Interview | Youtube-Video "Zerstörung der CDU" - "Das sollten wir sehr ernst nehmen"

Mi 22.05.19 | 20:23 Uhr
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Der YouTuber Rezo hat ein Video mit dem Titel "Die Zerstörung der CDU." online gestellt. (Quelle: dpa-Bildfunk)
Audio: Inforadio | 22.05.2019 | Gabriele Rohmann | Bild: dpa-Bildfunk

Das Youtube-Video "Zerstörung der CDU" platzt mitten in den wenig erregenden deutschen Europa-Wahlkampf. Sozialwissenschaftlerin Gabriele Rohmann über Populismus, den Protest der Jugend und was Politik und Medien jetzt tun sollten.

Mehr als drei Millionen mal ist ein Video aufgerufen worden, das den Titel trägt: "Die Zerstörung der CDU". Fast eine Stunde lang empört sich der junge Blogger Rezo darin über den Umgang von Politikern mit aktuellen Krisen und Misständen - vom Klimawandel bis hin zur immer tiefer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich. Er drischt dabei vor allem auf CDU-Politiker ein - das Ganze unterstützt von einem wahren Feuerwerk an Statistiken, wissenschaftlichen Artikeln, Fernsehclips und Internetfundstücken. Für ein Video solcher Länge über politische Themen ist die Riesenzahl der Aufrufe schon überraschend - und erklärungsbedürftig.

Ein Gespräch mit Sozialwissenschaftlerin Gabriele Rohmann vom "Archiv der Jugendkulturen" in Berlin.

rbb: Frau Rohmann, wie erklären Sie sich den Erfolg dieses Videos?

Gabriele Rohmann: Der Blogger Rezo hat sowieso schon mehr als 600.000 AbonnentInnen auf dem Youtube-Channel, und das erklärt natürlich die virale Wirkung, wenn er sowas reinsetzt – noch dazu unter so einem plakativen Titel, dass es von vielen gelesen, gesehn, geteilt und verbreitet wird. Das hat ja schon mal grundsätzlich eine Wirkung. Dann spricht er in diesem Video auch zentrale Themen an, die Jugendliche gerade umtreiben, Stichwort "Fridays for future", Klimawandel, Klimakrise, und dadurch multipliziert sich das auch sehr schnell.

Vielleicht ein paar Worte zur Form - das Video kommt mal aufklärerisch daher, mal polemisch. Es verkürzt Zusammenhänge, immer wieder kommt der Blogger rüber wie ein aufgeregter "Das-kann-doch-wohl-nicht-wahr-sein"-Rufer - wie nah ist das am Populismus?

Das Video ist nah am Populismus, weil es verkürzend ist, weil es bezogen ist auf eine Partei, die als sehr homogen wahrgenommen wird, weil die Bundespolitik mit der EU-Politik verbunden wird – der Aufhänger sind ja die EU-Wahlen – und da auch nicht differenziert wird: Welche Diskurse und verschiedenen Haltungen gibt es zu diesen Themen auch innerhalb der CDU? Und es endet mit einer klaren Wahlempfehlung – beziehungsweise einer klaren Wahl-Nichtempfehlung, was ja auch verkürzt und problematisch ist.

Auf der anderen Seite muss man sehen: Das ist ein junger Mensch, und er versteht sich wahrscheinlich als Teil einer Protestbewegung. Gerade in den jugendlichen Protestbewegungen kommt es oft auch zu Verkürzungen und hier und da zu einseitigen Darstellungen. Insofern würde ich mir das nicht so extrem unter dem Populismus-Aspekt anschauen. Aber es hat Elemente von Populismus.

Wie ernst können wir - wie ernst müssen wir diese Form der politischen Einmischung nehmen?

Das sollten wir schon sehr ernst nehmen. Junge Menschen kommunizieren nun mal viel über das Internet, und haben auch Protestformen über das Internet. Sie schreiben nicht unbedingt Briefe oder starten Petitionen, das ist eine ältere Form. Und wir sprechen ja auch Themen an, die ihnen ernst sind, die sie auch wirklich ernstnehmen, nämlich die Zukunft ihrer Generation und welchen Einfluss sie auf Gestaltungsprozesse hat, ob sie sich gehört fühlen oder nicht.

Die CDU als Hauptadressat des Videos tut sich erkennbar schwer, mit der Herausforderung umzugehen - wie sollten etablierte politische Parteien, aber auch etablierte Medien auf solche neuen Formen reagieren?

