Wahlreaktionen aus Forst - "Wir haben wenig Hoffnung, dass sich was ändert"

Mo 23.09.24 | 16:54 Uhr | Von Andreas Rausch
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Symbolbild: Stadtkirche (Nicolaikirche) in Forst (Lausitz) am 13.05.2022. (Quelle: dpa/Andreas Franke)
Bild: dpa/Andreas Franke

Forst an der Neiße. Eine Stadt fernab des boomenden Speckgürtels mit ganz eigenen Problemen. Hier wohnen knapp 18.000 Menschen. Einer von ihnen ist der Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Was denken die Forster am Wahlsonntag über Politik und ihren bekanntesten Einwohner? Von Andreas Rausch

Die Sonne strahlt über den Wahlplakatwäldern von Forst. Viel Blau vom Himmel und am Boden, dazu werbendes Rot, Türkis, etwas Grün, Orange ist auch dabei. Es ist einer dieser Spätsommertage, von denen man vor dem nasskalten Herbst gar nicht genug bekommen kann. Ein warmer Sonntag, und doch sind kaum Menschen auf den Straßen zu sehen, Wahllokale erkennt der nachmittägliche Besucher hier nicht am Zustrom der Willigen. Nur ein paar Spaziergänger um einen Eisladen herum sind auszumachen.

Letzter Brandenburger Landkreis in dem Braunkohle gefördert wird

18.049 Menschen wohnen laut letzter Statistik [forst-lausitz.de] an der polnischen Grenze, es waren früher deutlich mehr. Früher meint nicht die Wende, wie in vielen anderen Orten Ostdeutschlands. Die Forster Schrumpfung setzte schon nach den 1960er Jahren ein. Und setzt sich schleichend bis heute fort. Eine Stadt mit großer Vergangenheit und schwieriger Gegenwart.

Forst ist Kreisstadt in Spree-Neiße, dem einzigen Landkreis in Brandenburg, in dem Braunkohle noch gefördert und verarbeitet wird und den der Kohleausstieg dementsprechend stark trifft. Der Tagebau Jänschwalde liegt nur wenige Kilometer vor der Stadt. Forst kämpft. Um Zukunft und Anerkennung. Einst galt das Städtchen als das "Manchester des Ostens" ob seiner Textilproduktion. Hier wurden einst die Deutschen Rosenschauen erfunden, bis heute lädt der Ostdeutsche Rosengarten zum Verweilen ein. Aber die Kreisstadt hat auch ein Abo auf die Rote Laterne der Arbeitslosenquote in der Region, zuletzt lag sie bei mehr als acht Prozent, drei Prozent über dem Durchschnitt.

Seit Juni ist der Landkreis Spree-Neiße auch der, in dem die AfD bei den Kommunalwahlen mit 38,2 Prozent ihr landesweit bestes Ergebnis eingefahren hatte. Doch über allem thront an diesem Tag die spannende Frage – wird der gerade deutschlandweit bekannteste Forster weiter die Geschicke Brandenburgs lenken oder sein Politikerdasein nach einer Niederlage an den Nagel hängen? Dietmar Woidke, den hier viele nur "den Dietmar" nennen, ist seit elf Jahren Ministerpräsident, er stammt aus der Stadt und wohnt bis heute hier. Für ihn ist der Tag der Landtagswahl eine Schicksalswahl. Und was denkt Forst?

Reaktionen auf erste Prognose im Biergarten

"Im Sperlingsstüb'l ist eigentlich immer was los", den Tipp bekommen wir und machen uns auf den Weg, knapp anderthalb Kilometer weg vom Eisladen. Es geht vorbei an schön sanierten Fassaden und alten Häusern, an leeren Schaufensterscheiben und vielen Baulücken. Wunden, die der Zweite Weltkrieg geschlagen hat. Als die Rote Armee den Krieg zurück nach Deutschland brachte, wurden 85 Prozent der Stadt zerstört. Das Stüb'l liegt am Stadtrand, im Nordwesten. Keine Straßenbeleuchtung weist den Heimweg. Und der Lärm aus den Baumkronen ringsherum lässt keinen Zweifel an der zwingenden Namensgebung für die Gaststätte.

