Analyse | BSW in Brandenburg - Die Blackbox im Landtag
Das BSW hat es in den Brandenburger Landtag geschafft. Und wie! Das Bündnis ist so groß, dass die SPD zur Regierungsbildung an ihr nicht vorbeikommt. Bleibt nur die Frage: Was will die Partei überhaupt? Von Hasan Gökkaya und Oliver Noffke
13,5 Prozent der Zweitstimmen. 14 Sitze im Parlament. Wenige Monate nach der Gründung des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) steht fest, dass es in den kommenden fünf Jahren erheblichen Einfluss auf die Landespolitik in Brandenburg haben wird.
Die SPD ist zwar stärkste Kraft geworden und nimmt das als Auftrag zur Regierungsbildung wahr. Klar ist aber: Will Dietmar Woidke Ministerpräsident bleiben, muss er die Wagenknecht-Partei um einen Termin bitten. Ende der Woche soll dies stattfinden. Woidke hat die Wahl gewonnen, doch wie ein Sieger wird er sich gerade kaum fühlen.
Mathematisch betrachtet, könnte es sehr einfach sein: SPD und BSW kommen zusammen auf 46 Sitze im nächsten Landtag. Das wäre eine Mehrheit in dem Landtag mit insgesamt 88 Sitzen, aus Sicht von Woidke aber auch eine heikle Angelegenheit. Denn der Vorsprung wäre nicht nur knapp, sondern käme nur Dank einer Partei zustande, die bisher noch keinen Tag Parlamentsarbeit hinter sich hat.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist seit der Gründung eine politische Blackbox, daran hat sich während des Wahlkampfs nichts geändert. Es hat linke Wurzeln und stellt teilweise Forderungen, die traditionell eher im rechten Spektrum zu finden sind. Also, welches Risiko birgt solch eine Zusammenarbeit für die SPD? Und traut sich Woidke zu, sie zu beherrschen? Er ist immerhin einer der erfahrensten Ministerpräsidenten in der deutschen Politik. Sollte aber eine solche Koalition im Streit versinken, dürfte der Schaden vor allem die SPD treffen. Schließlich hätte sie sich von einer völlig unerprobten Partei abhängig gemacht.
CDU strebt keine Sondierungsgespräche mit der SPD an
Bereits am Wahlabend sagte Woidke, er möchte eine Koalition mit dem BSW nur eingehen, wenn auch die CDU mit an Bord ist. Die CDU verkündete aber bereits am Tag nach der Wahl, erst gar nicht in Sondierungen mit der SPD gehen zu wollen, weil es für sie keinen Sinn ergebe. Am Montagabend verkündete die SPD, sowohl BSW als auch CDU zu Sondierungsgesprächen einzuladen.
Im Trio hätte Woidke zumindest einen Partner, den er kennt, auch wenn die Zusammenarbeit bisher oftmals ein Kraftakt war. SPD und CDU könnten aber Robert Crumbach gemeinsam einhegen. Denn der BSW-Spitzenkandidat wirkt ebenfalls wie eine Blackbox. Welche Vision hat er für Brandenburg? Wie groß ist der Einfluss der charismatischen Parteigründerin auf Crumbachs politische Arbeit? Immerhin: Crumbach hatte im Wahlkampf öfter auch versöhnliche Worte für die Lage im Land. Bei der Debatte der Spitzenkandidaten im rbb sagte er mehrfach, das Land stehe in bestimmten Bereichen nicht schlecht oder sogar gut da. Frontalopposition klingt anders.
Aber würde sich die Brandenburger CDU nach ihrer spektakulären Bauchlandung vom Sonntag auf dieses Dreierbündnis einlassen? Könnte sie gestalten oder wäre sie in die Rolle einer Beisitzerin gepresst? Rein rechnerisch braucht es die CDU nicht. Am Montagmorgen hieß es: "Ich weiß nicht, was wir in diesen Gesprächen besprechen sollen", sagte CDU-Landesgeneralsekretär Gordon Hoffmann. Die CDU strebt demnach keine Sondierungsgespräche mit der SPD an. "Für uns ist klar, dass diese Gespräche jetzt zwischen SPD und BSW stattfinden sollten", sagte er dann noch.
Woidke sagte hingegen am Montagabend bei rbb24 Brandenburg Aktuell: "Meines Wissens nach werden sich beide Parteien an Sondierungsgesprächen beteiligen."
Ohne BSW keine realistischen Regierungsmehrheiten
Eine dritte Option wäre, dass SPD und CDU eine Minderheitsregierung eingehen, die vom BSW toleriert wird. Besonders attraktiv ist das weder für die SPD noch für die CDU. Die Koalition hätte die Arbeit, wäre aber auf das Wohlwollen einer de facto Oppositionspartei angewiesen. Immerhin, in Thüringen hielt das Konstrukt fünf Jahre.
Ohne das BSW gibt es in Brandenburg keine realistischen Regierungsmehrheiten. Doch will Robert Crumbach überhaupt regieren? Ausgerechnet mit einer Partei, die er nach 40 Jahren als Mitglied verlassen hat? Im Wahlkampf wurde er immer wieder danach gefragt. Eine klare Antwort gab er nie. Warum auch? Das BSW wurde hauptsächlich von Menschen gewählt, die sich einen anderen Umgang mit Russland wünschen sowie Frieden in der Ukraine. Mit diesem Thema lässt sich offensichtlich erfolgreich Wahlkampf machen. Aber keine Landespolitik.
Keine Partei in ähnlicher Situation wie BSW
Die Partei hatte sich erst zu Jahresbeginn gegründet. Der Landesverband existiert noch keine sechs Monate, Direktkandidat:innen in den 44 Brandenburger Wahlkreisen stellte sie nicht auf. Hätte Crumbach vor der Wahl aktiv einen Regierungsanspruch eingefordert, wäre dies leicht als Überheblichkeit zu verstehen gewesen. Ob das BSW regieren kann, diskutierten vor allem die anderen Parteien. Crumbach hingegen ging nie wirklich darauf ein.
Fest steht, dass das Profil seiner Partei hauptsächlich aus dem Namen einer Person besteht: Sahra Wagenknecht, die in Brandenburg aber keine Rolle spielt. Viele BSW-Mitglieder haben kaum oder gar keine Erfahrung mit den Mühlsteinen des Politikbetriebs.
Ein großer Faktor: Sahra Wagenknecht
Wagenknecht selbst ist seit 35 Jahren politisch aktiv, an einer Regierung war sie nie beteiligt. Während Die Linke und ihre Vorgängerpartei PDS über Jahrzehnte in Ostdeutschland die Geschicke von Kommunen und Ländern mitgestalteten, war Wagenknecht nicht dabei. Stattdessen blieb sie Oppositionspolitikerin durch und durch. Ob im Bundestag, im Europaparlament oder innerhalb ihrer eigenen Ex-Parteien: Sie fiel besonders dadurch auf, anderen zu sagen, was sie vorgeblich falsch machten.
Deswegen ist die Frage am Ende vielleicht nicht, ob das BSW in Brandenburg regieren will. Sondern, ob es das überhaupt kann. Und wie Wagenknecht Robert Crumbach dabei unterstützen wird.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 23.09.2024, 19:30 Uhr
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