Impfquoten-Monitoring - RKI-Studie zu Impfbereitschaft weist Sprachbarriere als Hauptproblem aus

Fr 04.02.22 | 12:31 Uhr
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Symbolbild: Impfwillige stehen Schlange und warten auf ihrer Impfung. (Quelle: dpa/Frank Hoermann)
Bild: dpa/Frank Hoermann

Eine Studie des Robert-Koch-Instituts sollte untersuchen, inwiefern sich die Impfquoten bei Menschen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheiden. Es gibt kleine Unterschiede, interessanter ist jedoch, worin sich diese begründen.

Bessere Impfangebote für Menschen mit Migrationshintergrund könnten der Impfkampagne in Deutschland noch einmal einen Schub geben. Das legt eine am Donnerstag vorgestellte Studie des Robert-Koch-Instituts nahe [rki.de].

Die Impfquote bei Menschen mit Migrationshintergrund sei unter den Befragten geringer als bei der Vergleichsgruppe mit Personen ohne Migrationshintergrund, heißt es in der Studie. Gleichzeitig sei aber die durchschnittliche Impfbereitschaft bei den Menschen mit Migrationshintergrund "signifikant höher". Als Hauptproblem vermuten die Wissenschaftler sprachliche Barrieren.

Migrationsgeschichte ist weniger entscheidend als die Sprachbarriere

Der Untersuchung zufolge seien rund 84 Prozent der befragten Menschen mit Migrationshintergrund geimpft. Bei der Vergleichsgruppe mit Menschen ohne Migrationshintergrund gaben 92 Prozent an, bereits gegen Corona geimpft zu sein. Für die Studie hatte das RKI zwei Fokusgruppen aus jeweils 1.000 zufällig ausgewählten Personen gebildet - die einen mit, die anderen ohne Migrationshintergrund. Die Impfquoten beider Gruppen lagen damit jeweils über dem aktuellen Wert der Gesamtbevölkerung.

Zielführender als der reine Vergleich zwischen diesen beiden Personengruppen aufgrund ihres Migrationshintergrunds dürfte die Betrachtung spezieller Faktoren sein. Elisa Wulkotte aus dem Forschungsteam des RKI erklärte in einer Video-Konferenz zur Präsentation der Ergebnisse, auf was sich Unterschiede in der Impfquote vor allem zurückführen lassen: "Bildung und Einkommen, das Alter, Diskriminierungserfahrung im Gesundheitsbereich, sowie und ganz wesentlich: Die Sprache."

In der Tat sind die statistischen Unterschiede nach Sprachniveau aufgeschlüsselt am gravierendsten: Menschen, die gut bis muttersprachlich Deutsch sprechen, gaben an, zu 92 Prozent geimpft zu sein, bei mittelmäßigen Deutschkenntnissen sank die Quote auf 83 Prozent. Unter den Personen, die sich selbst schlechte Deutschkenntnisse attestierten, waren nur noch 75 Prozent geimpft.

Zweite Studie des RKI zu dieser These

Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte vor rund einem Monat für Diskussionen gesorgt, als sie mit einem Statement nahelegte, dass Menschen mit Migrationshintergrund eine geringere Impfwilligkeit haben könnten, als Menschen ohne Migrationshintergrund. Die Inanspruchnahme des Impfens sei eine "integrationspolitische Frage", sagte sie damals.

Auch der Berliner Virologe Christian Drosten hatte in seinem bekannten NDR-Podcast "Coronavirus Update" gesagt, dass es vor allem die "alten informationsfernen Personen" ungeimpft seien, "Leute mit Migrationshintergrund". Begründet wurde das damals unter anderem mit einer ersten Studie des RKI, bei der die 3.000 Teilnehmenden jedoch nur auf Deutsch befragt worden waren. Das war der Grund, dass das RKI jetzt eine neue Studie vorlegte, die differenzierter unterscheidet.

