Analyse | Linke nach Landtagswahl - Zerschreddert

So 22.09.24 | 23:05 Uhr | Von Hasan Gökkaya und Oliver Noffke
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Linke-Spitzenkandidat Sebastian Walter im ARD-Wahlstudio am 22.09.2024. (Quelle: dpa/dts Nachrichtenagentur)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 22.09.2024 | Marc Langebeck / Sebastian Walter | Bild: dpa/dts Nachrichtenagentur

Erstmals wird es einen ostdeutschen Landtag ohne Die Linke geben. Spitzenkandidat Sebastian Walter sagte im rbb, die Partei sei in Brandenburg zerschreddert worden. Eine Einschätzung so brutal wie korrekt, wie die Wählerwanderung zeigt. Von H. Gökkaya und O. Noffke

Die Linke wird aller Voraussicht nach nicht im nächsten Brandenburger Landtag sitzen. Die Partei wird die Fünf-Prozent-Hürde deutlich verfehlen. 3,0 Prozent zeigt die Hochrechnung um 21 Uhr. Zum ersten Mal wird es damit ein ostdeutsches Parlament ohne die Linke geben.

Der Absturz ist beispiellos. Vor 20 Jahren hielt die Vorgängerpartei PDS in Brandenburg noch den Status einer Volkspartei inne. Rund 28 Prozent holte sie bei der Landtagswahl 2004. Nun holt Die Linke nur einen Bruchteil davon.

Der Rettungsanker ist ebenfalls von der Kette gerissen. Dass Kerstin Kaiser, ehemals Fraktionsvorsitzende im Landtag, im Wahlkreis 32 das Direktmandat holen wird, schien direkt mit dem Schließen der Wahllokale extrem unwahrscheinlich. Kurz darauf zeigte sich, dass jegliche Hoffnung von vornherein vergebens war. Kaiser wird in Märkisch-Oderland II wohl gerade so auf dem vierten Platz landen. Hinter den Kandidat:innen von AfD, SPD und CDU.

17.000 frühere Linken-Wählende sind zu Hause geblieben

Dass Kaiser sich nicht noch weiter unten wiederfindet, hat sie wohl indirekt dem Bündnis Sahra Wagenknecht zu verdanken. Das BSW hatte im Wahlkreis 32 niemanden für die Direktwahl aufgestellt.

Die Partei sei von allen Seiten "zerschreddert" worden, sagte der Parteivorsitzende Sebastian Walter am Abend im rbb. Eine Einschätzung so brutal wie korrekt.

41.000 Wählerstimmen hat die Partei wohl an das BSW verloren, berichtet das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap anhand von Nachwahlbefragungen. Bei einer Wahlbeteiligung, die am Ende wohl bei 73 bis 74 Prozent gelegen haben wird, macht allein das mehr als 2,6 fehlende Prozentpunkte aus. 23.000 weitere ehemalige Linken-Wählende haben diesmal lieber SPD gewählt, 14.000 sind zur AfD abgewandert. 17.000 sind lieber direkt zu Hause geblieben.

Grafik: Wählerwanderung (Die Linke). (Quelle: rbb)

Das junge Gesicht einer alternden Partei

Wirklich überrascht kann dieses Ergebnis Walter wohl nicht haben. Vermutlich wird der Schock bei ihm nicht einmal so tief sitzen, wie er sollte. Dafür hatte der Co-Landeschef zu lange Zeit, um sich auf so eine Schlappe vorzubereiten. Geschreddert wurde mit Ansage.

Da ist zum einen der Abwärtstrend, der die Linke seit Jahren quält – nicht nur auf Bundesebene, sondern besonders in Brandenburg. Zur Erinnerung: Die Partei, die jahrelang mitregierte und Ministerien führte, ist seit 2009 von Wahl zu Wahl zu einem politischen Zwerg geschrumpft. Gewichtige Akzente in der Opposition konnte sie zuletzt kaum noch setzen. Nun ist sie nicht einmal mehr groß genug für den Landtag.

Zum anderen hat die Partei ein demographisches Problem. Die Parteimitglieder sind überwiegend in fortgeschrittenem Alter. Walter ist, ob gewollt oder nicht, das junge Gesicht einer alternden Partei in Brandenburg.

