Kommentar | Brandenburgs Pandemie-Management in der Krise - Corona? War da was?

Mi 17.11.21 | 09:03 Uhr | Von Hanno Christ
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Dem steinernen Adler über dem Eingang einer Haustür in der Potsdamer Innenstadt wurde eine OP-Maske um den Schnabel gebunden.
Bild: dpa/Soeren Stache

Brandenburg befindet sich erneut fest im Griff des Corona-Virus. Dabei hätte es viele Gelegenheiten gegeben, aus den bisherigen Corona-Ausbrüchen zu lernen. Warum stehen wir erneut dort, wo wir nie wieder stehen wollten? Von Hanno Christ

Die Inzidenzen steigen und die Ampeln, die sich Brandenburgs Landesregierung einst als Frühwarnsysteme gegeben hatte, springen auf Rot. So rasch, dass nun auch eine Vollbremsung nicht mehr taugt.

Aber die Landesregierung wirkte in den vergangenen Wochen ohnehin nicht so, als würde sie mit dem Fuß auf der Bremse stehen. Viel eher ist sie damit beschäftigt, zu diskutieren, welchen Weg man denn nun einschlagen müsse. Dabei war sie auf der gleichen Route unterwegs wie auch schon im Frühjahr 2020, im Herbst und im Winter und auch schon in diesem Frühjahr. Als die Pandemie Deutschland erstmals überrollte, traf sie auf ein Land der Unerfahrenen, auf ein Land, in dem sich Politik und Gesellschaft auf die Bewältigung erstmal einstellen mussten.

Die gleichen Fehler - nach fast zwei Jahren Pandemie

Vorausschauend hatte damals Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) davon gesprochen, dass man sich viel werde verzeihen müssen. Fast zwei Jahre später aber tauchen teils die wieder gleichen Fragen auf, trifft das Virus auf eine Gesellschaft, die es hätte besser wissen können. Mahner und Warnungen aus der Wissenschaft, dass man früher hätte reagieren müssen, gab es genug. Stattdessen verging viel Zeit mit Debatten um Freedom-Days, Abschaffung kostenloser Tests, Maskenfreiheit an Schulen oder mit der Schließung der mühsam errichteten Impfzentren.

Die Linke im Brandenburger Landtag vermisst eine Lernkurve von Gesellschaft und Politik in der Bekämpfung der Pandemie. Auch in der Brandenburger Landesregierung mag sich mancher fragen, warum man jetzt wieder dort steht, wo man steht. Es gibt wohl noch keine eindeutigen Erklärungen, aber Umstände, die eine Bekämpfung der Pandemie sicherlich schwieriger gemacht haben.

Uneinigkeit in der Landesregierung

Eine Pandemie lässt sich nur mit entschlossenem Handeln bekämpfen, das klar kommuniziert wird. In Brandenburg hatte Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen) im Sommer aus ihren Zweifeln keinen Hehl aus der Frage gemacht, ob das Land ausreichend auf den Herbst vorbereitet sei. Ihr Haus hatte gerade erst wieder die Verantwortung für die Impforganisation vom Innenministerium übernommen. Das CDU-geführte Haus hatte in den vergangenen Monaten auf Order des Ministerpräsidenten die Impf-Geschicke übernommen, weil das Gesundheitsministerium damit überfordert schien.

Tatsächlich wurde unter Leitung des Innenministeriums die Impfquote gesteigert, und die Erfolge im nahenden Bundestagswahlkampf parteipolitisch instrumentalisiert. Die CDU liefert, die Grünen haben es nicht im Griff, so die Botschaft von Innenminister Michael Stübgen. Das Innenministerium suggerierte, dass man dem Gesundheitsministerium ein gut bestelltes Feld überlasse. Der Leiter des Impfstabs sah Brandenburg sogar kurz vor der Herdenimmunität. Eine Fehleinschätzung, die aber den Eindruck vermittelte: Eigentlich sei man doch über den Berg und für den Herbst gewappnet. Auch auf dieser Basis wurde die Schließung von Impfzentren in die Wege geleitet. Heute könnten die Impfzentren vor einer Renaissance stehen.

