Wahlkampfthema Infrastruktur - "Ich finde, der Bus sollte häufiger kommen"

So 18.08.19 | 11:25 Uhr | Von Karsten Steinmetz
  12
Bushaltestelle Schönholz bei Rhinow, Brandenburg, Deutschland (Quelle: imago images/Steiner)
Audio: Antenne Brandenburg | 14.08.2019 | Karsten Steinmetz | Bild: imago images/Steiner

Die Infrastruktur auf dem Land ist nach wie vor eines der größten Probleme Brandenburgs. Viele Bahnstrecken sind nach 1990 stillgelegt worden. Das bedeutet aber nicht, dass wenigstens die Busse häufig fahren würden. Von Karsten Steinmetz

An der Bushaltestelle auf der B102 ist weit und breit niemand zu sehen. Der Bus Richtung Rathenow hat Rhinow vor einer halben Stunde verlassen. Der nächste kommt erst in anderthalb Stunden.

Morgens fahren die Busse zwar regelmäßiger als jetzt am späten Vormittag. Um damit zur Arbeit nach Rathenow zu fahren, bieten sie sich trotzdem nicht an, erzählt ein Rhinower, der an der B102 gerade sein Gartentor repariert. "Ich hab's mal eine Zeitlang versucht. Morgens hat es auch gut geklappt", sagt er. Doch nachmittags musste er stets lange warten. "Dann bin ich irgendwann aufs Auto umgestiegen."

Immerhin: Die B102 ist gut ausgebaut, der Verkehr rollt. "Und es hat doch jeder hier ein Auto", ergänzt der Heimwerker und zuckt mit den Schultern. Er fühle sich in Rhinow auf keinen Fall abgehängt.

Ist ja richtig, sagt Lisa Mertens, eine gebürtige Rhinowerin, die mittlerweile in Wolfsburg lebt und in der Bäckerei und Konditorei von Rhinow gerade Kaffee trinkt. "Aber was ist denn mit den Jugendlichen, die noch keinen Führerschein haben? Die kommen doch abends hier nicht weg. Ich finde, der Bus sollte häufiger kommen."

Der Zug ist abgefahren

Diesen Wunsch hegt auch Stefan Schneider, der ehrenamtliche Bürgermeister von Rhinow. Der Ort hat zwar nur 1.700 Einwohner, besitzt aber seit dem 13. Jahrhundert das Stadtrecht. Auch Schneider würde den Bus gerne häufiger durch Rhinow fahren sehen. "Gerade die Schüler wünschen das. Wenn mal eine Schulstunde ausfällt, müssten sie nicht mehr so lange warten."

Punktuell habe es Verbesserungen in diesem Jahr gegeben, teilt das kommunale Verkehrsunternehmen "Havelbus" mit. Mehr sei nicht vorgesehen. Bürgermeister Schneider reicht das nicht. Viel Unterstützung vom Landkreis erhält seine kleine Stadt nicht; die 2,75 Millionen Euro Fördermittel vom Land für den ÖPNV im Havelland für 2019 sind schnell an anderer Stelle aufgebraucht.

Früher konnten die Rhinower noch mit dem Zug nach Rathenow oder Neustadt/Dosse fahren. 2003 wurde die Strecke stillgelegt. Das Land plant auch nicht, sie wieder in Betrieb zu nehmen. Dieser Zug ist abgefahren.

"Bis Friesack sind Gespräche nicht mehr möglich"

"Okay", sagt Bürgermeister Schneider, während er durch Rhinow spaziert und links und rechts Fußgänger grüßt. Irgendwie hätten sich doch alle halbwegs auf die Situation mit löchriger Busverbindung und ohne Zug eingestellt. Aber die Baustelle Mobilfunk sei nur schwer hinnehmbar. "In Rhinow geht's ja noch", sagt Schneider. Aber schon ein Kilometer außerhalb des Orts breche jede Verbindung ab. "Bis Friesack sind Gespräche nicht mehr möglich." Ein ernstes Problem vor allem, wenn ein Notruf zum Rettungsdienst abgesetzt werden soll.

