Wahlanalyse - Warum Woidke ein schwieriger Koalitionsaufbau bevorsteht

Mo 02.09.19 | 07:38 Uhr
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Benjamin Raschke (l-r), Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen, Kathrin Dannenberg, Spitzenkandidatin der Partei Die Linke, Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident, Ingo Senftleben, Spitzenkandidat der CDU, Péter Vida, Landesvorsitzender von BVB/Freie Wähler, stehen am 01.09.2019 bei der TV-Runde bei der ARD mit Moderator Sascha Hingst zusammen. (Quelle: rbb)
Audio: Antenne Brandenburg | 02.09.2019 | Torsten Sydow | Bild: rbb

Wenn Dietmar Woidke in Brandenburg weiter regieren will, muss er eine Dreierkoalition bilden. Die Voraussetzungen sind alles andere als günstig: CDU und Linke wurden abgestraft, die Grünen müssen Ambition und Realität zusammenbringen. Von Michael Schon

Ein historisch schlechtes Ergebnis, die Wahl aber trotzdem gewonnen: SPD-Spitzenkandidat Dietmar Woidke war die Erleichterung schon bei der Prognose um 18 Uhr deutlich anzusehen. 26,2 Prozent sind für die SPD in Brandenburg eigentlich ein desaströser Wert. Die Partei regiert hier seit der Wende ununterbrochen, stand bislang unangefochten an der Spitze. Zu einer historischen Zahl passt ein historischer Vergleich: Selbst im Jahr 2004 schaffte die SPD noch fast 32 Prozent. Damals hatte die rot-grüne Koalition im Bund gerade die Hartz-IV-Gesetze beschlossen. Im Wahlkampf waren Eier auf den Spitzenkandidaten Matthias Platzeck geflogen.

SPD punktet mit Anti-AfD-Wahlkampf

Nun also die Herausforderung AfD. Woidke hat sie mit einer Strategie beantwortet, die bis zuletzt auch manche seiner Genossen für hoch riskant befunden haben: maximale Konfrontation.

"Die oder wir": "Die", das war die AfD, die Woidke im Wahlkampf permanent als Hauptgegner bezeichnet und dabei stets als undemokratisch gebrandmarkt hat. Das "Wir", die SPD, war als Partei für die Wähler eigentlich ein Fall für die Abwahl - aber mit einem bewährten Spitzenmann, der als bürgernah und kompetent gilt, ging das Kalkül auf. Auch wenn Kritiker wohl zu Recht bemängeln, dass diese Strategie die AfD noch stärker gemacht hat als sie es ohnehin gewesen wäre.

Woidke bleibt nur die Dreierkoalition

Woidke konnte den Wahlabend also relativ entspannt Revue passieren lassen. Er wird als Wahlsieger Ministerpräsident bleiben. Danach sah es in den Umfragen der letzten Wochen nicht immer aus. Er hat die AfD auf Platz zwei verwiesen und damit ein Kopf-an-Kopf-Rennen für sich entschieden. Und er hat bewiesen, dass die SPD in Brandenburg nach wie vor Wahlen gewinnen kann.

Die Sozialdemokraten müssen nun allerdings in eine Dreierkoalition, wenn sie weiter regieren wollen. Zur Wahl stehen dabei Partner, die am Wahlabend Federn gelassen haben. Entweder weil sie noch mehr verloren haben als die SPD - oder weil sie weniger stark gewonnen haben als erwartet. Das kann die zukünftigen Juniorpartner demütig machen - oder kompliziert, weil sie nun möglicherweise interne Kämpfe um den richtigen Kurs ausfechten müssen.

CDU: Ergebnis schlecht, Spitzenkandidat beschädigt

Zum einen ist da die CDU: Abgestürzt auf 15,6 Prozent. Sie wurde bestraft für den Kurs ihres Spitzenkandidaten Ingo Senftleben, der seine Partei und die Wähler verunsichert hatte, nicht zuletzt mit der Ankündigung, notfalls auch mit der Linken in eine Koalition zu gehen.