Interner Streit der Ministerien statt interner Abstimmung

Doch auch das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz muss sich fragen lassen, ob es Arbeit ausreichend koordiniert hat. Seine Ministerin Nonnemacher gilt als fleißig und auskunftsfreudig, aber auch als eine, die schlecht loslassen kann. In einer Zeit, in der auf ihr Haus von Schweinepest, über Vogelgrippe bis Corona eine Seuche nach der anderen zukam, wirkte das Management teils fahrig. Das Ministerium klagte über mangelnde personelle Unterstützung, Teile der übrigen Landesregierung über die schlechte interne Kommunikation- Konflikte.

Zu einem Zeitpunkt, als Inzidenzen an Schulen schon durch die Decke gingen, zankten sich zwei Kabinettsmitglieder, Nonnemacher und Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), reichlich öffentlich um die Wiedereinführung von Masken in den Grundschulen.

Gegenseitige Anschuldigungen

Streit zwischen Bildungsministerium und Gesundheitsministerium gab es auch, als es um die Einführung von Lüftern ging. Das Gesundheitsministerium warb als unterstützende Maßnahme schon länger dafür, auch die Elternverbände forderten einen breiteren Einsatz. Das Bildungsministerium hielt dagegen, dass der Sinn der Lüfter in Frage stehe, um eine Förderung zusammen mit dem Bund schließlich vor wenigen Wochen mit vielen Ausnahmen doch noch möglich zu machen. Die Förderung aber ist so kompliziert und die Bestellung so langwierig, dass ihr Einsatz in diesem Winter reichlich spät kommen dürfte.

Einen Teil der Verantwortung sehen die Grünen auch beim Innenministerium und den Ordnungsbehörden. Die hätten in der Vergangenheit die bestehenden Corona-Schutzmaßnahmen z.B. in Gaststätten nicht konsequent durchgesetzt. Das Problem sei erkannt, sagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Benjamin Raschke, aber der Finger, mit dem er auf den Koalitionspartner zeigte, war unübersehbar.

Taugte das Frühwarnsystem?

Und der Ministerpräsident? Dietmar Woidke (SPD) ließ sich mehrfach als Teilnehmer der Ampel- Koalitionsverhandlungen entschuldigen. Er muss sich fragen lassen, ob er nicht früher auf den Tisch hätte hauen müssen, erst recht als klar war, dass es zwischen den Ministerien seiner Regierung nicht rund läuft. Doch es wirkt, als habe die Regierung die Heftigkeit dieser Welle deutlich unterschätzt.

Grundlage der Handlungen der Landesregierung ist ein Ampelsystem, das sie sich auf Basis der Corona-Erfahrungen selbst gegeben hatte. Nicht mehr nur die Inzidenzen sollten alleiniger Ausgangspunkt von politischen Entscheidungen sein, sondern auch Hospitalisierung und Intensivbettenbelegung. Es schien das richtige Instrument, um einerseits nicht in Panik zu verfallen, andererseits aber auch rechtzeitig die richtigen Maßnahmen in die Wege leiten zu können.

Doch bildete diese neue Ampel die tatsächliche Lage ab? Noch in der vergangenen Woche rechtfertigten Teile der Regierungskoalition ihre Zurückhaltung bei neuen Corona-Maßnahmen mit noch immer grüngeschalteten Ampeln z.B. bei der Intensivbettenbelegung. Dass die Ampelphasen aber so kurz sein würden und von Grün auf Rot umspringen, war offenbar nicht einkalkuliert. Während Brandenburg auf dem Papier noch im grünen Bereich schien, schrillten in den Krankenhäusern schon längst die Alarmglocken. Die stehen nun – personell ausgereizt und am Limit – vor einer wohl historischen Belastung.

Politischer Schwebezustand

War schon der Bundestagswahlkampf schlechtes Terrain, um zu guten politischen Entscheidungen zu finden, so ist es der jetzige Zustand erst recht nicht: Die Pandemie trifft Deutschland in einer politisch verletzlichen Phase – in einem Schwebezustand politischer Entscheidungsfähigkeit zwischen amtierender Bundesregierung und Parteien, die sich gerade erst als Partner finden. Es könnte die Stunde der Bundesländer sein, stünden die nicht auf rechtlich unsicherem Terrain. Das Auslaufen der epidemischen Lage nimmt Möglichkeiten, um eine Pandemie zu bekämpfen. Die einst so gescholtene Bund-Länder-Konferenz, die nun ansteht, könnte damit wichtiger denn je werden, um die Pandemie auch aus dem Interregnum heraus zu bekämpfen. Von einem Freedom-Day dürften sich wohl alle verabschiedet haben.

