Corona-Regeln in Berlin - Warum die Ordnungsämter 2G nur schwer kontrollieren können

Fr 12.11.21 | 15:21 Uhr | Von Timo Fabian Nicolas
  51
Symbolbild: Mitarbeiter vom Ordnungsamt kontrollieren, ob die Passanten auf der Bergmannstraße die Maskenpflicht einhalten und eine Mund-Nase-Bedeckung tragen. (Quelle: dpa/K. Hofmann)
Audio: Inforadio | 12.11.2021 | P. Klinke | Bild: dpa/K. Hofmann

In Berliner Restaurants, Museen oder Konzertsäle dürfen ab Montag nur noch Geimpfte oder Genesene. Fraglich ist aber, wie die Regeln am Ende kontrolliert werden – viele Ordnungsämter sind noch immer völlig überlastet, dutzende Stellen unbesetzt. Von Timo Fabian Nicolas

Ab Montag gilt in Berlin an Veranstaltungsorten und in der Gastronomie flächendeckend 2G, um die Corona-Pandemie einzudämmen. Derzeit sieht es allerdings nicht danach aus, als könne die Einhaltung dieser Regel auch effektiv kontrolliert werden – so wie sich das der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) wünscht.

Eine rbb-Umfrage bei den Ordnungsämtern hat ergeben, dass viele sich nicht in der Lage sehen, die 2G-Regeln angemessen zu kontrollieren. Dabei sind sie es, die neben der Polizei dafür sorgen sollen, dass die Regeln von Gastronomen oder Veranstaltern auch eingehalten werden.

"Können nicht einfach zehn Leute mehr rausschicken"

Fast alle Bezirke beklagen demnach zu wenige Mitarbeitende im sogenannten Allgemeinen Ordnungsdienst (AOD), der vor allem für die Corona-Kontrollen zuständig ist. "Reinickendorf verfügt über zu wenig Außendienst-Personal, um alle Aufgaben zufriedenstellend zu erfüllen", sagt der zuständige Stadtrat Sebastian Maack (AfD). "Durch die zusätzlichen Corona-Kontrollen wurde dieses Problem noch verschärft."

Auch in Tempelhof-Schöneberg frage man sich, wie noch mehr kontrolliert werden soll. "Wir können nicht einfach zehn Leute mehr losschicken", sagt Bezirksstadtrat Oliver Schworck (SPD), "ohne dabei auf andere Aufgaben zu verzichten, die wir ohnehin schon kaum bewältigen können".

Mehrere Bezirke geben in der rbb-Umfrage an, dass sie sowieso nur schwerpunktmäßig Corona-Kontrollen durchführen. Zum Beispiel, wenn es Hinweise durch die Bevölkerung gebe. Flächendeckende, regelmäßige Kontrollen würden an zu wenig Personal scheitern.

Dieses Personalproblem in den Ordnungsämtern lässt sich aber offenbar nicht so einfach lösen. Denn es gibt in vielen Bezirken zwar mehr Stellen, mehr Geld für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Interesse qualifizierter Bewerber scheint jedoch gering. Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg konnten eigenen Angaben zufolge von zwölf freien Stellen erst vier neu besetzt werden – deren Ausbildung beginne in den kommenden Wochen. Noch sind sie also nicht auf der Straße im Einsatz. Auch in anderen Bezirken wie Charlottenburg-Wilmersdorf oder Treptow-Köpenick gibt es ein Dutzend oder mehr offene Stellen, wie es auf Nachfrage hieß.

2G, Bußgeldkatalog und das Übliche

Im Vergleich zu vergangenem Jahr zeigt sich jedoch, dass viele Bezirke durchaus mehr Personal gewinnen konnten. In Mitte gab es im Dezember 2020 nur 45 besetzte Stellen – jetzt sind es 64. Auch das Ordnungsamt in Treptow-Köpenick ist heute viel stärker besetzt als noch im letzten Jahr – trotz der vielen verbleibenden offenen Stellen.

Dagegen haben ein paar Bezirke auch Mitarbeitende verloren, wie zum Beispiel Reinickendorf oder Neukölln. Teilweise handelt es sich da nur um einzelne Posten. Da die Ämter im Laufe der Pandemie aber immer mehr Aufgaben übernehmen mussten, ist ein Rückgang bei den Stellen umso schwerer zu verkraften.