Keine Chance gegen charismatische Über-Figur

Nach 15 Jahren im Abwärtstrend konnte Walter Die Linke nicht zurück auf Kurs bringen. Im Gegenteil: Er hat in diesem Wahlkampf gewichtige Fehler begangen. Die Linke habe zu spät verstanden, auf welche Themen es ankomme, das sagte er Anfang des Monats dem rbb. Zu lange habe er sich auf unnötige Diskussionen und Kulturkämpfe eingelassen. Etwa mit der AfD übers Gendern gestritten.

Walters größter Fehler war jedoch, das Thema zu ignorieren, dass dem BSW im Wahlkampf Herzen zufliegen ließ. "Wir haben zu lange versucht, das Thema Frieden zu umschiffen, ohne dabei klar sein zu können", sagte Walter vergangene Woche rbb|24. "Jetzt stellen wir fest, dass Frieden im Osten Deutschlands das wahlentscheidende Thema ist."

Zu lange hatte Walter versucht, den Fokus wegzulenken von der großen Außenpolitik. Schließlich hat Brandenburg kaum Kompetenzen in der Außenpolitik, sondern der Bund. Walter wollte lieber über Löhne, Renten oder Tesla reden. Dafür fehlten ihm jedoch die Zuhörer. Denn auch das ist eine Erkenntnis dieses Wahlsonntags: Der Krieg in der Ukraine bewegte die Menschen im Norden, Osten, Süden und Westen des Landes. Gegen eine charismatische Über-Figur wie Sahra Wagenknecht hatte der 34-Jährige am Ende keine Chance.

Und jetzt?

Auch Bündnis 90/Die Grünen und BVB/Freie Wähler werden den Wiedereinzug in den Landtag auf ähnliche Weise wohl verpassen. Doch für Die Linke ist der Scherbenhaufen besonders groß. Sie hat eine ehemalige Hochburg verloren und steht nun womöglich insgesamt vor der politischen Bedeutungslosigkeit. Ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl ist der genaue Schaden jedoch noch gar nicht zu beziffern. Wird es weiterhin eine Linken-Fraktion im Bundestag geben können? Jetzt, wo es das BSW gibt?

Walter betonte am Wahlabend in der ARD, dass er dem BSW nur eine kurze Halbwertszeit zutraut. Die Partei sei schlicht zu richtungslos, sei zu breit gestreut, findet er. Sein Kalkül: Abwarten, bis sich "dieses Bündnis BSW" selbst zerlege. Und anschließend die verlorenen Wählerinnen und Wähler wieder abholen. Von einem Sterben der Linken könne aber keine Rede sein. "Wir können von Null beginnen", sagte er. Er klang fast so, als sei das etwas Positives.

 

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 22.09.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Hasan Gökkaya und Oliver Noffke

27 Kommentare

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  1. 27.

    Sie haben mir die Pointe geklaut.

    Aber auch das "Tausendjährige Reich" hat "nur" 12 Jahre gedauert. Für Millionen von Menschen 12 Jahre zuviel.

  2. 26.

    Jetzt seien Sie Visionär doch nicht so bescheiden, in Wahrheit werden es doch Jahrtausende sein, stimmt's?

  3. 25.

    „Zerschreddert“

    War auch überfällig, der Mainstream der nächsten Jahre/Jahrzehnte liegt rechts.

  4. 24.

    Nun ist Frau Wagenknecht allerdings eher Selbstdarstellerin. "bSW" scheint mir die richtige Schreibweise zu sein. Putin dürfte das bSW-Ergebnis gefallen.

  5. 23.

    Die NATO mag in Ostdeutschland nicht hoch im Kurse stehen. Sie schützt allerdings im Gegensatz zu Putins Imperialismus die Freiheit, sie zu kritisieren. In New York, Tallinn, Warschau, Frankfurt/Main, Slubice und Frankfurt/Oder. Wobei die NATO in Frankfurt/Oder wahrscheinlich den niedrigsten Zustimmungswert hat. Putins Angriffskrieg zu kritisieren ist normal und kein NATO-Kurs.

  6. 22.

    "Der Beitrag selbst scheint Ihnen wohl nahezu immer unwichtig zu sein."

