Schnelles Internet in Brandenburg - Weiter warten aufs digitale Zeitalter

Mo 26.08.19 | 10:48 Uhr | Von Sascha Erler
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Kirche in Groß Luja (Quelle: rbb/Erler)
Audio: Antenne Brandenburg | 23.08.2019 | Sascha Erler | Bild: rbb/Sascha Erler

Schnelles Internet in jedem Dorf. So oder so ähnlich verspricht das praktisch jede Partei im Landtagswahlkampf 2019. Daran glauben die wenigsten Brandenburger. Weil sie auch 2019 noch im digitalen Nirwana leben. Beispiel: Groß Luja bei Spremberg. Von Sascha Erler

Dass Eva Naparell aus Spremberg (Landkreis Spree-Neiße) bei ihrer Arbeitsstelle im Ortsteil Groß Luja angekommen ist, weiß sie, wenn das Handy keinen Empfang mehr anzeigt. Doch es ist nicht nur der Handyempfang, an dem es in Groß Luja mangelt, auch von Breitband-Internet können die Menschen hier nur träumen.

Bauzentrum in Groß Luja (Quelle: rbb/Erler)
Am Firmencomputer im Bauzentrum in Groß Luja geht das Internet zumindest einigermaßen flott | Bild: rbb/Sascha Erler

Eva Naparell arbeitet am Empfang des Bauzentrums von Michael Nowotnick. Am Firmencomputer geht das Netz einigermaßen flott, sagt sie. Doch dass heutzutage immer mehr online erledigt werden muss, macht dem Chef Sorgen. "Es reicht grade so, aber keiner weiß wie lange noch", sagt er. Besonders ärgert Nowotnick, dass er eine Leitung bezahlt, die 16.000 Kilobit pro Sekunde verspricht, aber maximal 1.000 liefert. Das war vor 15 Jahren schon langsam.

Kirchturm als Funkmast

Während die Menschen in Groß Luja also weiter in der Steinzeit surfen, treibt Brandenburg zumindest nach Aussagen des zuständigen Wirtschaftsministeriums den Breitbandausbau voran. Bereits heute seien fast 70 Prozent aller märkischen Haushalte mit einem Netzzugang versorgt, der eine Datenübertragung von mehr als 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) ermöglicht. Über 42 Prozent hätten sogar Zugang zu mehr als 100 Mbit/s. Und auch im ländlichen Raum sollen demnach knapp 68 Prozent der Haushalte über einen Anschluss mit mindestens 30 Mbit/s und fast 46 Prozent über mindestens 50 Mbit/s verfügen.

Groß Luja gehört hierzu nicht. Und weil die Politik bislang nicht geholfen hat in Sachen Internet, helfen sich die Bürgerinnen und Bürger eben selbst. Die einen schreiben Petitionen an die Telekom. Die anderen versuchen es mit Eigenkonstruktionen: Vom Kirchturm aus versorgt eine Funk-Lösung zumindest einzelne Anwohner mit einigermaßen schnellem, aber recht wackligem, Internet.

"Ich hab drei große Kinder, die studieren. Die Internetverbindung ist so schlecht, dass die überlegen, wann sie ihre Semesterferien hier verbringen können und wann nicht. Teilweise sitzen sie zwei Stunden in Spremberg im Café, nur damit sie eine sichere Internetverbindung haben", erzählt eine Anwohnerin.

"Das versteht der Bürger nicht"

In Spremberger Rathaus funktioniert das Internet. Trotzdem ist Bürgermeisterin Christine Herntier sauer, weil sich seit Jahren nichts tut beim Breitbandausbau in den Ortsteilen der Stadt. "Das ist lächerlich, unglaublich, könnte man viele Adjektive finden", sagt sie.

Neben Adjektiven wären für die Bewohner aber vor allem Antworten hilfreich. Zum Beispiel auf die wichtigste Frage, wann es endlich losgeht. Später, muss es wohl heißen, denn lange hatte der Bund auf veraltete Kupferanschlüsse gesetzt. Erst im letzten Jahr kam die Entscheidung, doch lieber Glasfaser verlegen zu lassen. Die Konsequenz: Sämtliche Planungen müssen nochmal geändert werden. "Dass das so lange dauert, dass man diesen Fehler korrigiert, das versteht der Bürger nicht", sagt Herntier.

