Landtagswahl 2024 - Brandenburg-Wahl: Sieben Punkte, die in den Ergebnissen auffallen

Mo 23.09.24 | 16:34 Uhr
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Wahlparty des BSW am 22.09.2024. (Quelle: dpa/Sebastian Gollnow)
Bild: dpa/Sebastian Gollnow

Ein überraschender Wahlsieger, eine historische Niederlage - und ganz spezielle Mehrheitsverhältnisse im kommenden Landtag: Brandenburg hat einen neuen Landtag gewählt. Eine Übersicht darüber, was an der Wahl besonders ist.

1 - Woidke gewinnt und verliert

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte alles auf eine Karte gesetzt: Ich oder die AfD. Seine Strategie ist zumindest für ihn und seine Partei aufgegangen: Die SPD ist mit 30,9 Prozent stärkste Kraft bei der Landtagswahl in Brandenburg geblieben - vor der AfD. Woidke ist eine Aufholjagd gelungen, denn seine Partei lag noch im Juli in Umfragen unter 20 Prozent. Die Frage ist: Ist diese Strategie nachhaltig?

Der amtierende Ministerpräsident musste am Wahlabend auch eine Niederlage einstecken. In seinem Wahlkreis (Spree-Neiße I) verlor er äußerst knapp gegen den AfD-Direktkandidaten Steffen Kubitzki, der nur sieben Erststimmen mehr als Woidke erhielt.

2 - AfD verfügt über Sperrminorität

Die AfD landet auf Platz zwei (29,2 Prozent) und kann im Vergleich zu der Wahl 2019 fast sieben Prozentpunkte zulegen. Nach dem vorläufigem Endergebnis der Brandenburg-Wahl kommt die AfD auf 30 von 88 Sitzen und hat damit eine Sperrminorität. Das bedeutet, dass sie aus einer Minderheit heraus (lateinisch: minoritas = Minderheit) Entscheidungen blockieren, also sperren, kann, für die es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag braucht. Sie könnte beispielsweise verhindern, dass bestimmte Verfassungsrichter nominiert werden. Auch Änderungen der Landesverfassung könnten nur verabschiedet werden, wenn die AfD es will.

Die AfD ist - genau wie die SPD - in 22 Wahlkreise stärkste Kraft. Bei den Erststimmen sieht es für die AfD noch besser aus: 25 ihrer Direktkandidaten erhielten in ihren jeweiligen Wahlkreisen die meisten Stimmen und ziehen ins Potsdamer Parlament.

3 - BSW gelingt aus dem Stand der Einzug ins Parlament

Erst vor fünf Monaten als Landesverband gegründet und gleich mit 13,5 Prozent der Stimmen ins Parlament gewählt: Das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) hat in Brandenburg seinen dritten Erfolg bei einer Landtagswahl im Osten erzielt. Das BSW hatte bei der Landtagswahl in keinem Wahlkreis Direktkandidaten aufgestellt und fuhr trotzdem ein besseres Ergebnis als die CDU ein. Künftig werden 14 BSW-Abgeordnete die drittstärkste Fraktion im Landtag bilden. Und: Ohne das BSW hat Woidke keine Mehrheit im Parlament.

Der Brandenburger Spitzenkandidat des BSW in Brandenburg, Robert Crumbach, setzte vor und nach der Wahl auf die Themen Bildungspolitik, Kommunalfinanzen und Friedenspolitik. Am Tag nach der Wahl bekräftigte er bei WDR5, dass seine Partei die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ablehnt. Die Bundesregierung hatte angekündigt, ab 2026 Marschflugkörper und Flugabwehrraketen aus den USA für eine begrenzte Zeit nach Deutschland bringen zu wollen.

4 - Grüne, Linke und Freie Wähler sind raus

Gleich drei Parteien sind aus dem Landtag geflogen: Grüne, Linke und BVB/Freie Wähler wollten wieder in den Landtag einzuziehen, gegebenenfalls auch ohne die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Denn dafür hätte jede Partei in nur einem Wahlkreis die meisten Erstimmen bekommen müssen. Doch der Plan ging nicht auf - andere gewannen die Direktmandate.