Senftleben stand in der Flüchtlingskrise fest an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Seine Landes-CDU führte er sehr weit nach links und öffnete sie für eine Koalition mit den Grünen. Sein Versuch, die Landesliste gleichberechtigt mit Frauen und Männern zu besetzen, scheiterte jedoch bereits beim jüngsten Parteitag. Bis dahin galt er als Versöhner, der einen notorisch zerstrittenen Landesverband geeint hatte. Spätestens jetzt dürften die alten Gräben wieder aufbrechen.

Die Linke: Nach fünf Jahren rot-rot am Boden

Zum anderen ist da die Linke. Für sie endet die Wahl in einem Desaster. 10,7 Prozent bedeutet Platz vier, noch knapp hinter den Grünen. Für den Absturz dürfte es ein ganzes Bündel an Ursachen geben: Linke-Wähler, die ihr Kreuz bei der SPD gemacht haben, um die AfD zu verhindern, oder das Spitzenduo Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter, das im Land praktisch unbekannt war, oder die nun zehnjährige Regierungszeit, in der die Linke zwar zuverlässig zu ihrem Koalitionspartner SPD stand, dafür aber selten glänzen konnte und ihr Image als Protestpartei ablegen musste. Eine Erfahrung, die möglicherweise nicht für einen Wiedereintritt in die Landesregierung motiviert.

Die Grünen: Auf dem harten Boden der Tatsachen

Auch Bündnis 90/Die Grünen dürften sich nach einem Höhenflug in den Umfragen mehr vom Wahlausgang versprochen haben. 10,8 Prozent sind für sie zwar ein Rekordergebnis. Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher musste sich im Wahlkampf aber bereits mit der Frage auseinandersetzen, ob sie sich auch das Amt der Ministerpräsidentin zutraue. Eine Regierungsbildung ohne die Grünen ist nach Lage der Dinge nahezu ausgeschlossen. Aber auch sie müssen erkennen, dass ihre Themen nicht in ganz Brandenburg verfangen. Zwar ist der Kampf gegen den Klimawandel und für eine nachhaltige Landwirtschaft auch vielen Wählern in Brandenburg wichtig. Allerdings gilt das vor allem für die Gegenden, die weit von der Lausitz entfernt sind – dem Kohlerevier in Brandenburgs Südosten. Dort überwiegt die Sorge vor einem überhasteten Kohleausstieg.

Freie Wähler im Aufwind, FDP bleibt draußen

Ein überraschender Gewinner der Wahl sind die Brandenburger vereinigte Bürgerbewegungen/Freie Wähler (kurz BVB/Freie Wähler). Sie erreichen exakt fünf Prozent und ziehen damit in Fraktionsstärke in den Landtag ein. Ein Erfolg, den Spitzenkandidat Péter Vida fast im Alleingang zäh errungen hat. Vida bietet sich als Anwalt von Bürgerinteressen an. Er hat im vergangenen Jahr per Volksinitiative die Abschaffung der Straßenbaubeiträge in Brandenburg entscheidend angestoßen. Theoretisch ist sogar eine Regierungsbeteiligung möglich: Zusammen mit SPD und CDU hätten sie eine Mehrheit. Allerdings setzt Vida nach bisherigen Aussagen eher auf ein System mit wechselnden Mehrheiten.

Die FDP spielt in Brandenburg weiterhin keine Rolle. Die Tatsache, dass Generalsekretärin Linda Teuteberg von 2009 bis 2014 für die Liberalen im brandenburgischen Landtag saß, konnte das Blatt für die Partei nicht wenden. Sie scheitert erneut an der Fünf-Prozent-Hürde. Wenn auch deutlich knapper als vor fünf Jahren.

20 Kommentare

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  1. 20.

    Leider verwechseln Sie die Zustimmungswerte für den Senat mit den Wahlabsichten, die in Umfragen genannt werden. In diesen liegen SPD, Grüne und Linke auf Berliner Landesebene zusammengerechnet seit langem stets so um 55 Prozent (und in jedem seit der Wiedervereinigung gewählten Abgeordnetenhaus gab es eine rot-rot-grüne Mehrheit). Die jüngste Umfrage, veröffentlicht vergangenen Samstag, sagt: 57 Prozent.

    Bitte schauen Sie sich diese Zusammenstellung von Umfrageergebnissen der letzten Jahre an:
    http://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/berlin.htm

  2. 19.

