Landtagswahl in Brandenburg - Diese Schlüsse lassen die Wahlen in Sachsen und Thüringen zu
Sachsen und Thüringen haben gewählt - und erkennen lassen, was die Wähler von der Bundespolitik halten, wie sie zu Rechtsextremismus stehen und welche Rolle Social Media spielt. Was bedeutet das für die Wahl in Brandenburg in drei Wochen? Von Hanno Christ
1. Die Landtagswahl wird zur Bundeskanzler(ab)wahl
Die Wahlen vom Sonntag in Sachsen und Thüringen pumpen die Bedeutung der Brandenburger Wahl noch einmal mächtig auf. Bundesweit wird vor allem darauf geschaut werden, ob die immer regierende Brandenburger SPD über den Ampel-Unmut stolpert. Wenn ja, wird es noch ungemütlicher für Olaf Scholz, der sogar in Brandenburg Wohnsitz und Wahlkreis hat.
Alle in der Bundesregierung vertretenen Parteien haben erhebliche Stimmenverluste verzeichnet. Es ist kaum zu erwarten, dass sich an dieser Stimmung in drei Wochen bis zur Wahl in Brandenburg etwas gedreht haben wird. Mehr Gegenwind für die regierende SPD in Brandenburg geht eigentlich gar nicht. Sachsen und Thüringen könnten auch für viele Brandenburger nochmal eine Ermutigung sein, der Bundesregierung eins mitgeben zu wollen.
Für die Landesregierung in Brandenburg ist es eine fast tragische Entwicklung, denn wirtschaftlich steht Brandenburg so gut wie noch nie in seiner Geschichte da. Woidke ist noch immer der mit Abstand bekannteste und beliebteste Politiker. Es sind Früchte, die Ministerpräsident Woidke womöglich nicht wird ernten können. Seit Monaten geht er immer wieder in Opposition zur zerstrittenen Ampel. Dass er mit SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf nichts anfangen kann, hat er mehrfach unterstrichen. Fraglich, ob die Wähler das Woidke abnehmen werden oder er dennoch als Mitglied der Scholz-SPD gesehen und abgestraft wird. Für diesen Fall hat Woidke schon angekündigt, dass er hinschmeißen wird.
Aber es kann auch anders kommen: Schon 2019 bei der letzten Landtagswahl hatten Beobachter der SPD keinen Wahlsieg mehr zugetraut. Am Ende lag die SPD doch noch knapp vor der AfD.
2. BSW wird zur Größe bei der Regierungsbildung
Die Umfragen haben es angedeutet, die Wahlergebnisse bestätigt: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wird ein Faktor bei der Regierungsbildung. Woidke hat bereits angekündigt, dass er sich Koalitionen mit dem BSW vorstellen könnte, auch wenn weder inhaltlich noch personell klar ist, wohin die neue Partei steuert.
Die Personaldecke des Bündnisses in Brandenburg ist noch dünn, entsprechend zurückhaltend ist das BSW bei Fragen nach einer Regierungsbeteiligung. Mit Robert Crumbach hätte die SPD zumindest einen ehemaligen Genossen als Ansprechpartner. Fraglich wie nah sich BSW und CDU kommen. Bislang sind die Parteien eher damit aufgefallen mit wem sie nicht regieren wollen, statt zu sagen, mit wem es gehen könnte. Auch in Brandenburg könnte eine Regierungsbeteiligung knifflig werden.
3. Auch eine rechtsextreme AfD wird von immer mehr Menschen gewählt
In Thüringen und Sachsen haben rund ein Drittel der Wähler eine rechtsextremistische Partei gewählt, in Thüringen mit Björn Höcke einem Faschisten den Rücken gestärkt und die AfD zur stärksten Kraft gekürt. Auch in Brandenburg ist die AfD ein Fall für den Verfassungsschutz. Teile der Partei werden als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.
Das dürfte aber auch hier viele Wählerinnen und Wähler nicht davon abhalten, der Partei ihre Stimme zu geben. Im Gegenteil: Die AfD hat die Beobachtung durch den Verfassungsschutz erfolgreich ins Gegenteil verkehrt und wirbt mit dem Slogan "Gesichert rechtsextremistisch". Die Wahlen in Thüringen und Sachsen könnten für die AfD in Brandenburg einen Schub bedeuten und Hemmungen abbauen nach dem Motto: Wenn dort so abgestimmt wird, warum nicht auch bei uns? Regieren will allerdings bislang keiner mit der AfD, auch wenn sie unermüdlich betont, dass sie nun an der Reihe sei.
4. Grüne müssen von vorne beginnen - Linke führen das letzte Gefecht
Die Wahlen in Thüringen und Sachsen sind ein Debakel für Grüne und Linke, auch in Brandenburg könnte es am 22. September düster aussehen. Die Grünen haben zwar so viele Mitglieder wie noch nie in der Geschichte des Landesverbandes, doch auch für die Noch-Regierungspartei rückt die Fünf-Prozent-Hürde in besorgniserregende Nähe – nicht zuletzt auch weil sie in der Ampel sind. In Zeiten globaler Unsicherheit werden die Grünen, die sich gerne als Partei der Veränderung sehen, als zusätzliche Verunsicherer gesehen. Die CDU hat schon angekündigt, nicht mehr mit den Grünen regieren zu wollen. Die Grünen können kaum warten, bis die weltweiten Krisen ein Ende nehmen und müssen sich neu erfinden.
War die Linke schon vor dem Bündnis Sahra Wagenknecht im Stimmungstief, blutet sie nun vollends aus. In Thüringen half ihr nicht mal mehr, dass sie mit Bodo Ramelow den beliebtesten Politiker des Landes stellte. In Brandenburg hat die Partei außer Spitzenkandidat Sebastian Walter keine bekannten Köpfe zu bieten. Der Erfolg des BSW in Sachsen und Thüringen ist zugleich ein weiterer Sargnagel für eine der einst stärksten Brandenburger Parteien. Viele Wählerinnen und Wähler sind übergelaufen zum BSW. Endet mit dem 22. September die Geschichte der Linken in Brandenburg?
5. Auf Social Media hat die AfD die Wahl schon gewonnen
Den Kampf um die jüngeren Wähler hat die AfD in Sachsen und Thüringen haushoch gewonnen. Womöglich einer der Gründe: Die AfD ist den anderen Parteien auf Social-Media-Kanälen wie TikTok haushoch überlegen. Nach einer aktuellen Studie der Universität Potsdam vom Montag überflügelt die AfD die anderen Parteien, ist sichtbarer als alle anderen. Die Wissenschaftler untersuchten die Sichtbarkeit von Posts der Parteien in allen drei Wahlbundesländern im Osten, besonders viele davon in Brandenburg. Die Ergebnisse sind eindeutig: Würden Erreichbarkeit und Sichtbarkeit von TikTok-Beiträgen umgelegt auf Parlamentssitze, so hätte die AfD eine haushohe Mehrheit im Landtag.
Außerdem stellten die Forscher fest, dass weitaus mehr AfD-Kandidaten ein eigenes TikTok-Profil haben als Kandidaten der anderen Parteien. In Bundesländern, in denen immer weniger Menschen Nachrichten aus TV und Zeitungen beziehen, sind soziale Medien ein besonders großer Faktor bei der politischen Willensbildung. Gerade junge und unentschlossene Wähler sind besonders empfänglich. In Brandenburg dürfen Menschen bereits ab 16 Jahren bei den Landtagswahlen wählen. Es scheint, als geben die Parteien jenseits der AfD dieses Feld preis. Eine Nicht-Strategie, die sich rächt.
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Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 02.09.2024, 19:35 Uhr