

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren

Symbolbild: Neuhardenberg (Brandenburg) - Ein Mitarbeiter einer Gartenbaufirma richtet im Schlosspark im brandenburgischen Neuhardenberg mit letzten Handgriffen ein riesiges Osterei. (Quelle: dpa/Pleul)
dpa/Pleul

Osterfeierrituale - Erst Stock im Feuer, dann Ei im Gras

Es wird gebrannt, gebadet und hinter rollenden Eiern hergelaufen - all das findet bei vielen in Berlin und Brandenburg ganz ohne Kerzen und wie selbstverständlich ohne Gebet und Andacht statt. Einfach nur Ostern eben. Von Stefan Ruwoldt

Pal Dardai
IMAGO/Matthias Koch

Hertha empfängt den Club - Topspiel im Tabellen-Niemandsland

Hertha und der 1. FC Nürnberg zeigen bislang einen ähnlichen Saisonverlauf. Nach Aufs und Abs stecken beide jungen Teams im Mittelfeld der Tabelle fest. Doch nach dem furiosen 5:2-Sieg gegen Schalke schöpfen die Berliner noch einmal Hoffnung.