Meinung | Landtagswahl Brandenburg - Der entgleiste Wahlkampf

Fr 20.09.24 | 11:54 Uhr | Von Hanno Christ
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Symbolbild:Wahlplakate der SPD, der Grünen und der AfD hängen in einem Bogen an Straßenlaternen.(Quelle:picture alliance/dpa/S.Gollnow)
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Migration, Zuwanderung, aber auch die Frage von Krieg und Frieden in der Ukraine dominierten den Wahlkampf in Brandenburg. Wichtige andere Themen fielen dagegen runter. Eine fatale Entwicklung, kommentiert Hanno Christ.

Erinnern Sie sich noch an die Debatte um die sogenannten Netzentgelte? Noch vor wenigen Monaten verging kaum eine Pressekonferenz, in der Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nicht die himmelschreiend ungerechte Organisation der Stromverteilung in Deutschland anprangerte. Ausgerechnet jene Regionen, in denen besonders viel erneuerbare Energie erzeugt wird - wie Brandenburg oder Schleswig-Holstein - bezahlen besonders hohe Strompreise. Schuld daran sind die bösen Netzentgelte.

Anfang September verkündete die Bundesnetzagentur, der gordische Knoten sei durchschlagen. Schon ab Januar werden die Entgelte neu geregelt, diesmal aber gerechter. Für Brandenburger Haushalte können dabei immerhin mehrere Hundert Euro plus im Jahr herausspringen. Doch mitten im Wahlkampf schrumpfte der Durchbruch auf nicht mehr als eine Meldung.

Trotz des Erfolges: Netzentgelte klingen eben nicht nach schmissigem Wahlkampfschlager. In der Brandenburger Staatskanzlei legten sie denn offenbar auch keinen großen Wert mehr darauf, sich die Finger wund zu schreiben. So tröpfelte aus der Regierungszentrale nur ein dürrer Mehrzeiler, dass man sich über die Neuordnung der Entgelte freue. Punkt. Weiter im Wahlkampf.

Wahlprogramme spielen kaum eine Rolle mehr

Wahlkämpfe wischen zuweilen beiseite, was eben noch wichtig schien. Stattdessen rücken schrille, emotionale Themen in den Vordergrund. Geschichten, mit denen Wählerinnen und Wähler möglichst zügig zu erreichen – und bestenfalls zu überzeugen - sind. Es wird verkürzt, zugespitzt, emotionalisiert, auch verfälscht. So ist er nun mal, könnte man meinen und alles so hinnehmen, wie es immer war.

In diesem Brandenburger Wahlkampf aber rieb man sich zuweilen verwundert die Augen. Monatelang hatten die Parteien an Wahl- und Regierungsprogrammen gefeilt, um sie auf den letzten Metern über den Haufen zu werfen. Offenbar trauten sie ihrer eigenen Arbeit nicht mehr. Statt bücherdicker Pamphlete hätte es am Ende auch eine DIN-A4-Seite mit zwei Punkten getan: Migration und Zuwanderung, dicht gefolgt von Krieg und Frieden in der Ukraine. Ach so: Und die Ampel braucht eine Klatsche. Hauptsache weg damit.

Die Wählerinnen und Wähler waren empfänglich für derlei emotional besetzte Themen, einige Parteien - allen voran AfD, BSW, SPD und CDU - haben verlässlich geliefert und Emotionen geschürt. Den vorläufigen Schlusspunkt unter die wochenlange Debatte zur Migration lieferte dieser Tage der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU), der eine jahrelange Forderung der AfD aufgreift und zum wiederholten Mal das individuelle Recht auf Asyl abschaffen will.

Gleiches hatte Alexander Gauland bereits 2017 gefordert, damals als AfD-Fraktionsvorsitzender im Brandenburger Landtag. So ändern sich Zeiten und Forderungen. Oder eben auch nicht.

Die meisten demokratischen Parteien haben offenbar kein Selbstvertrauen in die Wirkmacht eigener Themen gehabt.

Anschlag von Solingen überlagert die Wahlkämpfe

Der Anschlag von Solingen vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg hat eine Kaskade von Asylverschärfungen und Forderungen danach ausgelöst. Dabei hätten bereits andere tödliche Angriffe von Asylbewerbern in den Jahren zuvor ähnliche Folgediskussionen verdient. Es brauchte wohl erst Wahlkämpfe wie die in Ostdeutschland, um einen solchen Überbietungswettbewerb loszutreten. Dabei gehören diese Bundesländer noch immer zu den Regionen mit den niedrigsten Ausländeranteilen deutschlandweit.

Einmal mehr drehte sich die Debatte weniger um die Gestaltung von Integration, sondern vor allem um die negativen Folgen der Zuwanderung – auch in Brandenburg. Die AfD trieb die Diskussion einmal mehr auf die Spitze, fabulierte von Betretungsverboten bei öffentlichen Veranstaltungen für Asylbewerber und verteilte Stichwaffen an Wahlkampfständen, damit sich Deutsche gegen Ausländer zur Wehr setzen können. Es waren Exzesse eines Wahlkampfes, der thematisch schon längst entgleist war.