Der Biergarten, um 18 Uhr herum, ist gut gefüllt. Eine Familie hier, eine gesellige Runde da. Viele Blicke kleben an den Handys. Die erste Prognose. Die SPD liegt vorn, die AfD dahinter. Kein Raunen geht durch den Biergarten, kein Applaus, keine enttäuschten oder erfreuten Ausrufe. Und unsere Frage nach dem "Was erwarten Sie hier in Forst von dieser Wahl?", wird an vielen Tischen abgewunken, freundlich aber bestimmt. "Kein Kommentar". Geraunte Medienskepsis. Ein paar reden dann aber doch mit uns.

"Es ist für mich doch überraschend, dass die SPD nochmal so zugelegt hat", meint etwa Sandro Mühlmeister. Der 47-Jährige denkt, dass die Zuspitzung im Wahlkampf zwischen AfD und SPD bei vielen dazu geführt habe, doch "den Dietmar" nochmal zu wählen. "Das hätte ich nicht erwartet und das überrascht mich auch", meint er.

"Ich hab erwartet, dass es so kommen wird. Aber ich bin enttäuscht. Weil sich so nichts ändern wird bei uns", sagt Thomas Feuerstein ihm gegenüber. Zuckt mit den Schultern und betont zugleich: "Ein Umschwung in die andere Richtung hätte ich mir aber auch nicht gewünscht, muss ich ganz ehrlich sagen". Der 60-Jährige meint die AfD, die habe man auch nicht gewählt, fühlt sich traditionell eher den Linken verbunden. Aber naja…und diesmal winken beide ab.

Brandenburg ist kein einfaches Land. Das ist zu spüren, gerade in diesem Biergarten am Rande von Forst. Wer sich mit den Forstern unterhält, bekommt einen unmittelbaren Eindruck vom Stadt-Land-Gefälle, von der Verbitterung, am Rand nicht wahrgenommen zu werden von den politischen Entscheidern.

Die neue Landesregierung, wenn ich mir was wünschen dürfte, sollte nicht nur auf Potsdam oder den Speckgürtel gucken sondern auch dahin, wo wir wohnen!

Thomas Feuerstein aus Forst

Wenig Hoffnung auf Veränderung

"Die neue Landesregierung, wenn ich mir was wünschen dürfte, sollte nicht nur auf Potsdam oder den Speckgürtel gucken sondern auch dahin, wo wir wohnen!" Am Tisch wird beifällig genickt, als es wieder um "den Dietmar" geht. "Auch wenn er hier wohnt. Er wird mit Autos gefahren, er sollte schonmal sehen, dass viele hier Probleme haben, einen Arzt zu finden. Oder einen Anschluss an die Regionen, wo das urbane Leben tobt. Das wünschte ich mir." Die Wirtin bringt noch eine Runde. Da hakt Sandro Mühlmeister nochmal ein. "Ich hab mit dem Wahlergebnis wenig Hoffnung für mich. Das bedeutet eigentlich ein Weiter so wie bisher. Die Probleme an der Basis, also hier in der Peripherie, die werden in Potsdam weiter nicht ankommen, denke ich. In einer Grenzstadt wie Forst ist das Thema Migration und Grenzkontrollen unmittelbar. Vom Nachbartisch ruft jemand rüber: "Ja, es soll jetzt wohl besser kontrolliert werden. Aber gesehen hab ich davon noch nicht allzu viel!"

Bei dem Thema hakt Doris Wartig ein, sie hat mittlerweile Enkel und wünscht sich für die eine bessere Bildungspolitik. "Ja, es sollte mehr in den Schulen getan werden, mehr Lehrer brauchen wir." Und dann ein Satz, den man häufig hört, wenn es um Migranten geht: "Ich bin nicht ausländerfeindlich. Aber da kommen jetzt Kinder in die Schulen, in die dritte Klasse und können kein Wort Deutsch. Und wer leidet darunter? Unsere Kinder, also in dem Fall meine Enkelkinder."

