Analyse | BSW in Brandenburg - Die Blackbox im Landtag

Mo 23.09.24 | 20:10 Uhr | Von Hasan Gökkaya und Oliver Noffke
  27
Amira Mohamed Ali, Robert Crumbach und Christian Posselt kommen zu einer Pressekonferenz zur gestrigen Landtagswahl in Brandenburg. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 23.09.2024 | L. Alboga/F. Pilarski | Bild: dpa/Christoph Soeder

Das BSW hat es in den Brandenburger Landtag geschafft. Und wie! Das Bündnis ist so groß, dass die SPD zur Regierungsbildung an ihr nicht vorbeikommt. Bleibt nur die Frage: Was will die Partei überhaupt? Von Hasan Gökkaya und Oliver Noffke

13,5 Prozent der Zweitstimmen. 14 Sitze im Parlament. Wenige Monate nach der Gründung des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) steht fest, dass es in den kommenden fünf Jahren erheblichen Einfluss auf die Landespolitik in Brandenburg haben wird.

Die SPD ist zwar stärkste Kraft geworden und nimmt das als Auftrag zur Regierungsbildung wahr. Klar ist aber: Will Dietmar Woidke Ministerpräsident bleiben, muss er die Wagenknecht-Partei um einen Termin bitten. Ende der Woche soll dies stattfinden. Woidke hat die Wahl gewonnen, doch wie ein Sieger wird er sich gerade kaum fühlen.

Mathematisch betrachtet, könnte es sehr einfach sein: SPD und BSW kommen zusammen auf 46 Sitze im nächsten Landtag. Das wäre eine Mehrheit in dem Landtag mit insgesamt 88 Sitzen, aus Sicht von Woidke aber auch eine heikle Angelegenheit. Denn der Vorsprung wäre nicht nur knapp, sondern käme nur Dank einer Partei zustande, die bisher noch keinen Tag Parlamentsarbeit hinter sich hat.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist seit der Gründung eine politische Blackbox, daran hat sich während des Wahlkampfs nichts geändert. Es hat linke Wurzeln und stellt teilweise Forderungen, die traditionell eher im rechten Spektrum zu finden sind. Also, welches Risiko birgt solch eine Zusammenarbeit für die SPD? Und traut sich Woidke zu, sie zu beherrschen? Er ist immerhin einer der erfahrensten Ministerpräsidenten in der deutschen Politik. Sollte aber eine solche Koalition im Streit versinken, dürfte der Schaden vor allem die SPD treffen. Schließlich hätte sie sich von einer völlig unerprobten Partei abhängig gemacht.

Die Sitze von BSW und SPD. (Quelle: infratest dimap)

CDU strebt keine Sondierungsgespräche mit der SPD an

Bereits am Wahlabend sagte Woidke, er möchte eine Koalition mit dem BSW nur eingehen, wenn auch die CDU mit an Bord ist. Die CDU verkündete aber bereits am Tag nach der Wahl, erst gar nicht in Sondierungen mit der SPD gehen zu wollen, weil es für sie keinen Sinn ergebe. Am Montagabend verkündete die SPD, sowohl BSW als auch CDU zu Sondierungsgesprächen einzuladen.

Im Trio hätte Woidke zumindest einen Partner, den er kennt, auch wenn die Zusammenarbeit bisher oftmals ein Kraftakt war. SPD und CDU könnten aber Robert Crumbach gemeinsam einhegen. Denn der BSW-Spitzenkandidat wirkt ebenfalls wie eine Blackbox. Welche Vision hat er für Brandenburg? Wie groß ist der Einfluss der charismatischen Parteigründerin auf Crumbachs politische Arbeit? Immerhin: Crumbach hatte im Wahlkampf öfter auch versöhnliche Worte für die Lage im Land. Bei der Debatte der Spitzenkandidaten im rbb sagte er mehrfach, das Land stehe in bestimmten Bereichen nicht schlecht oder sogar gut da. Frontalopposition klingt anders.