Für die Grünen, die die vergangen fünf Jahren an der Regierung beteiligt waren, war der Wahlabend besonders bitter: Nach der ersten Prognose um 18 Uhr sah es noch so aus, als würden sie es noch über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Doch im Laufe des Abends verkleinerte sich ihr Stimmenanteil, bis sie nach vorläufigem Wahlergebnis bei 4,1 Prozent landeten. Damit verfehlten die Grünen ihr erklärtes Ziel, eine Sperrminorität der AfD zu verhindern.

Landtagswahl-2024 in Brandenburg: Endergebnis. (Quelle: infratest dimap)

5 - Zweier- oder Dreierbündnis möglich

Woidke kommt bei der Regierungsbildung jetzt am BSW nicht vorbei. Im neuen Landtag hätte ein Bündnis aus SPD und BSW eine knappe Mehrheit, möglich wäre auch eine Dreier-Koalition mit der CDU.

Neben diesen zwei Mehrheitskonstellationen könnte Woidke theoretisch eine Minderheitsregierung mit der CDU bilden, da beide Fraktionen im Landtag zusammen genauso viele Sitze haben wie AfD und BSW und damit keine absolute Mehrheit. Mit der AfD will Woidke nach eigenen Angaben keine Sondierungsgespräche führen.

6 - FDP mit schlechtestem Ergebnis ihrer bisherigen Geschichte

Die FDP, die Teil der Bundesregierung ist, hat bei der Brandenburger Wahl das historisch schlechteste Ergebnis der Partei erzielt: Nur 0,8 Prozent der Brandenburger Wähler stimmten für sie. Bei keiner Bundestags-, Europa- oder Landtagswahl je hat die FDP schlechter abgeschnitten.

Die FDP ist seit 2014 nicht mehr im Landtag vertreten. Bei der Landtagswahl 2019 erhielt die FDP noch 4,1 Prozent der Stimmen.

Diesmal wählten sie etwa 12.400 Menschen. Die FDP hatte nur zwölf Zweitstimmen mehr als es ungültige Zweitstimmen gab.

7 - Wahlbeteiligung enorm hoch

Mit 72,9 Prozent war die Wahlbeteiligung am Sonntag so hoch wie noch nie bei einer Landtagswahl in Brandenburg. Dabei verstärkt sich ein Trend, der sich in den vergangenen Landtags-, Kommunal-, Europa und Bundestagswahlen beobachten ließ: Die Nichtwähler werden immer weniger.

Trotzdem: Mehr als 560.000 Wahlberechtigte sind diesmal nicht zur Wahl gegangen. Damit hätte eine theoretische "Nichtwähler-Partei" etwa 100.000 Stimmen mehr als die SPD und wäre die mit Abstand stärkste Kraft im Parlament. Mehr über die "größte Wählergruppe" ist in dieser rbb|24-Analyse zu lesen.

Profitiert haben von der höheren Wahlbeteiligung mehrere Parteien. Wie bei der vergangenen Landtagswahl konnte die AfD die meisten Stimmen von ehemaligen Nicht-Wählern gewinnen (etwa 79.000 laut der Wahlanalyse von von infratest dimap [tagesschau.de]). Die SPD konnte 51.000 ehemalige Nichtwähler für sich gewinnen, das BSW rund 41.000.

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Sendung: Brandenburg aktuell, 23.09.2024, 19:30 Uhr

32 Kommentare

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  1. 32.

    Von denjenigen, die AfD gewählt haben und nicht zu den Topverdienern gehören, würde ich gerne wissen, warum sie sich für eine neoliberale Partei entschieden haben. Den Neoliberalismus hätte man auch durch Wahl der FDP stärken können. Oder besteht die Überzeugung, dass dieser allen dient, wenn es erst keine Flüchtlinge bzw. deren Nachkommen mehr im Land gibt und wir aus der EU ausgetreten sind?

    Von Menschen, die sich als Demokraten sehen, wüsste ich gerne, warum sie Rechtsradikale wählen. Allen, die Rechtsradikale wählen, sollte klar sein, dass auch sie Opfer einer entsprechenden Regierung werden können. Die Erfahrungen aus bestehenden oder vergangenen absolutistischen Systemen zeigen, dass eine bloße Diffamierung dafür ausreichend sein kann, auch wenn man das "richtige" Parteibuch hat. Wenn z.B. dem Nachbarn meine Nase nicht passt....