So beginnen am Montag nicht nur flächendeckende 2G-Regelungen, deren Einhaltung kontrolliert werden soll. Sondern auch der neue Bußgeldkatalog für Verkehrsvergehen erfordert mehr Arbeit, für den neben der Polizei eben auch das Ordnungsamt zuständig ist. Hinzu kommt, dass aktuell das Leben auf den Straßen noch relativ normal verläuft. Es gibt keine Kontaktbeschränkungen, Bars haben offen, Geschäfte auch. Das bedeutet viele klassische Beschwerden, denen die Ordnungsämter nachgehen müssen, wie Lärmbelästigung, Müllprobleme und ähnliches. "Die Erwartungen an das Ordnungsamt werden immer größer", heißt es dazu vom Bezirk Neukölln. Das Personal reiche aber nicht aus, "um allen Ansprüchen gleichermaßen zu genügen".

Der Eindruck ist in der Tat, dass Betreiber*innen und Gäste relativ nachlässig agieren.

Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg

Wintermonate bescheren hohen Krankenstand

Denn selbst wenn in allen Ordnungsämtern alle verfügbaren Stellen besetzt wären, ist fraglich, ob das für die vielfältigen Aufgaben der Behörden in der Pandemie ausreichen würde. Außerdem: Die in der obigen Tabelle genannten Zahlen geben nur theoretisch wieder, wie viele Personen im Ordnungsamt auch wirklich im Dienst sind. Wohl auch durch den angehenden Winter haben einige Ämter mit hohen Krankenzahlen zu kämpfen. In Pankow sind laut Bezirk zum Beispiel aktuell mehr als ein Viertel der Beschäftigten im Allgemeinen Ordnungsdienst krankgeschrieben, in Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick sind es demnach 20 Prozent. Wie viele davon längerfristig ausfallen oder doch nur eine Erkältung haben, geht aus den Zahlen nicht hervor.

Das alles führt am Ende dazu, dass aus Sicht der Ämter die Einhaltung der Corona-Regeln noch immer nicht zufriedenstellend kontrolliert werden kann. Und das, obwohl sie in vielen Bezirken nach eigener Aussage hohe oder höchste Priorität beim Ordnungsamt haben. Schon vor einem Jahr hatte der rbb über ein vergleichbares Stimmungsbild berichtet. Gebessert hat sich seitdem offensichtlich wenig.

Weniger Kontrollen - viele Verstöße

Die unzureichenden Kontrollen in vielen Bezirken führen im Umkehrschluss offenbar dazu, dass sich entsprechend wenige an die Regeln zum Infektionsschutz halten. "Der Eindruck ist in der Tat, dass Betreiber*innen und Gäste […] relativ nachlässig agieren", heißt es zum Beispiel vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zur Thematik der 2G- oder 3G-Kontrollen in Restaurants und Bars. Und auch in Mitte, einem Bezirk mit vergleichbarer Gastronomie-Dichte, weiß man von der laxen Handhabe der Corona-Maßnahmen in vielen Betrieben. Bei zwei Schwerpunktkontrollen Ende Oktober habe man bei 80 Prozent der kontrollierten Restaurants, Bars oder Clubs festgestellt, dass Gäste "nur unzureichend oder gar nicht" kontrolliert wurden.

Mehr Kontrollen als bisher sind aber auch im Bezirk Mitte wohl nur schwer möglich, trotz der hohen Zahl an Verstößen gegen den Infektionsschutz im Bezirk. Wie schon vor einem Jahr und wie fast überall in Berlin fehlt es an Personal.

Sendung: Inforadio, 12.11.2021, 16 Uhr

Was Sie jetzt wissen müssen

Beitrag von Timo Fabian Nicolas

51 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 51.

    Ich sehe zu üblichen Bürozeiten zwei bis drei Mitarbeiter des Ordnungsamtes bei der Parkscheinkontrolle v. Autos. Sicherer und lukrativer Job. Fahrradfahrer und Rollerfahrer interessieren auch nicht. Zu schnell. Zu agressiv. Und für Restaurants und Kneipen ist es abends einfach zu spät. Das stört den Feierabend.

  2. 50.