Eine Koalition aus SPD, CDU und BSW. (Quelle: Infratest dimap)

Aber würde sich die Brandenburger CDU nach ihrer spektakulären Bauchlandung vom Sonntag auf dieses Dreierbündnis einlassen? Könnte sie gestalten oder wäre sie in die Rolle einer Beisitzerin gepresst? Rein rechnerisch braucht es die CDU nicht. Am Montagmorgen hieß es: "Ich weiß nicht, was wir in diesen Gesprächen besprechen sollen", sagte CDU-Landesgeneralsekretär Gordon Hoffmann. Die CDU strebt demnach keine Sondierungsgespräche mit der SPD an. "Für uns ist klar, dass diese Gespräche jetzt zwischen SPD und BSW stattfinden sollten", sagte er dann noch.

Woidke sagte hingegen am Montagabend bei rbb24 Brandenburg Aktuell: "Meines Wissens nach werden sich beide Parteien an Sondierungsgesprächen beteiligen."

Ohne BSW keine realistischen Regierungsmehrheiten

Eine dritte Option wäre, dass SPD und CDU eine Minderheitsregierung eingehen, die vom BSW toleriert wird. Besonders attraktiv ist das weder für die SPD noch für die CDU. Die Koalition hätte die Arbeit, wäre aber auf das Wohlwollen einer de facto Oppositionspartei angewiesen. Immerhin, in Thüringen hielt das Konstrukt fünf Jahre.

Ohne das BSW gibt es in Brandenburg keine realistischen Regierungsmehrheiten. Doch will Robert Crumbach überhaupt regieren? Ausgerechnet mit einer Partei, die er nach 40 Jahren als Mitglied verlassen hat? Im Wahlkampf wurde er immer wieder danach gefragt. Eine klare Antwort gab er nie. Warum auch? Das BSW wurde hauptsächlich von Menschen gewählt, die sich einen anderen Umgang mit Russland wünschen sowie Frieden in der Ukraine. Mit diesem Thema lässt sich offensichtlich erfolgreich Wahlkampf machen. Aber keine Landespolitik.

Keine Partei in ähnlicher Situation wie BSW

Die Partei hatte sich erst zu Jahresbeginn gegründet. Der Landesverband existiert noch keine sechs Monate, Direktkandidat:innen in den 44 Brandenburger Wahlkreisen stellte sie nicht auf. Hätte Crumbach vor der Wahl aktiv einen Regierungsanspruch eingefordert, wäre dies leicht als Überheblichkeit zu verstehen gewesen. Ob das BSW regieren kann, diskutierten vor allem die anderen Parteien. Crumbach hingegen ging nie wirklich darauf ein.

Fest steht, dass das Profil seiner Partei hauptsächlich aus dem Namen einer Person besteht: Sahra Wagenknecht, die in Brandenburg aber keine Rolle spielt. Viele BSW-Mitglieder haben kaum oder gar keine Erfahrung mit den Mühlsteinen des Politikbetriebs.

Ein großer Faktor: Sahra Wagenknecht

Wagenknecht selbst ist seit 35 Jahren politisch aktiv, an einer Regierung war sie nie beteiligt. Während Die Linke und ihre Vorgängerpartei PDS über Jahrzehnte in Ostdeutschland die Geschicke von Kommunen und Ländern mitgestalteten, war Wagenknecht nicht dabei. Stattdessen blieb sie Oppositionspolitikerin durch und durch. Ob im Bundestag, im Europaparlament oder innerhalb ihrer eigenen Ex-Parteien: Sie fiel besonders dadurch auf, anderen zu sagen, was sie vorgeblich falsch machten.

Deswegen ist die Frage am Ende vielleicht nicht, ob das BSW in Brandenburg regieren will. Sondern, ob es das überhaupt kann. Und wie Wagenknecht Robert Crumbach dabei unterstützen wird.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 23.09.2024, 19:30 Uhr

 

Die Kommentarfunktion wurde am 24.09.2024 um 21:02 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Hasan Gökkaya und Oliver Noffke

27 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 27.

    Ja sicher. Womit dann die Endsiegphantasie zu ihrem Abschluss gekommen wäre. "Links" - das ist ja irgendwas von vorgestern undsoweiter. Auflösen! In Insolvenz schicken!

