Interview | Corona-Ambulanz-Chef - "Logistisch sind Antikörpertests für alle nicht durchführbar"

Do 18.03.21 | 07:26 Uhr
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Ein Mann gibt mit einer Pipette Blut auf einen Schnelltest auf Antikoerper des SARS-CoV-2 Virus. (Quelle: dpa/Daniel Reinhardt)
Audio: Inforadio | 17.03.2021 | Jenny Barke | Bild: dpa/Daniel Reinhardt

Ein Dokument soll künftig das Reisen in der EU wieder erleichtern. Neben Geimpften sollen auch Covid-Genesene mit einem Antikörpertest aufgelistet werden. Doch flächendeckend sei das nicht realisierbar, sagt Malik Böttcher, Leiter der Berliner Corona-Ambulanz Havelhöhe.

rbb: Herr Böttcher, am Dienstag hat der EU-Parlamentarier Manfred Weber (CSU) vorgeschlagen, einen Antikörpertest in den geplanten Impfpass aufzunehmen, um auch Menschen die Reisefreizügigkeit wiederzugeben, die wohl bis zur Reisesaison im Sommer kein Impfangebot bekommen können. Was halten Sie von der Idee?

Malik Böttcher: Wenn wir jetzt sagen würden: Wir testen jede Person in Deutschland, also vielleicht 60 Millionen ungeimpfte Deutsche über 16 Jahren, und bestimmen die Antikörper, um dann zu entscheiden, wir impfen nur diejenigen, die keine Antikörper haben: Dann halte ich diese Idee für logistisch nicht umsetzbar. Das schafft man nicht. Das müsste in den Praxen gemacht werden, dann müssten in den meisten Praxen wohl mehr als 200 Leute pro Tag getestet werden.

Das würde auch eine Mobilität hervorrufen im Land, bei der sich dann noch mehr Leute in der U-Bahn auf dem Weg zum Antikörpertest anstecken würden. Ich sehe überhaupt keinen Sinn drin, dass man da Haus- und andere Ärzte mit einbindet.

Und wenn wir sagen: Wir machen diese Aktion mit Selbsttests zu Hause, die man dann ins Labor schickt, ist dann ja nicht nachweisbar, ob es sich wirklich um die Person handelt oder ob nicht doch der Kumpel, der schon Corona gehabt hat, dann mal sein Blut gespendet hat.

Wie funktioniert überhaupt ein solcher Antikörpertest?

Anders als bei einem Antigen-Schnelltest oder einem PCR-Test werden bei einem Antikörpertest nicht Proben aus der Nasen- oder Rachenschleimhaut von potentiell Infizierten abgestrichen, sondern es wird bei genesenen Menschen Blut entnommen. Das Blutserum wird dann darauf überprüft, ob es Antikörper gegen Covid-19 enthält.

Diese Antikörpertests kann entweder der Hausarzt oder ein Laborarzt durchführen - oder man kann ihn selbst zu Hause machen. Bei den Selbsttests, die auch zu Hause ausgewertet werden, ist allerdings die falsch-positive Rate sehr hoch. Um das zu verhindern, gibt es auch sogenannte Testboxen, mit denen Interessenten Blut aus der Fingerbeere entnehmen und dann in ein Labor schicken.

Was würden Sie raten?

Im Moment würden wir komplett davon abraten, zur Testung zu kommen. Man kann natürlich mal anrufen und fragen und den Fall schildern. Aber das sollte nach Möglichkeit die Seltenheit sein. Viele Berliner Labore haben schon die Hände gehoben und gesagt: "Bitte nicht noch mehr Antikörpertests durchführen, die nicht dringend notwendig sind!"

Den Laboren fehlt hier nicht das Know-How oder das Personal. Denen fehlt das Material, das gerade europaweit Mangelware ist und das man braucht, um diese Tests qualitativ hochwertig durchzuführen. Das heißt, wir würden das gar nicht schaffen in den Hausarztpraxen und dazugehörigen Laboren.

Wie zuverlässig sind Antikörpertests?

Das ist eine strittige Sache. Wir haben die Tests bereits im Mai vergangenen Jahres immer wieder angewendet und uns gewundert, dass viele Personen, die nachweislich beim PCR-Test positiv getestet wurden, im Antikörpertest nicht reagiert haben. Aber die Qualität ist dann immer besser geworden.

Wir wissen auch, dass etwa ein Drittel derjenigen, die eine Erkrankung durchgemacht haben, nach etwa vier bis fünf Monaten keine Antikörper mehr nachweisen. Das heißt aber noch lange nicht, dass diese Person nicht mehr immun ist. Wir haben im Körper noch andere Arten, wie wir das Virus bekämpfen, die wir mit dieser Methode nicht nachweisen, zum Beispiel das Spike-Protein. Es gibt gegen dieses Spike-Protein direkt Antikörper, aber die können wir noch nicht mit dem gängigen Test nachweisen. Das heißt, die Immunität basiert nicht nur auf nachgewiesenen Antikörpern im Labor, sondern auch auf Dingen, die wir nicht kostengünstig analysieren können, die im vier- bis fünfstelligen Euro-Bereich liegen.

Gibt es dann überhaupt Personen, für die die Tests empfehlenswert sind?