Wir müssen uns damit auseinandersetzen, die jungen Leute einladen, in Diskussionsprozesse einbinden, uns Beteiligungsformate überlegen. Die gibt es ja auch teilweise schon über Jugendforen. Es gibt ja auch demokratische Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen. Wir müssen auf sie zugehen und sie einladen, in einen kritischen Diskurs zu gehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Oliver Rehlinger, Inforadio

Sendung: Inforadio, 22.05.2019,

13 Kommentare

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  1. 13.

    Jemandem, der sich zuerst an Äußerlichkeiten dieses jungen Mannes klammert, kann ich nicht ernst nehmen. Schon gar nicht diesen User. Sie beschreiben es schon sehr zutreffend: es sind die Anfänge einer neuen Ära. Die Jugend wehrt sich. Bitte mehr davon.

  2. 12.

    Man kann auch etwas aussagen
    ohne es auszusprechen.
    Wahlwerbung für CDU / SPD ist das Video
    nun wirklich nicht.
    Was bleibt ?
    Die AFD wird er wohl nicht als
    Alternative meinen.

    Ich habe das Video komplett gesehen
    und es schreit (in) - direkt: Grün oder Dunkelrot.

  3. 11.

    Ja, daran erinnert es. Sie scheinen nicht in der Lage zu sein sich in junge Menschen hineinzuversetzen. Das ist traurig und schade, fällt auf. Alles wird schlecht geredet und immer wieder suchen Sie Gründe, junge Aktivisten schlecht zu machen. Das steht Ihnen aber nicht zu, das ist unfair und gehört sich nicht. Das geht über ein normales Meinungsbild hinaus. Zum Glück sehen wichtige und seriöse Leute das anders. Rezo hat seriös und fundiert belegt gearbeitet. Und schockiert. Wo Sie Selbstgefälligkeit wittern, sehen Millionen einen blitzgescheiten, informierten jungen Mann, der sich traut gegen den Strom zu schwimmen. Selbst wenn man selbst einige Punkte etwas anders sieht, die Situation ist so wie er sie schildert. Eine Chance für alle, auch die CDU und SPD. Wenn sie denn wahr genommen wird. Ich denke, fff und Rezo sind nur die Anfänge einer neuen Ära. Die Jugend wehrt sich. Und das wohl nicht ohne Grund. Denn was Sie als "große Anstrengung der Politik" sehen, macht unserem Nachwuchs zurecht Angst vor der Zukunft. Das darf nicht mehr ignoriert werden.

  4. 10.

    Immerhin hat er einen großen Teil seiner Aussagen mit stimmigen Quellen belegt. Und gerade beim Thema Klimawandel liegt er auf einer Wellenlänge mit dem ganz überwiegenden Teil der Wissenschaft. Unseriösität kann ich da nicht erkennen. Im Gegensatz zu Ihrem Kommtentar, indem Sie etwas behaupten, aber keine Beleg beifügen.

  5. 9.

    Seriösität der Aussagen dieses bunten jungen Mannes kann kann ich nicht entdecken. Die selbstgefällige und besserwisserische Art, ohne Anerkennung der großen Anstrengung der Politik hinsichtlich der Umwelt und des Klimas, erinnert an die von Kevin und dem schwedischen Mädchen.

  6. 8.

    Schöner What-about-ismus. Darum geht es in diesem Artikel und seinem Video nicht.

  7. 7.

    Da steckt viel Arbeit drin. Gut gemacht. Spontan würde ich annehmen das er Grün wählt. Wobei mir dann ein Blick zurück auf die Politik fehlt - als die Grünen Ministerposten hatten. Mir ist egal welche Farbe die Partei hat, das Problem ist ALLE betreiben eine ähnliche Politik. Vielleicht sollte er mal Fakten sammeln was war als Joschka Fischer (Grüne) Minister war. Ist auch nicht Cool.

  8. 6.

    Die „Einbindung in den Diskussionsprozess“ hat ja hier wohl funktioniert. Warum die Argumente dann als Populismus und verkürzt diffamiert werden, ist mir schleierhaft. Rezo misst die Politik der CDU an ihrer Wirkung. Er belegt seine Aussagen mit einer Unmenge an Studien. Nichts davon ist neu, sondern kann in unzähligen Publikationen nachgelesen werden, wird auch in vielen öffentlich-rechtlichen TV-Sendungen thematisiert. Der Unterschied ist der Ausbruch aus dem üblichen Diskurs durch Posten auf Youtube und Fehlen der Krawatte und/oder des „Achtung! Satire“ Warnhinweises. Die Debatten. auf Youtube und in sozialen Netzwerken sind heutzutage Teil des politischen Diskurses, der nicht mehr ausschliesslich in Zeitungen und traditionellen Medien stattfindet. Gerade Rezos Beitrag (und der überwiegende Teil der Kommentare dazu) zeigt, dass dieser Diskurs auch sachlich und nicht populistisch stattfinden kann. Danke dafür!