  2. 31.

    z.Bsp. eine Partei die mit Pazifismus groß geworden war und mir nichts, dir nichts diesen Wert über den Haufen wirft und dazu auch noch kriegstreibend wirkt. Und leider noch mehr, mit Blick auf die Wirtschaftspolitik ist auch viel zu viel aufgegeben worden. Wahrscheinlich war der gelbe Droheinfluss auch zu groß.
    Nur einem Thema sind sie treu geblieben, und das im Übermaß, ohne Augenmaß – und haben so in meinen Augen die Konkurrenz gestärkt.

  3. 30.

    Ich persönlich finde es Bemerkenswert, wenn eine Partei den Mut hat zu sagen: Wir wollen Frieden und diplomatische Wege nutzen. Jemand der seinem Standpunkt, seinen Werten treu bleibt, wirkt für mich ehrlicher und vertrauenswürdiger, als z.Bsp. eine Partei die mit Pazifismus groß geworden war und mir nichts, dir nichts diesen Wert über den Haufen wirft und dazu auch noch kriegstreibend wirkt.
    Und ganz ehrlich, diese DDR Plattitüden haben mit der heutigen Zeit nichts mehr zu tun. Und eines sollte mal Bedacht werden, die Welt ist nicht Schwarz/Weiß und Gut/Böse. Es gibt jede Menge Grau und bunt, deshalb ist sie ja so schön.

  4. 28.

    Ich denke nicht, das die damaligen Nazis diese Begriffe gekannt haben und es wäre schön, den Holocaust nicht ständig mit dem Gebrauch dieses Wortes für jeden andersdenkenden zu verharmlosen.

  5. 27.

    Auf was wollen Sie warten? Als nächstes Bundesland fällt Sachsen-Anhalt 2026. Die westlichen Länder fallen in den nächsten zwei Wahlperioden. Wollen Sie warten, bis Sie gezwungen sind die Koffer zu packen und das Land zu verlassen?

  6. 25.

    Solche Wahlausgänge wie in Thüringen,Sachsen und Brandenburg wird es in den alten Bundesländern nicht geben. Da werden AfD und BSW nicht über 10% kommen.

  7. 24.

    Also was absolut super ist: Die Gender-Parteien Grüne und Linke sind raus. Langsam kehrt wieder Vernunft ein.

  8. 23.

    @15. Rolf.
    "Welches Volk meinen Sie mit Ausländer raus?"
    *fällt mir nix ein* hat doch gar nichts vom "Volk" und "Ausländer raus" geschrieben...
    Was wollen Sie mit diesem Kommentar erreichen???

  9. 22.

    Und wenn die Straftaten von Beamten kommen, was dann?

  10. 21.

    "Linksgrün" ist Nazisprech. Wie auch "Gutmenschen"... die Liste ließ sich beliebig weiterführen.

  11. 20.

    Für Sie konkretisierend, jeder Bundesbeamte:

    https://www.gesetze-im-internet.de/bbg_2009/__64.html

  12. 16.

    Da kann ich Ihnen nur aus vollstem Herzen zustimmen!!!
    Auf der Wahlparty … wieviele Defizite manche Menschen haben, ist kaum zu fassen!

  13. 14.

    AfD verfügt über Sperrminorität
    rbb24.de/politik/wahl/Landtagswahl/2024/afd-wahlparty-potsdam-lied-abschiebungen-.html

    Das ist die AfD, die auf ihrer "demokratischen" Wahlparty öffentlich zur millionenfachen Deportation von Migranten aufruft.
    Der Vorsitzende der AfD-Brandenburg, René Springer, sagte, "dieses Verhalten von Mitgliedern der Jungen Alternative sei relativ harmlos im Vergleich zu Forderungen der SPD-Parteijugend zu Abtreibungen. Das Lied sei Teil der Wahlkampfkampagne der Jugendorganisation Junge Alternative gewesen."
    Der Bundesvorsitzende Tino Chrupalla sagte: "Wir reden hier über die Jugend. (...) Und auch sie hat ein Recht, ausgelassen zu feiern."
    Der brandenburgische AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt sagte: "Der wirkliche Skandal ist die alltägliche Kriminalität und Gewalt in Deutschland und nicht das Singen eines Liedes."
    Für mich ist das Billigung von Volksverhetzung.
    Jeder Beamte in Deutschland ist per Diensteid verpflichtet Straftaten anzuzeigen.

  14. 13.