Bürgermeister Schneider ist SPD-Mitglied, seine Partei regiert Brandenburg seit 29 Jahren. Dennoch nimmt er kein Blatt vor den Mund: "Von einem vernünftigen Standard sind wir Lichtjahre entfernt", klagt der Ehrenamtler.

Bestellwesen und Materiallager mit ISDN-Anschluss digitalisiert

Auch schnelles Internet bleibt noch ein Wunschtraum für die Rhinower. Ein Problem stellt das für den größten Arbeitgeber in der Stadt dar. Das Maschinenbau-Unternehmen Rexrodt hat Bestellwesen und Materiallager digitalisiert – mit einem alten ISDN-Anschluss. Neue Glasfaserkabel sollen verlegt werden – allerdings gibt es Ärger mit Anwohnern, unter deren Grundstücke die Kabel liegen sollen.

Rhinow sei eine schöne, kleine Stadt, lobt derweil ein Berliner Ehepaar, das gerade beim örtlichen Fleischer Station macht. Das langsame Internet und abbrechende Telefonverbindungen interessieren sie wenig. Wurst und Schnitzel seien aber so gut, dass sich selbst ein großer Umweg oder eine längere Anreise lohne.

Mit dem Auto. "Wie denn sonst?", fragen die beiden.

Beitrag von Karsten Steinmetz

12 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 12.

    Mit anderen Worten: "Der Rettungsdienst in Brandenburg hat massive Probleme" - https://www.maz-online.de/Brandenburg/Rettungsdienst-in-Brandenburg-kommt-oft-zu-spaet

  2. 11.

    Sie wollen es anscheinend nicht verstehen. Vielleicht sollten Sie mal einen Unfall auf dem Land erleiden, dann werden Sie merken daß Sie mit GPS sic! keinen Notdienst rufen können.

  3. 10.

    Wenn man gute Angebote hätte, würden auch mehr Leute fahren, wenn man denn weiß, dass auch was fährt zu bezahlbaren Preisen. Wenn nur dreimal am Tag ein Bus fährt, bleiben die Busse halt leer.

  4. 9.

    Öfter kommen, könnte womöglich die Regierungsparteien Brandenburgs überfordern.

  5. 8.

    Guter und bezahlbarer ÖPNV ist Bündelverkehr mit wirtschaftlicher Arbeitsteilung attraktiver Verkehrsmittel. Wenn nur zwei Leute im Bus sitzen, dann ist entweder die Gegend menschenleer oder das Verkehrmittel unattraktiv. An Beidem kann man arbeiten. Doch ich wiederhole mich: Dazu braucht man einen Plan für ein gutes und bezahlbares Angebot.

    In Wikipedia steht dagegen:
    "Der Abschnitt Rathenow–Neustadt (Dosse) wurde am 31. Mai 2006 stillgelegt. Nachdem die anliegenden Gemeinden kein Interesse bekundet hatten, die Strecke zu erwerben, erfolgte dies 2009 durch die Havelbahn-Grundstücksentwicklungsgesellschaft, die einen Draisinenbetrieb einrichten wollte. Als dies scheiterte, wurden zunächst die Schienen abgebaut und danach soll bis März 2013 die Strecke von Schwellen und Schotter befreit werden, damit die Grundstücke vor allem an die Anliegergemeinden verkauft werden können."

  6. 7.

    Wer das Land Brandenburg im Interesse seiner Einwohner gut erschließen will, braucht zunächst einmal einen Plan. Doch bei allen Brandenburgischen Verkehrsministern gab es keinen, der sich erkennbar für kleine Gemeinden eingesetzt hätte. Stattdessen wurde Stückwerk produziert, so weit das Auge reicht: Die Fläche stirbt aus und Berlin/Potsdam quellen über.