    Sagt der gestrigste Kapitalismus aller Zeiten. Denn der heute, kann sich nicht nicht einmal drauf berufen, zu wenige wissenschaftliche Ressourcen, zu kurz erst im Geschäft zu sein. Zur Entschuldigung seiner Performance. Im 30. Jahr seines zeitenwendischen Endsiegs über "Links". Seit 250 Jahren mindestens schon am werkeln. Aber deshalb mit seinen Rezepten, Konzepten und folgender Praxis auch allein verantwortlich für die vorliegenden Sachlagen.
    Klar das man da lieber drüber spricht "links" aufzulösen.

    "Links" beschreibt eine ewige Hoffnung, ein Bedürfnis mit langer Kontinuität in der Geschichte. Was Funktionäre daraus machten und machen steht auf einem anderen Blatt. Aber auch die lösen kein Kontinuität auf. Als Herrschaft über die Geschichte. Die Herrschaft der Erzählung über die Bedürfnisse der Menschen.

  2. 26.

    Ggf. wäre es am sinnvollsten, die überkommenen Schemata von Links und Rechts ein Stück weit abzustreifen. Sie sind ein Zeugnis des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit gewisser Berechtigung bis hinein in die Mitte des 20. Jhs. Seitdem wird sich weit mehr um die Art und Weise des Weges gestritten als um den angestrebten Inhalt als solches. In welchem Zeitraum und in welchem Ausmaß wird etwas gemacht, worüber alles in allem doch grundsätzlich Übereinstimmung herrscht?

    Und der Streit ist natürlich personifiziert. In der CDU von Friedrich Merz ausgehend, in Richtung aller Landesverbände, doch glücklicherweise immer wieder unterlaufen von gewichtigen "eigenen" Ministerpräsidenten, In der FDP vom Trio Lindner - Djir-Sarai - Kubicki.

    Gut erkennbar ist das BSW noch nicht. Ob aber Schubladen sinnvoll sind, daran habe ich meine Zweifel. ;-

  3. 25.

    Glauben Sie mir eines, ich hätte lieber den Teufel gewählt, als die AfD. Ich möchte nicht von Rechten regiert werden. Vielleicht sind nicht alle AfD´ler so, aber diejenigen die an den Schalthebeln sitzen umso mehr.

  4. 24.

    Es gibt bundespolitische Entscheidungen die durch den Bundesrat abgesegnet werden müssen. Das ist ein Grundsatz unserer förderalen Demokratie. Das genau ist die Möglichkeit des BSW auf Bundesentscheidungen Einfluss zu nehmen, wenn sie in Landesregierungen vertreten sind.

  5. 23.

    Das ist eine Haltung, das haben die wenigsten. Das verstehen aber nur wenige.

    Je mehr alle geifern, desto besser war die richtige Wahl.

  6. 22.

    "Waffenlieferungen an die Ukraine-ja/nein" sind KEINE Landesangelegenheit, sondern Bundessache.
    Das sollte man als neue/r Abgeordnete/r schon wissen (Frau Wagenknecht sowieso !) bevor man mit solchen unerfüllbaren, unrealistischen Maximalforderungen in Sondierungs-oder gar Koalitionsverhandlungen geht !
    Grüße aus Baden-Württemberg .

  7. 21.

    An alle BSW Hater! Heute ist ein sehr interessanter Artikel in der ZDF Heute app. Da stellte sich im Dez. vorigen Jahres ein Mann beim BSW vor, der sich "Hans Kappelt" nannte. Dank des Auswahlverfahrens und der genauen Prüfung der Mitglieder, stellte sich heraus, daß dieser Mann ein ehemaliges AfD Mitglied ist. Das zeigt die angekündigte Konsequenz und Ernsthaftigkeit d. BSW, nichts mit der AfD zu tun haben zu wollen. Welche Partei prüft ähnlich konsequent seine neuen Mitglieder?

  8. 19.

    "Wagenknecht offen für Gespräche mit Woidke" sagt alles über das BSW aus. Die Partei ist nichts ohne die Dame.

  9. 18.

    "Lieber eine Blackbox als grün!"
    Kurzer Text aber dafür 100% Zustimmung!

  10. 17.

    Lieber eine Blackbox als grün!

  11. 16.