Es gibt verschiedene Familienkonstellationen, bei denen die Tests hilfreich sind. Zum Beispiel, wenn in der Familie eine Testung von nur einer Person stattgefunden hat, die restlichen Familienmitglieder, vielleicht auch ältere Familienmitglieder, aber ebenfalls Symptome hatten, die typisch waren. Dann besteht natürlich großes Interesse, ob die Oma Erna jetzt die Krankheit ebenfalls durchgemacht hat und sie damit auf der sicheren Seite ist oder ob sie nach wie vor keine Antikörper hat.

Tatsächlich ist es auch so, dass die Krankenkassen nur bei durchgemachter Erkrankung in unmittelbarer zeitlicher Nähe die Kosten für den Antikörpertest übernehmen. Das heißt, dass auch der Arzt die Verantwortung des wirtschaftlichen Handelns hat und nicht breitflächig, sondern nur im Einzelfall einen Test anbieten kann.

Wäre es eine geeignete Maßnahme, um sich wieder freier bewegen zu können?

Den Antikörpertest als Freischein zu nutzen, solche Ideen werden sich mit Sicherheit, solange die Pandemie so zäh ist, immer mal wieder durchsetzen. Bei einigen Leuten wird das auch dazu führen zu sagen: "Ich habe Antikörper, nachweislich war ich erkrankt. Ich brauche die Impfung nicht mehr und ich kann mich jetzt frei bewegen." Aber dieser Gedanke hinkt ein bisschen, weil natürlich viele Antikörper-Nachweise falsch-positiv sein werden. Gerade bei den Schnelltests, die man zu Hause selbst machen kann, gehen wir davon aus, dass sieben von 100 Personen falsch-positiv getestet werden.

Aber ich hoffe, die Thematik ist sowieso in vier Monaten obsolet, weil wir dann so viel Impfstoff haben werden, dass es dann gar nicht mehr zur Debatte steht.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Malik Böttcher führte Jenny Barke, Inforadio.

Sendung: Inforadio, 17.03.2021, 09:25 Uhr

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6 Kommentare

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  1. 6.

    Das ist nur eins von vielen unqualifizierten und in sich widersprüchlichen Interviews.
    Immunität wird es auch mit einer Impfung nicht verlässlich geben! Es wurde nachgewiesen, dass mehrere Impfungen notwendig sind um die Immunität/ die Antikörper im Blut immer wieder „aufzufrischen“. Nichts macht Sinn, wenn ich immer ansteckend sein kann für andere, ob ich nun geimpft bin, selbst erkrankt und genesen bin oder einen Selbsttest mache, der falsch sein kann und auch nur eine Momentaufnahme ist für wenige Stunden. Wenn überhaupt.
    Lernen wir einfach mit der Krankheit zu leben und verantwortungsbewusst mit uns und unserer Umwelt umzugehen. Die Politik regelt da gar nichts für uns und auch die „eingekaufte“ Wissenschaft nicht.
    Es tritt immer mehr politische Manipulation (siehe Herr Seehofer & Co.) und Korruption in Wirtschaft und Wissenschaft zu Tage. Nur die wenigsten wollen es sehen und begreifen.
    Dabei ist es so offensichtlich! Mit einer „Ehrenerklärung“ sind sie alle fein raus. LOL

  2. 5.

    Muss den anderen Kommentatoren zustimmen, nur Binsenweisheiten und typische Unterstellungen, Blut des Kumpels, lol und angeblich super volle Mobilität, als ob es die so nicht geben würde.

  3. 4.

    Mal davon abgesehen dass die Idee mit dem grünen Pass totaler Blödsinn ist, weil es innerhalb der EU nicht kontrollierbar ist und auch nicht dem Wunsch und Recht nach freiem Reisen entspricht, bestünde denn wirklich Bedarf an 60mio Antikörpertests? Noch ist Deutschland das beliebteste Reiseland der Deutschen.
    Wieviele Blutspenden werden denn regelmäßig untersucht? Hab mir sagen lassen das Blut der durch Genesung immunisierten ist sehr gefragt auf dem Markt.

    Also wieder nur Halbwissen bzw. nur ein Teilabbild des Problems, ohne Lösungen.

  4. 3.

    Es läuft alles auf das impfen hinaus.
    Alles andere scheint nur der zeitlichen Überbrückung zu dienen und das man sagen kann ... man hat doch was getan.
    Es wird viel Geld für sinnfreie Sachen verpulvert ... wie Apps um den Erhalt der eigenen Position zu sicher.
    Anweisungen werden gegeben obwohl man eigentlich genau weiß... ist eh zum scheitern verurteilt... aber so ist die Bevölkerung mal wieder beschäftigt.
    Na mal schauen wie lange die Bevölkerung sich noch ruhig stellen lässt.

  5. 2.

    Wieder mal einer der sehr gut alle Probleme aufzählen kann, aber keine Lösungen hat. Das Land ist voll mit solchen Leuten.

  6. 1.

    Also eigentlich nichs Neues.
    Man hat zu wenig Kenntnisse, nicht das Know-how, ist unklar über die Definition von Ergebnissen. Die Einsicht, das alle Maßnahmen nicht genug bringen, ist noch nicht gereift. Oder wird nicht veröffentlicht, weil es dann offensichtlich ist, dass ein Lockdown nicht die erste Wshl ist.
    Also weiter so.

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