Der Abend zieht sich, eine Hochrechnung löst die nächste ab. Auf den Krieg wollen sie noch zu sprechen kommen. Den wolle man nicht, vor allem keine weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine. "Da muss sich so eine Landesregierung auch einsetzen, die können den Willen der Leute, also der Wähler, doch nicht ignorieren", ist sich der Tisch einig. Dann sind die letzten Runden bestellt, zunehmende Dunkelheit sorgt für einsetzendes Herbstfrösteln im Biergarten. Die letzten Gäste klopfen uns beim Abschied auf die Schulter. "Vielleicht ändert sich ja doch mal was. War auf jeden Fall gut, dass ihr auch mal hier bei uns gewesen seid." Und gehen, ihre Räder schiebend, über den nicht beleuchteten Feldweg zurück in ihre Stadt, die auch in den nächsten fünf Jahren den Ministerpräsidenten Brandenburgs stellen wird. In seinem Wahlkreis hat er das Direktmandat an den AfD-Mitbewerber Steffen Kubitzki verloren. Nicht so in der Rosenstadt Forst. Hier fielen dann doch die meisten der abgegebenen Erstwahlstimmen auf "den Dietmar".

Sendung: rbb24 - Ihre Wahl, 22.09.2024, 18:00 Uhr

Beitrag von Andreas Rausch

51 Kommentare

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  1. 51.

    Millionen Migranten arbeiten in der Schattenwirtschaft, im Billiglohnsektor, in Deutschland. Hier, unter uns. Kaum zu glauben. Schwarzarbeiter gibt es 12 bis 15 Millionen in Deutschland.


    Oder wer erarbeitet dann die 481 Millionen am Fiskus vorbei?

  2. 49.

    Da ist also noch anständig Luft nach oben ! Sollte man sich wirklich daran orientieren und dem als erstrebenswert nacheifern ? Sind 2,45 Billionen Schulden nicht eigentlich schon viel zu viel ? Wissen Sie wieviel Millionen eine Billion sind ?

  3. 47.

    Beschäftigen Sie sich mal mit der Schuldenbremse richtig, denn gerade in schlechten Zeiten muss man investieren, wie sonst sollten wir denn sonst von der Verschuldung wieder etwas runterkommen? Wir können nur mit Investitionen die Zukunft sichern. Die Liste der höchsten Staatsverschuldung weltweit lässt uns auf Platz 77 erscheinen. Da liegen wir im Mittelfeld.

  4. 46.

    Millionen Menschen mit Migrationshintergründen werden in der Schattenwirtschaft ausgebeutet, ohne Arbeitserlaubnis, im Sozialsystem geparkt von reichen Unternehmern, um Sozialabgaben zu sparen. Andere Millionen schuften für den Mindestlohn.

    Menschen gegeneinander auszuspielen freut nur jene, die die Arbeit durch Neiddebatten gegeneinander ausspielen wollen.

  5. 45.

    Wenn beliebig viel Geld da ist, warum muss man dann eigentlich auf Sondervermögen zurück greifen ? Hatte die Schuldenbremse auch mal einen tieferen Sinn, und wenn ja, welchen und wer und vor allen Dingen wann, werden die Schulden in Höhe von 2,45 Billionen zurück gezahlt ? Werden die Zahler erst noch gezeugt oder müssen womöglich Migranten und ihre Nachkommen die Schulden- Suppe auslöffeln und wissen es noch gar nicht ? Ein deutscher Reisepass bedeutet auch, sich an den Schulden beteiligen zu müssen.

  6. 44.

    Ich glaube nicht, dass Sie verstanden haben, was die AfD mit unserem schönen Land vorhat. Es würde Sie persönlich bis ins Mark erschüttern.

  7. 43.

    Ich habe mich einfach zurückgelehnt und festgestellt, dass Unzufriedenheit etwas mit dem Selbst zu tun hat. Man kann nämlich durchaus arm, alt und krank sein, viele Verluste erfahren haben, trotzdem aber zufrieden sein und richtig glücklich. Unser Selbst sollte sich wieder darauf besinnen, ob wir unser Glück im Materialismus sehen sollten oder eher in Sicherheit und kleinem Glück. In Anbetracht der Geschehnisse in der Welt bin ich demütig geworden und kann mein Glück nicht mehr fassen, nie Krieg, nie Flucht, nie Vertreibung, nie Hunger, nie Not, wie reich und glücklich ich dich tatsächlich bin.
    Das habe ich dieser Gesellschaftsform zu verdanken und den Menschen, die unsere Demokratie zu schätzen wissen.

  8. 42.