    "Es liegt in der Verantwortung des Gewerbetreibenden 2G/3G zu kontrollieren, "

    nur mal so zur Info für die rechtliche Einordnung:

    Die Personalienfeststellung, Überprüfung von Gesundheitszeugnissen und Kontrolle persönlicher Dokumente ist eine hoheitliche Aufgabe.

    weder steht dieser Tätigkeitsbereich im Arbeitsvertrag von Kellnern oder Supermarktkassiererin, noch sind diese dazu überhaupt befugt!

    Das dürfen nur von Gericht bestellte Gutachter, bestimmte Beamte, Polizei, Zoll, Ordnungsdienst usw.

    wenn ein Inhaber oder Gastwirt Zweifel hat, kann er den Zutritt mit Verweis aufs Hausrecht verweigern (darf allerdings nicht missbräuchlich sein, dh. nicht diskrimnierend) und Polizei oder Ordnungsamt hinzuziehen und DIE dürfen dann kontrollieren.

    und nicht anders. egal was die lieben Politiker so erzählen-.

  3. 49.

    "Das Personal reiche aber nicht aus, "um allen Ansprüchen gleichermaßen zu genügen""

    tja, man stelle sich mal vor, das würden die Krankenhäuser sagen. Und man fragt sich, wie die das in den KH schaffen. Ach ja, Priorisieren, 3-Schichtbetrieb und arbeiten bis zum Umfallen. Aber doch nicht als Angestellte bei der Stadt- wo kämen wir da denn hin. Pandemie hin oder her...

  4. 48.

    Einfach mal Prioritäten setzen. Während einer Pandemie macht es vielleicht mehr Sinn 2G zu kontrollieren, als Falschparktickets auszustellen oder im Park Hundehalter zu kontrollieren. Das kann man dann wieder tun, wenn die Pandemie unter Kontrolle ist.

  5. 47.

    "Warum die Ordnungsämter 2G nur schwer kontrollieren können" Wie "lustig" ist das denn und was wird überhaupt noch kontrolliert, geschweige denn bestraft, oder werden noch irgendwelche Bußgelder eingetrieben? Fast jede/r kann machen, was er/sie will (weil ja die Eigenverantwortlichkeit angeblich so prima funktioniert). Der gesamte Quatsch mit 1G 2G 3G soll ja "sinnvoll" sein - was jede/r an den exorbitant sich steigernden Infektionszahlen sehen kann (an jedem Tag ein neuer "Rekord" im Vergleich zu gestern).

    Womit konnten nochmal bis Frühjahr 2021 und in 2020 die Infektionszahlen deutlich gesenkt werden? Finde die Fehler!

  6. 46.

    Im Grunde richtig, das Ordnungsamt ist permanent auf Knöllchenjagd und dabei äußerst penibel, beobachtet man sie dabei, auch mit großer Genugtuung. Auf Ansprache reagieren sie nicht bis pampig-bedrohlich. Diese Leute sind für diese Aufgaben (Corona Kontrollen) weder ausreichend vorbereitet noch gewillt. Man kann sich ja auch vorstellen, wer da gern arbeitet, gelle?

  7. 45.

    Ja, verstehe ich auch nicht aber in vielen anderen Ländern läuft es anders. Bei uns wird auf hohem Niveau gejammert,dabei hat es jeder selbst in der Hand sich und andere durch sein Verhalten zu schützen,ehe es eine offizielle Anordnung oder Kontrolle gibt. Soviele schreien nach Selbstbestimmung und schaffen es nicht mal mit der Eigenverantwortung.

  8. 44.

    Vielen Dank! Wenn ich über die Stellensuche des Karriereportals "Ordnungsämter" anklicke, finde ich nur beim Bezirksamt Spandau entsprechende Stellenangebote. Ziemlich dürftig. Mitte jedenfalls ist nicht dabei. Wer hat schon Lust alle einzelnen Bezirke durchzuklicken. Das ist eben mal wieder eine maue Koordinationsleistung, die ihre verdienten Effekte provoziert - nämlich so gut wie keine. Niederschwellige, schnell zu besetzendeJobs sollten auch genauso angeboten werden.

  9. 43.

    Ordnungsamt und Polizei haben wichtigere Aufgaben als die Kontrolle der Coronaregeln. Es liegt in der Verantwortung des Gewerbetreibenden 2G/3G zu kontrollieren, in Frankreich wird vor jedem Eintritt in Café oder Restaurant geprüft. Wer positiv getestet wurde muss verpflichtet werden alle Kontakte der letzten 5 Tage selbst zu informieren! Quarantäne für 5 Tage dann unabhängig vom Impfstatus, dann Test! Nur so funktioniert es!

