Analyse | CDU-Debakel bei Landtagswahl - Gegen die Wand
Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an den Wahlkampf der CDU in Brandenburg denken? Hat die Antwort irgendwas mit Inhalten zu tun? Genau da liegt das Problem. Statt Themen zu setzen, ging es um Störfeuer. Der Neustart soll in der Opposition gelingen. Von Oliver Noffke
Das Unvermeidliche zuerst: der Roller. Jan Redmann hätte seinen Wahlkampf kaum schlechter starten können. Dass er im Juli betrunken auf einem E-Scooter durch Potsdam-Babelsberg gefahren ist, hat ihn viel gekostet: den Führerschein, eine Stange Geld und die Möglichkeit, politische Gegner von Beginn des Wahlkampfes an hart angreifen zu können. Stattdessen klebte ihm das Thema wochenlang am Schuh. Sagen wir mal wie Kaugummi.
Mehrfach räumte er den Fehler ein. Behielt auch dann die Fassung, wenn er bei einem Wahlkampfauftritt innerhalb von Minuten acht-, neun-, zehnmal hintereinander etwas dazu in ein Mikrofon sagen sollte. Er blieb stets freundlich, einsichtig, geläutert. Das war selbstverständlich der richtige Weg, um mit dieser Situation umzugehen. Und gleichzeitig hat ihn nichts so sehr ausgebremst wie jener weinselige Abend im Juli.
Unter Jan Redmann ist die Brandenburger CDU abgeschmiert. Das lässt sich anders kaum beschreiben. 12,1 Prozent bei den Zweitstimmen ist nicht nur der niedrigste Wert, den die Christdemokraten jemals in Brandenburg eingefahren haben. Schlechter schnitt die CDU auf Landesebene zuletzt 2020 ab, bei Bürgerschaftswahlen in Hamburg. Anfang Juli stand die CDU im BrandenburgTrend noch gleichauf mit der SPD bei 19 Prozent. Nun stellt sie die viertgrößte Fraktion in einem Parlament mit vier Parteien.
Übersteuert bei der Kurskorrektur?
In den vergangenen Wochen versuchte Redmann die Kurskorrektur. Wahrscheinlich riss er dabei zu fest am Steuer. Anfang September forderte er, Deutschland solle keine Geflüchteten mehr aufnehmen. Zu Beginn des Wahlkampfs sprach er oft über Integration, Sicherheit, Polizei oder Fachkräftemangel. Aber nicht derart zugespitzt von breit angelegten Abweisungen von Geflüchteten.
Damit stieg er in eine Debatte ein, bei der es für ihn nichts zu holen gab. Egal, was er forderte, die AfD konnte das locker überbieten oder – noch schlimmer – ihn fragen, warum er sich nicht schon früher für Verschärfungen eingesetzt hatte.
Es ist geradezu unmöglich, in der Migrationsdebatte rechts an den Rechtspopulisten vorbeizuziehen. Das stellen Meinungsforschende seit Jahren immer wieder fest. So auch diesmal in Brandenburg. Infratest Dimap hatte bei einer Umfrage wenige Tage vor der Wahl Wählerinnen und Wähler gefragt, wer die Verantwortung für hohe Zuwanderungszahlen trage. 55 Prozent der Befragten sagten: die CDU.
Störfeuer bis hin zur Sabotage
Die harte Landung der CDU hat Redmann nicht allein zu verantworten. Er hatte Helfer. Die tüchtigsten unter ihnen kamen aus der eigenen Partei. Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen und wie Redmann Mitglied im Bundesvorstand der CDU, fasste eine Woche vor der Wahl den wirklich bemerkenswerten Entschluss, den Brandenburger:innen die Wahl der SPD zu empfehlen.
Ebenfalls komplett ohne Not lenkten die Spitzen des Bundesverbands und der CSU die Aufmerksamkeit weg von den Brüdern und Schwestern in Brandenburg. War die Woche vor der Wahl in Brandenburg wirklich der richtige Zeitpunkt, um auszuhandeln, ob Friedrich Merz oder Markus Söder in zwölf Monaten die Union zur Bundestagswahl anführen wollen? Hätte das nicht auch nächste Woche sein können?
Wenn Jan Redmann und seine Brandenburger etwas vom Rest der CDU erwarten konnten, dann waren das ordentliche Störfeuer bis hin zur Sabotage.
Eine Wand aus Problemen, Neustart in der Opposition
"Im August lief’s noch ganz gut", sagte Redmann am Sonntagabend in rbb24 Brandenburg aktuell. "Dann kam der 1. September in Sachsen und Thüringen. Die Wahl dort hat den Brandenburger den Schreck in die Glieder fahren lassen." Es hat, wie Redmann sagt und auch diverse Befragungen zum Wahlverhalten feststellen, eindeutig eine Polarisierung gegeben. Für oder gegen die AfD.
Es ist allerdings nicht so, als ob die Partei oder ihr Spitzenkandidat in Brandenburg ein wirkungsvolles Rezept dagegen in der Hand gehalten hätten. Jan Redmann und die CDU sind durch den Wahlkampf gestolpert. Viele der unglücklichen Umstände haben sie selbst verursacht, schlimmer gemacht oder zu lange ausgehalten. Bis sich eine Wand aus Problemen aufgetürmt hatte, die am Ende einfach zu hoch gewesen war.
Den Schaden beseitigen will Redmann selbst. Seine Fraktion steht dabei hinter ihm. Am Dienstagvormittag wurde er mit elf Stimmen als Vorsitzender bestätigt. "Wir bereiten uns auf die Rolle in der Opposition vor", sagte er kurz darauf bei einer Pressekonferenz. Eine Koalition mit der SPD hätte keine Mehrheit, ein Dreierbündnis mit dem BSW schloss er aus. "Als fünftes Rad am Wagen steht eine CDU nicht zur Verfügung."
Korrektur: In einer früheren Fassung dieses Beitrags waren leider unsaubere Angaben zu früheren Wahlergebnissen sowie zur Wiederwahl Redmanns zum Fraktionsvorsitzenden zu lesen. Die entsprechenden Stellen wurden korrigiert. Wir bitten die Fehler zu entschuldigen.