Wichtige Themen kommen zu kurz

Es stimmt: Migration ist eines der großen Themen unserer Zeit, viele Probleme, die damit einhergehen, sind noch immer ungelöst. Was auch stimmt: Parteien müssen sich im Wahlkampf voneinander abgrenzen, zuweilen auch mit schrillen Thesen. Doch ist es richtig, deswegen die meisten anderen Themen beiseite zu wischen?

Mit der Frage nach Krieg und Frieden in der Ukraine hat das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ein Feld besetzt, doch den Menschen gleichzeitig Sand in die Augen gestreut. In Brandenburg wird nicht über den Weltfrieden entschieden, so schön das klingen mag.

Die meisten demokratischen Parteien haben offenbar kein Selbstvertrauen in die Wirkmacht eigener Themen gehabt, die die Menschen in diesem Land nicht minder beschäftigen: Wie etwa die eklatante Bildungskrise angepackt werden kann. Wie Pflege bezahlbar bleibt. Wie sich das Land auf die existenziellste aller Krisen, den Klimawandel, vorbereiten und wie die Energiewende gewuppt werden kann.

Der Wahlkampf in Brandenburg ist sicherlich einer der spannendsten in der Geschichte des Landes, sein Ausgang offener denn je. Thematisch war er allerdings enttäuschend und eine Rolle rückwärts in vergessen geglaubte Zeiten.

Es ist zu wünschen, dass nach der Wahl Pragmatismus und Sachlichkeit zurückkehren, um eine stabile Regierung zu zimmern. Von diesem Wahlkampf wird ein Kater bleiben. Und der Zweifel, ob die Parteien wirklich wissen, worauf es ankommt.

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Beitrag von Hanno Christ

83 Kommentare

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  1. 83.

    Noch so nen Märchenerzähler, mh? Ihr plappert einfach alles nach, was Krah und Chrupalla & Co auf Telegram verbreiten. Und das alles, gemäßder Kremlvorgabe, die Demokratie in Deutschland zu vergiften. Dit is meine Meinung!

  2. 81.

    "30% Stimmen sind kein Votum für einen wirtschaftlichen Rückgang, sondern als Protest gegen diesen gedacht, denn momentan sind es ja die Etablierten die den wirtschaftlichen Rückwärtsgang zu verantworten haben."

    Inwiefern sind dafür die "Etablierten" verantwortlich? Haben die den UA Krieg zu verantworten? Ist "Etablierte" jetzt das neue Codewort für "Altparteien"?

    Und nein, natürlich sind sie kein Fan von Blau. Latürnich nicht.

  3. 80.

    Wer bitte ist denn uns ? Nur Sie allein ? Das alles mit linksgrünen Parteifreunden besetzt ist, ist schon lange ein offenes Geheimnis. Es ist das ersehnte Ergebnis des langen Weges durch die Instanzen, der dieses Land so in die Bredouille gebracht hat und noch weiter bringen wird. Deshalb will man auch auf Teufel komm raus an der Macht fest halten. Ich will nicht unnötig unken, aber es könnte mit dieser Konstellation auch letztendlich in einen Krieg münden. Das es wirtschaftlich nicht gut steht, kann man jeden Tag den Medien entnehmen.

  4. 79.

    Ihre ,,AfD“ hat als Einziges das Schlechtreden von Demokratie und Politik, gemäß der Kremldoktrin-Zerstörung demokratischer Strukturen Deutschlands- as Strategie. Es ist mit dieser ,,AfD“ wie Gauland sagte ,,nur ein Fliegenschiss in der Geschichte…“. Meine Meinung!

  5. 78.

    Nennen Sie doch bitte mal ein paar Moderatoren vom ÖRR, von denen bekannt ist, dass sie der AfD nahe stehen. Super wäre natürlich von denen, die Talkshows moderieren oder sogar eigene Sendungen haben.

  6. 77.

    "Sie finden es "nicht schlecht", dass Rechtsextremisten fadür sorgen werden, dass sich ganze Landstriche weiter abhängen werden und Milliarden an Steuergelder einfach so verpuffen?"
    Also ich bin ja auch kein Freund von Blau, aber diese Behauptung entbehrt doch jeder Grundlage. Demokratie herrscht oder sie herrscht nicht. 30% Stimmen sind kein Votum für einen wirtschaftlichen Rückgang, sondern als Protest gegen diesen gedacht, denn momentan sind es ja die Etablierten die den wirtschaftlichen Rückwärtsgang zu verantworten haben.

  7. 76.

    "Ich dachte bisher immer, die wichtigen Positionen bei Behörden und Ämtern sind mit Grünen und Linken durchsetzt und unterwandert, weil man sich auch damit rühmt."

    Beweise für diese rechtsextreme Legende bleiben sie uns sebstverständlich schuldig. Und nein, ihre Telegram Kanäle sind keine Beweise.

    "Bei den Medien ist es ja klar, dass gewisse Parteianhänger keinen Zugang haben."

    Eine weitere rechtsextreme Legende. "Lügenpresse" mal ein wenig anders.

  8. 75.

