Fragen und Antworten - Die wichtigsten Informationen zur Landtagswahl in Brandenburg
Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Wird die SPD erstmals nicht stärkste Kraft? Wie kann bereits vor dem Wahltag abgestimmt werden? Und welche Besonderheiten hält Brandenburgs Wahlrecht bereit? Von Oliver Noffke
Die Brandenburgerinnen und Brandenburger wählen am 22. September einen neuen Landtag. Mehr als zwei Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Sie bestimmen damit, welche Parteien und Politiker:innen ihre Interessen in den kommenden fünf Jahren auf Landesebene vertreten sollen.
Nach dem Bundestag sind die Landesparlamente die wichtigsten Volksvertretungen in Deutschland. Sie sind unter anderem verantwortlich für Bildungspolitik, Straßen, Krankenversorgung, Polizei oder Gerichte. In vielen Bereichen hat allerdings der Bund eine übergeordnete Kompetenz – insbesondere in der Außen-, Arbeits-, Wirtschafts- oder Umweltpolitik.
Wahlberechtigt sind alle, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben, seit mindestens einem Monat ihren ständigen Wohnsitz in Brandenburg haben, nicht durch einen Richterspruch von Wahlen ausgeschlossen wurden und Deutsche im Sinne des Grundgesetzes (Artikel 116) sind [gesetze-im-internet.de/gg].
Wie kann ich in Brandenburg wählen?
Für jeden Wahlbezirk führen die zuständigen Behörden ein Wahlberechtigungsverzeichnis. Bis zum 21. Tag vor der Wahl sollen alle Wahlberechtigten per Post eine Wahlbenachrichtigung erhalten. Wer diese bis zum 31. August nicht zugestellt bekommen hat, konnte innerhalb einer Woche Einspruch bei der zuständigen Wahlbehörde erheben.
Aus der Wahlbenachrichtigung geht auch hervor, ob das vorgesehene Wahllokal barrierefrei erreichbar ist. Sollte dies nicht der Fall sein und sich daraus Probleme ergeben, kann nach Rücksprache mit den zuständigen Gemeinden meist auch an einem anderen Lokal gewählt werden. Blinde oder sehbeeinträchtigte Menschen können eine Wahlschablone beantragen. Falls die Gemeinde dies nicht anbietet, hilft der Blinden-und-Sehbehinderten-Verband Brandenburg [bsvb.de].
Die Wahlbenachrichtigung enthält auch einen Antrag auf Briefwahl. Wer davon Gebrauch machen wollte, konnte bis zum letzten Mittwoch vor der Wahl die entsprechenden Unterlagen beantragen – also spätestens bis zum 18. September. Wichtig ist, dass auch bei der Briefwahl nur die Stimmen zählen, die bis zum Wahltag um 18 Uhr bei den zuständigen Stellen vorliegen. Entsprechende Postwege und Zustellzeiten sollten also unbedingt beachtet werden.
Wer seine Briefwahlunterlagen persönlich bei der Stadt- oder Gemeindeverwaltung abholt, kann an Ort und Stelle direkt abstimmen. Die Briefwahlunterlagen werden verschickt, sobald die Stimmzettel gedruckt wurden. In Brandenburg geschieht dies in der Regel circa vier Wochen vor dem Wahltag.
[Mehr Informationen zu den Voraussetzungen, unter denen man an der Landtagswahl in Brandenburg teilnehmen kann, finden Sie unter wahlen.brandenburg.de.]
Wie wurde Brandenburg bisher regiert?
Stolpe, Platzeck, Woidke: Seit der Wiedervereinigung stellt die SPD den Ministerpräsidenten in Brandenburg. Aus jeder Landtagswahl ging sie als stärkste Kraft hervor. Die Sozialdemokraten hatten 1994 sogar die absolute Mehrheit geholt und konnten fünf Jahre lang allein regieren. Seither hat die Partei jedoch kontinuierlich an Zustimmung verloren. 2019 erreichte die SPD mit 26,2 Prozent ihr bislang schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in Brandenburg. Der Vorsprung auf die zweitplatzierte AfD betrug weniger als drei Punkte.
Lange sah es so aus, dass die SPD in diesem Jahr nur zweit- oder gar drittstärkste Kraft werden könnte. Noch im BrandenburgTrend des rbb etwa, der Anfang Juli erschien, lag sie bei 19 Prozent – gleichauf mit der CDU. Die Umfrage sah die AfD bei 23 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erreichte aus dem Stand 16 Prozent.
Während des Wahlkampfs hat sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen entwickelt. Der BrandenburgTrend von Mitte September sieht die AfD weiter als stärkste Kraft (27 Prozent), aber nur noch knapp vor der SPD (26). Drittstärkste Kraft würde die CDU (16), gefolgt vom BSW (13). Alle anderen Parteien müssen um einen Einzug in den Landtag bangen oder auf Direktmandate hoffen. Dass der FDP nach zehn Jahren Abwesenheit eine Rückkehr in den Landtag gelingt, erscheint aktuell wenig wahrscheinlich.
Wie können kleine Parteien die Fünf-Prozent-Hürde aushebeln?
Brandenburg ist eines von vier Ländern, in dem kleine Parteien die Fünf-Prozent-Hürde reißen und trotzdem ins Parlament einziehen können. Gewinnt eine Partei ein Direktmandat, greift die sogenannte Grundmandatsklausel [Brandenburgisches Wahlgesetz §3; bravors.brandenburg.de/gesetze]. Dann darf eine Partei so viele Abgeordneten in den Landtag entsenden, wie ihr nach dem Ergebnis der Zweitstimmen zustehen. Zuletzt ist dies 2014 den Freien Wählern gelungen.
