Landtagswahl 2024 - Brandenburg-Wahl: Sieben Punkte, die in den Ergebnissen auffallen
Ein überraschender Wahlsieger, eine historische Niederlage - und ganz spezielle Mehrheitsverhältnisse im kommenden Landtag: Brandenburg hat einen neuen Landtag gewählt. Eine Übersicht darüber, was an der Wahl besonders ist.
1 - Woidke gewinnt und verliert
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte alles auf eine Karte gesetzt: Ich oder die AfD. Seine Strategie ist zumindest für ihn und seine Partei aufgegangen: Die SPD ist mit 30,9 Prozent stärkste Kraft bei der Landtagswahl in Brandenburg geblieben - vor der AfD. Woidke ist eine Aufholjagd gelungen, denn seine Partei lag noch im Juli in Umfragen unter 20 Prozent. Die Frage ist: Ist diese Strategie nachhaltig?
Der amtierende Ministerpräsident musste am Wahlabend auch eine Niederlage einstecken. In seinem Wahlkreis (Spree-Neiße I) verlor er äußerst knapp gegen den AfD-Direktkandidaten Steffen Kubitzki, der nur sieben Erststimmen mehr als Woidke erhielt.
2 - AfD verfügt über Sperrminorität
Die AfD landet auf Platz zwei (29,2 Prozent) und kann im Vergleich zu der Wahl 2019 fast sieben Prozentpunkte zulegen. Nach dem vorläufigem Endergebnis der Brandenburg-Wahl kommt die AfD auf 30 von 88 Sitzen und hat damit eine Sperrminorität. Das bedeutet, dass sie aus einer Minderheit heraus (lateinisch: minoritas = Minderheit) Entscheidungen blockieren, also sperren, kann, für die es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag braucht. Sie könnte beispielsweise verhindern, dass bestimmte Verfassungsrichter nominiert werden. Auch Änderungen der Landesverfassung könnten nur verabschiedet werden, wenn die AfD es will.
Die AfD ist - genau wie die SPD - in 22 Wahlkreise stärkste Kraft. Bei den Erststimmen sieht es für die AfD noch besser aus: 25 ihrer Direktkandidaten erhielten in ihren jeweiligen Wahlkreisen die meisten Stimmen und ziehen ins Potsdamer Parlament.
3 - BSW gelingt aus dem Stand der Einzug ins Parlament
Erst vor fünf Monaten als Landesverband gegründet und gleich mit 13,5 Prozent der Stimmen ins Parlament gewählt: Das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) hat in Brandenburg seinen dritten Erfolg bei einer Landtagswahl im Osten erzielt. Das BSW hatte bei der Landtagswahl in keinem Wahlkreis Direktkandidaten aufgestellt und fuhr trotzdem ein besseres Ergebnis als die CDU ein. Künftig werden 14 BSW-Abgeordnete die drittstärkste Fraktion im Landtag bilden. Und: Ohne das BSW hat Woidke keine Mehrheit im Parlament.
Der Brandenburger Spitzenkandidat des BSW in Brandenburg, Robert Crumbach, setzte vor und nach der Wahl auf die Themen Bildungspolitik, Kommunalfinanzen und Friedenspolitik. Am Tag nach der Wahl bekräftigte er bei WDR5, dass seine Partei die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ablehnt. Die Bundesregierung hatte angekündigt, ab 2026 Marschflugkörper und Flugabwehrraketen aus den USA für eine begrenzte Zeit nach Deutschland bringen zu wollen.
4 - Grüne, Linke und Freie Wähler sind raus
Gleich drei Parteien sind aus dem Landtag geflogen: Grüne, Linke und BVB/Freie Wähler wollten wieder in den Landtag einzuziehen, gegebenenfalls auch ohne die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Denn dafür hätte jede Partei in nur einem Wahlkreis die meisten Erstimmen bekommen müssen. Doch der Plan ging nicht auf - andere gewannen die Direktmandate.
Für die Grünen, die die vergangen fünf Jahren an der Regierung beteiligt waren, war der Wahlabend besonders bitter: Nach der ersten Prognose um 18 Uhr sah es noch so aus, als würden sie es noch über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Doch im Laufe des Abends verkleinerte sich ihr Stimmenanteil, bis sie nach vorläufigem Wahlergebnis bei 4,1 Prozent landeten. Damit verfehlten die Grünen ihr erklärtes Ziel, eine Sperrminorität der AfD zu verhindern.
5 - Zweier- oder Dreierbündnis möglich
Woidke kommt bei der Regierungsbildung jetzt am BSW nicht vorbei. Im neuen Landtag hätte ein Bündnis aus SPD und BSW eine knappe Mehrheit, möglich wäre auch eine Dreier-Koalition mit der CDU.
Neben diesen zwei Mehrheitskonstellationen könnte Woidke theoretisch eine Minderheitsregierung mit der CDU bilden, da beide Fraktionen im Landtag zusammen genauso viele Sitze haben wie AfD und BSW und damit keine absolute Mehrheit. Mit der AfD will Woidke nach eigenen Angaben keine Sondierungsgespräche führen.
6 - FDP mit schlechtestem Ergebnis ihrer bisherigen Geschichte
Die FDP, die Teil der Bundesregierung ist, hat bei der Brandenburger Wahl das historisch schlechteste Ergebnis der Partei erzielt: Nur 0,8 Prozent der Brandenburger Wähler stimmten für sie. Bei keiner Bundestags-, Europa- oder Landtagswahl je hat die FDP schlechter abgeschnitten.
Die FDP ist seit 2014 nicht mehr im Landtag vertreten. Bei der Landtagswahl 2019 erhielt die FDP noch 4,1 Prozent der Stimmen.
Diesmal wählten sie etwa 12.400 Menschen. Die FDP hatte nur zwölf Zweitstimmen mehr als es ungültige Zweitstimmen gab.
7 - Wahlbeteiligung enorm hoch
Mit 72,9 Prozent war die Wahlbeteiligung am Sonntag so hoch wie noch nie bei einer Landtagswahl in Brandenburg. Dabei verstärkt sich ein Trend, der sich in den vergangenen Landtags-, Kommunal-, Europa und Bundestagswahlen beobachten ließ: Die Nichtwähler werden immer weniger.
Trotzdem: Mehr als 560.000 Wahlberechtigte sind diesmal nicht zur Wahl gegangen. Damit hätte eine theoretische "Nichtwähler-Partei" etwa 100.000 Stimmen mehr als die SPD und wäre die mit Abstand stärkste Kraft im Parlament. Mehr über die "größte Wählergruppe" ist in dieser rbb|24-Analyse zu lesen.
Profitiert haben von der höheren Wahlbeteiligung mehrere Parteien. Wie bei der vergangenen Landtagswahl konnte die AfD die meisten Stimmen von ehemaligen Nicht-Wählern gewinnen (etwa 79.000 laut der Wahlanalyse von von infratest dimap [tagesschau.de]). Die SPD konnte 51.000 ehemalige Nichtwähler für sich gewinnen, das BSW rund 41.000.
Sollte Ihnen die Karte nicht angezeigt werden, klicken Sie bitte hier.
Sendung: Brandenburg aktuell, 23.09.2024, 19:30 Uhr