Dr. Erdal Safak von der Berliner Gesellschaft Türkischer Mediziner begrüßt diese neue Studie. Sie zeige, was er schon öfter beobachtet habe in seinem Berufsalltag. Der Kardiologe ist eigentlich Oberarzt an einem Berliner Vivantes-Klinikum, impft aber auch ehrenamtlich in Neukölln. Er sagt, es sei schwierig, mit schlechten Sprachkenntnissen Zugang zum deutschen Gesundheitssystem zu finden und: "Desto schwieriger ist es für denjenigen dann, sich zu orientieren und eben Impfangebote abzuholen oder sich überhaupt über die Corona-Impfung zu informieren", so Safak in der rbb-Abendschau am Donnerstagabend.

Berlin setzt Impfen in Kiezen fort - aber kommt das an?

Die Studie wies auch aus, dass die Personen mit Migrationshintergrund anfälliger für gewisse Falschinformationen bezüglich des Coronavirus und der Impfung seien. Wissenschaftlerin Elisa Wulkotte forderte deshalb, dass Falschinformationen "wirksam entkräftet werden" sollten und wünschte sich eine zielgerichtete Impfkampagne.

Die Berliner Landesregierung hatte am Donnerstag bekannt gegeben, die Impfangebote in Berliner Kiezen trotz niedriger Nachfrage im Januar fortsetzen zu wollen. Oppositionspolitiker Kai Wegner (CDU) kritisierte die bisherige Umsetzung dieser Angebote, sie hätten "den Anschein einer Show-Veranstaltung", so Wegner. Gleichzeitig betonte er, eine aufsuchende Kampagne in den Kiezen bei Unterstützung migrantischer Communities sei wichtig und sinnvoll. Auch Impfarzt Erdal Safak hält akut Impfangebote vor Ort für die beste Lösung, mittel- und langfristig müsse es darum gehen, Sprachbarrieren abzubauen.

Sendung: Abendschau, 03.02.2022, 19.30 Uhr

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11 Kommentare

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  1. 11.

    Sprachbarriere?
    Merkwürdigerweise kennen einige zu 100% ihre Rechte doch kaum ihre Pflichten und ich schreibe hier bewusst nicht über die Impferei.


  2. 10.

    Also ich persönlich habe einem syrischen (Flüchtling) Freund dabei geholfen in Potsdam geimpft zu werden.

    Es ist für die arabisch sprechende Community schon sehr schwer über die Internetseiten einen Termin zu buchen.

  3. 9.

    Diese Studie wirft Fragen auf. Zum Einen waren die Befragten augenscheinlich nicht repräsentativ ausgewählt, da die genannte Impfquote von ihnen nicht einmal annähernd der offiziellen Impfquote entspricht, sogar wesentlich höher ist. Zum Zweiten lässt sich mit "Migrationshintergrund" eben nicht eine geringere Impfquote in den einzelnen Bundesländern begründen. Brandenburg und Sachsen haben nicht anteilig mehr Menschen mit "Migrationshintergrund" als z.B. Bremen und Hamburg.

    Leider eignet sich die Untersuchung des "Migrationshintergrunds" eben nicht, um unterschiedliche Impfquoten zu begründen. Allerdings eignet sie sich wunderbar, um Vorbehalte gegen Minderheiten zu schüren. Für mich ein weiterer Beleg von Alltagsrassismus in dieser Gesellschaft.

  4. 8.

    Es gibt doch immer irgendwelche Entschuldigungen!!!!

  5. 7.

