Chronologie Gerhart-Hauptmann-Schule - Wie es anfing - wie es eskalierte: Die Besetzung der Schule

Do 30.10.14 | 08:50 Uhr

Die Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg stand mehrere Jahre leer, beherbergte dann verschiedene Projekte und geriet vor knapp zwei Jahren in den Fokus, als eine Gruppe von Flüchtlingen das Gebäude besetzte. Ein Rückblick auf die Ereignisse von der Besetzung bis zum aktuellen Räumungsultimatum des Bezirks.  

29. Oktober 2014: Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg teilt offiziell mit: Ende Oktober wird die Gerhart-Hauptmann-Schule geräumt. Am 31. Oktober sollen die Besetzer das Haus verlassen. Bezirkssprecher Sascha Langenbach erklärt: "Ich bin optimistisch, dass es
eine Reihe von Leuten gibt, die einsehen, dass jetzt Schluss ist." Und der Bezirk kündigt an, andernfalls den Senat um Polizeihilfe für eine Räumung zu bitten.

21. Oktober 2014:
Berliner Künstler und Kulturschaffende setzen sich für die Flüchtlinge in der besetzten Schule in Kreuzberg ein. Sie fordern, dass die Flüchtlinge dort bleiben können und die Idee von einem Flüchtlings-, Kultur- und Sozialzentrum in dem Gebäude weiterverfolgt wird. Zu den Unterstützern gehören Mitarbeiter des Grips- und des Maxim-Gorki-Theaters.

7. Oktober 2014: Nach wie vor ist die Schule von 45 Flüchtlingen besetzt. Eine Schlägerei sorgt für einen erneuten Einsatz der Polizei. Bei dem Einsatz kommt es auch zu Gewalt gegen die Beamten. Drei Männer werden festgenommen.

9. September 2014: Der Senat sichert dem Bezirk zu, die Kosten für die Unterbringung und den Lebensunterhalt der Flüchtlinge in der besetzten Schule zu übernehmen.

3. September 2014:
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg verkündet eine Haushaltssperre. Der Grund ist die voraussichtliche Überziehung des Etats um  Mehrausgaben von rund vier Millionen Euro (Gesamthaushalt: 640 Mio.). Eine der vorab nicht bilanzierten Mehrausgaben waren die rund zwei Mio. Euro für Wachschutz und Betriebskosten der Gerhart-Hauptmann-Schule. Allerdings sieht sich hier sehr schnell der Senat in der Lage und wohl auch in der Pflicht die Kosten zu übernehmen. Was bleibt ist der Vorwurf: Die Flüchtlinge sorgen dafür, dass die Verwaltung nicht einmal Geld für Kopierpapier hat.

19. August 2014: Der Bezirk fordert vom Senat die Kostenübernahme für den privaten Sicherheitsdienst, der die besetzte Schule bewacht, sagt aber gleichzeitig zu, die Kosten zu senken.

15. Juli 2014: Der Senat sichert den registrierten Flüchtlinge in der besetzten Schule zu, dass sie ihre Umverteilung in die Hauptstadt beantragen können, wenn sie bereits in anderen Bundesländern Asylverfahren laufen haben.

14. Juli 2014: Nachdem die verbliebenen Flüchtlinge eine Einigung unterschrieben haben, erklärt der Senat, dass sie in der besetzten Schule bleiben können und das Gebäude zunächst nicht geräumt wird. Hintergrund ist das Vorhaben des Bezirks, die Schule zu sanieren.

1. Juli 2014: Die Polizei erhält ein Räumungsersuchen von Bezirksbaustadtrat Hans Panhoff (B'90/Grüne), das für einige Verwirrung sorgt. Die Grünen dementieren: Panhoff habe nur um polizeiliche Unterstützung bei Verhandlungen mit den Flüchtlingen gebeten. Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann äußert sich nicht.

30. Juni 2014: Polizeipräsident Kandt stellt dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ein Ultimatum: Entweder der Bezirk beantragt die Räumung oder die Polizei zieht von den Schule und aus den Nebenstraßen ab.

25. Juni 2014: Rund 40 Flüchtlinge weigern sich, die Gerhart-Hauptmann-Schule zu verlassen. Einige von ihnen haben sich auf das Dach des Gebäudes zurückgezogen. Die Polizei riegelt das Gebäude und die Nebenstraßen ab - auch um zu verhindern, dass neue Flüchtlinge in das Gebäude gelangen.

24. Juni 2014: Rund 140 Menschen verlassen die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule und werden in andere Unterkünfte gebracht. Begleitet wird der Einsatz vor Ort von 1.700 Polizisten, die die Nebenstraßen abriegeln.

23. Juni 2014: Der Senat vermeldet, dass Unterkünfte für die Flüchtlinge der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule zur Verfügung stehen. Jetzt sei der Bezirk gefragt. Dieser spielte den Ball umgehend zurück: Von neuen Unterkünften wisse man nichts, sagt ein Sprecher.

