Kampagne vorgestellt - Brandenburger Grüne wollen Landtagswahlkampf sozialpolitischer führen

"Muteinander" – Das Wahlkampfmotto von Bündnis 90/Die Grünen klingt fast wie ein Versprecher. Mit ihm startet die Partei in einen Landtagswahlkampf, bei dem sie neben dem Naturschutz auch sozialpolitische Themen ins Zentrum rücken will. Von Nico Hecht
- zuletzt starke Stimmverluste für Brandenburger Grüne
- Kampagne mit sachlicherem Ton gegen rauen Populismus geplant
- Partei will Mietpreisdeckel für Brandenburg und online besser für sich werben
Auf dem Alten Markt in Potsdam, direkt vor dem Landtagsschloss gibt die Parteivorsitzende der Brandenburger Grünen, Hanna Große-Holtrup, das Signal zur Plakatpräsentation. "Das ist es!" Daraufhin enthüllen die beiden Spitzenkandidaten Antje Töpfer und Benjamin Raschke das Transparent mit Bildern von sich selbst und dem Slogan "Mehr Mut-Einander".
Es klingt wie ein Versprecher, wirkt wie ein Tippfehler – "U" und "I" liegen auf den Tastaturen immerhin direkt nebeneinander. Aber es sei genau so gemeint. Trotzdem sei es gut, wenn es Menschen zum Grübeln bringe, sagt Raschke: Es solle vermitteln, dass es Mut brauche die großen Aufgaben der Zeit anzupacken. Dass es dazu aber auch mehr Miteinander und Solidarität in diesem Land brauche.
Grüne Sachlichkeit statt Scheindebatten
Schon beim Parteitag in Cottbus Anfang März dieses Jahres hatte Antje Töpfer angekündigt, die Partei würde einen Gegenton in den politischen Debatten und im Wahlkampf einbringen. Ruhige Sachlichkeit und praxisorientierte Lösungsangebote wären ihr Stil, nicht krawalliger Populismus. Das würde die Kampagne weiterführen. Man merke schon jetzt, sagt Benjamin Raschke, wie rau der Ton sei und wie sehr reine symbolische Diskussionen geführt würden.
Raschke nennt als Beispiel die Debatte um die Bezahlkarte für Geflüchtete. Debatten, die den Landtag viel Zeit kosten würden, aber bei den realen Problemen, die mit der Versorgung von Geflüchteten einhergehen in den Dörfern und Städten nichts bewirken würden. "Wenn man mehr Kitaplätze brauche, muss man stattdessen mehr Kitas bauen", sagt der bisherige Fraktionsvorsitzende im Landtag.
Mietendeckel als Instrument für bezahlbares Wohnen in Brandenburg
Große Beliebtheit scheint der sachliche Stil der Partei aber bisher nicht beschert zu haben. Die Grünen kämpfen auf der Bundesebene mit so schlechten Umfragewerten wie lange nicht. Bei der Europawahl hatte sich ihr Rekordergebnis von 2019 fast halbiert. Analysen zu einer Forsa-Umfrage im April hatten ergeben, dass besonders Wähler der Mitte sich von den Grünen abwenden. Bei der Europawahl im Juni hatte die Partei besonders viele junge Wähler bis 25 Jahre verloren, mit einem Minus von 23 Prozent.
Da fällt auf, dass Landtagsspitzenkandidat Raschke sagt, die Wahlkampf-Kampagne wende sich vor allem an junge Familien. Er erklärt zwar, dass seine Partei sich wie keine andere für den Naturschutz einsetze. Aber Raschke und Töpfer stellen auch deutlich sozialpolitische Fragen ins Zentrum der Kampagne.
Allen voran die Forderung nach einem sicheren, bezahlbaren Zuhause in Brandenburg. Ein Problem, das längst immer größer werde, weil die Politik es bisher verschlafen hätte, sagt Raschke. Helfen solle dagegen eine neue Landeswohnungsbaugesellschaft, die selbst günstigen Wohnraum schaffen könnte. Die Grünen würden aber auch prüfen wollen, wie ein Mietpreisdeckel juristisch sicher eingeführt werden könne. Den Berliner Mietendeckel-Versuch hatte das Bundesverfassungsgericht 2021 gekippt.
Nach fünf Jahren Regierungsbeteiligung von Bündnis 90/Die Grünen will Antje Töpfer, als bisherige Staatssekretärin im grünen Gesundheitsministerium aber auch mit den Erfolgen dieser Zeit werben. Sie nennt dafür zum Beispiel, dass es gelungen sei, alle Krankenhäuser in Brandenburg zu erhalten, trotz Pandemie und Energiepreiskrise, bei der gleich mehrere Kliniken in finanzielle Schieflage geraten waren.
Töpfer einzige Spitzenkandidatin der großen Parteien
Gerade bei sozialpolitischen Themen wäre ihre weibliche Perspektive ein Pfund, mit dem sie im Wahlkampf wuchern werde, kündigte Töpfer an. Sie sei immerhin die einzige Spitzenkandidatin einer großen Partei. "Wenn ich durch die Stadt gehe, habe ich einen ganz anderen Blick. Da gucke ich nach Barrierefreiheit, ob man mit Rollator oder Kinderwagen vorankommt", sagt sie. Frauen hätten eine andere Perspektive und es sei wichtig diese mit einzubringen.
Grüne wollen wieder zweistellige Ergebnisse
Trotz viel Gegenwind auf der Bundesebene geben die beiden Spitzenkandidaten das Ziel aus, ein ähnliches Ergebnis wie bei der letzten Landtagswahl 2019 zu erreichen. Damals waren es 10,8 Prozent. Eine realistische Erwartung, so Raschke. Das würden die aktuellen Kommunalwahlen mit – nach seinen Worten "stabilen Ergebnissen" – im Vergleich zu den letzten im Jahr 2019 nahelegen. Das amtliche Endergebnis im Juni zeigte für Bündnis 90/Die Grünen ein Stimmenanteil von 6,7 Prozent, ein Minus also von 4,4 Prozentpunkten.
Helfen, das Ziel zu erreichen, soll auch ein ausgeweiteter Online-Wahlkampf. Budget und Personal dafür habe man erheblich aufgestockt, erklärte Brandenburgs Co-Parteivorsitzende Alexandra Pichl. Man werde Auftritte auf verschiedenen Plattformen posten, erklärte Sie, etwa bei Facebook und Tiktok. Auch auf Instagram habe man bereits eine ordentliche Reichweite, so Pichl. Mut mache den Grünen außerdem, so Spitzenkandidat Benjamin Raschke, dass man diesen Wahlkampf mit so vielen Mitgliedern wie noch nie stemmen werde. Mittlerweile seien es in Brandenburg fast 3.000.