    Die Brandenburgische Städtebahn war einmal eine bedeutsame Nebenbahnlinie, verband sie doch die fünf von Berlin ausgehenden Magistralen nach Halle, Dessau, Magdeburg, Stendal und Wittenberge auf kurzem Wege ohne den Umweg über Berlin fahren zu müssen. Bis auf den Restabschnitt Brandenburg - Rathenow, wo die ODEG mittlerweile einen attraktiven Triebwagenbetrieb anbietet, wurde der Rest der Strecke weitgehend abgebaut, nachdem man mit parallelem Busverkehr die Fahrgäste der Eisenbahn minimiert hatte.

    Zukunftsweisende, umweltschonende Verkehrspolitik sieht anders aus. Mit der kommenden Wahl lässt sich das ändern.

  7. 6.

    Das beschreibt nicht nur Rhinow, sondern ganz komplett Brandenburg. Es fehlt Kommunikation und Wissenserwerb(Internet, Handyempfang), Nahrung (Läden), Gesundheit (Ärzte, kleine Polikliniken) und Mobilität (mind. ein Bus pro Stunde und Richtung, auch in den Schulferien!). Hat man das alles nicht, wird man leider "dumm", also ein "Land-Ei", da ist das dreistellige Nummernschild leider prägend, jeder kennt die eigentliche Bedeutung von OHV und co. Wer keine Möglichkeiten hat, hat keine Wahl. Wer keine Wahl hat, wählt seltsam, zum Beispiel die "Abgehängte für Deutschland"-Partei, denn abgehängt wurden die Brandenburger. Komplett.

    Da das hier der rbb ist, versuche ich, nicht über Ostwestfalen-Lippe oder das Emsland zu schreiben. Da ist es zwar moderner, weil die DDR-Zeit fehlt, aber ooch keen Bus, Laden, Handyempfang... total tote Hose.

    Als wolle man in Deutschland die Landbevölkerung über diese "Maßnahmen" abschaffen, mit System....

  8. 5.

    In anderen Gegenden hat man sich gefreut, dass die Bahnstrecke nicht nur stillgelegt, sondern auch gleich entwidmet wurde. Dafür gab es dann einen Radweg auf der Trasse.

    An Regionalisierungmittel für den SPNV überwies der Bund 2016 481 Millionen Euro nach Brandenburg. Ausgegeben wurden davon 366 Millionen Euro, davor sah es ähnlich aus.

  9. 4.

    Kein einfaches Thema. Die wenigen möglichen Verbindungen wegen fehlenden Bussen auf der letzten Meile k..zt mich auch regelmäßig an. Andererseits sitzt man auf dem Land oft genug zu zweit im Bus (und einer ist der Busfahrer). Da muss man schon zugestehen, dass irre viele Linien am Tag wirklich nicht wirtschaftlich wären.

  10. 3.

    wenn es Mobilfunk im Dorf gibt, aber irgendwo in der Natur nicht, dann weiß ich nicht warum das so schlimm ist. GPS funktioniert doch überall und warum geht man in den Wald zum surfen?

  11. 2.

    Die Wünsche der Einwohner von Rhinow sind gut zu verstehen. Aus meiner Sicht empfehle ich eine Bürgerinitiative zu gründen und dann die Wünsche nach der Wahl den neu gewählten Abgeordneten im Verkehrsausschuss des Landtages in Potsdam energisch und wiederholt vorzutragen.

    Peter Cornelius
    Vorsitzender des Landesverbandes Berlin-Brandenburg des Fahrgastverbandes PRO BAHN e.V.
    (der sich auch als zuständig für Bus-Verbindungen ansieht !)

  12. 1.

    Und die SPD wundert sich, warum sie in Brandenburg nicht mehr gewählt wird? Ich würde ja auch gerne öfters mit Zug uns Bus fahren, aber es ist meist schlicht nicht möglich. Die Zugverbindungen sind nur Richtung Berlin vorgesehen, Querverbindungen wurden alle eingestellt. 2003, ja genau, da regierte ja auch Grün im Bund mit. Aber die haben gegen die massenhafte Einstellung von Zugverbindungen auch nichts gemacht. Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Wo bleibt zumindest der massive Ausbau des Busliniennetzes in Brandenburg? Vor allem auch über die Landkreisgrenzen hinaus?

Das könnte Sie auch interessieren