Nervös, überfordert, niedergeschlagen - Corona gibt der Berliner Elternpsyche einen heftigen Knacks

Die Corona-Krise ist psychisch belastend für Eltern in ganz Deutschland. Doch eine Datenanalyse von rbb|24 zeigt, dass die Pandemie vor allem für Berliner Mütter und Väter herausfordernd war. Von Haluka Maier-Borst
Ängste, Hoffnungslosigkeit, Niedergeschlagenheit – all das erlebten Berliner Eltern während der Pandemie deutlich häufiger als es insgesamt in Deutschland der Fall war. Das zeigt eine Datenanalyse von rbb|24 basierend auf Erhebungen des Wissenschaftszentrums Berlin [wzb.eu].
Die Umfragedaten zeigen, dass schon bei der Lebenszufriedenheit Berliner Eltern deutlich schlechter abschnitten als der Bundesschnitt. Sagten vor der Pandemie rund 90 Prozent der Eltern in Berlin und bundesweit, dass sie insgesamt mit ihrem Leben zufrieden sind, so waren es in der Pandemie nur noch knapp Dreiviertel der Eltern in Partnerschaften in Berlin. Deutschlandweit waren es immerhin noch 80 Prozent.
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Noch düsterer wird das Bild, wenn man dezidiert nach der Gefühlslage fragt. Hier zeigt sich für Eltern aller Art in Berlin, dass sie sich deutlich häufiger ängstlich und ruhelos fühlten als im Rest der Republik.
In der Tendenz lässt sich sagen, dass Frauen meist mehr litten als Männer. Einzig bei den depressiven Verstimmungen ist es so, dass die Berliner Väter in Beziehungen genauso oft von Problemen berichteten wie Berliner Mütter. Das ist ein deutlicher Unterschied im Vergleich zur Situation im Rest von Deutschland.
Was zu dieser starken psychischen Belastung führt, ist nicht einfach zu sagen. Grundsätzlich sind es vor allem Städte gewesen, die das Coronavirus am stärksten heimgesucht hat und zugleich trafen Maßnahmen wie Lockdowns die Menschen in Städten härter, weil es weniger Platz gibt.
Die Daten des Wissenschaftszentrums legen aber noch andere Erklärungen für die Misere in Berlin nahe: So zeigt sich, dass sich Berliner Eltern in Partnerschaften mit der Betreuung ihrer Kinder deutlich häufiger überfordert fühlten, als es im Rest von Deutschland der Fall war.
So geben 50 Prozent der Berliner Mütter in Partnerschaften und 56 Prozent der Väter in Partnerschaften an, sie seien erschöpft, weil sie die Bedürfnisse ihrer Kinder erfüllen müssten und ihnen das nicht gelinge. Zum Vergleich: Bundesweit waren es nur 45 Prozent der Eltern in Partnerschaften.
Ein Grund dafür könnte sein, dass in der Stadt weniger Verwandte und Bekannte zur Verfügung stehen, die auf die Kinder aufpassen konnten, wenn Kita und Schulen geschlossen waren. Das wäre wiederum ein Indiz dafür, wie wichtig grundsätzlich eine ausreichende Kinderbetreuung ist.
Jonglieren von Familie und Arbeit – vor allem eine weibliche Disziplin
Dass dieser Mangel an Betreuungsangeboten vor allem die Frauen so stark getroffen hat, erscheint auf den ersten Blick verwunderlich. So zeigte eine rbb|24 Datenauswertung, dass sich das Mehr an Care-Arbeit in der Pandemie - also die Arbeit im Haushalt und für die Betreuung der Kinder - eigentlich zwischen den Geschlechtern relativ gleichmäßig verteilt hat.
Der entscheidende Punkt ist aber, wie viel Sorge-Arbeit die Eltern schon vor der Pandemie leisteten. Mütter übernahmen nämlich vor Corona doppelt so viel Care-Arbeit wie Väter. Aline Zucco, Sozialforscherin bei der Hans-Böckler-Stiftung, erklärt, was das für Frauen zur Folge hatte: "Wir sehen, dass die bezahlte Arbeit nicht im gleichen Maße abnahm, wie die Care-Arbeit zunahm. Sprich: Vor allem Mütter mussten Job, Kinder und Haushalt mehr miteinander jonglieren oder ihre eigentliche Arbeit in den späten Abend verschieben."
Vor dem Hintergrund dieser besonderen Belastung lässt sich womöglich erklären, wieso die mangelnde Betreuung der Kinder einherging mit mehr Stress und Ausgelaugtheit bei den Müttern. Es könnte aber auch sein, dass diese Faktoren vollkommen unabhängig voneinander eintraten – schlicht weil die Lockdowns so viele Bereiche des Lebens gleichzeitig in Mitleidenschaft zogen.
Außerdem muss beachtet werden, dass die Zahl der Befragten für Gesamtdeutschland mehrere hundert für jede Elterngruppe beträgt, bei den alleinerziehenden Berliner Müttern wir aber gerade einmal von 63 Befragten reden. Das ist auch der Grund, wieso rbb|24 nicht genauer auf die Situation von alleinerziehenden Vätern in Berlin eingeht: Die Datenlage war mit vier alleinerziehenden Vätern aus Berlin schlicht zu dünn.
Sendung: Abendschau, 08.09.2021, 19.30 Uhr