In Berlin und Schleswig-Holstein gilt dieselbe Regelung. In Sachsen sind zwei Direktmandate notwendig, um unter der Fünf-Prozent-Hürde durchzurutschen. Bei Bundestagswahlen müssen es drei sein. In anderen Bundesländern existiert die Grundmandatsklausel nicht.
Welche Regierungskoalitionen scheinen möglich?
Der Ausgang der Landtagswahl scheint in Brandenburg so offen wie selten zuvor.
Die aktuelle Regierung aus SPD, CDU und Grünen konnte Anfang Juli noch auf eine knappe Mehrheit hoffen. Das zeigte der BrandenburgTrend von Infratest Dimap für den rbb. In einer ebenfalls repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa einen Monat später war der knappe Vorsprung bereits dahin. Beim letzten BrandenburgTrend vor der Wahl konnte die SPD aufholen, jedoch muss demnach der derzeitige Koalitionspartner Grüne um den Wiedereinzug in den Landtag bangen.
Eine Fortsetzung der sogenannten Kenia-Koalition - wegen der Farben Schwarz, Rot und Grün - könnte am Ende aber selbst bei knapper Mehrheit scheitern: am Willen der Beteiligten. Zumindest die Führung der CDU scheint aktuell Kenia-müde.
Der AfD, die aktuell in Umfragen vorn liegt, fehlt bei einem Wahlsieg ein geeigneter Juniorpartner. Der Landesverfassungsschutz stuft sechs der bisherigen AfD-Abgeordneten als rechtsextrem ein. Der Landesverband wird als rechtsextremer Verdachtsfall geführt und steht unter Beobachtung [mik.brandenburg.de/.../verfassungsschutzbericht]. Die übrigen Parteien schließen unter anderem deswegen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus.
Ministerpräsident Dietmar Woidke hat angekündigt, dass seine SPD auch mit dem BSW über eine Koalition verhandeln würde. Für eine Regierungsmehrheit wäre dafür ein weiterer Partner notwendig. Mit der Linken und den Grünen gibt es thematisch die größten Überschneidungen. Ob die CDU mit dem BSW koalieren würde, ist bislang offen. Zwar schießt der Bundesvorsitzende Friedrich Merz laut gegen die Wagenknecht-Partei, in Brandenburg sind die Töne hingegen versöhnlicher.
Die größten Chancen auf das Ministerpräsidentenamt scheinen die Spitzenkandidaten von SPD und CDU zu haben. Amtsinhaber Dietmar Woidke will nur weiterhin Ministerpräsident von Brandenburg sein, wenn seine SPD am Ende auch das stärkste Ergebnis einfährt.
Wie groß wird der nächste Landtag?
Der Brandenburger Landtag umfasst mindestens 88 Sitze. Diese Zahl ergibt sich aus den 44 Wahlkreisen, in denen die Direktmandate entschieden werden (Erststimme); und wenigstens ebenso vielen Sitzen, die über die Landeslisten der Parteien besetzt werden. Am Ende soll die Sitzverteilung im Parlament möglichst akkurat das Ergebnis der Zweitstimmen spiegeln.
Bisher hatte der Brandenburger Landtag stets diese 88 Sitze. Nur einmal wich seine Größe davon ab. 1999 konnte sich die SPD aufgrund eines guten Erststimmenergebnisses ein Überhangmandat sichern. Ins Parlament zogen deshalb 89 Abgeordnete ein. Der kommende Landtag könnte allerdings deutlich anschwellen.
Weshalb wird mit vielen Überhang- und Ausgleichsmandaten gerechnet? Und welche Folge hätte das?
Die Bertelsmann-Stiftung geht davon aus, dass der nächste Landtag eine ungekannte Fülle an Überhang- und Ausgleichsmandaten beinhalten könnte. Schließlich liegen in den Umfragen momentan vier Parteien nah beieinander. Es ist also wahrscheinlich, dass Direktmandate mit relativ niedrigen und knappen Mehrheiten entschieden werden. Sollte am Ende eine Partei mehr Mandate direkt gewinnen, als ihr nach dem Ergebnis der Zweitstimmen zustehen, spricht man von Überhangmandaten. Sie müssen ausgeglichen werden, um das Verhältnis zu wahren.
Direktmandate sind den Parteien – beziehungsweise den Kandidatinnen und Kandidaten, die sie gewinnen – sicher. Die Mindestgröße des Landtags darf zudem nicht unterschritten werden. Ein Ausgleich kann deshalb nur durch zusätzliche Sitze im Landtag gelingen. Deswegen ist die Maximalgröße der Parlamente meist nicht beschränkt. In Brandenburg ist das anders.
Der Landtag darf laut Landeswahlgesetz nicht mehr als 110 Sitze haben. Die Bertelsmann-Stiftung geht davon aus, dass dieses Jahr mehr als 130 Abgeordnete notwendig sein könnten, um ausgeglichene Verhältnisse im Landtag zu schaffen. Diese Größe wäre nicht gesetzeskonform. Der Parlamentarische Beratungsdienst teilt die Warnungen der Stiftung hingegen nicht. Er sagt, das Brandenburger Wahlrecht ist verfassungskonform. Dennoch: Sollten Parteien sich bei der Sitzvergabe benachteiligt fühlen, würde es womöglich zu Klagen kommen - und das Landesverfassungsgericht müsste sich mit der Zusammensetzung des achten Brandenburger Landtags beschäftigen.
Sendung: rbb24 Inforadio,08.08.2024, 19:20 Uhr