    Ist das jetzt für die offenbar Problemlösngen in Forst und Umgebung zu verstehen? - Entscheidet sich da ein junger Allegemeinmediziner mit einem 4-Personenhaushalt nach Forst zu ziehen? Oder noch simpler: Fährt da jetzt ein Bus mehr?

  9. 41.

    Welche Qualifikationen beseitzen sie denn, um so hochnäsig über andere Menschen zu urteilen?

  10. 40.

    Außenpolitik ist Bundessache. Da hat die Wagenknecht wieder alle sauber eingelullt.

  11. 39.

    Die Geburtenrate war auch vor 2015 schon im Sinkflug. Ausländer müssen wirklich für jedes Problem der Deutschen als Schuldige herhalten, der Lösung kommt man deswegen so pauschal aber nicht näher - es ist allenfalls bequem, das immer wieder als Grund herzunehmen.

  12. 38.

    Dass kein Geld für politische Gestaltung da wäre, weil "Kassen geplündert" sind ist ein Märchen rechter Parteien. Der Staat gibt die Währung aus, hat also unbegrenzt Geld zur Verfügung. Dass wir dumm genug waren unseren Parlamenten mit Schuldenbremsen eine fiskalische Fußfessel anzulegen ist tatsächlich ein Problem, aber wenn der politische Wille da wäre, stünde beliebig viel Geld zur Verfügung.

  13. 37.

    naja das sehe ich komplett anders. Am Urlaub ist das schönste wieder nachhause zu kommen. Zitat Peter Fox: Alle malen schwarz, ich seh' die Zukunft pink Wenn du mich fragst, wird alles gut, mein Kind.

  14. 36.

    Nur wenn die Stadt auch von der AfD regiert werden würde, macht ein Zuzug Sinn, und zwar für Personen, die normale und geordnete Verhältnisse mögen und darauf auch Wert legen. Aber selbst wenn die AfD mal rankommen sollte, sind die Möglichkeiten etwas zu verändern sehr gering oder sogar aussichtslos, weil die Kassen geplündert und leer übernommen werden müssen. Das stellt natürlich ein großes Problem da. Ähnliches erwartet die CDU 2025 im Bund, falls Merz Kanzler werden sollte.

  15. 35.

    Man kann den Deutschen eigentlich nur empfehlen in diese Länder auszuwandern, bevor das eigene Land abgeschafft wird.
    Auch hier wurden wildfremde herzlich Willkommen geheißen ! Dies hat aber zu ungeahnten Problemen geführt, die nun unlösbar geworden sind. Eine Abwanderung würde auch viele von diesen Probleme, wie z.B. Mangel an billigen Wohnungen u.a. lösen. In einer entspannten Umgebung würden sie wahrscheinlich auch wieder mehr Kinder bekommen.

  16. 34.

    sehe ich genauso. Merkt man in jeden Urlaub: bei uns sind die Straßen aus Gold gepflastert und trotzdem ist die Gesellschaft kalt und herzlos. In Türkei, Tunesien, Ägypten waren wir bereits und wir wurden von wildfremden Einheimischen herzlich wilkommen geheissen und haben immer Angebote zum essen und ob wir andere untersttzung brauchen bekommen. Bei uns in Deutschland sind alle Kinderfeindlich und dort ganz anders obwohl bitter arm. Denke da können wir noch viel von lernen, vorallem was das Kinder bekommen angeht, sonst schaffen sich die Deutschen selbst ab

  17. 33.

    Nur Kinderbuchautoren und Trampolinspringerinnen haben die nötige Fachkompetenz und Erfahrung, um wichtige Ministerien zu führen. Die Ergebnisse können sich sehen lassen, auch im internationalen Vergleich. Jedes andere Land auf der Welt hätte gern einen Wirtschaftsminister von solchem Kaliber. Auch was den Frieden anbetrifft, gibt es rasante Fortschritte.

  18. 32.

    Ich verstehe nicht, was die Menschen von der Politik erwarten? Sie müssen doch selber aktiv werden, wenn Sie eine Änderung in Forst möchten.
    Dafür das jahrelang nur Menschen abgewandert sind, sind das doch alles super intakte Städte. Ich glaube die Menschen haben vergessen, was wirklich Armut bedeutet.
    Und warum sollen in eine Stadt Menschen zuwandern, wo nur afd-wähler wohnen?