Hoher Anteil Impfunwilliger

An der Impfbereitschaft haben sich Wissenschaft und Regierungen die Zähne ausgebissen. Woran es nun genau liegt, dass die Impfquoten gerade in Ländern wie Brandenburg, Sachsen oder Thüringen so eklatant niedrig sind, ist nicht ganz klar. Auch in welchem Maße Impfnachweise gefälscht werden, ist ein Dunkelfeld. Doch es ist ersichtlich, dass ein großer Teil der Bevölkerung in Opposition zu den vorgeschlagenen Maßnahmen der Eliten des Landes steht.

Zwar kämpft auch Bayern mit niedrigen Impfquoten und hohen Inzidenzen, aber oftmals ist dort, wo die Impfquote niedrig, die AfD besonders stark ist. Ein Zusammenhang? Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Jan Redmann, schlussfolgerte auf die Frage nach den Versäumnissen von Politik bei der rechtzeitigen Bekämpfung der Pandemie, dass es politische Kräfte gäbe, die die Impfskepsis erst geschürt hätten. Die Regierenden haben hier ein Kommunikationsproblem, Teile der Bevölkerung noch zu erreichen. Der Kampf gegen Corona ist auch ein Kampf gegen postfaktische Stimmungsmache. Es dürfte eine Baustelle sein, die über die Pandemie hinaus Bestand hat.

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Beitrag von Hanno Christ

42 Kommentare

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  1. 42.

    Schade, dass Sie mit Ihren Kommentar nur eines beweisen, dass Sie Probleme damit haben, dass Gelesene zu verstehen.
    Das ist wohl in Ihren Kreisen Gang und Gebe, die nur eines können: diffamieren, beleidigen, verunglimpfen.
    Und, ich sage Ihnen Nocheins: solchen simpel Strukturierten gegenüber, bin ich Stolz auf den von meinen Eltern gegebenen Namen.
    Sind Sie das auch?

  2. 41.

    "Sie wissen nichts von mir, weder meine Lebensumstände, noch meine politische Ausrichtung."

    Stimmt. Aber sie benutzen den Namen Hilde Benjamin. Was bezwecken sie damit?

  3. 40.

    Es ist einfach nur traurig. Wenn man das so liest bekommt man das Gefühl die Welt besteht nur aus Egoisten. Schlimm genug, dass man es seit zwei Jahren nicht schafft die Situation zu beherrschen, schieben sich die Verantwortlichen den schwarzen Peter gegenseitig zu, weil sie auf Grund eigener Interessen nicht in der Lage sind zusammenzuarbeiten! Und die schwächsten und gerade die Kinder sind wieder die Leitragenden. shame on you Brandenburger Landesregierung!

  4. 39.

    es war auch ein Fehler die Impfzentren voreilig zu schließen, ebenso die Abschaffung der kostenlosen Tests, ferner , dass die epidem. Notlage am 25.11. beendet werden soll. Das führte dazu- was für eine Überraschung - das sehr viele Menschen glaubten, Corona sei so gut wie vorbei . Eine fatale Fehleinschätzung, deren Folgen wir nun alle erleben . Dann das Hin & Her mit 2G, 2Gplus etc. , dazu noch unterschiedlich in den Bundesländern ....

  5. 38.

    Für Sie:
    https://www.tagesschau.de/inland/corona-tote-107.html
    Wir erinnern uns, dass uns 80.000 Tote vorgegaukelt wurden.
    Wir erinnern uns an die Panikmache eines Lauterbachs, der von 1 Million fabulierte.

  6. 37.

    Wie Sie Ihren Namen tragen und nicht hinterfragt wird, bitte ich Sie, meinen Namen, egal, was sich meine Eltern dabei gedacht haben, in den Dreck zu ziehen und mich in die Nähe von "rechtsextreme Wähler der AfD" zu stellen.
    Sie wissen nichts von mir, weder meine Lebensumstände, noch meine politische Ausrichtung.
    Aber, was erwarte ich von Jemanden, der nichts zu sagen hat, aber ganz weit beim Diffamieren ist.

  7. 36.

    " Alle wussten was kommen wird. "

    aber wollten es nicht wissen oder gar hören , von Virologen wurde schon im Sommer auf diese Entwicklung hingewiesen. Eigentlich sollte doch jeder Interesse am Impfschutz haben und bestimmte Landesteile mit geringer Impfquote parteipolitisch zu interpretieren ist nicht seriös. Zur Verunsicherung der Menschen tragen auch viele, zT tödliche Nebenwirkungen, bei , ebenso das Novum der mRNA Impfstoffe.