    Nein, der ist mir sogar sehr wichtig. Wo ist denn ihr Beitrag zum Thema?

    "Hauptsache äußerst schlau wirken." Ach, deshalb machen sie das, dann haben sie aber ihr Ziel deutlich verfehlt.

  7. 21.

    "Der Beitrag selbst scheint Ihnen wohl nahezu immer unwichtig zu sein."

    Nein, der ist mir sogar sehr wichtig. Wo ist denn ihr Beitrag zum Thema?

    "Hauptsache äußerst schlau wirken." Ach, deshalb machen sie das, dann haben sie aber ihr Ziel deutlich verfehlt.

  8. 20.

    Na wenn es um den "Nick" geht, holen Sie ja auch ganz schön aus.
    Im Besonderen was da zusammen kommt.
    Der Beitrag selbst scheint Ihnen wohl nahezu immer unwichtig zu sein.
    Hauptsache äußerst schlau wirken.

  9. 19.

    Warum nennt sich so einer wie sie eigentlich "Altlinker"? False flag oder im Sinne von Elsässer und Mahler?

    Wagenknecht wurde auch nicht "herausgedrängt", sie hat sich immer weiter radikalisiert und damit isoliert. Sie hat Politik GEGEN Die Linke betrieben.

    In anderen Parteien hätte sie sich längst einem Parteiausschlußverfahren stellen müssen. Dem ist sie zuvorgekommen.

  10. 18.

    Sahra Wagenknecht hat es vorher so analysiert und so ist es auch gekommen.
    Kann mich noch sehr gut an die Aussagen von vielen Politikern der Linken erinnern, dass die Linke ohne ihr bekanntestes Gesicht jetzt wieder durchstarten kann. Daran erkennt man, wie weit weg von der Realität solche Leute sind.

    Die Einschätzungen von Walter im letzten Absatz verdeutlichen aber, dass sie nichts lernen werden.

  11. 17.

    Genau so sieht es fast immer aus.
    Was gehen uns nach der Wahl unsere Wähler an.
    Wir machen unser eigenes Ding, immerhin sind wir die Schlauen und wissen was unser Wähler brauchen, oder auch nicht.
    Nur - Wahlen kommen immer wieder!

  12. 16.

    Wollten gerade die LINKEN nicht Politik fürs Volk machen? Da liegt doch der Hase im Pfeffer. Sie sind völlig vom Weg abgekommen. Drehten sich ewig um sich selbst, dann um Fremdes statt das Eigene.

    Politiker sind halt Mandatsträger, sie haben einen Auftrag erhalten, sind Stellvertreter. Wenn sie gar nicht stellvertretend tätig sind, sondern das Mandat als Freibrief für eine Legislatur Rumspinnerei ansehen, ist auch mal Schluss.

  13. 15.

    "17.000 frühere Linken-Wählende sind zu Hause geblieben" woher weiß man denn sowas?
    Und wie kommen (immer wieder) die Angaben zu den Wähler(ab)wanderungen zustande?
    Für Beides dürfte es Nichts Facktisches geben.

  14. 14.

    Endlich!

  15. 13.

    Das ist das Resultat, wenn man als Partei die Menschen mit Phrasen nicht mehr erreicht. Nur vom Verteilen reden, davon das wir noch mehr Flüchtlinge brauchen und den sogenannten Reichen mehr in die Tasche langen müssen, reicht eben nicht mal für 5%. Ich persönlich finde das gut, so wie es jetzt ist.

  16. 12.

    Ein Populist weniger.

  17. 11.

    Herrn Walters "Analyse" mit dem Rezept "Warten, bis die Konkurrenz scheitert, dann wird das Stimmvieh schon wieder zu uns strömen" weckt größte Hoffnungen darauf, dass diese Partei in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwinden wird.

  18. 9.

    Dass die "Grünen" rausgeflogen sind, war zu erwartend und ich denke, denen trauert auch niemand mehr nach. Die haben ihre Wähler ebenso "verars*", wie die LINKE Brandenburg.

  19. 8.

    Mit den Füßen hat die LINKE Brandenburg ihre eigenen Unterstützer weggetreten. Ich kann mich sehr gut erinnern, wie diese Partei mehr und mehr auf NATO-Kurs eingeschwenkt ist. Zum Fürchten!

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