  10. 42.

    Merkwürdig, bei mir sehe ich die Kollegen vom Ordnungsamt regelmässig mind. zwei mal am Tag zu zweit auf Patrouille um Parksünder zu erfassen. Dafür sind genug Kollegen da, Corona will man doch gar nicht kontrollieren, da hat man ja Kontakt mit Menschen die sich zur Wehr setzen könnten, Autos wehren sich ja nicht.

  11. 41.

    Ich begreife nicht warum das in anderen Ländern möglich ist aber nicht bei uns. Während meines Frankreichurlaubs im Sommer wurde in den Restaurants ständig der impfstatus kontrolliert noch bevor die Speisekarte kam. Die hatten auch kein extrapersonal dafür. Wieso muss die Kontrolle immer beim Staat liegen?

  12. 40.

    Es macht doch jeder schon was er will. Da nutzen auch verschärfte Regeln nichts, weil eben Kontrollen fehlen.

  13. 39.

    Meiner Information nach denkt der Gaststättenverband über eigene zivile Kontrollen nach, das wäre doch mal eine Maßnahme.

  14. 38.

    Viel Spaß in Brasilien, da sind sie mit Bolsonaro unter sich und können sehen was Impfen gebracht hat.

  15. 37.

    Ich glaube nicht, dass Corona prüfen Priorität beim Ordnungsamt hat. Autos aufschreiben geht einfacher und man hat auch nicht direkt Konflikt mit den Betroffenen, denn die Autos wehren sich ja nicht. Außerdem ist das komplett automatisiert und ohne Unterschrift gültig wie man so schön sagt oder schreibt.

  16. 36.

    Die Mitarbeitenden im Ordnungsamt verdienen gutes Geld, kaum zu glauben, dass man kein Personal findet, vermutlich eher kein geeignetes. Wenn zu wenig Personal, dann muss man zunächst Prioritäten setzen. Schade, dass die Gastronomie so nachlässig mit dem Überprüfen des Impfstatus ist. Würde das besser klappen, bräuchte man keine Kontrollen.

  17. 35.

    Sollen bestehende und allseits bekannte Missstände nicht immer wieder angesprochen werden? Von "Preisgeben" zu schreiben ist doch sehr blauäugig. Demnächst wird vll. noch von "Whistleblowing" geschrieben. Ein Problem wird nicht durch Wegsehen (aka "Nichtschreiben") gelöst.
    Wenn eine Firma Leute braucht, schaltet sie Stellenanzeigen oder beauftragt "Headhunter". Letzters wäre für Berlin nicht opportun. Die öffentlichen Stellenanzeigen schon.
    Über das Gesamtproblem nichts zu schreiben, wäre wie kurz vor dem Baum die Augen zu schliessen - Berlin knabbert aber schon an Rinde rum. Was ich nicht sehe, existiert nicht - ist es das was sie meinen?

  18. 34.

    Pressefreiheit hin oder her.
    Muss wirklich alles preisgegeben werden ?
    Wenn jetzt schon wieder ein Defizit an Personalmangel öffentlich gemacht wird , nutzt es nur denen die sich wie immer nicht an Regeln halten wollen.
    Nicht alles ausplaudern wäre die bessere Lösung.
    Ob Polizei , Ordnungshüter ect. hilft die dort arbeiten in keinster Weise weiter sondern werden nur lächerlich gemacht.
    Mir tun ALLE leid die diese Jobs leisten.

  19. 33.

    "Wozu überhaupt Regeln aufstellen, wenn deren Umsetzung höchstens stichprobenmässig kontrolliert werden kann? Damit es zumindest so aussieht, als ob man was tut?"

    Genau, lassen sie uns die StVO abschaffen, das ist ja eh nicht zu kontrollieren. Und die Ampeln gleich mit, hat ja nicht jede Ampel einen Blitzer.

    "Man sollte sich generell mal um die jahrelang unbeachteten Personal-Defizite in den Behörden kümmern."

    Bedanken sie sich bei den Herren Diepgen und Landowsky und die anschließende Sparorgie, nachdem sPD und cDU ganz schnell wieder zusammengefunden haben.

  20. 32.

    Man denke nur an die Bürgersteige voller E-Scooter, eine tolle Truppe.

Nächster Artikel