  8. 35.

    Anstatt die Gesellschaft zu einen und gemeinsame Wege aus der Pandemie zu finden wie z. B. in Schweden, Norwegen und Dänemark schlägt man bei uns den Weg der Spaltung und der gegenseitigen Beschuldigungen ein. Jetzt müssen schon nahmhafte Virologen die Ungeimpften in Schutz nehmen und darauf hinweisen, dann Geimpfte auch einen wesentlichen Anteil an der vierten Welle haben. Wie kaputt ist eigentlich unsere politische Kultur geworden?

  9. 33.

    Ich glaube auch, das jetzt jeder die Schuld beim Anderen sieht und die Gesellschaft weiter massiv gespalten wird. Alles nach dem Motto, der Feind ist Der mir gegenüber und nicht der Virus. Einfach nur erschreckend wie Menschen unter emotionaler Belastung sich verändern.

  10. 32.

    Die Geimpften, die dort liegen, sind vorerkrankt, immungeschwächt, und älter. Aber Sie sind geimpft oder? Genau dieser Personenkreis lag auch schon im letzten Jahre ohne Spritze auf intensiv! Aber auch das stimmt nicht ! bin übrigens 2 mal geimpft!

  11. 30.

    Ganz ganz einfach erklärt: https://www.rbb24.de/panorama/thema/corona/beitraege/2021/11/unterschied-geimpft-ungeimpft-inzidenzen-krankenhaus.html

  12. 29.

    Das gesamte Handeln der Politiker sollte längst mal analog zu strafrechtlichen Überprüfungen im Hinblick auf Unterlassungsdelikte führen. Denn sie haben einen Eid geleistet, jedweden Schäden von der Bevölkerung abzuwenden. In dieser Pandemie sehe ich dieses allerdings nicht. Ich kann die Ausreden möglicher Verfassungswidrigkeit notwendiger Handlungen nicht mehr hören. Es ist nicht das politische Handeln was uns gefährdet, sondern das ständige Unterlassen oder zu späte politische Handeln.

  13. 28.

    Frau Dr. Nonnemacher (Grüne) hat doch wieder nichts dazu gelernt. Als Lobbyisten der Ärzte und der Kassenärztlichen Vereinigungen verhindert sie erneut Impfzentren.

  14. 27.

    Man konnte darauf warten, dass rechtsextreme Wähler der AfD ihren Blödsinn hier breittreten dürfen. Und sich ausgerechnet nach der „Blutige Hilde“ benennen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Hilde_Benjamin

  15. 26.

    Jetzt ist wohl die Zeit der gegenseitigen Schuldzuweisungen angebrochen. Die Politiker haben zu sehr gezögert und die Wissenschaftler haben nicht energisch genug gewarnt. Die Impfungen wirken nicht so wie angekündigt und die Pharmaindustrie zieht erstmal die Köpfe ein. Die Geimpften tragen laut Virologen nun doch nicht unwesentlich zur Pandemie bei und die registrierten Impfdurchbrüche mit Todesfolge nehmen unerwartet zu. 3G/2G/2G+ sollen auch nicht mehr viel helfen und es soll jetzt schnell geboostert werden. Boostern soll aber auch keinen schnellen Erfolg bringen und die Wirkung ist unbekannt. Also wird ein kurzer Lockdown von Teilen der Wissenschaft gefordert. Den will die Politik wegen ihrer Versprechungen für die Geimpften aber nicht. Virologen und Wissenschaftler reden von einer zunehmenden Zerreißprobe der Gesellschaft, warnen vor der Stigmatisierung der Ungeimpften. Die Ungeimpften fühlen sich vehement gegängelt und von oben herab behandelt. Ein einziges hausgemachtes Chaos.

  16. 25.

    Ich bin bereit dazu zu lernen.
    Woher stammt die Information, dass "nur" 40.000 Menschen in Zusammenhang mit Corona gestorben sind?

  17. 24.

    Ich bin bereit etwas dazulernen. Woher stammt die Information 30% der Intensivpatienten wären geimpft?

  18. 23.

    …in die Verwaltungen der Krankenkassen und Versicherungen…

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