    Der mangelhafte Integrationswillen der politisch Verantwortlichen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, betraf die ersten Einwandergenerationen, läst sich jetzt nicht plötzlich heilen. Leicht zugängliche Sprachkurse wurden erst den jüngsten Einwanderungsgenerationen angeboten. Davor war die weitverbreitete politische Annahme, die "Gastarbeiter" seien nur vorübergehend hier und bräuchten nicht unbedingt die Sprache zu lernen solange Vorarbeiter*innen das nötigste übersetzen konnten.
    Eine mehrsprachige Zugänglichkeit des Gesundheitswesens für die Älteren und für die Neuankömmlinge ist bestimmt sinnvoll. Diskriminierungserfahrungen gibt es laut Studie leider auch immer noch. Danke für den link :)
    Mich überrascht eher "Die Impfquoten beider Gruppen lagen damit jeweils über dem aktuellen Wert der Gesamtbevölkerung."
    @rbb Liegt das an der telefonischen Befragung "zufällig generierte Mobil- und Festnetznummern" ? Haben die anderen kein Telefon, oder nehmen nicht teil?!

  6. 6.

    Schön diese Erkenntnisse. Gut. Ich würde das auch so stehen lassen, aber warum ist es angeblich so schwer, bei diesen Sprachkursan-geboten die deutsche Sprache zu erlernen? Wer in ein "anderes" Land "geht", muss doch so motiviert sein, dann auch die Sprache erlernen zu wollen?Es geht doch: Oft sind es diejenigen, die das in sportlichen 6,5-7 Monaten bewältigt haben, die über die Zeit nicht eineAUB nach der anderen vorgelegt haben. U.a. ist das dt. Gesundheitswesen Thema in den Int-Sprachkursen. -- Ich musste erst kürzl. die Erfahrung machen, dass das Erlernen der Sprache eben nicht das Vorrangigste ToDo einer entspr. Person war. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass sich die sehr motivierten Stadtteilmütter da überfordert sehen. Nur denke ich auch, wir müssen in pcto. Sprache lernen einfach mehr fordern. Bekannt ist, dass es auch in and. EU-Ländern gr. Probleme gibt, aber die Forderungen in einigen Ländern sind strenger als in D. Das ist unser Problem.

  7. 5.

    Ich wollte eigentlich einen entsprechenden Beitrag finden über die Eröffnung in Peking. Aber ich frage mal hier. WIESO schicken wir ungetestete Sportler zu Oympia, die dann mit ihrer Infektion erst dort auffliegen. Die Medien beschweren sich dann über örtliche Restriktionen weil man dort Corona eindämmen will. Offensichtlich ist das bei insgesamt 300 angereisten positiven dringend von Nöten.

  8. 4.

    Sprach- oder Denkprobleme?

  9. 3.

    Als Giffey den Menschen ehrliche, unkomplizierte Hilfe zukommen lassen wollte, hat sich eine Beschimpfungs-Welle über sie ergossen.
    Jeder Mensch hat ein Recht auf Skepsis und Beratung.
    Ich würde mir von den Medien übrigens eine ebenso sachliche Berichterstattung über Ungeimpfte in OSTDEUTSCHLAND wünschen.
    OK, der rbb ist da ja noch relativ seriös.

  10. 2.

    Vor 2 Jahren haben wir das Thema bereits angesproche. Reagiert wurde kaum. Sprachmittler mit Kompetenz werden gebraucht. Diese Aufklärungsarbeit können Kiezmütter nicht alleine meistern. Es übersteigt ihre Kompetenz. Vielleicht einmal nicht am verkehrten Ende sparen.

  11. 1.

    „ Oppositionspolitiker Kai Wegner (CDU) kritisierte die bisherige Umsetzung dieser Angebote, sie hätten "den Anschein einer Show-Veranstaltung", so Wegner. Gleichzeitig betonte er, eine aufsuchende Kampagne in den Kiezen bei Unterstützung migrantischer Communities sei wichtig und sinnvoll.“
    Diese Partei ist nur noch ein einziger Widerspruch, einfach peinlich!
    Ich gebe Frau Giffey und Herrn Prof. Drosten absolut Recht, allerdings sehe ich auch ein Problem bei unseren bildungsfernen deutschen Mitbürgern, die sich ihre Informationen aus zweifelhaften Kanälen holen.

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