    Und der jetzige rrg Senat hat mehr zustande gebracht als der vorhergehende rot-schwarz.
    Alles klar! Im Bildungsmonitor 2019 Tabellenletzter aller Bundesländer, beim Großflughafen BER total blamiert! Das sind nur zwei Beispiele von katastrophalen Ergebnisse von den jetzigen rrg-Senat! Und Sie sprechen hier von Erfolgen! Kann ich auch als Außenstehender nicht nachvollziehen!

  3. 18.

    Und der jetzige rrg Senat hat mehr zustande gebracht als der vorhergehende rot-schwarz.

  4. 17.

    Sie lesen wohl zu viel klatsch und Tratsch, die Zustimmung für den RRG Senat liegt aktuell bei unter 30%,sie verwechseln wohl die Zahlen oder wollen es nicht wahr haben, das RRG keine zählbaren Erfolge vorweisen kann, also bitte sie sollte mal die richtigen Lektüren lesen und nicht die Parteizeitungen.

  5. 16.

    In den Umfragen liegt RRG bei 57 Prozent. Bei der Wahl vor 3 Jahren waren es 53 Prozent.

  6. 15.

    Ein interessantes Wahlergebnis. Und da hier so Viele ihre Wünsche äußern, vielleicht liest ja unser MP auch ab und zu RBB24, hab ich auch nen Wunsch. Niemals dürfen GRÜNE in Regierungsverantwortung in Brandenburg, niemals. Keine Bevormundung und keine Deindustrialisierung durch GRÜNE. Knapp 90% der Wahlberechtigten in BRDBG wollen KEINE GRÜNEN, Herr MP. . Und da es rechnerisch möglich ist, gefiele mir SPD / CDU (ohne den INGOOOOO) und dazu BVB. Wohin R2G führt, sehen wir mit Erschrecken in Berlin. SED-Mitglieder im Senat, für mich ein "no go". Niemals mehr Bevormundung und schikanöse Verbote. Aus diesem Grund kein R2G geführtes Brandenburg. Niemals!!! Bitte !!!

  7. 14.

    Soll das ein Scherz sein? Schauen sie sich nur den Bildungsmonitor 2019 an, der sagt alles zu RRG:
    https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/08/bildungsmonitor-2019-schlusslichter-berlin-brandenburg-azubimangel-abbrecherquote.html

  8. 13.

    Ha Ha, ich lache mich tot, der jetzige RRG Senat in Berlin, hat jawohl null komma nix bisher zu stande bekommen, ausser Spesen nichts gewesen, nennen sie mir nur einen zu erwähnenden Erfolg, steigende umfragewerte für RRG, wo haben sie denn das aufgenommen, im neuen Deutschland oder bei den Demos der Grünen, Berlin hätte keine RRG Mehrheit mehr bei Neuwahlen und Herr Müller ist einer der unbeliebtesten Poliker gefolgt von Frau lompscher und Frau pop, also halten die mal den Ball ganz flach...

  9. 12.

    Wenn RRG kein Mensch brauchen würde hätte diese "übliche" Koalition keine Mehrheit. Sowohl beim gestrigen Wahlergebnis in Brandenburg, als auch bei den Umfragewerte für Berlin. Und der jetzige rrg Senat hat mehr zustande gebracht als der vorhergehende rot-schwarz.

  10. 11.

    Laut der Sitze hätten beide Koalitionen exakt 45 Sitze. Bei 88 Sitzen insgesamt reicht das.
    https://www.rbb24.de/politik/wahl/Landtagswahl/

  11. 10.

    Vielleicht etwas konkreter, rein rechnerisch würde es reichen, was ich meine die SPD muss mit dem Klammersack gepudert sein das in Erwägung zu ziehen. Eine Stimme Mehrheit miti BVB die sich im letzten Landtag innerhalb kürzester Zeit selbst zerlegt haben. Das wäre eine Steilvorlage für die Alternativlosen.

  12. 9.