    Sie finden es "nicht schlecht", dass Rechtsextremisten fadür sorgen werden, dass sich ganze Landstriche weiter abhängen werden und Milliarden an Steuergelder einfach so verpuffen?

    Achja, das ist ja das Motto der rechtsextremen AfD: "Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.

    Man will müsse dafür sorgen, "dass es Deutschland schlecht geht".

    In diesen Zusammenhang ergibt ihre Aussage Sinn. Dafür nehmen AfD Spitzen"politiker" sogar Geld aus dem Ausland an.

  9. 73.

    Ich dachte bisher immer, die wichtigen Positionen bei Behörden und Ämtern sind mit Grünen und Linken durchsetzt und unterwandert, weil man sich auch damit rühmt. Bei den Medien ist es ja klar, dass gewisse Parteianhänger keinen Zugang haben.

  10. 72.

    Im Tagesspiegel ist heute zu lesen, dass es den Menschen in der Lausitz einfach zu gut geht. Zu lange und zu viel sind sie mit Milliarden zugeschüttet worden, je mehr AfD und Gejammer, desto mehr kam das Geld.
    Ich stimmte dieser Einschätzung zu. Der Marshall-Plan ging über vier Jahre und deckte grundlegende Bedürfnisse der Menschen ab, mehr nicht und das am Ende eines Krieges. Die Unsummen die in den Osten selbst nach 35 Jahren noch fließen, führen zu einer "erlernten Hilflosigkeit", die eigen Problemlösungskompetenz wird nicht mehr gefordert - alles soll der Staat machen. Aber es wird so nicht weitergehen (können). Die Absage von Intel wird final sein und der Osten als zukünftiger Industriestandort wählt sich ab, da nützt es auch nichts, dass die bisherige Industrie durch Subventionen entstand.

  11. 71.

    Beide hat man schon mehr oder weniger erfolgreich unterwandert. Warum sonst horten Polizisten und Elitesoldaten, Waffen, Munition und Sprengstoffe?

    Das ist höchst bedenklich, wie auch das Unterwandern der Justiz.

  12. 70.

    ich finde es ziemlich bedenklich, wenn man eine Landtagswahl mit einer Bundestagswahl verwechselt.
    Sowie das man verwechselt was Bundesrecht und Landesrecht ist....naja macht was ihr wollt und immer schön jammern, das fühlt sich gut an wenn man anderen Leuten mal die Schuld geben kann. Obwohl es einem eigentlich gut geht und man sich den Weltuntergang einreden lassen hat.
    Aber mit diesen Leuten Diskutieren macht mir so Spaß, da es meist für mich was zum Lachen ist.

  13. 69.

    Dann ist ihre Wahrnehmung aber eher genau identisch zu der von Hr. Christ. Die von Ihnen genannten Themen spielten im Wahlkampf nämlich überhaupt keine Rolle und genau das hat er och beschrieben. Wahlkampf ging an den eigentlich relevanten Themen für unser Land vorbei.
    Migration, Ukraine und Kritik an der Ampel hat mit unserem Landtag nur sehr wenig bis gar nix zu tun.

  14. 68.

    Politik hat reichlich Mittel um Demokratie abzubauen.
    Allein wenn ich mir das Gerede und Vorschläge der AfD anhöre zersetzt man damit gesellschaftliche Strukturen.
    Offene Kultur einschränken, Geisteswissenschaft an Universitäten als überflüssiges Geschwätz betiteln,
    So fängt es an und wenn solche Leute lenken und steuern dürfen kann dieses Gerede ganz schnell und ohne rechtliche Bremse umgesetzt werden. Und Schritt für Schritt werden die Fundamente unserer Demokratie geschwächt.

  15. 67.

    Woidke handelt genau nach den richtigen Karriere-Schritten. Ob er nun auch wirklich zurücktritt, wird sich zeigen. Gründe nach einer Niederlage zu bleiben, lassen sich immer finden. Auf jeden Fall hat er sich für alle Fälle, ein Türchen für die nächste Wahl offen gehalten. Insofern erstmal alles richtig gemacht !

  16. 66.

    .....machen sich AfD-Wähler denn Gedanken darüber, warum andere Menschen die AfD nicht wählen? Vielleicht wäre es auch mal umgekehrt nicht schlecht. Wieso sollen sich eigentlich andere immer Gedanken darüber machen, warum manche Menschen die AfD wählen? Immerhin wählen ca. 70 Prozent nicht diese Partei und die wichtigsten Gründe sind sowieso bekannt. Es würde mich jedenfalls freuen, wenn AfD-Wähler sich endlich mehr Gedanken darüber machen, was sie da wirklich wählen und nicht die Wähler, für die diese Partei überhaupt nicht in Frage kommt. Sich Gedanken machen ist schließlich keine Einbahnstraße.

  17. 64.

    Hätte Herr Woitke klar und deutlich herausgestellt, wie gut sein Bundesland wirtschaftlich und beim Pro-Kopf-Einkommen dasteht und diese Debatte auch eindeutig vom Problem mit der Ampel abgekoppelt, stünde die Landes-SPD besser da. Dieses "wenn Die gewinnen, bin ich weg" - Gejammer ist genau das Grundfalsche. Wo bleibt seine Größe?

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