28. Mai 2014: Das Bezirksamt kündigt an, in der Schule zwei Duschen einbauen und eine reparieren zu wollen. Nur ein Teil der Flüchtlinge läßt sich auf einer Liste registrieren - dies ist Voraussetzung für eine neue Unterkunft und eine Einzelfallprüfung.

25. April 2014: In der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg kommt es unter zwei Flüchtlingen zu einer tödlichen Messerstecherei. Ein 40-Jähriger aus Gambia soll seinen Mitbewohner erstochen haben. Der Vorfall löst eine erneute Diskussion über die Zustände in der besetzten Schule aus.

8. April 2014: Der Oranienplatz ist kein Flüchtlingscamp mehr. Die Bewohner bauen ihre Hütten und Zelte ab und beziehen ihre neuen Unterkünfte in Friedrichshain oder im Flüchtlingslager Marienfeld. Beim Abbau kommt es teilweise zu Rangeleien zwischen den Flüchtlingen. Am Abend demonstrieren in Kreuzberg vornehmlich linke Unterstützer gegen den Abbau des Flüchtlingscamps. Es kommt zu vereinzelten Festnahmen.

18. März 2014: Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) präsentiert einen Lösungsvorschlag: Die Flüchtlinge erklären sich bereit, den Oranienplatz sowie die Gerhard-Hauptmann-Schule zu räumen. Im Gegenzug bekommen sie eine sechsmonatige Duldung, die Möglichkeit Deutsch zu lernen und die jeweiligen Berufsabschlüsse anerkennen zu lassen. Unklar bleibt, wie viele der Flüchtlinge sich auf den Kompromiss eingelassen haben.

3. März 2014: Auf dem Oranienplatz bauen sich die Flüchtlinge Holzbuden - statt der provisorischen Zelte und befeuern damit die Debatte um schnelle Lösung weiter an.

22. Januar 2014: Nach der anhaltenen Kritik an den hygienischen und sozialen Zuständen in der besetzten Schule wollen Bezirk und Flüchtlinge für mehr Sicherheit und Sauberkeit sorgen. Ein Kernteam aus Bewohnern soll für die Sicherheit sorgen.

17. Dezember 2013:
Die Polizei rückt mit einem Großaufgebot an, weil bei einer Auseinandersetzung ein 39-jähriger verletzt wird. Tatverdächtig ist ein 23-Jähriger aus dem Tschad. Er wird von den Beamten festgenommen.

14. November 2013:
Bilanz nach einem Jahr: Seit Monaten leben etwa 250 Flüchtlinge in der ehemaligen Schule. Vor allem Gewaltakte sorgen dort für Schlagzeilen. Erneut wird dort ein Flüchtling bei einem Streit niedergestochen. Der Tatverdächtige ist flüchtig.

9. August 2013: Die Debatten gehen meist um das Protestcamp der Flüchtlinge auf dem Oranienplatz, die Gerhart-Hauptmann-Schule steht dabei in dieser Zeit selten im Fokus. Innensenator Frank Henkel (CDU) sorgt dabei vor allem mit seinem Vorhaben für Debatten, über die Bezirksaufsicht die Räumung des Flüchtlingscamps anzuordnen. Die Parteien streiten sich über Wochen und Monate über das Thema.

9. April 2013: Eine Polizeiaktion in der besetzten Schule sorgt für Protest und Empörung. Ein Sondereinsatzkommando stürmt das Haus. Angeblich sind die Beamten auf der Suche nach einem Straftäter.

18. März 2013: Das Bezirksamt teilt mit, die Flüchtlinge müssten die besetzte Schule bis Ende März verlassen. Einen Tag später heißt es dann, sie dürfen doch länger bleiben.

21. Dezember 2012: Ein Mann verletzt drei Menschen in dem besetzten Schulgebäude mit einem Messer. Er gehört vermutlich nicht direkt zur Gruppe der Asylbewerber.

11. Dezember 2012:
Der Bezirk kündigt an, die Flüchtlinge könnten bis Ende März 2013 in dem Schulgebäude bleiben.

8. Dezember 2012: 100 Flüchtlinge vom Brandenburger Tor und vom Oranienplatz besetzen in Kreuzberg die "leerstehende Schule Reichenbergerstraße, Ecke Ohlauerstraße", also die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) erklärt in einer ersten Reaktion: Die Besetzung wird nur für wenige Tage geduldet.

Wenige Monate zuvor hatte eine Gruppe von Aktivisten und Flüchtlingen auf dem Oranienplatz ein Protestcamp errichtet. Die Besetzung der Schule und des Platzes waren Teil einer Reihe von Aktionen zur Verbesserung der Lebenssituation von Flüchtlingen in Deutschland. Vor allem ein Protestmarsch von Flüchtlingen aus dem Bundesgebiet nach Berlin im September und Oktober 2012 , womit sie gegen die Unterbringung in "Lagern, gegen die Residenzpflicht und gegen das Arbeitsverbot protestierten, sorgte dabei für Aufmerksamkeit.  

Die Geschichte einer Besetzung in Bildern

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