    <<<Sehe ich genauso: warum nicht SPD/CDU/BVB-FW versuchen.<<<
    Weil die keine Mehrheit haben!
    Ohne die Grünen geht nichts und das die gute Nachricht.
    Ob es hier wirklich vorwärts geht liegt an der SPD. Ob die begriffen haben das diese Wahl die letzte Chance ist wird sich im Koalitionsvertrag zeigen. Herr Woidke wird sich zwischen Brandenburgs Zukunft oder weiter Knecht der Kohlelobby entscheiden müssen.

  13. 8.

    Die Grünen haben weder mit Umwelt noch mit Menschen irgendwas am Hut. Der Apokalypsenglauben, den Grüne und ihre Anhänger für "Umweltschutz" halten, ist menschenfeindlicher Quatsch. Tatsächlichen Umweltschutz haben früher andere gemacht, heute macht ihn niemand. Ich stimme Ihnen ansonsten in der Einschätzung zu, dass man die Grünen als rechte Partei zu bezeichnen hat, Stichwort die von Grünen (mit)beschlossenen HartzIV, befristete Verträge, Leiharbeit usw.

  14. 7.

    Ich wundere mich hier, dass hier nicht die Möglichkeit einer SPD/CDU/BVB Koalition erwähnt wird. Inhaltlich näher beieinander sind diese Parteien sich allemal und 45 Sitze hätten sie.
    Oder gefiele dies dem RBB nicht?

  15. 6.

    Sehe ich genauso: warum nicht SPD/CDU/BVB-FW versuchen. Vielleicht würde diese Koalition auch der Polarisierung im Land entgegen wirken.

  16. 5.

    Es wird Zeit, daß sich Herr woidke von den Linken trennt, denn links bedeutet Stillstand und Rückschritt, woidke sollte lieber schwarz und die freien Wähler mit ins Boot nehmen, nur so kann Brandenburg die Legislaturperiode erfolgreich überstehen, so eine RRG Senat wie in Berlin braucht kein Mensch und bringt nichts zu stande.

  17. 4.

    "Dort überwiegt die Sorge vor einem überhasteten Kohleausstieg."

    Eine unberechtigte Sorge. Die brandenburger Grünen können keinen (überhasteten) Kohleausstieg herbeiführen. Und ganz ohne die Grünen bzw. der Politik findet der Kohleausstieg in Brandenburg bereits in dieser Legislaturperiode statt. Der Tagebau Jänschwalde wird vom Betreiber 2023 geschlossen. 700 direkte Arbeitsplätze sind davon betroffen.

  18. 3.

    Das Problem ist, dass das Land eine Art Handeln braucht, die die Bevölkerung nicht gutheißt. Die Energiewende sollte das große Zukunftsprojekt Brandenburgs werden. Es gibt endlos Arbeit(splätze) beim Ausbau der Windkraft, bei der Häuserdämmung, etc etc. Stattdessen verbeißen sich die Wähler in die Vergangenheit und setzen weiter auf den katastrophalen Braunkohletagebau. Hauptsache kein Windrad in Sichtweite.

  19. 2.

    Es ist an der Zeit, endlich die ausgetretenen Polit-Pfade zu verlassen und sich von den überlebten Linken zu trennen. Ich denke nicht, dass Brandenburg so ein Desaster, wie es in Berlin mit r2g abläuft, gut zu Gesicht stehen würde! Verständlich ist, dass niemand mit der AFD koalieren möchte, aber warum nicht der CDU mal eine Chance auf Verantwortung einräumen? Dazu die Freien Wähler, die ohne lautes Getöse einfach Dinge in Gang setzen und bewegen, die die "große Politik" in Jahrzehnten nicht geschafft hat! Der (erwartete) Paukenschlag des AFD-Wahlergebnisses sollte doch endlich mal als Weckruf verstanden werden, dass es so nicht weitergeht, dass das Land nicht Sprüche sondern Handeln braucht. Anderenfalls könnte es bei den nächsten Wahlen noch viel schlimmer kommen, geschuldet auch der Hilflosigkeit im Lausitzer Kohlerevier...

  20. 1.

    Was hat eine Zusammenarbeit mit den Grünen mit "Partei nach links rücken" tu tun!? Gar nichts! Nach dieser Logik kann niemand eine Koalition eingehen .
    Seit wann ist sich um Unwelt und alle Menschen im Land kümmern "links"? Das ist normal.

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