"Mal sehen, was die Wahl bringt"

Verständnis hat Michael Nowotnick vom Bauzentrum in Groß Luja tatsächlich längst nicht mehr. Dafür wächst von Tag zu Tag das Gefühl, abgehängt zu sein. Vom Netz, aber auch von der Politik. Die Hoffnung, dass er in absehbarer Zeit ein schnelles Internet haben wird, hat er verloren. "Es soll sich was ändern. Mal sehen, was die Wahl bringt am 1. September, aber wahrscheinlich nicht viel", sagt er.

Das Landesförderprogramm "Brandenburg Glasfaser 2020" hat Groß Luja nicht in die digitale Zukunft katapultiert. Laut Wirtschaftsministerium soll das Bundesprogramm zum Breitbandausbau weitere Verbesserungen für den ländlichen Raum bringen. Das Programm fördert Gebiete, die bislang mit weniger als 30 Mbit/s versorgt sind – das ist in Groß Luja definitiv der Fall. Ob und wann das digitale Zeitalter tatsächlich Einzug hält, wird also leider wieder mal die Zukunft zeigen.

Beitrag von Sascha Erler

10 Kommentare

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  1. 10.

    Das ist typische AfD / SED / Linke Denke, der Staat müsse alles regeln.
    Ja und was würde das bedeuten, das wir alle zur Kasse gebeten werden um auch ein 5 Einwohner Dorf mit Glasfaser auszustatten, echt jetzt.
    Nein ich bezahle schon genug an Steuern und Gebühren es reicht, das können ruhig private Unternehmen machen.
    Meistens scheiterts übrigens wieder an den vielen egoistischen Mitbürgern, die nämlich alles haben wollen, aber nicht vor der eigenen Haustür.
    Sprich ob nun Funkmast oder Gräben fürs Glasfaser, keiner möchte das in seiner Nähe.

  2. 9.

    Stimmt schon. Natürlich sollte ich weiterhin ohne zu Murren diese Zwangsabgabe entrichten, weil ich mich hier ja äußern darf.
    "An Stelle einer Zwangsabgabe muss der Staat m.E. selbst buddeln" ist zugegebenermaßen ein Satz, den ich inhaltlich nicht verstehe und bitte daher um Erläuterung.
    Meiner Meinung nach ist flächendeckendes, nicht zu langsames Internet heutzutage schon wirtschaftlich eine Notwendigkeit und daher etwas, um das sich die Regierung höchstselbst kümmern sollte.
    Es geht mir nicht darum, wer woran Schuld hat, sondern darum, wie man so etwas organisatorisch und logistisch am besten stemmen kann.
    Und der Staat hat nunmal breitere Schultern als jedes Unternehmen und den Unmut seiner "Aktionäre" zu fürchten.
    Oder so gesagt: Welches Angebot Radio und Fernsehen bieten, ist mir relativ schnurz, da ich es zu 99 % eh nicht nutze.
    Überhaupt etwas empfangen und senden zu können, ist jedoch eine Sache von viel größerer Bedeutung.

  3. 8.

    Wir Schweden haben das schon lange mit dem Breitband gelöst. Bei uns hat auch auf dem platten Land, jeder der möchte seinen privaten Glasfaseranschluss. Als noch unser Konzern Vattenfall in der Lausitz aktiv war, gab es mehrfache Angebote unsererseits, Euch bei gleichem Ansinnen zu unterstützen. Das hat aber Eure Landespolitik nie so richtig gewollt.

  4. 7.

    Als strikter Gegner von Rundfunkgebühren nutzen Sie trotzdem die kostenlosen Angebote des Rundfunks... An Stelle einer Zwangsabgabe muss der Staat m.E. selbst buddeln und Kabel verlegen, wenn hier der Markt offensichtlich versagt (aber Glasfaser ist auch sehr teuer...)

  5. 6.

    "Bereits heute seien fast 70 Prozent aller märkischen Haushalte mit einem Netzzugang versorgt, der eine Datenübertragung von mehr als 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) ermöglicht"

    Wer hat denn da recherchiert? Oder besser von irgendjemanden abgeschrieben?