    4 - Grüne, Linke und Freie Wähler sind raus

    Sehr gut, Teile der Spalter sind nun nur außerparlamentarisch vertreten

    7 - Wahlbeteiligung enorm hoch

    Gute Nachrichten

    Hohe Wahlbeteiligung = weniger Prozente für Linke und Grüne

    Nichtwähler bzw. eine hohe Wahlbeteiligung sind für Linke und Grüne daher kontraproduktiv

  15. 11.

    das BSW...ein trojanisches Pferd, das nicht ohne kurz vor den Wahlen aktiv wurde. Wo kommen denn ohne das es jemand in der Altpartei merkt die vielen Mitglieder her?? Die Partei ist nur zu einem Zweck ins Leben gerufen worden.

  16. 9.

    Mir fällt ein 8. Punkt auf. Ist eine freie Wahl und das folgende Kritik und keine "Vorschrift." Aber warum man in dem Teil Deutschlands, der 45 Jahre zur Sicherung von Mauer und Stacheldraht von der Sowjetarmee besetzt war, so stark afd und bSW wählt, ist eine schräge Mixtur von Frustäußerung über Angst, Blindheit bis hin zu Arglist. Die Sowjetarmee war nicht für freie Wahlen wie diese Landtagswahl in der DDR und auch nicht für Reisefreiheit. Die Afd lebt von Angst, Hass und Wut und steuert dies in den asozialen Medien geschickt. Die Selbstdarstellerin Wagenknecht schürt auch Angst und tut so, als sei Verteidigung Landespolitik. Damit will sie Stimmen fangen und das gelingt ihr auch. Konstruktiv für eine Regierungsbildung auf Landesebene ist das aber nicht. Im Ergebnis freut sich der Angriffskriegsverbrecher Putin über diese Inhaltsallianz von afd und bSW.

  17. 8.

    Wundertüte, Wundertüte, Wundertüte...ach ja? Sie plappern alles nach, was in den Medien steht!

  18. 7.

    Das kann man nicht nur, das muß man sogar wenn diese gesichert rechtsextrem sind oder es ihnen egal ist wenn Postfaschisten wieder an die Macht kommen.

    Die rechtsextreme ist nicht "schlecht", sie ist demokratie- und verfassungsfeindlich. Jüngster Beweis: Hassgesänge mit volksverhetzenden Inhalt auf der AfD Wahlparty. Ist jemand eingeschritten? Nein!

  19. 6.

    Ich kann ja eine oder mehrere Parteien als unbequem empfinden, kann aber fast ein Drittel der Wähler nicht einfach unbeachtet lassen!
    Da hört für mich die Demokratie auf!
    Wenn denn die AfD so schlecht ist, dann diskutiert sie an die Wand und macht nicht mit populistischen Frasen Meinung!
    Solange die AfD nicht verboten ist, ist sie eine Partei, die demokraisch gewählt werden kann und ist.
    Damit muss ich mich auseinandersetzen und die Leute mitnehmen/abholen, mit Politik, die nachvollziehbar ist..

  20. 5.

    ... er hat mit Müh und Not die 1,7% mehr zusammenbekommen und nicht mal in seinem Wahlkreis punkten können. Vielleicht wäre es an der Zeit zu gehen. Aber bekanntlich kleben alle in der Politik an ihren Posten.

    Zum BSW, warum haben die aus dem Stand dieses Ergebnis erzielen können? Richtig, viele Menschen wollen keinen Krieg, keine Waffenlieferungen und so weiter. Aber die nächsten Waffenlieferungen für 1,4 Mrd. Euro stehen schon bereit ... das heißt es in der Politik zu lernen und hören, was die Menschen im Land wollen.

  21. 4.

    AfD-Sperrminorität, Putinpartei in der Regierung. Danke Woidke für gar nichts, das war ein Bärendienst für die Demokratie.

  22. 3.

    Es tut mir leid sowas zu sagen, aber(!) wer AfD wählt, ist bei mir unten durch! Wer Abschiebe-Lieder singt, ist wohl nicht mehr klar bei Verstand.

  23. 2.

    Sehr schön ist es, dass die AfD zunächst mal außen vor ist und bleibt. Die CDU hätte ein paar Stimmen mehr gebraucht. Das BSW ist für mich eine reine Wundertüte, man weiß nicht was drin ist. Ich hoffe nur, dass wir uns nicht die Nase wischen.

  24. 1.

    So ist es und will ich es nicht kommentieren. Nur soviel, es darf keinen weiteren Rechtsruck geben! Ich möchte nicht von Nazis regiert werden!

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