  9. 5.

    Es ist unmöglich heute ständig mit der Populismus-Keule um sich zu hauen wenn jemand es wagt echte Kritik an eine echte Adresse zu äußern. Wie wäre es denn Kritik anzuhören und mit konkreten Argumenten entweder abzulehnen oder zuzugeben? Wenn man lediglich ein Schlagwort statt Argumente benutzt um den Kritiker niederzumachen ist das für mich das beste Zeichen das der Kritiker richtig liegt. Wie heißt es u.a. in Wikipedia: 'Der Duden (...) erklärt den Begriff als opportunistische Politik, die „die Gunst der Massen zu gewinnen sucht'. Nach diesem Satz ist jeder Politiker der eine Rede hält ein Populist! Wie heißt es oben: "Es verkürzt Zusammenhänge,"... Ja na klar. Wie will man denn mehrere Themen abhandeln ohne zu verkürzen? Soll er ein 48h Video machen und alles haarklein erläutern? Was macht denn bitte die BILD oder andere Zeitungen? Frau Rohmann versucht hier zu beschwichtigen statt den harten wahren Kern zu behandeln das in unserer "tollen" Gesellschaft doch nicht alles so toll ist.

  10. 4.

    Mit seinen Mitmenschen über seine politische Meinung zu reden und dabei noch eine Menge Belege für die eigenen Behauptungen rauszusuchen ist jetzt auf einmal keine demokratische Beteiligungsmöglichkeit mehr? Politischen Diskurs gab es doch schon immer. Nur dass man halt jetzt eine Million Menschen auf einmal ansprechen kann. Machen die Parteien doch auch, bei denen ist es dann okay?

  11. 3.

    Richtig! Ernst nehmen, statt mit "Populismus" abblocken. Die Inhalte sind absolut berechtigt und vielschichtig. Die CDU hat selbst Populismus betrieben, als sie hoffnungsvoll auf das Thema Flüchtlinge gesetzt hat. Das Thema ist nun durch. Es kommen kaum noch welche. Ganz anders die anderen 1000 Themen, die währenddessen nicht behandelt wurden. Soziale Fragen (z.B. Wohnungsnot) und Umweltschutz (z.B. Klimawandel) sind 2 der wichigsten Themen des EU-Wahlkampfs. 2 Themen, die der CDU massiv Probleme bereiten. Deshalb auch der missglückte Versuch, sich jetzt als Klimaschützer darzustellen auf den Wahlplakaten. Verkürzt, zu spät, völlig unglaubwürdig. Schlicht: Populismus!

  12. 2.

    Lange habe sich die Parteien über mangelnde Wahlbeteiligung und mangelndes politisches Interesse junger Menschen beschwert. Und jetzt?! Jetzt können sie mit der eher berechtigten Kritik nicht umgehen. Ohne die Argumente des Bloggers widerlegen zu wollen oder gar zu können, will man ihn als Populisten abstempeln. Das ist mehr als traurig und hilflos. Demokratie gefährdet nicht derjenige, der seine Meinung äußert, sondern derjenige, der als gewählter Volksvertreter nicht die Interessen und Bedurfnisse der Mehrheit (und nicht der Lobbyisten) vertritt. So hat in der Vergangenheit der Protektionismus der Automobilindustrie zu deren Beinaheuntergang geführt. Das vermeintliche schützende Verhalten der Politik zur Vermeidung massiver Arbeitsplatzverluste hat nun genau diese Gefahr heraufbeschworen. Dieses Fehlverhalten mag in seinen Auswirkungen unbedeutend sein, das Verschlafen oder Vertuschen anderer gesellschaftlcher, dempgraphischer oder ökologischer Herausforderungen wird schwerer wiegen

  13. 1.

    "s gibt ja auch demokratische Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen. Wir müssen auf sie zugehen und sie einladen, in einen kritischen Diskurs zu gehen."
    Da liegt der Denkfehler. Auch Spahn lud die Jugend dazu ein, doch in die Parteien einzutreten - aber was passiert dann? Dann bekommt man von der Parteispitze gesagt, was man zu denken hat und das man sich daran gefälligst zu halten hat. Veränderung unerwünscht.... Wer ausschert ergeht´s wie Kühnert.
    Und viel Zeit für einen Diskurs ist ja nicht mehr, dann ist jede Diskussion oder Maßnahme obsolet.

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