    Ich lebe in Eberswalde, eine Stadt mit 40000 Einwohnern, ca. 60 km von Berlin entfernt. Hier bieten 1 & 1, O 2, Vodafone und Telekom 16 Mbit/s an. Besonders perfide, die Telekom bietet einen Hybrid-Anschluss in der Kombination DSL und LTE an, obwohl in meiner Straße, aufgrund ihrer Lage, kein LTE verfügbar ist. Aber was soll's, ich zahle ja auch für 16 Mbit/s obwohl weniger ankommt.

    Solange o.g. Aussagen und Statistiken weit voneinander abweichen muss sich die Brandenburger Regierung nicht wundern warum sie demnächst abgewählt wird.

    Ach ja, es gibt tatsächlich eine stündliche Zugverbindung in total überfüllten Zügen nach Berlin. Auch hieri ändert sich nichts, obwohl entsprechende Gelder beim Bund abgerufen werden könnten.

  6. 5.

    was sagt eigentlich der potentielle Bewerber oder Azubi, wenn die Personalabteilung fürs Vorstellungsgespräch einen Video-Chat haben will? "Moment mal, ich fahr gerad nach Berlin innen Späti, da ist ein Internet-Cafe nebendran"?? Gibt's eigentlich noch Internet-Cafes? In Berlin, wo überall (fast..) schnelles Internet und Handyempfang vorhanden sind?

  7. 4.

    Mein Schwager hat ein Architekturbüro im nördlichen Barnim. Immer wenn er Zeichnungen empfängt, dann dauert es manchmal bis zu einem halben Tag bis zum Komplettdownload. Er überlegt jetzt nach Bernau zu ziehen oder an den Stadtrand von Berlin. Das heißt letztendlich: Leerstand und wieder ein paar arbeitslose Sekretärinnen und Hausmeister mehr...

  8. 3.

    mit der Bundespost wäre das wohl nicht passiert - sicherlich hätte es auch seine Zeit gebraucht bis jede Gemeinde eine Breitbandanschluss oder Funknetz bekommen hätte, denn seit der Privatisierung sind die Nutzer vom Bürger zum Bittsteller degradiert und dem Wohlwollen einer handvoll Unternehmen unterworfen worden.

  9. 2.

    Auch in Tempelhof wohnt man diesbezüglich noch stellenweise in einem Entwicklungsland.
    Und im Zeitalter von Cloud Computing, Videoübertragungen sowie kommender Diensten wie "Google Stadia" und "xCloud" wird dieses Handicap mehr und mehr zum Problem, denn all das setzt eine schnelle und vor allem zuverlässige Internetverbing voraus.
    Als strikter Gegner von Rundfunk- und Fernsehgebühren hätte ich sogar Verständnis dafür, solche Zwangsabgaben durch eine ausschließlich für Schaffung und Erhalt einer schnellen Internet-Infrastruktur zu ersetzen.

  10. 1.

    *lach* Zitat: "Bereits heute seien fast 70 Prozent aller märkischen Haushalte mit einem Netzzugang versorgt, der eine Datenübertragung von mehr als 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) ermöglicht" - genau, das sind die, die im Speckgürtel wohnen. Von 2,4 Mio Einwohnern leben 1 Mio um Berlin herum im Speckgürtel, weitere 700.000 in den (größeren) Städten (Wikipedia), wo es vermutlich tatsächlich schnelles Internet gibt. Das sind genau 70 %, die fast alle online sind. Also nur Speckgürtel und Städter. Wie oben zitiert.

    Und dann sind die 700.000 übrigen Brandenburger also offline. Aber is ja egal. Die leben auf dem Land verstreut. Und um so´n paar blöde Wähler kümmert man sich doch nicht... sch.. drauf, die wählen doch eh alle AfD...

    Genau, den die verspricht, genau wie die SPD und die FDP, das beseitigen der Funklöcher *lach* wie denn? Gehen die selber buddeln? Wenn die Telekom nicht will (lohnt sich nicht, 700.000 Landeier), dann macht sie gar nix.

    Schöne, neue, digitale Welt...

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