    SPD und CDU bringen keine Mehrheit zustande, die CDU würde eher Probleme als Lösungen einbringen. Da wäre eine Minderheitsregierung "einfacher". Ich glaube aber nicht das Herr Woidtke dies anstreben wird. Die Schnittmengen zwischen SPD und BSW sind vorhanden. Das notwendige Verhandlungsgeschick traue ich ihm zu. Auch wenn das BSW in manchen Medien schon fast nur noch diskreditiert wird, sind dort keine Unbekannten am Start. Eine Beteiligung an der Landesregierung könnte durchaus positiv spannend werden.

  12. 15.

    Ein Dreierbündnis würde das BSW auf keinen Fall mitmachen. Wozu auch? Bezeichnend, dass so was im Artikel nicht berücksichtigt wird.

    Jeder der Sahra Wagenknecht ein paar Jahre kennt, weiß welche Politik im Groben angestrebt wird. Wieso wird sie also als Blackbox bezeichnet?

    BSW und SPD sind sich doch im Prinzip recht ähnlich und könnten theoretisch sehr gute Politik für die Menschen machen. Aber wenn die SPD sich lieber die CDU dabei wünscht, bin ich mir nicht sicher, ob das die neue Partei auch machen sollte..

  13. 14.

    Blackbox stimmt. Was für einen konkreten Plan hat denn das BSW genau ?
    Ohne Woidtke und Co. wäre Brandenburg heute nicht so gut aufgestellt. Was wollen die AfD und BSW- Wähler in Brandenburg eigentlich ? Wo genau haben sie denn versucht mitzugestalten bisher ? Es gibt viele gute Initiativen auch in abgelegeneren kleinen Orten. Dort jammert dann keiner, weil die Menschen ihre Bedürfnisse ( Mobilität, Versorgung) selbst in die Hand nehmen. Die AfD wird für die anderen "kleinen Leute" sicher nicht sorgen ! Guckt doch mal in deren Programm...
    Die CDU sollte Verantwortung übernehmen und mit regieren ! Und redet mit den Jungen UND den Älteren...bringen wir uns zusammen ein.

  14. 13.

    Falsch. Sowohl das BSW, als auch die AfD, wurden gewählt, weil deren Wähler eben kein „Weiter so“ wollten. Und die Wähler dieser beiden Parteien sind eindeutig die Mehrheit. Nur eine Minderheit hat eine „Weiter so“-Partei gewählt. Ohne die Rentner, die linke Politiker jahrelang dadurch diffamiert haben, diese sollten gefälligst nicht eine Zukunft bestimmen, die nicht mehr ihre ist, haben den Durchmarsch der AfD verhindert. Für die unsinnige Absenkung des Wahlalters plädierten linke Parteien. LOL

  15. 12.

    Auch das stimmt!
    Aber bedenken Sie bitte, daß die andere "Minderheit" die AfD mit (fast) 30% gewählt hat und somit mit dem BSW auf (fast) 44% kommt!
    Also eine "Minderheit" mit (fast) 45% möchte einen Politikwechsel in Bbg!
    Das sollte einem doch zu denken geben......

  16. 11.

    "Wenn es keinen grundlegenden Politikwandel im Sinne der Brandenburger Bevölkerung zur Folge hat,"

    BSW haben nur 12 Prozent bekommen. Sprich einen "Politikwandel im Sinne der Brandenburger Bevölkerung" will nur eine Minderheit.

  17. 10.

    Auf die Sondierungsgespräche bin ich sehr gespannt. H. Crumbach wirkte in den Gesprächen recht farblos und las von seinem Zettel ab, was F. Wagenknecht ihm aufgetragen hatte. Vieles aus Landespolitik und Bundespolitik wurde vermengt und wirkte für mich recht chaotisch und unlogisch.

  18. 9.

    Was die Partei will? Na den Weltfrieden. Bekanntlich soll die Welt am deutschen Wesen genesen. Die Probleme hier, vor Ort sind da erst einmal zweitrangig.

  19. 8.

    Was die Partei will, kann man im Wahlprogramm nachlesen und die " Parteien der Mitte" sollten froh sein, dass es den BSW gibt,
    Frau Wagenknecht und Co. haben genau diesen den Hintern gerettet und eine wirkliche Alternative zur AfD geboten.

    Und wenn einem 1,5 Prozent zum Jubel reichen, dann hat die " Mitte" offenbar noch immer nicht verstanden.