Semesterstart in Berlin - Digitale Uni wider Willen

Mo 12.04.21 | 10:40 Uhr | Von Birgit Raddatz
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Testzentrum vor der TU (Campus Charlottenburg) (Quelle: Nico Rudolph)
Audio: Inforadio | 12.04.2021 | Birgit Raddatz | Bild: Nico Rudolph

Für rund 200.000 Berliner Studierende beginnt am Montag das Sommersemester - wegen der Pandemie gibt es seit einem Jahr keine Präsenzveranstaltungen. Eine Initiative fordert, bei möglichen Öffnungskonzepten beteiligt zu werden. Von Birgit Raddatz

Eigentlich war Johannes Hofmann nach Berlin gekommen, um hier sein Philosophie- und Psychologie-Masterstudium mit seiner Leidenschaft für Tanz zu verbinden. Seit der Corona-Pandemie fällt das eine aus und das andere ist ins Digitale verschoben worden. Es ist bereits das dritte Semester, das wegen der Corona-Krise ohne Präsenzveranstaltungen rein digital stattfindet. Die Einschränkungen gelten aktuell bis zum 24. April, die Unis und auch die Studierenden gehen aber davon aus, dass das für die kommenden Monate auch so bleibt.

Johannes Hofmann hat zusammen mit anderen Studierenden der Humboldt-Universität die Initiative "#NichtNurOnline" gegründet. Sie wollen an möglichen Öffnungskonzepten beteiligt werden. "Uni ist mehr als nur Prüfungsleistungen zu erbringen, deshalb wäre es wichtig, dass hier eine geeignete Kommunikation entsteht und eine Übersichtlichkeit, damit wir verstehen, was überhaupt da ist an Konzepten", sagt Hofmann.

Initiative fordert Pilotprojekt

Vor sechs Wochen standen die Studierenden mit Plakaten vor der HU und haben symbolisch ein Gebäude versteigert. Seitdem ist viel passiert: Einen ersten Austausch gab es mit Steffen Krach, Staatsekretär in der Verwaltung für Wissenschaft und Forschung. Krach sagt über das Gespräch: "Es gibt gute Ideen und wir haben vereinbart, dass die Initiative mir einen Vorschlag für ein Pilotprojekt macht." Diesen Vorschlag hat die Initiative hastig kurz vor Ostern erstellt, erzählt Johannes Hofmann. Nun warte man gespannt, wie es weitergeht.

Hofmann und seine Mitstreiter wissen aber auch, dass es sich bei Präsenzveranstaltungen an Universitäten noch um Zukunftsmusik handelt. Erst müsste die Zahl der Neuinfektionen deutlich sinken. "Aber wenn es so weit ist, sollten wir nicht mit leeren Händen dastehen", findet der Masterstudent. So könnte sich die Initiative vorstellen, dass wieder bis zu 20 Studierende in einem Raum zusammenkommen können – durchgetestet und mit Abstand und Maske.

Hybride Modelle und Testzentren

Für solche Vorschläge ist auch Christian Thomsen, Präsident der Technischen Universität, durchaus offen. Auch an der TU finden fast alle Kurse und Vorlesungen in diesem Semester ausschließlich digital statt. Für Praktika oder Werkstattarbeiten, die in Präsenz stattfinden müssen, und für die Mitarbeitenden hat die Uni ein Testzelt auf dem Campus in Charlottenburg aufstellen lassen.

Sollte allerdings der überwiegende Teil der 33.000 Studierenden und 8.000 Beschäftigten wieder an die Uni zurückkehren, reiche reines Testen nicht aus, so Thomsen. Helfen könne nur das Impfen. "Wenn jede und jeder bis Anfang Sommer mindestens eine Impfdosis erhalten hat, kann ich mir Präsenzveranstaltungen im Wintersemester vorstellen."

Geduldsfaden bis zum Zerreißen gespannt

Ähnlich sieht das auch HU-Präsidentin Sabine Kunst. Auch hier arbeite man an Modellen, wie Studierende möglichst schnell in die Unis zurückkehren können. "Wir nehmen hybride Veranstaltungen in den Blick, dafür braucht es mehr Quadratmeter pro Person, das ist vergleichbar mit den Schulen und dem Wechselunterricht." Kunst weiß, dass bei Studierenden und Beschäftigten der Geduldsfaden mittlerweile zum Zerreißen gespannt ist.

Johannes Hofmann hat sein Studium jetzt um ein Semester verlängert. Er wisse, welche Verantwortung die Studierenden auch zur Pandemiebekämpfung tragen. "Wir sind die allerletzten, die das bisher Erreichte kaputt machen wollen." Und deshalb setzen sich auch dieses Mal wieder viele – wenn auch zähneknirschend – zum Studieren ausschließlich an ihren Computer.

Sendung: Inforadio, 12.04.2021, 08:11 Uhr

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Beitrag von Birgit Raddatz

3 Kommentare

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  1. 3.

    Das klingt in der Theorie schön, aber Sie unterschätzen, wie prekär die finanzielle Lage vieler Studierender gerade ist. Einige haben nun mehrere Nebenjobs, um die Verluste aufzuholen - solche Jobs sind meistens im Shutdown auch ganz schnell wieder weg - und Bafög erlaubt meistens keine großen Sprünge. Soweit ich das verstanden habe, sind Flugreisen inkl. Tests und Qurantänehotels gerade auch eher ein teures Vergnügen oder?

  2. 2.

    Ja, aber irgendwann reicht es auch. Studenten gehören in die Uni. Monatelang alleine zu Hause Jura studieren oder andere Studiengänge ohne gleichgesinnte sind nicht mehr erträglich für eine gesunde Psyche. Echt nicht.

  3. 1.

    Warum nicht das Beste aus der Situation machen? So ein Onlinestudium bietet doch auch viele Vorteile: als Online-Student/in muss ich mich nicht am Studienort aufhalten, Hauptsache ich habe irgendwo eine gute Internetverbindung. Durch diese Flexibilität können sich die Studenten fast überall aufhalten, wo es die Pandemie erlaubt. Warum nicht ein paar Monate auf die Kanaren oder Azoren und nebenbei Surfen oder mal nach Island und auf einem Pferdehof mithelfen?

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